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binde nie lengne» kann, das; die bunt gepuderten und geschmink ten Wese» in ihrer wiedersprechenden Kleidung — wie Polartiere im Pelz, halb wie Tropenbemohner in Seide gekleidet — deren, Schalten nachts die elektrischen Sonnen auf das Pflaster der Großstädte werfen — widerlegen könnte, daß auch diese zu ihrem Geschlcchle zähle», wenn auch der Abstand so groß, wie die Höhe des Mount Everest, von der größten Meerestiese im Stillen Ozean. Aber nun zur Sache: Wenn Kassandra, die prieslerliche Frau aus der Phantasie Schillers aus einmal leibhaftig würde, wallte in ihrem klassischen Gewände aus Erden, in ihrer vor- nekmcn Züchtigkeit — dann würden sich alle Salons weit össnen, und an den Toren ständen Frauen und Männer, sich tief in Ehr furcht verneigend: aber wenn da mal eine kommen sollte aus der Großstadt — solche Asphaltblume — dann „Pfui" und alles be kreuzigte sich. Sollte jedoch eine höhere Tochter von heule oder deren erwachsener Bruder solche Dirne aus dem Lande der Musik, deren geistiger Vater ein Geistesprolet ist, noch nicht in ihrem Notenrepertoire haben, dann gesteht sie verlegen: „Ja, ich bin nicht aus dem Lausenden geblieben, aber ich mar auch vier zehn Tage stark erkältet, wollte heute nachmittag ausgehcn und iverde bestiinmt daran denken." Tie Schlager der guten alten Zeit — welche wohl gnädig genommen nach bis zur Revolution reicht, mit dieser aber ein radika'es Ende findet — waren nach so naiv und harmlos, man denke nur an die Worte: ..Mein Herz, das ist ein Bienenhaus." oder: „Ist denn kein Stuhl da sür meine Huda." Und trotzdem war ihnen noch nicht überall der Zugang gewährt, nur einfach aus dem etwas hochmütigen Grunde, weil sie sich nach Jl.ngens- art auf der Straße Herumtrieben und sich somit den Namen „Gassenhauer" zu,ragen: aber direkt unanständig - nein — könnte ich nicht behaupten. Als mit dem Ende des Weltkrieges der Stern einer neuen Zeit über der Erde aufging, besonders Europa mit seinem zweifelhaften Lichte erleuchtend, brauchte man sich nicht so zu salbadern. Hemdärmel wurden zulässig im Salon und der Schillerkragen bei „Hofe". Frau Gleichberechti gung, die ihrem Höckerkarren als Lumnenfammlcrin von Ruß land ausrog. über alle Staaten, hatte sich einen proß.-n Sack mitgebracht, um alles vom Aristokratischen bis zum Bürgerlichen zu sammeln. Diese einfache, schlichte Frau — wer wollte es ihr verargen, — daß sie nicht unterscheiden konnte und auch selbst die guten Sitten, den Anstand, sogar die alle schöne Kunst, mit hinein wurschtelte, ja sie hat „Reibbach" gemacht, man kann's »hr nicht verdenken, denn jeder nimmt, ivas er bekommt, wir aber müssen nun auch mit dem Nest, den sie uns ließ, zufrieden lein. Es sah aber doch etwas kahl an de» Wanden unserer neuen Zeit — dank schulden wir von allen Dingen den beiden smarten Jünglingen, die uns so ganz über Frühl.ngsnncht „Aus gerechnet Bananen" geschenkt. Erotisch mußte ja alles Neue sein, das war billige Voraussetzung, unzweideutig eindeutig — damit hatte man sich auch schon abgesunden. Jetzt gal! es noch eines: Durste man auch blödsinnig werden ln diesen Ncuschöp- sungen, würde die „Neue Well" solches ann 'hincn. oder deutlicher — würde es ihr nicht ausfallen, würde sie sich dessen nicht bewußt, daß es Blödsinn war, was man ihr verabfolgte? „Benanen", das waren die Fühler — und wirklich das Volk war reif — Jubel überall — die Reklameindustrie riß diese glä» ende Idee sür ihre Zwecke an sich und nur die Kultusministerein, die sich in den letzten Fahren doch sonst so fortschrittlich gezeigt, bewirten eine unverantwortlich zögernde Haltung in d-esem Falle. Auch ist meine Enttäuschung nicht gering, datz ich die hochaktuellen Worte: „Ausgerechnet Bananen" noch nicht aus Schleifen von Grabkränzen gefunden. Jetzt wieder zu „Radio" zurück. „Radio* vereinigt unbe dingt alles Zeitgemäße in höchster Vollendung, als da sind: Geist losigkeit — Nacktheit in der Wiedergabe der Idee -- Gemeinheit im Ausdruck — kur-um, alles, was der Augenblick von einem hypermodernen Menschen verlangt. Aber heute ist höchstens noch „so'n Kitsch" von einem Kkassiker etwas Billiges, wo ich Bände — sogar in Halbleder — für zwei Mark sah, und ein wirklich neuer Schlager kostet be stimmt drei bis vier Ma-ck. In der glücklichen Loge, das anzu legen. bin ick leider nicht, so will ich denn in Zukunft meinem Neid in der Weise Lust machen, indem ich. wo es auch immer sei. Im Salon oder an der Oessentlichkeit, wenn solch neuer Schlager steigt — zum Protest, — meinen Hut aufsetze. NuiTsr senäuvunAm »Inö s»e Niiutunrelnlxlielten u. NautsusrckIZxe, vis kt'Ussree, klnnen, Pustel», kicke!», Oericktrröte, lüiitcken usv. liurck tLxl. Lebceucii Uer sUel» eckte» «on N«r«nl»o»> e»., übereil ru k»ki». Religiöser Dümon und religiöser Genius Bon Peter Lippert, S. I.') Der religiöse Dämon ist einer aus der Legion, die unsere von Finsternis und Angst erfüllte Welt peinigt. Er steigt em^or aus den Abgründen der Menschenseele. Aber auch der religiöse Genius waltet lautlos und freudig in dieser Welt und berührt die Menschen mit seinem Atem. Der religiöse Dämon wirkt immer zerstörend; er trägt Zerrissenheit und Zwiespalt Ins Seelenleben und damit Auflösung und Auslöschung. Diese zerstörende Art des Dämons ist unzertrennlich verbunden mit seiner fürchterlichen Einseitig keit. Er schreitet geradlinig wie eine mechanische Naturkrast, seine Ziele sind scharfkantig hcrausgeschnitten aus der Gesamt heit der Lebensziele, seine Mittel zusammengedrüngt auf die Schneide des Schwertes, sei es der materiellen Gewalt, sei es des moralischen Zwanges. Diese Einseitigkeit deutet darauf hin, daß «der religiöse Dämon doch nicht ein freier Geist, sondern ein blindwirkender Instinkt ist. Damit haken wir sein tiefstes We sen berührt: er ist eine naturhafte, psychische Besessenheit. Dabei ist dieser Dämon aber doch nicht Wahnsinn im pathologischen Sinn: er ist nicht eine Erkrankung der Gehirnzentren, sondern eine Erkrankung der Seele selbst, die den geistigen Habitus des Menschen in ähnlicher Weise zerstört, wie die Sünde es tut. Der vom religiösen Dämon Besessene kann genial begabt und so lei stungsfähig sein wie nur irgendein weltgewandter und lebens tüchtiger Mensch. Der religiöse Dämon hat oft eine düstere Größe, eine funkelnd« unheimliche Pracht. Seine Weltanschau ung ist von eiserner Geschlossenheit, seine Vorstellunge-n an Zahl zwar gering, doch von stählerner Glätte und haarscharf. So wirkt er wie eine Hypnose einengend, aber auch zusammen fassend und bindend; er rafft alle seelischen Kräfte in ein enges Strombett und gibt ihnen eine hinreißende Wucht. In künst lerisch begabten Seelen kann es ihm gelingen, Bisionen von un heimlicher und doch berückender Schönheit zu erzeugen. Völlig entgegengesetzten Wesens ist der religiöse Ge nius. Auch er ist ein Erfülltsein von fremdem Geiste, ein see lisches Schweben und Fliegen. Aber er ist niemals eine trieb artige Macht. Er entfesselt die Freiheit der Seele im höchsten Sinne: er gibt Ueberlcgenheit, eine stolze und keusche Ferne selbst van den liebsten und höchsten Dingen. Das religiöse Le ben ist ihm nicht unbegrissener Zwang, sondern freie Tat. freie Hingabe, freies Cmvfanaen und Ergreifen. Darum ist der reli giöse Genius un'ertrennlich verbunden mit Freude, mit einem innen, Entzücken, das der Seele aus der geruhsamen Reifung ihres eiaenen Wesens erwächst. Der Mensch des religiösen Genius ist von une''lchiitterlicher Ruhe, er ist ein Kind des Frie dens. Trotz aller Ruhe, Gelassenheit und Freiheit ist der reli giöse Genius von einer Glut, die ebenso hock auflodern kann wie die zehrenden Feuer der Dämonie. Nur ist seine Glut von reiner und stiller Weise, so rein und weiß wie das Tageslicht der Sonne, das nirgends lodernde Unruhe zeigt und doch a"e Feuersbrünste unserer Nächte unendlich überstrahlt. Auch der religiöse Genius kann den gewohnten A'ttag durchbrechen, er kann zu seltsamen Taten anregen, zum Säulenstehen und Ere- mitentum, zu blutender Butze und nrovtzetischer Schroffheit, ja er Kann Hobe Werte, wie Wissenschaft, Künstlertum und Lch-ns- kultnr in üch auslöschen. Die äußeren Taten, wie sie der Genius und der Dämon vaUhrinaen, sehen sich oft sehr ähnlich, aber der Hauch ihres innersten Geistes ist grundverschieden. Aus dem einen redet Güte, ans dem andern die Furcht: aus dem einen die Liebe und Freuds, aus dem andern der Haß: aus dem einen Ge sundheit. aus dem andern Krankheit, der eine ist in all seiner übermenschlichen Größe von menschlich schönem Ebenmaß, der andere ist erdrückend und abstoßend wie ein Ungeheuer, jeden falls ist sein Wesen verstümmelt und verkrüppelt. *) lieber dieses Thema schrieb der Verfasser nach ausführ licher im Novembcrheft der „Stimmen der Zeit". Mir können diese Zeitschrift all unseren Lesern aufs beste empfehlen. Sören Kierkegaard Sören Kierkegaards Schriften wurden Anfang der 60er Jahre des voriden Jahrhunderts in Deutschland außerordentlich viel gelesen. Damals wandte die junge Generation, die mit der in Kunst und Philosophie herrschenden Richtung un-»frieden ivar ihre Blicke hossnunasvoll nach dem skandinaoiscken Norden. Ibsen bedeutete eine Sensation, mit den ersten großen Ausfüh rungen seiner als „naturalistisch" empfundenen Dramen war dir romantische Verstragödie sür Jahrzehnte erledigt. In gleicher Weise wurde damals Kierkegaard Mode. Nur wandte sich In der Philosophie merkwürdigerweise die Richtung vom Verstand zum Gefühl, während auf dem Theater der umgekehrte Weg eingeschlagen wurde. Hatten vorher der Franzose Co inte und der Engländer Spencer als die führende» Geister gegolten, also zwei Philosophen, die. außerordentlich stark von Hegel beein flußt, strenge Systeme nach mathematischen oder »atnrwissen- schaftlichen Grundsätzen aufgebaut hatten, so wurde mit Kierke, gaard in beiden Richtungen das gerade Gegenteil modern. Kierkegaards Schriften drückten einen außerordentlich lebhaften Gegensatz, um nicht zu sagen, einen Abscheu vor Hegel aus, und es ist interessant zu beobachten, -aß der Hegelfeind Kierkegaard die Weltanschauung der höheren Gcseilschaftsschichten maßgebend beeinflußte in den gleichen Jahren, in denen der Hcaelfeind Karl Marx zum Propheten der unteren Gesellschastsschichten wurde. Eine strenge Systematik war in den Schriften Kierke gaards ebenso wenig zu entdecken, wie in denen Nietzsches, der zu gleicher Zeit einen größeren Leserkreis gewann als vorher. Mit ironischer Anerkennung, ober auch mit einer gewissen Skep sis klang es damals von der Bühne des Ueberbrettels (des ersten deutschen Kabaretts) herab: „Wer weiß, vielleicht zu einer andern Fahrt stieg Gott herab in Sören Kierkegaard und zeigt der Weit ein ander Paradies als Auguste Camte und Herbert Spencer wies . . .* Heute dürfte Kierkegaard höchstens ebenso viele Leser fin den. wie etwa auch Marx. Und die Tatsache, daß über beide Bücher geschrieben und Reden gehalten werden, ist kein Beweis des Gegenteils. Freilich mag man bedauern, daß die Bücher der beiden Hegelfeinde heute in den Bibliotheken verstauben. Wenn die Werke von Marx mehr gelesen ivürden, wäre der Zauber des marxistischen Sozialismus schon bei weit mehr Menschen ver flogen. In Kierkegaards Werken aber ist gar manches ent halten. was auch heute noch in außerordentlich wertvoller Weise anregend wirken könnte. Selbst wenn man allen Versuchen, Größen von gestern wieder lebendig zu machen, mit einem ge wissen Mißtrauen gegenüberstcht, darf man den Versuch be< grüßen, für Kierkegaard wenigstens die wieder zu gewinnen, die aus den Werken des Dänen das heute noch wertvolle her auszuschälen verstehen. Der Münchener Theodor Häcker hat diesen Versuch unternommen. Unter dem Titel .Der Begriff der Auserwähltcn" ist von ihm im Hellerauer Bcrlaa eine Auswahl aus Kierke gaards Schriften erschienen Das Nachwort dieser Ausgabe zeigt, daß Häcker den dänischen Denker hineinzustellen weiß in die große Entwicklungslinie europäischer Philosophie. Im Brenner- Verlag (Innsbruck) hat Häcker eine zwcitbändige Ausgabe der Tagebiiäzer Kierkegaards besorgt. Man darf wohl sagen, daß diese Ausgaben ungefähr das Beste sind, was für die Vermitt lung des Kierkegaardschen Werkes bisher in Deutschland getan worden ist. In Dresden hat Theodor Hücker vor wenigen Tagen aus Veranlassung der Buchhandlung Bender einen Bortrag über Kierkegaard gehalten. Auch dieser Vortrag wollte zwischen dem Leser und Hörer von heute und den Werken des Dänen vermitteln. So wies Häcker vor allen Dinar» daraus hin. was Kierkeaaard heute noch dem Theologen, dem Philosophen und dem Künstler Zu sagen hat. Er zeigte außerordentlich fein, daß nicht in den Büchern, die unter den Werken des Kovenhaoener Philosophen durch ihren Titel am ehesten zur Lektüre rei-en, das wertvollste enthalten ist, sondern vor allem in den Reden („Ausgewählte christliche Reden", 1896). — Es war ungemein an ziehend, daß Häcker selbst gerade diese Form der eindringlichen Rede benutzte, um das Wesen Kierkegaards zu kennzeichnen. Am aufschlußreichsten war vielleicht der Hinweis Häckers darauf, daß Kierkegaard im Kern völlig der geistigen Sphäre*' angehört, daß ihm alle triebliafte Gebundenheit alles was in die beglückende, wenn auch vielleicht oft dumvfe Atmo sphäre der Beziehung zwischen den Generationen und zwischen den Geschlechtern gehört, unverständlich bleibt Aus dieser Er kenntnis heraus möchte Häcker all das. was Kierkegaard z. B. über die Ehe sagt, als bedeutungslos erklären. — Diese Er wägung führt aber noch weiter. Sie gibt vielleicht den letzten Grund an, warum der dänische Philosoph auf unsere Zeit, die doch gewiß eine Zeit innerer Bcsinnuno ist. so wenig wirkt. Die Kräfte, die heute zum religiösen Nachdenken und Erleben drängen, sind eben gerade das Bewußtsein von der organischen Verbundenheit der Generation, und das vielleicht übertriebene Gefühl, daß der Einzelne nichts und die Gemeinschaft alles ist. Nicht die Schlüsse Kierkegaards sind heute veraltet, sondern der Weg. auf dem er zu ihnen gelangt. Gerade aber weil sein Denken im scharfen Widerspruch zu den heule modernen Be wegungen der Weltanschauung steht, ist die Beschäftigung mit ihm heute vielleicht wertvoller als in den vergangenen Jahren seines europäischen Ruhmes. —tz— Aber auch ein Ignatius von Lonola suhlte das Bedürfnis, als ! Korektio seinen Exerzitien die sogenannten „Regulae ad sentien- dum cum eeclcsia" beizugeben, weil eben in den Exerzitien selbst ! die ganze Geschichte der Menschwerdung selbst und gerade in der j Betrachtung „de regno Christi", nur die Anwendung aus die ! Innere Seelenbildung durch „Läuterung", „Erleuchtung" zur „Eini gung" hat. Die schulgemäße Aszese aber in den nachfolgenden i Jahrhunderten hat nur mehr das Thema der Selbstvervollkomm- nung und Selbstkontrolle, dem geaenüber das schlichte Leben mit der Kirche fast als eine Unterstufe erscheint, ebenso wie die schlichte christliche Berufsarbeit, während die christliche Liebe fast einseitig den Aspekt der Selbstüberwindung und Entsagung ge- winnt. Es ist ja auch endlich kein Wunder, daß die Frage nach der Art der Gewinnung ruhigen Hcrzcnsfriedens. jene Frage, die nach ihrem rein seelischen Gehalt die lutherische Heilsgewitzheit als vulkanische Gewaltsamlieitslösung emvortrieb, auch in dieser nachreformatorischen katholischen Frömmigkeit eine innersub jektive Lösung erfährt: in jener Indifferenzstimmung, die Franz von Sales aus ignatianitischcn Anfängen weiterbaute, bis sie durch den Quietismus eines Fenclon und vorab durch seine sektiererische Zuspitzung durch Molinos der kirchlichen Verurtei lung versieh Eine ruhig vergleichende Forschung wird freilich auch hier gewisse Parallelen mit Luthers Lösung feststellen müssen. Wenn Ignatius von einer gleichmäßigen Bereitschaft für Gesundheit und Krankheit, Reichtum und Armut, langes uiid kurzes Leben spricht, und in den Regeln von der Unterscheidung der Geister von einem Sichbereiten auf Untrost mitten im Trost und diese „Indifferenz" dann bei Fenelon und erst recht bei Mvlinvs sich in ein Bereitsein für Himmel und Hölle, Lobn und Strafe übertreibt. so habe» wir die gleiche Antithetik bereits bei Luther, der dieselben Ausdrücke, die diese übersteigerte katholische Indissercnzfrömmigkcit gebraucht, weil eben Tod und Leben, Hölle und Himmel für ihn letztlich nur Modalitäten des zwischen Gericht und Gnade willkürlich Umschlag»,,den uiUatzbaren Willen- gottcs sind, demgegenüber nur die willenlose Hingabe das Ge mäße ist. Es ist der alttestamentliche Gott, „der tötet und leben dig macht", dellen vsnchischc Umdeutliiia im Hintergrund sowohl der guietiltischen wie der liitberische,, Indifferenz steht. Ignatius selber freilich hat die ..Indifferenz", die Passivität, nur als Aus gangspunkt einer ganz anders aericklleten Seclenbewegung auf- gelatzt. einer Seelenbcwegung. die nur darum am Anfang den Verzicht vo'l-ieht. um die „innere Freiheit" z„ gewinnen, um mitten im Wirbel der Arbeit, mitten im Wandel des G"schöpf- Uchen fröblich und orbeitsstark ihren Gott finden zu können. Aber der Sturm d»r Entwicklung isi über dieses eigentlich Igna- tionische hinweggebraust. Dieser Sturm bann nicht Gedanken gebrauchen, die Extreme mileinander verbinden und so über winden. sondern nur Gedanken, die selber ins Extrem treiben kosten, um durch neue Ertrcme wieder abgelöst zu werden. Was heitzk „wollen"? Von Dr. Martin Fatzbender. Das Buch „Wollen eine königliche Kunst" non Dr. M. Faßbender (Herder, Freiburg i. Br. 47. Tausend; gebunden G.-M. 4.20) ist eine Fibel -er Arbeit des Menschen an sich selbst. Wie gründlich der Verfasser zu seinen Anleitungen ausholt, mag der folgende Probe- abschnitt zeigen. Das Wollen ist seiner Wosensbcstiminung nach eine Seelcn- fähigkeit, deren Betätigung mir durch innere Anschauung im Scldstbewußtsein unmittelbar als ein Streben erfassen. Aber zugleich als ein eigenartiges Streben, indem dieses Stre ben sich nur entwickelt auf der Grundlage einer Ueberzeugung: daß nämlich das Ziel des Strebens einerseits nützlich oder zweckmäßig, anderseits erreichbar ist. So ist das Wol len von allen andern Strebungen der Seele zu unterscheiden. Zwischen dem machtvoll wirkenden Trieb des unvernünf tigen Tieres, dem Begehren eines von den Empfindungen der Lust oder Unlust geleiteten Kindes und dem von der Vernunft bestimmten Tun des zielstrebigen Mannes ist ein großer Unter schied. In allen drei Fällen kann man von Strebungen reden. Während in den beiden ersten Füllen jedoch das Streben einem Anreiz folgt und einem „Gezogenwerden" gleicht, handelt es sich beim vernünftigen Menschen um eine Wahl aus Gründen. Fühlt der vernünftige Mensch aber nicht auch in sich ein doppelt ge artetes Streben? Auch der vernünftige Mensch hat bisweilen die Empfindung machtloser Hingabe an eine unwillkürlich wir kende Anziehungs- und Abstoßungskraft. Während er in einem Falle aber diesem Zuge folgt, tritt in andern Fällen eine Hem mung ein. Es wendet sich der Mensch mit Abscheu von den Ein flüsterungen des eigenen Herzens oder -er Umwelt ab. Das eigentätige, aus Anreiz oder Widerwillen hervor gehende Begehren wurzelt in dem körperlichen Teil -es Men schen. Der menschliche Körper besitzt eine Anzahl Organe, von denen jedes in der ihm eigentümlichen Betätigung besonderen Zwecken der Erhaltung und Vervollkommnung des Einzel wesens oder der menschlichen Art zu dienen bestimmt ist. Jedes Organ strebt von Natur aus zu der seinem besonderen Zwecke entsprechenden Betätigung. Diese ihm eigenartige Betätigung ist mit Lustempsindung verbunden. In der Fähigkeit zur Aus- iösung von Lustgefühlen durch Organbetätigung liegt für den Menschen die Gefahr, ohne Rücksicht auf das wahre Wohlbefin den des ganzen Körpers und das wahre Glück der Seele nur „in des augenblicklichen Vergnügens willen einzelne Organe zu mißbrauchen. Das Streben der Organe nach -er ihnen eigen tümlichen Betätigung ist ja an sich noch nicht-vernunftgemäß ge ordnet. Es besteht ursorünglich und unmittelbar nur der Drang zur Auslösung pon Lustgefühlen in Uebereinltimmung mit dem dem Menschen angeborenen Streben nach Glück. Die mit dem organischen Leben des menschlichen Körpers verbundenen und den Anreiz nach unwillkürlicher Belätioung heroorrufectden Strebungen nennt man die sinnlichen Triebe. Ihre Einteilung nach der Form fällt mit derieniqen der Sinnesempsindungen zusammen. Die wichtigsten Erschci- nunasformen sinnlicher Triebe sind: der Seh- und Hörtrieb, der Geschmacks- und Nahrungstrieb, der Beweoungs- und Betäti gungstrieb sowie der Geschlechlstrieb. Sie dienen teils der Er haltung des Einzelmenschen, teils der Erhaltung der Menschen- art, teils bieten sie die Grundlage für die Entwicklung des höhe ren Geisteslebens Im Menschen. Die mit der Betätigung des Trieblebens verbundene Lust um ihrer selbst willen zu erstreben, aeziemt sich nickt für den vernünftigen Menschen: denn der Geist ist das Höchste im Menschen und muß deshalb herrschend sein. Daher sind seine Güter und Ziele auch Selbst- zweck: alles andere muß sich danach richten. Und deshalb muh gegenüber dem Sehnen nach Lust und Vergnügen in jedem ein zelnen Falle die Frage beantwortet werden, ob nicht die Lust einem höheren Gut nachzuordnen Ist. Die Vernunft ist es also, die die Aufgabe hat, zu vermitteln zwischen den einzelnen Strebungen. So ist das ungeordnete Triebleben zu einem nach vernünftigem Ziel geordneten Han deln anzuleiten. Um aber einen Einblick in die Entwicklung des Wittens zu gewinnen, sind drei Arten auch im Streben des Men schen zu unterscheiden: der Trieb — das Begehren — das Wollen. Blind regt sich der Trieb, sinnlos ist auch vielfach das Begehren, nach Abwägung der Gründe trisst der Wille seine Wahl. Die Entscheidung wird dem Willen allerdings sehr schwer gemacht, indem er nicht allein seine Ziele von der jedes schein bare und wirkliche Gut abwägenden Vernunft zugewiesen er hält sondern indem auch Phantasie und Gemüt auf ihn einstür men und Ihn in ihrer Weise zu bestimmen suchen: die Phantasie, welche Bilder der Sinnenerkenntnis hervorzaubert, und das Ge müt. welches alle Dinge mit einem Widerschein von Lust oder Unlust spiegeln läßt. Auch kann der Wille niemals sich die Lö sung einer Aufgabe vornehmen, wenn nicht vorher die Ueber- Zeugung besteht, daß die Lösung im Bereich der Möglichkeit liegt. Eine Begriffsbestimmung des Wollene läßt sich in folgende Worle fassen: Wollen ist das mit Selbstbestimmung sich vollziehende und auf die mit freier Wahl bestimmten Beweggründe gestützte, von Werturteilen über das Ziel begleitete, mit dem Bewußtsein von der Möglichkeit -er Erreichung dieses Zieles verbundene sowie die Mittel zur Erreichung desselben fest ins Auge fassende