Volltext Seite (XML)
Nummer 49 — 25. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis: für Februar 3.— «inschl. Bestellgelo. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile »0L, Stellengesuche 2ü L. Die Petitreklamezeil«, 89 MM- meter breit. 1 Offertengedühren für Selbstabholer 2g L. bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. EInzel-Nr. 10 L, Sonntags-Nr. 15 L. Geschäftlicher Teil: IolefFohmann.Dresden. SöckMe Sonntag, 28. Februar 1926 Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. AnzeigenauftrSgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für unüeutl. u. d. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Der- antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückporto nicht versehen« Manuskripte werd. nicht aufbeivahrt. Sprechstunde d. Redaktion 5 bis k Uhr nachmittags. Hauptschrtfüett.: Kr. Iofeph Albert. Dresden. «efchafteftelle. D«nk «ad Berlaai Sarynla- Bnchdrulkcrei GmbH„ Dresden».!«, HoweinstrabeSS. iZernrnk MW. PosllcheiNonIo Dresden 147S7 Bankkonto! Bagenae » Arinsche, Dresden. Für christliche Poltlik und Kuliur «edaktto« der «itchstschea «»irSzett»»« DeeSdrn-Illtst. IS, Holbelnsiratze 48. gernrnl »2122 und MM. Anfertigung elegsnter «errenvsmsngsrcterove - Ksrl kckillrs, LctHnslrtermeirter 0r«»ei«n.»., ,7. I. «ul,7,SV Autvkleiciung - Lport - Livree roivie Umsrdeitungen Die Schweiz und Sowjekrufjland Der Kampf um die Märkte Eine bemerkenswerte Erklärung im amerikanischen Repräsentantenhaus Bekanntlich wurde als einer der formellen Gründe, welche zur Verschiebung der vorbereitenden Ab rüstungskonferenz geführt haben, der Konflikt zwischen der Schweiz und Sowjetrußland angeführt. Der Grund hat mit der sachlichen Seite der Abrüstung gar nichts zu tun und kann im Vergleiche zu den anderen Gründen eher als ein Vorwand gewertet werden. Be kanntlich ließ Sowjetrußland, als bekannt wurde, daß Genf, der Sitz des Völkerbundes, sowohl für die vorbe reitende, als auch für die wirkliche Abrüstungskonferenz als Tagungsort ausersehen sei, alle Welt wissen, daß es nicht in der Lage sei, nach Genf zu gehen, weil die Schweiz den Sowjetdelegierten nicht den nötigen Schutz gewährleisten könne. Der Mangel an Vertrauen zu der Schweizer Sicherheitspolizei ist auf die Ermordung des russischen Botschafters in Rom. Worowsky, zurück zuführen. der bekanntlich am 10. Mai 1923 von einem Nußlandschweizer namens Conradi in Lausanne erschos- en wurde. Die Familie Conradis war von den Bol- chewiken moralisch und finanziell völlig zugrundegerich- et worden: es handelte sich also offenbar um einen weniger politischen als persönlichen Racheakt, der sich natürlich nicht vom politischen Milieu loslösen ließ. Die Waadtländer Gerichte haben Conradi freigespro chen, zum Teil sehr im Widerspruche mit der schweizeri schen öffentlichen Meinung in den anderen Kantonen. Da aber eine Berufung gegen das Urteil des einwandfrei kompetenten Waadtländer Gerichtes nicht möglich war, konnte der Prozeß nicht revidiert werden. Die Berner Bundesregierung hat dann getan, was sie tun mußte und tun konnte. Sie hat die Ermordung Worowskys öffentlich verurteilt und den nichtschweizeri- schen Komplizen Conradis aus dem Lande verwiesen. Zu einer formellen Liquidation der Angelegenheit konnte es aber deshalb nicht kommen, weil die Schweiz die Forderung Sowjetrußlands nach einer besonderen Ge nugtuung ablehnen mußte. Seither sind dieBeziehun- gen zwischen Sowjetrußland und der Schweiz so gut wie angebrochen. Als die Frage der Beteiligung Sowjetrußlands an der Genfer Abrüstungskonferenz aktuell wurde, ließ die Berner Bundesregierung den Völkerbund wissen, daß die Sowjetdelegierten in Genf dieselbe Behandlung fin den würden, wie die Delegierten der anderen Staaten bei dieser Konferenz. In einem Schreiben an den Generalsekretär des Völkerbundes hat der Schweizer Bundesrat die Garantien niedergelegt, welche sich auf Einreiseerleichterungen, Immunitäten und Schutzmaß nahmen für die russischen Delegierten bezogen. Außer dem hat Frankreich der Schweiz ihre guten Ver mittlerdienste in dieser Angelegenheit mit Rußland an- geboten. Sie akzeptierte alle französischen Borschläge, tmd die Pariser Regierung konnte alsbald an die rus sische Botschaft in Paris nachstehende Nyte ergehen las sen: „Die Regierung der französischen Republik, vom Wunsche beseelt, im allgemeinen Interesse die Teilnahme der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken an der Abrüstungskonferenz und an den vorbereitenden Arbei ten für diese Konferenz zu erleichtern, beehrt sich mitzu- teilen, daß sie von der schweizerischen Regierung Erklä rungen erhalten hat, aus denen hervorgeht, daß tue Re- ierunq. wie sie es übrigens stets getan hat. die Erinor- ung Worowskys, sowie das gleichzeitig gegen Diwil- kowski und Ahrens begangene Attentat tadelt und be dauert. Es geht ferner daraus hervor, daß sie bereit ist. im Interesse des Friedens der Tochter Worowskys ma terielle Hilfe zu gewähren, deren Modalitäten erst zu diskutieren wären, wenn die Regierung der Union der Sowjetrepubliken und die schweizerische Eidgenossenschaft direkt miteinander über die Gesamtheit der zwischen den beiden Ländern zu regelnden Fragen verhandeln würden." Um den Schritt der Schweizer Regierung richtig zu würdigen, muß hervorgehoben werden, daß die schwei zerische Gesandtschaft in Petersburg im Jahre 1919 ge plündert. der Gesandtschaftsbeamte Deutz dabei ermordet, Eigentum der Schweizer im Werte von vielen hundert Millionen Franken beschlagnahmt und die Guthaben der Inhaber russischer Titres nie bezahlt wurden, ohne daß sich die Moskauer Regierung jemals über alle diese Dinge zu Verhandlungen bereit erklärt hat. Nun hat aber die Moskauer Regierung auch den französischen Dermittlungsvorschlag abgelehnt und durch ihre Tele graphenagenturen der ganzen Welt verkünden lassen, daß die Schweiz den Geist der Versöhnung vermissen Washington, 27. Februar. Der Direktor des Büros für Außen- und Innenhrmdel, K>lein, führte im Finanzunterausschuß des Repräsentanten- hau-ses aus: Der Ausfuhrhandel des Landes stehe einer ernsten Krisis gegenüber, die die Fortsetzung der seit 1921 befolgten e r - mutigenden Politik dringend erforderlich mache. Die wichtigste Frage sei der kommende Kampf um die aus wärtigen Märkte im Zusammenhänge mit der wirtschaft lichen Wiedererholung des europäischen Wettbeiverbs. Unsere sämtlichen überseeischen Handelskonkurrenten, so fuhr Klein fort, haben den heftigsten Angriff gegen unsere Ausfuhrmärkte begonnen. Der Druck dieses Feldzuges wird von unseren Aus- fuhrhündlern bereits in vielen wichtigen Handelszentren emp funden, besonders in Lateinamerika und im fernen Osten. Ein iveiterer Faktor der schnellen Ausdehnung unserer überseeischen Wirtschaftsinteressen, der die stetige Entwicklung unseres Handelsnachrichtendienstes gebieterisch fordert, ist das Anwachsen der amerikanischen Investierungen im Auslande, deren Gesamtbetrag sich jetzt auf etwa 9 5 0 0 Milli onen Dollar beläuft, ausschließlich der von der Regierung geivährten Kriegsanleihen, gegenüber 2500 Millionen vor dem Kriege. Klein erklärte zum Schlüsse: Die umfassenden Daten, die der Kongreß von 1923 sein Büro ermächtigt habe, über die Gummi- und Kaffeeiirdustrie zu sammeln. Hütten unmittelbar zum augenscheinlichen Erfolge des gegenwärtigen Feldzuges gegen das Gummimonopol und andere Monopole beigctragen. Die Erhöhung -er französischen Zölle Paris, 27. Februar. In der Regierungsvorlage über die ZOprozentige Erhöhung der Zölle, die gestern von der Zollkoinmission der Kammer angenommen wurde, wird er klärt, daß die Zollerhöhung nur die Wirkungen der Franken- entwertung ausglelchcn solle. Die in Geltung befindlichen Han delsabkommen ließen diese Erhöhung zu, da die wichtigsten Län der, mit denen Frankreich einen Vertrag habe, selbst schon eine Erhöhung ihrer Zollsätze vorgenommen Hütten. Schließlich wird darauf hingewiesen, daß die Vorlage nur eine vorläufige Rege lung darstelle. Das deutsch-französische Wirtschafts abkommen in Kraft Berlin, 27. Februar. Die Ratifikationsurkunden zu dem deutsch-französischen Handelsabkommen vom 12. Februar 1928 sind am 26. Februar 1926 in Paris ausgetauscht worden. Das Abkommen tritt um Mitternacht zwischen dem 28. Februar »nü dem 1. März 1926 in Kraft Sozialistenkonssrenz in Brüssel Ueberüie Handelsfragen. Paris, 27 Februar. Wie Haoas aus Brüssel berichtet, hat gestern unter dem Vorsitz des früheren französischen sozialistischen Abg. Bracke eine sozialistische Konferenz begonnen, auf der die Sozialisten Deutschlands. Frankreicks und Velaftns vertreten sind, um die Frage der Handelsverträge und andere schwe bende wirtschaftliche Fragen, darunter Einwanderung, Arbeits zeit usw. zu prüfen. Italien und Die Anschlichsrage Rom. 27. Februar. Der südslawische Außenminister Nintschitsch, der sich, wie gemeldet, während der letzten Tage in R o m ausgehalten hat und heute nach Paris weitersährt, erklärre Pressevertre tern gegenüber: Die europäische Politik hat eine einzige solide Basis, die den Frieden garantierte, die Friedensverträg« s?) Der Anschluß Oesterreichs an Deutschland steht zu den Fricdensverträgen n schroffstem Gegensatz. Wenn man einmal anfängt, die Friedens verträge zu revidieren, weiß man nicht, wohin man kommen soll. Der schon bestehende Freundschqftsvertrag zwischen Italien uno Jugoslawien kann erweitert werden, aus Grund der Erfahrun gen der letzten Zeit. Ein noch engeres Zusammenarbeiten ist schon in die Wege geleitet. Jugoslawien steht der polnischen Forderung nach einem ständigen Sitz im Bölkcrbnndsrat günstig gegenüber — Die italienisäi« Presse begrüßt Nintschitsch nicht nur als Außen minister des durch Freundschaftsbanden mit Italien verknüpften Jugoslawiens, sondern auch als Sprecher der Kleinen Entente. Da die Reise nach Rom unmittelbar nach der Temesvarer Kon ferenz erfolgt sei, scheine es als ob Mussolini sein Mißtraue» gegen die Kleine Entente ausgebe und sich deren Zustimmung in Genf sichern wolle. Man schreibt uns aus Wien: Die etwas heftige Auf machung. d'e -er Besuch des jugoslawischen Außenministers Nintschitsch in Rom in der italienischen Presse erfahren hat, zeigt, daß man derzeit in Nom viel dekorative Politik macht, oder das; zumindest die Federn, dis im Dienste dieser Politik stehe», der Meinung sind, daß Nom fortgesetzt eine nene >>>>> !! I Willi » l I ,, », «„« , l „l , lasse und daß daher eine Verständigung unmöglich sei. Des weiteren ließ Tschitscherin dem Völkerbundssekre- tariat mitteilen, daß die Sowietregierung ihre ablehnende Haltung gegenüber dein Völkerbund nicht anfgebe und keine Delegierten nach Genf schicken könne, weil die Sowjetdelegierten in der Schweiz außerhalb des Gesetzes gestellt werden. Noch am st. Februar hat Briand die russische Bot schaft von der Annehmbarkeit der schweizerischen Bar schläge überzeugen wollen. Umsonst, nun hat sich her- ausgestellt, daß Moskau sich seine Teilnahine an der Abrüstungskonferenz durch einen billigen diplomatischen Sieg über die Schweiz und den Völkerbund hat erkaufen wollen. Die Frage der schweizerisch-russischen Der-» Handlungen ist nun auch im Schweizer Nationalrat zur Sü-slawien große Geste nach außenhin brauche. Kenner der italienischen Verhältnisse behaupten, daß die eigene Presse Mussolini durch ihre Haltung mehr schade als nütze und daß er es absolut nicht nötig habe, sich von seinen Zeitungen in einer Weise fortgesetzt verherrlichen zu lassen, die oftmals die Grenzen des guten Ge schmacks überschreitet. Was de» Plan einer angeblichen italienisch-jugoslawischen Militär Konvention zur Verhinderung des Änlchlus- s e s betrifft, so wird in ernsten politischen Kreise» mit Recht darauf hingewicsen. daß der Anschluß gegenwärtig sicherlich eine der inaktuellsten Fragen ist und kein Grund zur Annabmc be steht. daß Mussolini dies nicht ebenso gut wisse, wie alle anderen Staatsmänner. Mit dem Eintritt Deutschlands in den Völker bund ist die Frage des Anschlusses, die bisher sicherlich nicht mehr als akademischen Charakter hat. plötzlich wieder einmal Tages gespräch. Der ..drohende Anschluß" bildet den» auch de» Aus gangspunkt der verschiedenen Scniationsgeriichte darunter auch der Version. Mussolini habe mit Nintschitsch in Rom die A u i - teilnng Lestcrreichs besprochen. In Wiener maßgeben den Kreisen bat man alle diese Versionen mit größter Ruhe aus genommen und es ist tatsächlich kein Anlaß vorhanden, sich ernst lich mit solchen Dingen zu beschäftige». Prag. 27. Februar. Die nationaldemokratische „Narodnt Politika" teilt zu den römischen Verhandlungen des Außen ministers Nintschitsch mit. dieser habe auch über die Vertretung der kleinen Entente im Völkcrbundsrat verhandelt. Die gleiche Frage werde bei den Pariser Verhandlungen Nintschitsch erörtert werden An Stelle Dr Bcnesch. der bisher die Kleine Entente vn Völkcrbundsrats vertreten habe, soll nunmehr der Vertreter eines anderen kleinen Staates der Kleinen Entente, wahrschein lich Jugoslawien, treten. Es sei !m Interesse der Tschechoslowa kei, daß der Rat um Polen erweitert werde Sprache gekommen. Bundesrat Motta wies darauf hin. daß die Eidgenossenschaft alles unternommen habe, die Hindernisse auf den, Wege von Moskau nach Genf aus dem Wege zu räumen, soweit dies im Einklang mit der Würde der Schweiz geschehen konnte. Das Schweizer Bolk steht hinter seiner Regierung, die sich ihrer Pflichten als Mitglied des Völkerbundes voll bewußt war. Bloßgestellt aber ist die Politik der Sowjetunion, die unter dem Deckmantel der Friedens politik eine Trübung zwischen der Schweiz und dem Völ kerbund Hervorrufen wollte. Tschitscherins Rechnung war wieder einmal falsch, was aber daran nichts ändert, daß auf diese Weise die Abrüstungsfrage um keinen Schritt weiterkommt.