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IInterlialtiniA Allier» Segovia Brief au» Spanien (Nachdruck verboten.) Am Ende jener famosen Hochebene, von der ich in meinem Briefe über Burgo» sagte, das; sie in ihren hügeligen Verhält nissen heldenhaft sei, liegt Segovia. Es liegt weniger, ols es steigt und sich aufbaut, und zwar schon bergig auf einer Höhe von 1000 Nieter über dem Meeresspiegel vor den« Ausstieg eines der höchste» spanischen Gebirge, der Sierra Gnamirrnma. Als riesige Pyramiden- und Kegelschatte», die je nach sticht und Stunde alle Tonfnrbungen des Blau, des Lila, des Violett, des Grau, des Schwarz weich und entzückend oder geisterhaft kühl nah und fern zeigen, ragen sie theaterhast kulissig vor den Toren der alten iberischen Stadt. Vom iberisch-bastischeu tragt sie nur de» Name», den» die lrastilische» Eroberer haben sie geprägt. Aber wie! So typisch lrastilisch-spanisch, und so vollkommen aus der Landschaft herauswachsend, das; ich au unser liebes, erzählerisch köstliches Rothenburg o. d. Tauber denken muhte. Ein heimweh-sühes Erinnerungsinterniezzo für einige Minuten ivar es. lim so stärker sangen dann die Steine dieser Stadt. Ohne Umschweife: Segovia ist die bisher um reinsten und stärksten spanisch gesonnte Stadt, die ich bisher in Spanien gesehen habe. Bädecker berichtet, geführt von der Hand der Knnst- historiker, nicht sehr viel davon.» Selbstverständlich weist er hin auf die Einzigkeit der auf dem höchste» Punkt des Hügels gelegenen Kathedrale, ebenso auf diese und jene, sa sogar aus jede romantisch-gotische Pfarr- und Klosterkirche, aus roman tische Haustüren, auf alte Adelspaläste, auf maurisch gestaltete oder geschmückte Häuser, auf die erneuerte kastilische Burg, aus die malerischen Tore, auf die alten Stadtmauer», die terrassen- hast auf lind ab sich krümmen und buckeln, auf die alte römische Wasserleitung, die von einem 16 Kilometer entfernt fliehenden Bache gespeist wird, von den Römern zur Zeit des Kaisers August gebaut und bis vor einigen Jahren noch ge braucht wurde. Zweifellos ist gerade dieser römische Bau eines jener wenige» Ingenieurwerke der Welt, deren praktische Aus führung zugleich künstlerisch war und eines durch das andere. Das alte menschliche Werk paht sich dem steigenden und stillen den Boden an: es vergewaltigt ihn nicht, wie säst alle modernen technischen Werke, lieber das Tal hinweg wird die Wasser leitung brnckenhaft getragen, und zwar von IIS Bogen durch eine Länge von 818 Meter, davon sind 276 Nieter zweistöckig gebaut. Je nach der Bodenschwelluug erheben sich die Pfeiler 7 bis 28)H Meter hoch. Ohne Mörtel und ohne Klammern (was mau sich überlegen möge) ist der ganze Bau nur mit Eranitquadern des nahen Gnadarramagebirges errichtet. Man vergißt nicht den gewaltigen Eindruck des Werkes, das trotz aller Kriegs- und anderer Stürme durch nur eine einmalige Erneuerung der im Maurischen Krieg absichtlich zerstörten Teile Jahrhunderte lang stark und praktisch und schön über dauerte. Bon der Stadt ging in all der Zeit mal dieser, mal jener Teil zugrunde, baute sich auf längs und guer der Bogen dieser Wasserleitung und alles paßte stets zusammen. Und gerade davon, ich meine von diesem Zueinanderpasse», erzählt kein Kunsthistoriker etwas, und also auch Bädeker nicht. Und doch ist dies die ursprünglichste, die unmittelbarste, die klarste und stärkste Weise, nationale Kunst zu gestalten. Nur durch das Mas; und die Art der Anwendung, der Stellung, unterscheidet sich eine griechische, korinthische Säule von einer französischen. Bon ihr gehört alle Erfindung der korinthischen Form de» alten Griechen. Und doch schuf sic jener Franzose gänzlich neu, der sie zum ersten Male auf französische Weise gebraucht und sie so gewissermaßen durch französisches Blut wie zum Schaft der neuen Blume einer alten Gattung verlebendigte. Nun, Aehnliches leisteten die spanischen Baumeister mit de» Baustilen und Bauformen ihrer Nachbarländer: der Franzosen, der Italiener, ja der Deutschen und der Engländer. Die Art aber, wie sie diese „Fremdheiten" akklimatisierten, bezeichnet das Maß, wie sie eine Tür, ein Fenster, Pfeiler und Säulen, Kapellen und Kirchenschiffe, Haus an Haus. Straße an Straße, Städte an Bergen und an den Horizonten des Himmels ab- stimmten. Meiner Ansicht nach ist es falsch, zu sagen (wie viele Kunsthistoriker es tun). Spanien sei arm an architek tonisch künstlerischer Kraft. Es ist falsch, denn fast jedes Dorf, das fast immer nur von den Bewohnern ohne „Architekt" er richtet wurde, beweist das Gegenteil. Wahr bleibt nur, daß Spanien zu alle» Zeiten arm an jenem künstlerischen Geiste war. der ganz neue Formen und Zierrate erfindet. Sein Schöpfergeist war groß, doch sein Erfindergeist schwach, so möchte ich sagen. Der klarste Beweis davon ist mir Segovia. Zwei bis drei ganz moderne Häuser (wahrscheinlich von „ge bildeten" Madrider Geschäftsarchitekten herrührend) schreien und schrille». Alles andere ist sowohl räumlich plastisch den Linien und der Ordnung nach, wie malerisch dem Tanz der Farbenslecken nach, eine erhabene, wohl proportionierte Hymne auf spanische Arbeit und Sitte, Leidenschaft und Fromm heit, Stolz und Opfergröße. Die gotische Kathedrale spricht davon am deutlichsten. Sie ist dreischisfig, 165 Meter lang und 18 Meter breit. Das Mittel schiff ist 13,4 Meter breit, die Seitenschiffe mit den Kapellen zwischen den »ach innen gezogene» Strebepfeilern je 6,8 Meter. Das Querschisf überragt die 67 Meter hohe Bierungskuppei. Der Glockenturm mit Kuppeldach ist 165 Nieter hoch. Das Ge bäude des Herrn ist fast schmucklos, d. h. es sind fast keine Figuren daran, keine Reliefs, keine Wandteppiche, sehr wenige Gemälde. Alles ist Raumwirkung und organisches Verhältnis. Auch der viereckige Turm ist arm an Zierarten, ohne durch brochene Spitzenarbeit, ohne irgend welches blumige Getändel, großartig, eine Predigt in Stein über die Sammlung aller Kraft, über die Macht der. Keuschheit, die Unbezwingbarkeit des Gehorsams und die Ewigkeit des Geistes, der in seiner Glocken stimme weit über die Lande jubelnd tönt. Das Maß, wie die herrlich geschmiedeten Gitter zwischen den schwindelig hohen Pfeilern stehen, ist eine zugleich pomphaft strenge und lächelnd höfliche, sittliche Haltung. I» diese Halle kommen von den obere» ganz hoch gelegenen bunten gotischen Fenstern Licht- blume» in unnennbaren, märchenhaft himmlischen Farben ge- Winternachk Nicht ein Flllgelschlag ging durch die Welt, Still und blendend lag der weiße Schnee, Nicht ein Wöllstein hing am Sternenzelt, Keine Welle schlug im starren See. Aus der Tiefe stieg der Ssebaum auf. Bis sein Wipfel in dem Eis gefror. An den Aestsn klomm die Nix herauf, Schaute durch das grüne Eis empor. Auf dem dünnen Glase stand ich da. Das die schwarze Tiefe von mir schied; Dicht ich unter meinen Füßen sah Ihre weiße Schönheit Glied um Glied. Mit ersticktem Jammer tastet sie An der harten Decke her und hin. Ich vergeh das dunkle Antlitz nie. Ammer, immer liegt es mir im Sinn. Gottfried Keller. flogen. Man geht und geht, und das Schreiten wird zur An dacht. In demselben strengen und hoheitsvollen, unerbittlich beherrschten undMichelnd triumphierenden Maße ist unbewußt in alle» Abwandlungen die ganze Stadt gebaut. Sie paßt sich so durch seine treppig und serpcntinenhast gewundenen Straßen dem vielköpfigen Hügelschwung, dem fruchtbaren Gelände und dem herrscherhaft hohen, unbarmherzig glühenden und leuchten den Himmel an. Durch dies großartige Maß erscheine» selbst die vielen Kirchen- und Hausruinen, die sich auch hier finden, in einem gewissen nötigen Stadium des Erdendaseins. Ihr Tod wirkt nicht entsetzlich öde und hoffnungslos, wie so oft in Spanien, sondern notwendig als jener negative Pol des Lebens, wovon die Geburt der positive Pol ist. So sehr spürt man das Ewige im Maße dieser Stadt. In Burgos umsäumte lauernd der Tod das Leben. In Zaragoza tauchte er in jeder Mauerritze, in jedem Schatten als eine Kraft, die anreizt, das Leben um so würdiger zu bestehen, je näher man die kalte Hand des Sensenmännchens fühlt. An einem Sonntagmorgen öffnete mir Segovia sein Ge heimnis. Die blaue Kühle des Herbstes durchglühte die heiße gelbe Mittagssonne. Unter dem Bogen der Wasserleitung Klang lustig das brinte Leben des Marktes und man sah die Getreide- und Biehbauern der Umgegend um Töpfereien, Tuchware»,, Maschinell und dergleichen handeln. Etwas höher arbeiteten Maurer und dergleichen handeln. Etwas höher arbeiteten Maurer an einem der schrecklichen, frechen und maßlosen Neu bauten. Glocken läuteten zur Messe. Ein Kindermädchen tänzle mit seinen anmutigen sechs bis achtjährigen Schützlingen fröh lich »ach den frommen Klängen. Alle nicht verfallenen Kirchen waren besucht, und dennoch arbeiteten die Menschen wie an Werktagen. Nur die Geschäfte und großen Werkstätten bliebe«; geschlossen. Auch die wunderschöne romanische Kirche, worin der Nachkomme des Ntalers Zuloaga eine keramische Kunst anstalt errichtet hat, ruhte. Aber sie wurde als eine der vielen, vielen spanischen Kirchenruinen wieder dem Leben dienstbar gemacht. Nirgendwo bemerkte ich das bisher. Und das paßt auch zu Segovia. Der Weg auf -en Mounk Everest Im Jahre 1626 soll der höchste Gipsel der Erde, der Mount Everest, endgültig bezwungen werden — so hat das Mount- Everest-Komitee beschlossen. Ob es gelingt? Das wird der Ausgang lehren. Leicht wird jedenfalls die Eroberung dieses Gipfels nicht sein, das hat eine bittere Erfahrung von vier Jahrzehnten gezeigt. In den letzten vier Jahren erschien es fast, als wenn es den Menschen gelingen sollte, der Tschomn- lungnia. der Götlermutter der Berge, ihr letztes Geheimnis zu entreißen. Sorgfältig hat man sich aus das schwierige Unter nehmen vorbereitet. Man hat Luft in einer große«« Lustglocke in einem Maße verdünnt, die den Verhältnissen aus dem Mount Everest mit seinen 8816 Nietern Höhe ungcsühr entsprechen würde. Es ergab sich, daß Menschen in einer so stark ver dünnten Luft tatsächlich leben, sich bewegen und Geivichle tragen können. Unberücksichtigt aber bliebe«« doch die unge. heueren Anstrengungen, die ein Bergsteiger beim Erklimmen solch gewaltiger Höhen zu überwinden hat, Anstrengungen derentwegen schon mancher unweit des Zieles hatte nmkehrei' müsse», wenn er nicht elend zugrunde gehe» wollte. Aber cs reizte die gewallige Aufgabe, es reizte der Ruhm, de» höchsten Gipfel der Welt erstiegen, den weitesten Horizont der Erde überschaut zu habe««. So gingen den«« englische Bergsteiger 162t ans Werk. Neun Engländer, vierzig Tibetaner und hundert Lasttiere be gannen den Aufstieg, um in einer Borexpeditia» die beste Auf stiegsmöglichkeit zum eigentlichen Gipfel zu erkunde». Ein Tal. in dem in 500 Meter Höhe ein Kloster eingeborener Mönche liegt, schien auf der Ostseite an« besten de«« Aufstieg z» ermöglichen. Aber schon jetzt zeigte der Berg. welche' Gefahren seinen Ersteigern drohten: schon in 4800 Meter Höhe erlog ein Europäer der Bergkrankheit. Am 8. Mai 1922 kan« die zweite Expedition nnter dem General Bruce in einen« Anlauf bis zu ti>00 Meter. Ohne Sauerstoffapparat kamen dann einige Mitglieder bis zur Höhe von 8166 Meter. Hier aber mußten die drei Pioniere um kehren, da ein Witte'ungsuinschlag ihr Leben bedrohte. Ein zweiter Vorstoß mit Apparaten führte bis 8326 Nieter und mußte kurz vor dem Ziele wegen völliger Erschöpfung aus- gegeben werden. Nach eine»: durch Lawinen vereitelten dritten Versuche, der sieben Menschen das Leben kostete, wurde das Unternehmen abgebrochen. Die Versuche derselben Expedition aus den« Jahre 1624 führten den« Ziele noch näher, aber die Anstrengungen waren entsetzlich. Acht bis zehn Atemzüge waren für einen Schutt nötig: »ach höchstens zwanzig Schritten mußte jedesmal eine lange Pause gemacht werden, der Pnls hämmerte 180 Schläge in der Minute. Trotz herrlichsten Wetters mußten die Berg steiger säst am Gipfel wieder »«»kehren. Am 6. Juni ver suchten zwei Teilnehmer — Mallory und Irvine — einen letzten Ansturm Man sah sie noch i» 28 000 Fuß Höhe, dann waren sie verschollen. Da gutes Wetter herrschte, nah«» man an. das; sie das Opfer eines gewöhnlichen alpinen Unfalls geworden sind. Nachforschungen waren in dieser Höhe und wegen der. »»«schlagenden Witterung erfolglas. Nun will General Bruee »ach einrn Versuch «vagen: ob er Glück haben wird, kan» »«an nicht «vissrn — Göltermiiiter sind launenhaft. Aber Nachlasse» werde» die zähen Engländer so leicht nicht! Die Eroberung des Mount Everest ist für sie bereits zn einer nationalen Sache geivarden. Nach vor kurzem haben sie ein schweizerisches Angebot, einige erstklassige Berg sichrer zur Bersiigmig zu stelle», mit der Begründung abgeleynt. daß die Erstbesteigung des Mount Everest „eine durchaus eng lische Angelegenheit" sei. Vorher berechne«, läßt sich bei einem solchen Unternehmen nur wenig, das Klima i» solche«« Höhe«« isi sehr unsicher. Sven Hedi» hat in seine» Tibetbüchcrn darüber ja mancherlei zu berichten. Jederzeit können plötzliche Nebel «>nd Schneestürme die kühne«« Bergsteiger vernichten. Sv ragt vielleicht der Gipfel des Mount Everest noch lange einsam und unentivciht von den rastlosen Füßen nengieriger Mensche» bis an die Grenzen des unendlichen Weltcnraumes. vielleicht aber auch muß es sich die Göttermntler der Berge schon bald gefallen lassen, daß ihr die freudebebende Hand ihres Erpherers den stolz in den endlosen Raum wehende» Union Job aus die höchste Spitze ihrer Eiskappe steckt. Heinz Manche (Boppardl Gewinn Von Fritz Müller. Ich hatte ans der Post zu tun. Neben mir schrieb eine Pienstinagdshand — man kennt die Hände an den Finger«, — eine Postanweisung. Ich bin nicht neugierig. Aber manches sieht man, ohne das; man will. Betrag: Fünfzehn Franken. Empfänger: Eine Wil srau. Bestimmungsland: Deutschland. „Ihre Mutter", dachte ich. Dann ging ich. Unter der Tür Hörle ich mit halbem Ohr zurück. Eine aufgeregte Frauen stimme: „Ich hatte sie doch bei mir, die fünfzehn Franken . . . muß sie nnterivegs verloren haben . . . o Gott, und meine Mut ter «««artet drauf." Der Beamte nickte leise. Solche Fälle gab es oft. Das Formular fiel i» de» Papierkorb. Ich schivankte an der Tür. Sollte ich — „Schönes Wetter hellte", sagte eine Stimme. Es «var mei» Freund. Wir schüttelten uns die Hände. Wir sprachen dies und sprachen das. Wir gingen die Bahnhofstratze hinunter. Vor uns ging ein junger Mann. Er ging schief lind stolz. „Merkwürdig", sagte ich. „sckief und stolz!" „Gar nicht merkwürdig", sagte mein Freund, „du hast deine Lehrzeit wohl vergessen?". Da erst sah ich, daß auf der höheren Iungenschnlter ein Sack lag, in der Mitte dünn, vorn und hinten sckjwer sich straf fend. Runde Stücke zeichnete» sich ab. Es mußte Geld sein. „Fünffrankenstücke. schätze ich", sagte mein Freund, „ivohl «in erster Geldtransport: auf der einen Achsel Stolz, das 'slichtgefühs drückt auf die andre. Sie sind noch ziemlich in« leichgewicht: beneidenswerte Fugend!" Nian soll niemand um sein Gleichgeivicht beneide». Es wird dadurch gestört. Auf der Lehrlingsschnlter löste sich die Schnur «uhlimm, pstalschte es aus den Boden, I-art aus l>art, mit ei »ein Schicksalsklang. EilbeMitzeiid in de« Morgensonne rollte «« nach alle» Seiten. Magnetisch zieht ein Unfall Mensche» an. Geld noch mehr. Beides zusammen ist »nividerstehlich. Eben ivar die Straße,»- ,cke noch fast leer von Menschen. Jetzt wimmelte es. Von der ändern Seite kamen sie herüber. Aus Nebengassen quölle«, sie, Hälse reckten sich aus Fenstern. Läden gingen auf. Droschken hielten. Tranibahnen konnten nicht mehr weite«. Hunde inter- Merten sich. Radler hemmten dl« Pedale. Hinter der Gardin, in der Konditorei blieb ein verstohlener Kuß gar ««»geküßt. Schwalben senkten ihren Fing. Und was nach niemals vorge- koinmen «vor: Der lesende Spekulant hinter der Kasseehaüs- scheibe sah vorzeitig ans seinem Kurszettel auf. Kurz, die Welt ging ans de«« Angel». 'Und das alles eines kleinen Lehrlings wegen? Dieser Lehrling stand erstarrt. Seine Schultern waren wieder wagrecht. Schief wurde jetzt sein Schicksal, federleicht sein Stolz, übers nächste Hausdach flutschte dieser Stolz ins Blaue: Mit Lehrlingen, die ans ihrem ersten Geldgang sechs hundert silberne Fünffrankenstücke auf das Pflaster warfen, hat der Stolz doch lieber nichts zu tun. Indessen rollte es und rollte. Durchaus nicht schnell. Die silbernen Fünfer ließen sich Zeit. Es ist wahr, einige legten sich sofort miss breite Faulbett. Andere schwankten, hatten sich schon «ungelegt, besannen sich anders, richteten sich wieder aus, drehten sich im Kreise, suchend, wie Hunde, die sich über ihre Schlaslage nicht schlüssig werden können, und torkelten trage wieder weiter: vielleicht «var's ans der anderen Seite der Straße doch bequemer? Es «var uuheimlich, wieviel Zeit sich diese Fünfer nahmen. Oder kam'» uns nur so vor? Wir haben eine andere Zeit, als sie Fünfsraukenslücke haben. Was geht diese unser Zeitmaß an? lieber ihre Zeit verfügen sie. Wenn's auch manchmal aussah, als schrieben «vir es ihnen vor. «von» sie in Geldkassetten «inznwaii- dern hätten und wann wieder heraus in unsere Hoseiitasche. Denn es ist sehr die Frage, ob ei» Fiinssrankenstiick nicht unsren Händen selber vorschreibt, wann es Zeit ist, es zu greife». Indessen rollte und rollte es noch immer. SeckMhuitdert Füirssrankenstücke lpben selbstverständlich nicht den gleichen Wil le». Es gibt seriöse, die sich zielbewnßt aus geradem Wege an den vorbestimmten Platz verfügen. Es gibt auch Frankenvaga- bunden. welche einmal unterwegs, sich nicht genügt«»« könne»,' hin und her zu streunen. Zum Entsetzen derer, die es ansehen müssen. Oder ist es nicht entsetzlich, «venu sich eine Handvoll dieser Streu»«« das Kanalgifter im Riiuistein zum Ziel geiloinme» habe»? Wenn sie sch»urst«mcks daranslosnimschiere», abe«'kiiapp. "davor van einem unsichtbare» Hauptmann den Befehl bekom men: „Schwärmen!" Worauf sie sich nach links »nd rechts zer streuen, dann wieder eine scharfe Schwenkung nach den« dunklen Gitter machen, zickzacklausen, dazu höhnisch aufwärts blinzeln: „Wir wissen wohl, daß eure Ungewißheit bibbert: Fallen diese Luder» jetzt hinein:od?r nicht... oder ja., oder.oder^.?" Sie sielen nicht hindtn Sie lagerten sich sriedNch-schied'uch um den Rand des Gitters, Sie hatte» einen Blick aus armen Lehrlingsaugen aufgesangen. eine» Blick, der selbst harte F«.«n kenstücke bestimme.» kan», eine vorgenommene Reise z»«n Kanal zu unterbreche««. Schade, daß »«an alles das nicht eiliger beschreiben kan». Denn ich weiß natürlich, daß die Leser ungeduldig werden. Ode« könnte ich doch schneller? Und hielte cs nur. querköpjig, «vi? ich bin. «nit den eigenwilligen Fünffrankenslücken: „Eure Zeit ist nicht die meine." Ich sehe, eure Angenbraunen runzeln sich noch höher. Ge mach, gemach, ich habe Zeit. Ihr nicht? Um so schlimmer sür cuck. Wie, ihr wollt nickt länger «Vorteil? Ihr droht mir. sortznlausen? Sckase, schade, von dreitausend blanken Franke«« mir nichts, dir nichts megzn- laufe». Franke», die ei» Schicksal zu haben scheine», ein gar nicht alltägliches Schicksal. Wie, ihr hättet Zeit, doch «veiler zuznhüren? Ihr greift von neuem schnell nach der Geschichte? Fast sa schnell, «vie die angesamnielten Mensche» nach den umheriiegenden Fünfsranken- stücken griffen? Der Polizist dort drühcn hatte einen Augenblick die Re gung. „Halt!" zn rnsen, „holt, ««jemand rührt das Geld an!" Aber er sagte nichts. Er sah >«nr ruhig zn. wie die Leute sammelte» und saminelten. Wie der todblasse Lehrling regungs los dastand. Wie er «nit de» dünnen Lehrlingsfingcrn jetzt den leere» Geldsack anseinanderspreizte. Wie die Ausreißer wieder in. tzeit Geldsack wanderteii kling, kling, folgsam. Stück um Stück. „Zählen!" ries da jemand schrill^ Ich sah ihn an. Er kam aus Dentjcksiand. Und «vir schrie be«» neuilzehnhundertdreiundzwanzig. ..Zählet»!" «mederholle er. Niemand achtete daran«. Kling, kling, Stück »in Stück. Immer wieder neue Leute kamen, bliebe«, stehen, ginge«... kling, kling, Stückt um Stück. Kling! «var das das letzte Stück? Da» letzte jedenfalls. Ob aber aas sechshundertste? „Und wenn nun eins in oe» Rinnstein gefallen ist?" fragt« jemand. „Rinnstein... gefalle«»... eines", hörte einer, der vorüber- ging, erhaschte das nach isffm'er (otenstarrs Angesicht de'» Lehr lings, fuhr blitzschnell in dlr'Tasche, bückte sich lind waA uitd sagte gleichgültig: „Da."