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Sächsische Volkszeitung : 28.02.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192602289
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260228
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-02
- Tag 1926-02-28
-
Monat
1926-02
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 28.02.1926
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erblicken wollen. Die katholische Moralphilosophie kann das Recht nur als einen Teil der allgemeinen Ethik betrachten und muh es folgerichtig auch deren Anfor derungen unterstellen. Es gibt keine absolute Trennung des Rechtes von der Moral. Das Naturrecht in des Wortes wahrer christlicher Bedeutung ist „alles, was je mandem von Natur aus, d. h. auf Grund von Verhält nissen. welche durch die Natur der Dinge gegeben sind, als das Seinige zukommt, und zu dessen Leistung die natürliche Gerechtigkeit (die natürlichen Reichsgesetze) unabhängig von jedem positiven Gesetze verpflichtet" (Cathrein). Es leuchtet ohne weiteres ein, das), je größer das Herrschaftsgebiet ist, welches man dem Begriff „Recht" einräumt, je weniger man dieses in Unterdrückung hö herer Pflichtgefühle künstlich vor der Moral scheidet, desto eher das Recht zu einem wirklichen Idealrecht werden kann und bei seiner Anwendung und Entscheidung desto vollkommenere Lösung bringt. Gerade unsere Zeit gibt uns der Beispiele genug, zu welch unbefriedigenden Er gebnissen eine Rechtsfindung bloß auf Grund der posi tiven Gesetzgebung führen muß: der deutsche Gesetzgeber hat zur Regelung nachkriegszeitlicher Verhältnisse viel fach Gesetze von sehr zweifelhaftem Wert erlassen. Es kam ihm darauf an, die einschlägigen Rechtsverhältnisse für den Durchschnitt zu regeln. Was sagt das natürliche Recht, was die Moral, was vollends die christliche Caritas zur Anrufung solchen „Rechtes"? Ihr Wort kann nur zur Geltung kommen, wenn man sie nicht aus der prak tischen Rechtspflege überhaupt verbannt, wenn man sich hier nicht in Selbsttäuschung verschwommene, schwache Ersatzbegriffe schafft, um den Dingen etwas Beigeschmack von „allgemeiner Moral" zu geben. Wir müssen jedoch mit der Tatsache rechnen, daß gerade im Falle eines Rechtsstreits nur zu oft lediglich nach den Bestimmungen des positiven Gesetzes gefragt wird und, abgesehen von ihrer etwaigen Ungültigkeit, die Gerichte genötigt sind, sie anzuwenden. Um zu verhüten, daß durch eine Ueber- schätzung des positiven Rechts statt wirklichen nur unbe friedigendes Recht oder gar ausgesprochenes Unrecht herauskommt, gilt es klarzustellen, wie ohnmächtig alle positive Gesetzgebung ohne die für den echten Christen selbstverständliche Ergänzung durch die genannten andern Mittel wahrer Rechtsfindung ist. Der Rechtsfriedensgedanke, der als Hel ler Stern über dem dichten Gestrüpp der Gesetzespara graphen und allem Rechtsleben leuchten soll, verlangt, daß unsere Rechtspflege mehr und mehr aus der unge sunden Streitatmosphäre in das Reich der Versöhnung tritt und aus der Rechtschirurgie zur vorbeugenden Rechtshygiene wird. Die Nechtssätze unserer Gesetze sind entweder konkret oder abstrakt gefaßt. Die konkrete, ka suistische Fassung hat den Vorzug, die Verhältnisse, die nach der bewußten Absicht des Gesetzgebers geregelt werden sollen, im allgemeinen klarer und bestimmter zu regeln, als dies bei abstrakt gehaltenen Rechtssätzen möglich ist. Dafür hat sie aber den schwerwiegenden Nachteil, vielfach die Regelung vom Gesetzgeber nicht vorausgesehener Rechtsfälle im Ungewissen zu lassen. Die abstrakten Rechtssätze erfassen naturgemäß eine weit größere HM der vom praktischen Leben gezeitigten Fälle. Hinwiederum ist es auch von vornherein klar, daß es, soll das Gesetz nicht zu den schweren Unbillig keiten einer jeden schablonenmäßigen Regelung führen, geivisser Ventile zur Möglichkeit der Anpassung der ab strakten Rechtssätze an den konkreten Fall bedarf. Diese Ventile gehen in den modernen Gesetzen, die durchweg die abstrakte Regelung bevorzugen, u. a. dahin, daß dem Richter auferlegt wird, nicht an den Buchstaben des Ge setzes zu haften, sondern den einzelnen Fall nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf seine besonderen Um stände, mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu entscheiden. Sie verhüten jedoch in der Hauptsache nur eine gröbste Auswirkung des formalen Rechts, die der Verkehrs anschauung des Lebens zu offensichtlich widersprechen würde. Mag der Richter, gestützt auf die ihm vom Ge setzgeber eingeräumte freiere Stellung, ein gut Stück sittlichen Denkens in seine Auslegung und Anwendung der Rechtssätze hineintragen — wenn er dieses Stück nur aus dem nächsten Umkreis des positiven Gesetzes, aus rein irdischen Motiven des Gesetzgebers herleiten muß, fehlt der Rechtsfeststellung weithin bei einem äuße ren Glanze das innere Licht, die innere Wärme, die überzeugt, aussöhnt. Aber muß es stets zu einer solchen gerichtlichen zwangsweisen Auseinandersetzung kommen? Haben die Parteien, zwischen denen Rechtsstreit auszubrechen droht, nicht selbst Einsicht genug, sich zu sagen, daß sie beide ehrlich an ihr Recht glauben, dieses sich aber ans recht lichen oder tatsächlichen Gründen womöglich nur sehr schwer feststellen läßt? Wozu sich also bis zum unge wissen Ausgange streiten und dann vielleicht doch nur eine Entscheidung erhalten, die nicht befriedigt, oder aber eben in der Form eines „salomonischen" Urteils zu einer Teilung im Zuspruch kommt, die die Parteien bei beider seitigem Zusammenwirken in einem Güteverfahren mindestens ebensogut und dabei jedenfalls rascher und ohne manche Opfer hätten finden können. Mit diesen Erwägungen tritt für uns der Ziel gedanke jeder Rechtspflege, der Rechtsfriedens gedanke, in das Nechtsleben ein. Er betont auf allen Gebieten des Rechts zu allen Zeiten und bei allen Völ kern den Vorzug schiedlich-friedlicher Re gelung vor streitigem Aus trag. Er will nicht bewußtem Unrecht durch freiwilligen Verzicht des andern Teils zum Siege verhelfen. Aber er empfiehlt unter Hinweis auf die Unsicherheit des von uns Menschen ge fundenen Rechts, doch unter Umständen ganz oder teil weise zu verzichten auch Achtung vor der beiderseitigen Rechtsüberzeugung, aus dem gesunden Bestreben heraus, die Kampfatmosphüre möglichst bald zu entspannen und erst recht nicht noch weiter wachsen zu lassen. Der Rechts friedensgedanke schwebt als Ideal über den Bezie hungen der Völker zu einander, über denjenigen des Staates, seiner Behörden, Beamten zu den ein zelnen Volksangehörigen, über denjenigen der einzelnen Volksgenossen untereinander. Der Rechtsfriedensgedanke ist im letzten Jahrzehnt in der breiten Oeffentlichkeit am meisten beim Vorschläge eines besonderen, den gerichtlichen Prozessen vorgelager ten rechtlichen Güteverfahrens erörtert worden. Zahlreiche wahre Volksfreunde inner- und außerhalb der Iuristenzunft wiesen unermüdlich darauf hin, wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und bei Antragsstraf sachen viele Zeit, Kosten, Erbitterung, Haß und Rach sucht vermieden werden könnten, wenn die Parteien in einem zweckdienlich eingerichteten Güte- oder Sühne- verfahren Gelegenheit fänden, über die Rechtslage be lehrt zu werden, sich auszusprechen und über die wirk- III»IIIIII»III»IIIIiIIlIIIIIM»l»I»!IIMlIlIII»IIII»M»M»III»I»IMMIIIIIIIMIIIIIIIMIIIIIIII»I» „Die Freiheit ist keine Sache, die als eine Gabe einem Volk sich schenken ließe, sie muß von innen heraus erworben sein. Habt ihr nicht euch ihrer wert gemacht, unter den Händen wird sie euch entschwinden." Görres. «iliiiiiiiiiissillliifiiliiliiltillliliiiliiiillliiliilliiiliiiiiiliiiiiiiliillliiiiiiliiiiiiiiilliiiiüiiilliiiiiiiilii sichen Streitpunkte sich klar zu werden, und sie dann möglichst insgesamt durch angemessenen Vergleich aus dem Wege zu räumen. Diese Bestrebungen, die den Kernpunkt der sog. deutschen Rechtsfriedensbewegung ausmachen, haben den Gesetzgeber veranlaßt, ein solches Güteverfnhren durch die Notverordnung vom 13. Februar 1924 über das Verfahren in bürger lichen Rechts st reitigkeiten (Reichsgesetzblatt Teil 1 1924, S. 135 ff.) einzuführen, und zwar in amts gerichtlichen Sachen grundsätzlich obligatorisch. Die Lei tung dieses Güteverfahrens ist in die Hände des Richters gelegt. Der Gesetzgeber hat indes den Wünschen nach einem Güteverfahren vor andern Personen und Einrich tungen dadurch Rechnung getragen, daß er auch ein sol ches weitgehend als genügenden Sühneversuch erklärt, lieber den Wert und die Bewährung des Güteverfahrens hört man sehr verschiedene Urteile. Auch seine grund- Mtzlichen Befürworter werden nicht eine Reihe von Mängeln der jetzigen gesetzliche» Regelung verkennen. Aber sie betrachten es als ihre Aufgabe, auf deren Ab stellung hinzuwirken und vor allem unter diesen vielfach einseitig stark betonten Mängeln die grundsätzliche Forderung nach vermehrtem Rechtsfrie den durch wirksames Güteverfahren nicht leiden zu lassen. Sie ist es auch, deren Vorstellung ein Hauptzweck dieses Aufsatzes ist. Der Rechtsfriedensgedanke, der Gedanke, daß in den meisten Fällen verständige friedliche Zusammenarbeit eine bessere Streitlösung als zwangsweise Entscheidung trifft, dabei die vielfachen schädlichen Begleiterscheinun gen der letzteren fernhält, liegt, allgemein gesprochen, in der Luft. Aber er wird doch noch nicht entfernt in dem wünschenswerten Grade verwirklicht, weder im ersten privaten Stadium der Rechtsstreite, noch bei ihrer Erörterung vor außergerichtlichen Einrichtungen, noch vor Gericht selbst und bei der Zwangsvollstreckung. Es ist bezeichnend, daß, wenn ein Jurist in einer Gesellschaft erscheint, man sich durchweg an ihn mit Fragen nach Vorgängen des Rechts k a m p f e s, nach Dom religiösen Zeilgesichi In der „Frankfurter Zeitung'" stand stingst ein Bericht ^cm einer Austührung des „Spiels von der Heiligen Messe", die der katholische Beamtenverein in einem Frank furter Theater veranstaltete. „Es mag seltsam erscheinen, das; an dieser Stelle darüber berichtet wird. Aber es gibt gelegentlich Dinge, die wirklich zu den Schächten der Volks seele hinabführen. Man spürt den Atem einer großen Be wegung, begreift den Zauber ihrer Mysterien und die Macht ihre.- Bekenntnisses. Unsichtbar, stolz und kraftbewußt steht die katholische Kirche hinter diesem Spiel, das ein Pater Wicsebach ersann" ,tzoch im Hintergründe, vor eitlem Kirchenfenster, ein Altar, davor ein Priester im Meßgewand und zwei Chorknaben. Während des ganzen Abends in Gebet und liturgischen Gesang vertieft, mit dem Rücken zum Zuschauer. .Hinter dem Zelebrierenden ein tveißes Kreuz, im Mittelgrund ein Podium für die heilige Hand lung und im Vordergrund ein Feldweg, aus dem die Ge stalten dc? Alken Testaments agierten und wandelten. Worte der Bibel in ihrer ganzen Kraft und der einfältigen Stärke eines spontane» Gvttcsgefühls vermischten sich mit einsachen Sähen des die.Handlung verbindenden Textes. Die Erschei nungen ans der Mittelbühne vor dem Kreuz, Christus und Maria, Jünger und Volk in ihrer strahlenden Buntheit wie bewegte, uralte Weihnachtskrippen, mit den realen Vor gängen im Vordergrund verwoben und in Beziehung ge bracht durch Glaubenssätze und die Süße und Kraft Mozart- 'cher Musik, Geige und Orgel, schwebende Frauenstimmen tnd fester Kantus der Kirchenchöre. Man mochte unbeteiligt ein. den Dingen da unten entfernter stehen, nicht dem 'acholischen Glauben nngehören: es war, als Hütte das alles lnr nicht soviel mit den Vorgängen auf der Bühne zu tun. 5?s Wesentliche war die Genugtuung darüber, Laß in inser» Tagen solches überhaupt lebendige Erscheinung wurde. Man ward mitgerissener Zeuge eines Gemeinschafts gefühls, das über Tag und Stunde hinaus ein ganzes .Haus voller Menschen unter einer ewigen Idee zusammen- schloß" Hört man die Untertöne in einem solchen Bericht einer Tageszeitung, so wird man die Wendung, die das Zeitbe- wutztsein nimmt hin nach dem Kultischen, recht wohl bemerken. Wäre so etwas vor 29 Jahren möglich gewesen? Die katholische Kirche spürt lebendig, was ihr heute aus der Menschheitsseele cntgegenkommt. Aber auch der Protestantismus ist sich dessen bewußt geworden, daß die kümmerlichen Reste von idealistisch sich fühlender Philosophie, das Bedürfnis nach gemütvoller Naturbetrachtung und die Predigt von der Ueberwindung des Materialismus kaum etwas daran zu ändern verpiögen, daß — sonderlich in unfern Industriegebieten — die Reste religiösen Fühlens in die Winkel getrieben werden. Auf den protestantischen Kanzeln wird Sonntag für Sonntag geredet und geredet, geistlos und geistvoll schwach und schlecht, gut und gläubig, äußerlich gewandt und innerlich angespannt geredet. Und das Volk wird des endlosen Redens immer müder und verrät dies deutlich dadurch, daß es nicht mehr zuhört. Trotzdem steigen aus der durchgän gigen Abstraktheit des protestantischen Denkens bei der Betonung des Kultus immer aufs neue Gesiihlswiderstände auf, die beim Anhüren eines katholischen Hochamtes z. B. Denken und Wollen im Anfang zu überwältige» drohen. Hier liegen für den, der aus dem Protestantismus kommt, die Schwierigkeiten für das Verständnis des Meßopfers, und zwar nicht bloß darum, weil man nicht an Weihrauch und farbige Priestergewändcr gewöhnt ist. Der Protestant möchte im „Glaubest", d. h. unmittelbar von Seele zu Seele, von Ich zu Ich mit Gott verbunden sein und kann zunächst nicht damit fertig werden, die Heilswirkungen irgendwie an des priesterliche Tun am Altar gebunden zu sehen; er hat Las Emvsinden. daß dieses in seinem Gottesverhältnis störend interessanten oder pikanten gerichtlichen Prozessen wendet. Als ob die Iurtstentätigkeit lediglich Streitfllh« rung und Streitentscheidung bedeutete! So manche haben daher die höchste Meinung von dem Anwalt, der es dem Gericht und Gegner „einmal gründlich gesagt"! Als ob damit die juristische Tätigkeit sich von ihrer Haupt- und vorteilhaftesten Seite zeigte, als ob Frau Justitia eine Art Marktweib wäre, das sich vor allem auf Rauf- höndel versteht und bei ihnen glücklich fühlt, nicht aber die edle Frau sein wollte, die mit feinem Sinn und zarter Hand die Wogen der Erregung glättet. Es liegt vielfach auch an den Juristen, daß sie durch die Art der Hand habung ihrer Tätigkeit bei weiten Kreisen den An schein erwecken, sie betrachteten die Arbeit mit dem Messer des Chirurgen (oder zuweilen des Metzgers!) an den Rechtsfällen als den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, nicht die meist viel fruchtbarere Arbeit für die vorbeu gende Rechtspflege und Prozeßverhütung. Daß dies anders werden muß, steht außer Zweifel. Bei der Be rufserziehung unserer Juristen auf der Universität und im praktischen Vorbereitungsdienst muß weit stärker betontes Ziel sein, Juristen heranzubilden. die sich als Schützer des Rechts, aber ebensosehr des Rechtssriedens fühleii, die für die schwierige Rechtssriedensarbeit ein reichliches Maß psychologischen Scharfblicks ihr eigen nennen. Das bisher von den Juristen für den Nechts- frieden Geleistete soll damit natürlich nicht undankbar verkannt werden. Aber hiermit allein ist es nicht getan. Auch das Publik lim muß für den Rechtsfriedensgedanken auf nahmebereit sein. Es bedarf dazu einer systematischen Erziehung unseres Volkes zur Rechtsfriedensgesinnung. Der Rechtsfriedensgedanke aber findet seine wirk liche Verankerung erst in der christlichen Nt oral, die in die Buchstaben des Gesetzes nicht bloß das Schein leben dürftiger religionsloser Moral, einiger Grundsätze vom verkehrsüblichen Handeln sog. anständig denkender Menschen usw. bringt. Die christliche Moral lehrt es mit den Pflichten gegenüber dem Nächsten ernster nehmen. Sie stellt unmittelbar vor die G e w i s s e n s f r a g e: Bist du vollkommen und restlos von der Berechtigung deines Rechtsanspruches überzeugt oder zittert in dir nicht doch ein Bedenken nach, dein Gegner möchte nicht ganz unrecht haben? Glaubst du, selbst wenn du völlig im Recht bist, dein Recht schonungslos verwirklichen zu dürfen, oder mahnen dich Erwägungen deines Gewissens, mit der endgültigen Vollstreckung zu warten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen? Und durch die Türe des Her zens, die sich so die christliche Moral öffnete, tritt dann, auf den erwachenden Rechtsfriedensgeist ihre sanfte Morgenröte ausstrahlend, die christliche Caritas. Dem natürlichen Rechte, der christlichen Moral, der christlichen Caritas liegt die „Weisheit" vieler Schrift sätze, die nach wenigen Monaten nur noch ein Dasein in staubigen Aktendeckeln fristen, fern. Aber sie führen weit größere Weisheit mit sich, deren Ueberlegenheit meist schon der Diesseits-, immer aber der Ienseitsstandpunkt anerkennen muß. Augustin Wibbelt schrieb in seinem ..Spruchbuch": „Die feinste Blüte der Kultur liegt in-der Güte; diese ist zugleich der Gipfelpunkt der Religion." Diesen Gipfelpunkt erreicht der Rechtssriedens- gedanke unter der Führung der christlichen Caritas. Die Erledigung von Rechtsstreit, die nur nach den kalten Buchstaben des Gesetzes fragt, sich jedweder Erwägung der Moral und Nächstenliebe verschließt, läßt womöglich den äußeren Streit mit dem Urteil in die Versenkung des Alltags verschwinden, ohne aber nach dem Seelen schaden zu sehen, den der weiter wuchernde giftige Keim anrichtet. Wer als Christ der Tat einen Rechtsstreit er ledigen möchte, der fühlt sich nicht geschützt und glücklich, wenn er bloß den starken Arm des Staates auf seiner Seite weiß, der kennt die viel höhere Majestät des ewigen Gesetzes der Moral und der Caritas. Der fragt nicht da nach, was er erreichen kann, sondern ob er es, und zwar auch auf diese Weise, erstreben darf; der fragt nicht, ob seine Verpflichtung bloß eine uneinklagbare ..Natur obligation" darstellt, ob dem Gläubiger die Mittel zur Vollstreckung fehlen, sondern was er vor seinem Gewis sen, was nach dem Gebote der Nächstenliebe schulde! Hier gilt daher inein Appell allen denen, welche oie Arbeit für die christliche Coritas auf ihr Panier schrie ben. Sie sollen helfen, die Einsicht verbreiten, daß unser Rechtsleben christlicher Kultur unwürdig ist, wenn ihm die Forderungen der Caritas künstlich ferngehalten wer- den. Sie sollen, jeder an seiner Stelle, in den vielen Fällen, die unmittelbar bei Dingen des Rechts helfende Hand verlangen, in den vielen Fällen aber auch, wo Un frieden und Zwietracht mittelbar die Quelle von Unglück und Not sind, unaufdringlich, jedoch zielbewußt zur Wie derherstellung des Friedens beitragen dazwischentrete. Man wird einem Suchenden zunächst sagen müssen, 'daß ein lebendiges Miterleben der hl. Messe ja dem Menschen zu einem solchen unmittelbaren Verhültn.s von Ich zu Ich Gott gegenüber helfen will. Weil die Menschen eben nicht so stark im Geiste sind, um von sich aus sich mit Gott vereinigen zu können, bedarf es eines Kultus. In kultischer Form muß sich ja auch die Gemeinde zu gemein samer Anbetung versammeln. Doch es sind ja heute sehr viele Protestanten schon zu der Einsicht gekommen, daß es eines wirklichen Kultus bedarf. „Alles Innere, sofern es wirklich lebendig ist, sucht nach äußerem Ausdruck, und es gibt dieser Tatsache ent sprechend eine rein innere Religion nicht. Tragik des Pro testantismus ist es, daß er es nicht fertig gebracht hat, sein« ihm eigene Form des Gottesdienstes zu schaffen. Tatsäch lich stehen wir, wenn wir in die Entwicklung desselben hin- einsehen, einem Nichts gegenüber. Was aber von Menschen aus nach ihrem Dafürhalten als Kultus gemacht wird, kann nicht als Brücke dienen, die Erde mit dem Himmel zu verbinden. Echter Kultus mutz aus göttlicher Eingebung fließen und bedarf höherer Legitimation. Die Tochter des ehemaligen Leipziger Universitäts- Predigers, eine der angesehensten Vertreterinnen der luilw- rischen Kirchlichkeit, sympathisch durch die tiefe Ehrlichkeit ihres Suchens, Diakonisse Gertrud von Zezschwitz, die den Weg zur katholischen Kirche gefunden hat, bekennt in ihrer Schrift „Warum katholisch?" was ihre Seele sucht« und was sie innerhalb des Protestantismus nicht finden konnte: „Die Ueberwelt. Aber nicht eine Neberwelt abstrakter Art, sonder-n eine Ueberwelt, die Kräfte ent sendet, die „das Heilige ausströmt". Dieses Ausströmen des Heiligen findet sie in Messe und Sakrament. „Das Heilige in ihrer Mitte, Heiligungskräfte ausströmend, Heili- gckkgskräfte entbindend, — das ist die Seele der katho lischen Kirche, das ist das Wesen des Katholizismus." Dr. H.R.
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