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Nlimmer 80 — 25. Jahrgang Oma! wöch. vezu«sprcia für April 3 M. einichl. vestellpelü. Anzeia«npreisc: Die Igelp Pelilzeile »ll.Z. Slellengesuche 20 L. Tie Petitreklamczeilc. 89 Milli- Meter breit. I ^tt Osferlengedühren für Selbstabholer LO L. bei Uedersenöung ourch die Post außerdem Portozulchlaa EinzelNr IN Sonnlaos-Nr. 15 Geschäft!. Teil: I. Hillcbrand in Dresden. SöckMe Dienstag, 13. April 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieserunp sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Ver. antwortung Unverlangt eingesanste u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd nicht aufbewahrt. Hauptschristleit.: Tr. Joseph Albert, Dresden. / ?!uverli«,lge , »n-l svNeneckte vlumen- ung Oemllse-Sllmerelea ^SKl?L«SW0l , Veexlrn X tsbnslr. 4. SNI / X, VeN.kl. VMzeLümg vteschätrcftell«, Truik »nd Verlag: Saroiila- Lnchdruckerei GmbH.. DreSdon-A. l, Polierslrnke >?- sternrui 2IVIS. Poktichccklonto Dresden I4N-? Banklonlo: >8ass»ngc s grinscke, Dresden. FiirchrisllichePolilikun-Kullur «LNS«r ZK ««Nm. k. 5c«aoe L co. «/siosnksurstesNs,0, c-niui-llittie:. SkMd« li-llee siSnig 6 Völkerbund und Paneuropa Ein Vortrag Graf Coudenhoves rsirn, 12. April. Der bekannte Vorkämpfer für Paneuropa, Gras E o n d e n h v v e - K a l e r g i hielt hier einen Vortrag über den panenropäifchen Gedanken. Europa, dic'er künst liche Erdteil, dieie Schöpfung des Menschen, jo führte ,Graf Condenhobe ans. stirbi. ohne daß die Europäer seine Todesgefahr erkennen. ES stirbt nicht an einem Naturereignis, nicht nach historischem Gesetz, sondern an der Blindheit, Dummheit und Gedankenlosigkeit der Euro päer. Sein Sterben ist ein halber Selbstmord, weil die Europäer Krankheit und Kr.se nicht erkennen oder nicht zur Kenntnis nehmen. Dein Zynismus und dem Leichtsinn, der darin gelegen ist, will die paneuropäischc Bewegung ein Ziel setzen. In geistvoller Weise bezcichnetc Eondenhove die europäische Seele als dreidimensional: christlich die Tiefe, hellenisch di« Weite, germanisch die Höhe. Das Christentum gab Europa Tiefe, das Griechentum Form, das Germanentum Kraft. Diese drei Elemente begegnen sich in einem Punkt der europäischen Seele, der Freiheit. Europa ist das Land der Freiheit und das Land der Mitte zwischen dem auf Tat und Technik gestellten Amerika und dem auf Religion und Ethik gestellten Asien. Zwischen dem kapitalistischen Kollektivismus Amerikas und dem kom munistischen Kollektivismus Rußlands bleibt Europa das heilige Land des Individualismus, der Persönlichkeit, der Freiheit. Freilich hat der europäische Individualismus seine »vrhrseite in der Anarchie, dem Ostrazismus und der Sclbst- zerfleischnng. Nicht die gleichmäßige Sorglosigkc t des Süoens ist europäisches Ideal, sondern Kamps und Sieg, und dieser Kampfgeist hat die Geschichte Europas so blutig gestaltet. Auch der Weltkrieg war kein Novum, sondern nur das letzte Kapitel dieser tausendjährigen Kriegsgeschichte. Durch Jahrtausende konnte sich Europa ohne Lebens gefahr seinen inneren Kriegen hingeben. Sein einziger Gegner war der Islam. Jetzt sieht es sich plötzlich von Osten und Westen isoliert und umstellt durch die Emanzipationen Amerikas und Asiens. Es ist aus der Offensive in die Defensive gedrängt. Darum ist jeder neue Krieg zwischen europäi'chen Völkern .Hochverrat und Doppelselbstmvrd. Die Erkenntnis dieser Tatsache verursachte den Sicgeszug des Panenropnis ch e n G e d a n k e n S. Von Jahr zu Jahr beschleunigt sich sei» Tempo, so daß schon die dies- jähr.ge Wirtschafts- und 'Abrüstungskonferenz des Völker bundes die Notwendigkeit Panenropas offenbaren wird. Graf Eondenhove entwickelte sodann seinen bekannten Plan der V ö l k er b u n d s r c fo r m , die Einteilung des Völkerbundes in sechs Sektionen, eine paneuropäikche und eine panamerikanische, eine britische und c.ue rufst,che, eine chinesische und eine japanische. Erst die politische Aner kennung und Schaffung Europas wird das Gleichgewicht und den Frieden Europas und der Welt sichern. Das poli tische System des Gleichgewichts heißt in der inneren Politik Autonomie, in der äußeren Politik Föderation. Pan- mropa ich aber auch ein geistiges Problem: denn nur ei, beseeltes Europa kann gedeihen, ein unveseelieö muß ver fallen. Die Genfer Studienkommission Ter Botschafter v. Hoesch hat während seines letzten Be suches bei Briand die Zusammensetzung der Kommission für die Erweiterung des Völkcrbundrates zur Aussprache gebracht. Der deutsche Botschafter hat an Briand folgende Fragen gerichtet: 1. Wird die Kommission rein beratenden Charakte'' haben? 2. Werden die Mitglieder Bevollmächtigte sein oder nur" sachverständige Berater? 3. Wie wird sich das juristische Verhältnis des demschen Vertreters zu den übrigen Delegierten gestalten? -1. Wird die Kommission außer der Erweiterung des Rates noch andere Fragen zu prüfen haben? Eine endgültige Antwort aus diese Frage» ist noch nicht ersotgt so daß mit einem weiteren Besuche v. Hoeschs am Quai d'Orsay zu rechnen ist. Wie hier vertäutet, wird auch der deutsche Botschafter in London. Stimmer, in dieser Angelegenheit Schritte beim Foreign Osfice unternehmen Der Slaaksslreich von Peking Die La g c i n C h i n a hat sich in der letzten Woche wieder völlig verändert. Während es nach dem Siege der ver einigten Truppen Wupeisus und Tschangtsolins über den Gene ral Feng so schien als ob eine gemeinsame Negierung unter dem Schutze der beiden siegreichen Generäle entstehen würde, ist nun zwischen den beiden Sieger» ein neuer Gegensatz entstanden. Wupcifu hat sich von Tschangtsolin getrennt, hat am Sonnabend die Hauptstadt Peking besetzt und den Präsidenten Tuan - tschiyni verhaftet. Wnpeifu hat sich inzwischen persönlich nach Peking begeben. Man erwartet, daß er beabsichtigt, eine neue Präsidentschaft Tsaokun und unter dem Schutze seiner Armee z» proklamie ren. Tsaokun war bekanntlich seinerzeit von dem General Feng noch dessen Staatsstreich abgesetzt und verkästet, beim Anrücken der verbündeten Armeen gegen Peking aber freigelossen worden. Zwischen den Truppen Tschangtsolins und denen Wupeisus soll es östlich von Peking bereits zu neuen Kämp- 'on gekommen lein. Mussolini in Tripolis Nom. 12. April Mussolini ist gestern in Tripolis eingetroffcn. Er begab sich vom Schiff in einer Dampspinasse zur Mole, wo sich Tau sende von Eingeborenen zu seinem Empfang versammelt hakten. Auch die einheimischen Fürsten und Würdenträger hatten sich ein- gefundcn, und faschistische Abteilungen bildeten Spalier und be grüßten enthusiastisch ihren Führer. Zu Ehren Mussolinis wurde dann eine große Truppenschau mit dem Empfang verbunden Hinter den Truppen drängle sich die arabische Bevölkerung. Arabische Reiter mit ihren fliegenden weißen Mänteln verliehen dem Ganzen ein eigenartiges Gepräge. Mussolini hielt eine An. spräche, in der er erklärte: „Meine Reise ist eine Bestätigung der Macht des italienischenBolkcs. ein Ausdruck der Kraft, die von Rom ausgeht und die von Rom ihre bisherigen Triumphe bis zu dieser Küste trägt. Das Geschick hat uns nach dieser afrikanische» Küste geführt, und nichts wird dieses Geschick oder gor den un beugsamen Willen Italiens oufhalten." Während der Ansprache Mussolinis kreuzten sechs Flugzeuge über der Stadt, und die Geschütze der Schisse feuerten einen Ehrensalut. Auf einem Bankett, das zu Ehren Mussolinis beim Gou verneur De Bone stattfand, erklärte der Duce: „Das Mittel- meer war schon einmal einrömischesMeer. Ich erhoffe, sie Wiederkehr dieser Zeit zu erleben." Der öslerrelchische Staatshaushalt 1S2K Wie«, 12. April. Nach den Berichten des Rechnungs hofes schloß das Jahr 1925 mit einem um 86,44 Millionen Schilling günstigeren Ergebnis als vorgesehen ab. Die Vor schläge sahen nämlich einen Verlustsaldo von 81,97. Milli, vor, während sich tatsächlich ein Ueberschuß von 4,47 Mill. ergab, der lausenden Budgetgebarung waren die Ausgaben um 9,49 Millionen größer, die Einnahmen stiegen jedoch um 71,04 Millionen. Die Jnvestirionsansgaüen waren um 5,27 Millionen geringer, als man annahm und die Kontvkorrenrgebnrung zeigte gleichfalls ein um 0.04 Millionen günstigeres Ergebnis. Insgesamt wurden in der laufenden Gebarung 782,94 Millionen ausgegeben und 894,5 Millionen eingenommen. Die Jnvestitionsausgabcn erforderten 75,96 Millionen und bei der Konwkorrent-- gebarung ergab sieb ein Fehlbetrag von 31,2 Millionen Schilling. Letzte Meldungen Der Glockenturm von Toulouse eingcstürzt. Am Sonntag früh ist der aus dem 15. Jahrhundert stammende Giockenturm von Toulouse eingcstürzt. Die Trümmer fielen auf ein Wohn haus, das völlig zerstört wurde. Vier Hausbewohner sind ge tötet worden. Bei den Aüfräumungsarbciicn wurde noch ein Schwerverletzter zutage gefördert. Alan befürchtet, daß sich noch weitere Opfer unter den Trümmern befinden. Revision aller Jürgens-Prozesse. Der Rechtsausschutz des preußischen Landtages hat einen Beschluß gefaßt, das Staats- ministeriuin zu ersuchen: 1. bei der Neichsregierung darauf hin- zuwirkcn. daß sämtliche Verfahren des Staatsgerichtshofcs, in den Jürgens amtlich tätig gewesen oder als Zeuge bzw. Sach verständiger vernommen worden ist, daraufhin nachgcprüft wer den. ob den Angeklagten durch die Mitwirkung Jürgens ein Nachteil irgendwelcher Art entstanden sei; 2. in eine genaue Prüfung darüber einzutrelen, wie weit die dienstlichen Hand lungen während des Krieges und nach dein Kriege Anlaß zu strafrechtlichem oder disziplinarischem Einschreiten geben. Verhandlungsunfähigkeit Kutiskers. Iwan Kutisker. der Hauptangeklagte in dem am Montag vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte beginnenden Prozeß Kutisker und Genossen, wurde am Sonnabend auf Anordnung des Amtsgerichts in seiner Woh nung auf seine Vcrnehmungssähigkeit untersucht. Die beiden untersuchenden Aerztc kamen übereinstimmend zum Ergebnis, daß Kutisker nicht verhandlungsfähig sei. Amundsens Nordpolreise. Das Luftschiff Norgc ist Sonn- abend früh um 9 I!hr 10 Minuten zu seiner Nordpolreise aufge- stiegen. Selbstmord „Auto-Troschkes". In seiner Wohnung brachte sich Sonntag vormittag der 45 Jahre alte Inhaber der Automo bilfirma Fritz Troschke einen Kopsschuh bei. der den sofortigen Tod zur Folge lsatte. Die Leiche wurde beschlagnahmt. Der Grund zum Selbstmord soll in finanziellen-Schwierigkeiten zu suchen sein. Schweres Bcrkehrsunglück in Weimar. Montag früh nach 6 Uhr stieß im dichten Nebel auf der privaten Klein bahnstrecke Legcfeld—Berka in der Nähe des Legofelder Bahnhofes ein von Weimar kommender Postkraftwagen mit der Lokomotive des aus Berka kommenden Zuges zu sammen. Das Postguts wurde vollständig zertrümmert, und die Lokomotive stark beschädigt. Drei Personen würden schwer uvd Ms leicht verletzt. . Neue Steuern — und was Sann? Paris, 12. April 1926. Nun endlich! Es hat einige Ministerien gekostet und noch einige Finanzmimster mehr, bis man schließlich sich in Kammer und Senat entschließen konnte, die neuen Steuern aufzunehmen, die nun das finanzielle Gleich gewicht fürs Rechnungsjahr 1920 sichern sollen. Hat also der neue Finanzminister Raoul Peret mehr Finanzgenie als Doumer oder Caiilaux? Mitnichten oder vielleicht im Gegenteil, aber die Kammer muhte mm endlich da mit aufhören, immer wieder die Regierung umzuwerfen, sonst hätte das Volk wohl eigenartig reagiert. Halb aus Müdigkeit, halb aus Verdruß hat man nun allerhand Steuern votiert. „Volkstümlich" könnte man diese nennen, denn sie treffen das breite Volk, und übrigens gleichen sie den berühmten Steuern vor der großen Revolution von 1789 wie ein Wassertropfen dem andern. Tie Salzsteuer wurde erhöht. Damals nannte man sie Gabelte, nur wird sie heute auch auf Alkohol erweitert. Bürger- taxe heißt heute, was man früher Capitalisn nannte. Und ferner steigt auch der Tabakprei s. Von einem Ende des Landes zetern die Raucher bis zum andern, daß sie nunmehr für ein Päckchen Staatsknaster 2,50 statt 1,50 zahlen müssen wie bisher. Aber was hilft's?, 'Darüber setzt sich der Staat kalt hinweg, erhöht noch' rasch die Postgebühren. Aber man fragt sich vergeblich: Wo bleiben die großen durchgreifenden M a ß n a h in e n. znm Beisviel die Erfassung der Kriegs- gewinne? Wer wagt es. die Niesengewinne der Indu strie zu belasten, welche nur immer zunehmeu im glei chen Maße, wie der Franken sinkt? Davon ist in den neuen Finanzvorschlägen keine Spur, obwohl doch die Sozialisten es völlig in den Händen hätten, solche Maß nahmen von der Negierung zu erzwingen. Und nun? Wird das Volk sich aufrcgen, sich dem Faschismus in die Arme werfen? Wird man einer. Revolution entgegengehen? Das übersieht man ja oft vom Auslände, wenn man von drohender französischer Faschislengesahr redet, daß rein politische Verwirrung nicht genügt, um das Volk zur Erhebung zu bringen. Bei allen französischen Revolutionen, vielleicht die von 1870 und auch etwas die von 1830 ausgenommen, haben vor allem soziale N! iß stünde das Volk zur Tat erhoben. Erst diese können ein Volk bis in seine Tiefen aufrüttein, aber rein poli tische Angelegenheiten, falls sie nun nicht in allzu schar fer Weise die Freiheit des Einzelnen beschneiden, lassen den Mann vom Volke kalt. Auch in Italien haben erst die vielen Streiks, die wachsende Unsicherheit, das gestörte wirtschaftliche Leben, dem Faschismus den Boden vorbereitet, haben es soweit gebracht, daß das Bürgertum den Faschismus ruhig über sich ergehen ließ als das kleinere Uebel. Doch alle diese Bedingungen schien in Frankreich. Ter Arbeiter ver dient in Paris reichlich für seinen Unterhalt, der Bauer, den man wohlwissend mit Steuern verschont, hat die letzten Jahre sehr schöne Gewinne zu verzeichnen, und von dem Kleinrentner oder dem Kleinbürger braucht man keine Revolution zu fürchten. Wenn auch ein Teil der bürgerlichen Jugend zu den Nechtssrganisationen geht, was bedeutet das? Diese Jugend ist so sehr unter sich selbst gespalten, dos; sie kaum zu einem gemeinschaft lichen positiven Programm sich aufschwingcn kann. Und ferner können verschiedene Nechtsorganisationen nur bestehen, weil Großindustrielle ihnen die nötigen Mittel zur Verfügung stellen, und es ist ja kein Geheimnis mehr,' daß Valois mit seinen Blauhemden und seiner neu gegründeten Zeitung „Das Neue Jahrhundert" nur mit Hilfe des Geldes des Comits des Forges weiterleben kan». ; Und die Großindustriellen haben gar kein Interesse daran, daß die „öffentliche Ordnung", sei es von rechts oder links, gestört würde. Denn Frankreich arbeitet ruhig mit vielem Fleiß: große Produktion, eine gestei gerte Ausfuhr, da niemand den französischen Inflations- Preisen in der Welt Konkurrenz machen kann. Aber wenn nun einmal die französischen Preise aus dem Weltmarkt die andern eingeholt haben, falls der große deutsch-französische Trust, der schon für die Schie nen existiert, auch auf andere Eisenerzeugnisse ausge dehnt wird, falls dann eine innere soziale Krise aus bricht? Da können die kleinen faschistischen Sturm trupps schon zu etwas nütze sein. Denn so wird's wohl kommen müssen. Solange alles noch seine ruhigen Wegs läuft, keine wirtseb"stn^>-;; oder sozialen Krisen das -> Land durA'ütteln, ist dem Franzosen auch die schlechteste