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«mnersrag, sei, /. April 1V27 Ar. Li; Leit- 4 Der Kampf um die Mietzinsen Annahme -er Aeglerimgsvorlage im Rechksausfchich Dresden Die Kolpingsarbeii in Dres-e« Naiholischer Vesellenvereil, Dresden - 2»n>r«l Aus dem Jahresbericht des 73. Vereinsjahres ent nehmen wir, daß der Verein seinem dreiteiligen Generalpro gramm gerecht zu werden versuchte. Der religiösen Aufgabe dienten vier Pflichtgeneralkommunionen mit Vorbereitungs abenden, sowie neun Versammlungen mit religiösen Vortrags- Ihemen. Di« im Kolpingsaa! vom Präses des Vereins, Herrn GiMnasialdirektvr Englert, gehaltenen religiös-wissenschaftlichen Vorträge erfreuten sich eines sehr guten Besuches, besonders auch von seiten der Eemeindemllglieder. In vierzehn Vor tragsabenden wurden die verschiedensten Lehrsätze der katho lischen Religion einer modern-wissenschastlichcn Untersuchung unterzogen, öer die Schlussfolgerung und praktische Nutzanwen dung folgte. Auch an Veranstaltungen der Gemeinde, wie Atallfahrt, Franziskusseier usw. nahm der Verein regen Anteil. Im Zeichen des sozialen Programms wurde im vergan genen Vereinsjahr 757 durchreisenden Kolpingsbrüdern freies Nachtquartier für drei Abende, sowie kostenlose Verpflegung für eine» Tag gewährt. Die Arbeitslosen des Vereins erhiel ten Vergünstigungen in Zimmermiet«, Beköstigung usw. Nicht zu vergessen sei die grosse Renovation des Kolpings- saalcs, sowie die Instandsetzung mehrerer Zimmer und Gänge des Hauses, auch wurden beide Höfe geebnet und pla niert. Diese uneigennützigen Ausbesserungsarbeiten der Mit glieder fanden ihre Anerkennung am Saaleinweihungsadend durch Anwesenheit und Ansprache des hochwürdigsten Herrn Bischofs, Dr. Christian Schreiber. Der Verein veranstaltete fünf gut besuchte Fa m i I i e n a b e » d e, die besonders den Schutzmitglieder» und deren Angehörigen gewidmet waren. Auch die abgehaltene» beruflichen Kurse seien hier erwähnt. Achtzehn Versammlungen mit Vortrügen beruflichen und sozia len Inhalts trugen ebensalls zur Durchführung des sozialen Programms bei. Zivei junge Kolpingsbrüder wurden, fern der Heimat, durch Todesfall aus unsere» Reihen gerissen, deren Beerdigung ein beredtes Zeugnis für das grotze Werk Kol- pings ablegte. Auch dem dritten Teil, dem B i ld u n gs p r o g r« m m, suchte der Verein nachzukommen. 21 Versammlungsvorträge verschiedendsten bildenden Inlzalts haben dazu beigetragcn. Die Bibliothek (370 Bandes, sowie das neu eingerichtete Lesezim mer wurde rege benutzt. Aus der Reihe der öffentlichen Ver anstaltungen seien hcrvorgehoben vier große Theaterabende, Saaleinweihung und Oktoberfest. Um Großstadt und Finan zierung gerecht zu werden, dürste der Verein auch mit Ver- gnügungsabenden nicht kargen. Zwecks besserer Durcharbeit and Mitarbeit an den großen Gesellenvereinsaufgaben sind im Verein Abteilungen vertreteni Dramatisciie Abteilung „Teuto nia", „Kolpingturnerschaft", eine Gesangsabteilung, zwei lands- mannschastliche Gruppen und ein Kegelklub. Mögen diese kurzen Ausführungen beitragen, den Gesel lenvereinsgedanken, die Kolpingiöcole, weiter und tiefer zu verbreiten, unserm Verein neue Freunde, neue Unterstützung zuführen, damit wir dem Ausspruch des Hl. Vaters Pius XI. gerecht werden können: „Der katholische Gesellenverein ist be rufen mitzuarbeiten an der wahren Lebenserneuerung der menschlichen Gesellschaft." Die ..Unschuld" vom Lande Schwindler-Tricks Das Kriminatamt Dresden warnt vor einer unbekannten reisende» Betrügerin, die nach verschiedenen Gastrollen in Berlin, Leipzig usw. das Feld ihrer Tätigkeit in der letzen Woche nach Dresden verlegt hat. Die Betrügerin spricht in der Regel bei älteren Frauen vor und gibt auch nach den ersten Begrüßungsworten unter vieldeutigem Schweigen den Anschein der unverhofft von auswärts kommenden Ver wandten. Sie gestaltet die Begrüßung kurz aber herzlich etwa mit den Worten: „Guten Tag, Tante" oder „Kennst Du mich nicht mehr?" und die so Angesprochenen lassen nun schnell vor ihren geistigen Augen ihre Verwandten vorüberziehen und nennen eine verwandte Familie, die nach ihrer Berechnung etwa eine solche Tochter haben könnte. Die freudige Erregung über diesen unverhofften Besuch macht die alten angesprochenen Leute in der Regel gesprächig und kritiklos und die Gaunerin hat in kurzer Zeit alles das erfahren, was sie zu ihrem Plan benötigt. Bejahend geht sie aus alles ein und weiß in geschick ter Weise weiter zu kombinieren. Um die Freude noch zu steigern, bringt die Gaunerin dann noch das Gespräch auf eine demnächst bevorstehende Familienfestlichkeit und verknüpft da mit gleich die Einladung zu diesem Fest. Wenn die Opser nun genügend sicher gemacht sind, laßt die Gaunerin durchblicken, daß einen ihrer Angehörigen ein Unglücksfall ereilt habe. Der Arzt habe zur Heilung einen bestimmten Apparat vorgeschrieben Dresden, 6. April. Der Rechtsausschutz des Land tags behandelte gestern die Vorlage der Regierung über den Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Gesetzes über den Gelüentwertungsausglelch bei be bauten Grundstücken. Der Berichterstatter Abg. Röllig (D. Vp.) bespricht den Inhalt und die Wirkungen der Vorlage und empfiehlt Annahme des entscheidenden Artikels I. Danack würde in der Zeit vom 1. April dis 30. September die llOprozentige Friedensmicte wie folgt verteilt werden: Hausbesitzeranteil 85 Proz., Finanzbedarf des Staates II Proz., Finanzbedarf der Gemeinden 8 Proz., Fürsoroezwecke 3 Proz., Wohnungsbau 25 Prozent! Ab 1. Oktober 1927 wer den die dann eintretenden 128 Prozent der Fricd-ensnnet« auf- geteilt wie nachstehend: Hausbesitzeranteil 69 Proz., Finanz- bedarf des Staates 11 Proz.. Finanzbedarf der Gemeinden 6 Proz.. Fürsorgezweck« 4 Proz., Wohnungsbau 30 Prozent. Mitbcrichierstatter Edel (SPD.) lehnt die Vorlage ab und bezeichnet die Neuregelung als Gesclienkpolitik. Hierin wird er von den Kommunisten unterstützt. Abg. Großmann (Wp.) gibt einen Ueberblick über die Entwicklung der Steuer pflichten für die Besitzer bebauter Grundstücke. Die Regierung verweist daraus, daß Sachsen in be zug auf die Grenze zur Befreiung von der Mietzinssteuer wei ter als andere Länder entgegenkomme. Sachsen, so hob der Arbeitsminister hervor, habe bisher dem Hausbesitz 60 Prozent der Miete überlassen und an der Zwangsivohnraumbewirtschas- tung iiicht gelockert. Alle anderen Länder hätten Eewerbe- räume und teilweise große Wohnungen aus dem Wohnungs mangelgesetz herausgenommen. Dort seien dem Hausbrsitz bis her folgende Anteile zugebilligt worden: in Preußen 60 Proz., und um diesen zu Kausen, sei sie nach Dresden gekommen. Die Gaunerin stellt dies in äußerst geschickter Weise so hin, als sei die Abreise in aller Hast und ohne genügende Vorbereitung geschehen und prompt pflegen die Opfer ,nitleidvoll zu fragen, ob sie sich denn auch mit genügend Geld für den Kauf versehen habe. Auf diese Frage Hot die Gaunerin-gewartet und mit gut gespielter Zaghaftigkeit gibt sie zu, daß ihr das Geld allerdings nicht reiche. Die Opser springen gern mit Beträgen bis zu 100 Mark ein und werden erst zu spät gewahr, daß sie einer Gaunerin zum Opfer gefallen sind. Die Betrügerin wird be schrieben: 20—30 Jahre alt, mittelgroß, schlank, frisches Gesicht, mit ihrer Kleidung macht sie den Eindruck, als käme sie vom Lande. » Eine andere Betrügerin, die 28 Jahre alte Stütze Frida Martha Kühne von hier, vor deren Betrügereien schon wiederholt in den Tageszeitungen geivarnt morde» ist und die in ihrer letzten Rolle als angebliche Angestellte einer Fried hofsverwaltung als Betrügerin in Slerbehäusern austral, operiert seit den letzten Tagen erfolgreich mit einem neuen Trick. Sie gibt sich bei bedürftigen Witwen als Ehefrau eines Krimi nalbeamten aus und spiegelt vor, daß ihr Ehemann einmalige Unterstützungen für Bedürftige beim hiesigen Fürsorgeamt ver mitteln könne. Für die angeblichen Unkosten fordert sie einen Vorschuß. Sobald sie diesen erhalten hat, ist ihr Zweck erreicht und sie verschwindet auf Nimmerwiedersehen. In der geschilder ten Weise hat die skrupellose Gaunerin u. a. auch eine hiesige arme Witwe um ihre letzten Spargroschen in Höhe von 18 Mark betrogen. Bei erneutem Auftreten der beiden Schwindlerinnen wolle man in geeigneter Weise die Polizei verständige» und ihre Festnahme veranlassen. Dienfkankrttk -er Frauen"vttzet Dresden, 6. April. Gestern vormittag hat die Dresdner Frauenpolizei — 6 Beamtinnen — ihren Dienst angetrcten. Aus ihren Patrouillengängen wird die weibliche Polizei ihr Augen merk auf sittlich gefährdete Frauen, Mädchen und Kinder, Kin- derbettelei und Handel durch Kinder richten und hilfsbedürftige Bayern 8S Proz., Württemberg 85 Proz., Baden 68 Proz., Thü ringen 68 Proz., Hessen 71 Proz., Mecklenburg 65 Proz., Ol denburg 78 Proz., Bremen 80 Proz., Lübeck 68 Proz., Schaum- burg-Lippe 72 Prozent. Bemerkenswert ist, daß es sich außer Sachsen zum Teil um Länder mit Linksmehrheiten und um Regierungen handelt, a» denen die SPD. beteiligt ist. In der Abstimmung werden kommunistische und links sozialistische Anträge abgelehnt: der Antrag des Berichterstat ters Röllig wird gegen die Linksparteien angenommen. Dafür stimmte auch der Aufwertler und der Altsozialist, so daß die Borlage in der heutigen Sitzung des Nlenums verabschiedet werden bürste. Der Ha u sh a l ta u s schu ß B vewungie in ie>ner geizi gen Sitzung den zweiten Teilbetrag für die Beteiligung des Landes Sachsen an den Arbeiten des Südslügels des Mittellandkanals in Höhe von 600000 Mark, so daß zurzeit einschließlich des im vergangenen Jahre zur Verfügung gestellte» Betrages 1 Million Mark bereit stehen. Der Fort gang der Arbeiten an der Talsperre bei Welterwiese (Wilzschtalsperrc) wird durch die Bewilligung der unter Titel 14 des außerordentlichen .Haushaltplanes angeforöerten 140 000 Mark sichergestellt. Für den Bau der Koberbachtal- sperre genehmigte öer Ausschuß einstimmig die Einstellung des letzten Tarlehenbetrags in Höhe von 500 000 Mark in den außerordentlichen Etat. Im staatüchen Hafen Dresden- Fr i e d r i ch sta d t bedürfen Kranaiilagen, Greiser usw. der Anpassung an den neuzeitlichen Umschlagsverkehr. Die hierfür erforderlichen Mittel <270 000 Mark), die teilweise auch als Betriebsmittel benötigt werden, wurden nach dem Voranschlage des .Haushaltplanes eingestellt. Der Landtag hat hierzu noch eine besondere Vorlage zu erwarten, wie auch die Beteiligung des Landes am Mittellandkanal noch eine gesetzliche Regelung erfahren wird. Personen mit Rat und Tat unterstützen. In allen Fällen wil der Frauenpolizei ihre eingehende Kenntnis der Wohlfahrts-, Jugend- und Krankenpflege sehr zugute kommen. Das Er- sclpeinen der Beamtinnen in der Oesscntlichkeit rust natürlich zunächst — wie alles Neue — staunende Betrachtungen des Publikums hervor. Die Beamtinnen unternehmen ihre Dienst- gange von der Polizeiwache in der Schössergasse aus. : Reise des Wirtschastsministers nach Ungarn. Die Säch sische Staatszeiiung teilt mit: Ende Marz d. I. I)atte Herr Wirt- schalsminister Dr. Wilhelm in Begleitung des Herrn Ministerial rats Dr. Graf Vitzthum eine dreitägige Reise nach Ungarn unternommen, um, einer Einladung des ungarische» Landes- agriküliurvereins folgend, die Z u ch t t ie r a u s st e l l u n g in B » dapest zu besichtigen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch mehrere landwirtschaftliche Großbetriebe in der weiteren Um gebung von Budapest in Augenschein genommen und das in seiner Reichhaltigkeit und in seinem Ausbau großartige Land- mirlschoftsmuseum in Budapest besucht. Bei allen diesen Ver anstaltungen wurde der Herr Minister durch Beauftragte des Ungarischen Ackerbauministers in zuvorkommender Weise geführt. : Vergehen gegen das Branntweinmonopolgesetz. Das ge meinsame Schöffengericht verurteilte gestern, die Kaufmanns witwe Rosa Frings ivegcn Mittäterschaft zum Vergehen gegen das Branntweinmonopolgesetz zu 5 Wochen Gefängnis. 28 000 Mark Geldstrafe und 2000 Mark Wertersatz. : Das 25jährige Gcschäftsjubiläum konnte am Anfang dieses Monats Herrn Kaufmann Alois Reichelt. Sedan- stratze 13, begehen. Wir wünschen dem Jubilar, der ein tätiges Mitglied der katholischen Gemeinde und auch ein treuer Leser unserer Zeitung ist, weiterhin alles Gute! : Deutscher Muttertag. Das Ministerium für Volksbildung hat angcordnet, daß sich alle Schulen am deutschen Muttertag, dem 2. Sonnlag im Mai, mit in den Dienst der Mutter ehrung zu stellen haben, indem vor oder nach dem Muttertage eine besondere Unterrichtsstunde der Muiierehrung gewidmet wird. Musik und Kunslgeschmack Es ist eine tief betrübende Erscheinung in der Kultur un serer Tage, daß sich neben der wahren, echten, tiefen Kunst eine schlecht«, werllose, seichtere Afterkunst breit macht. Das ist auf dem Gebiete der Musik ganz besonders fühlbar, da hier ihr Auftreten ungemein erleichtert und begünstigt wird. Wie bei jedem Kunstwerke kann man auch hier unterschei den zwischen Körper und Seele, zwisäzen Form und Inhalt. Nicht noch dem Aeußerlichen kann ein Kunstwerk beurteilt wer den, sondern nach dem inneren Gelickt. Von einem Kunstwerk verlangt man, daß es den heilig-reinen Gefühlen seines Schöp fers entsprossen ist. daß cs das Abbild einer großen, starken, harmonischen, sittlichen Natur ist. Wenn wir nach diesen Forderungen die Musikliteratur durchsehen, so können und müssen wir uns fragen: Wie kommt das viele völlig Wertlos« zustande? Wir finden als Antwort dieselben Ursachen, die uns bei Betrachtung der mangelhaften Leistungen auf anderen Kunstgebieien entgegentreten: Aus der «inen Seite Eitelkeit und Gewinnsucht der Autoren, auf der anderen Geschmacklosigkeit und Bequemlichkeit bei dem Publi kum. Wenden wir uns den «rsteren zu, so können wir drei Klassen unterscheiden: 1. die, welche die Liebe zur Musik und Begabung zum Schassen verwechseln: 2. die, welche trotz er kannter Bedeutungslosigkeit doch nach Erfolg Haschen und ihr technisches Können als Kunst Vortäuschen: 3. die, welche auf den Ungeschmack der breiten Mast« rechnend, die Kunst als Kuh betrachten, „die sie mit Milch und Butter versorgt". Am wenigsten verderblich auf den Kunstgeschmack werden vi« Zugehörigen der ersten Klasse. Sie lehnen sich an die gro ben Meister an und schaffen, ihre enge Begabung erkennend, auf einem Teilgebiete der Musik. Da st« da ernst streben, so vermögen sie teilweise noch ganz Gutes zu leisten, ja hier und da sich zu einer gewissen Selbständigkeit und Höhe durchzu ringen. Gefährlicher sür den musikalischen Geschmack werden sclpon die, welche ihre technischen Anlagen ausnutzen, um durch äußer lich Bestechendes das Grotze. die wahre Kunst, vorzutäuschen. Als besten Vertreter dieser Klasse können wir Meyerbeer hin» ltsllen. Hierher gehören alle die „Macher" -er Prunkopern. Am verderblichsten für das Hinabsinken des musikalischen Geschmacks in unseren Tagen sind aber die Tonsetzer der dril len vorgenannten Klasse geworden, die meist nicht einmal das musikalische Handiverk meistern, keinen oder nur geringen Ehr geiz besitzen, aber desto mehr Sinn und Fertigkeit im Geldver- dicnen. Sie sind die Schöpfer der Operette in dem letzten Jahrzehnt. Der künstlerische Wert dieser Musikgattung, der wir durchaus nicht alle Daseinsberechtigung absprechen, ist ja längst zu Grabe getragen. Aber die Schlager, die mit Blitzes schnelle Gemeingut der gedankenlosen Masse geworden sind, bringen Riesensummen ein. Hunderitausende werden von sol chen „Machern" in einem Jahre einqeheimst, ein Beweis, wie groß der Schaden ist, den die Musik durch sie erleidet. Ver irrung, Unnatur, Pikanterie, selbst die Zote müssen auf die Bretter gezerrt werden, um die Mängel an musikalischem Schaffungsvermögen zu vertuschen. Es wirst ein schlechtes Licht auf den Geist unserer Zeit, daß gerade bei dem Ernste unserer Zeit diesen Spekckanie» auf Seichtheit und Ungeschmack der Weizen blüht und noch reiche Ernten verspricht. Und es ist keine Aussicht vorhanden, daß diesem unheilvollen Schaffen so bald ein Ende werden wird. Gemeine Musik kann nur ge mein wirken und den Sinn für das Grotze, Wahre, Echte im Volksempfindcn töten. Nur ein künstlerisch durchgebildeter Ge schmack kann sich dauernd dieser Sumpsflut entziehen. Es mutet an wie eine Tragödie, daß einem großen Teil der Menschen die künstlerisch fühlende Seele versagt ist trotz der hohen künstlerischen Werte, die aus dem deutschen Volke hervorgegangen sind. Es fehlt auch nicht an guten Kräften und Trieben, die gestärkt und in gute Bahnen geleitet werden könnten: auch nicht an Mitteln, sich durch den Genuß echter Kunst zu bilden und zu erbauen. Aber die Gewinnsucht aus der einen und die Bequemlichkeit aus der anderen Seite ver- drängen den Versuch, sich aus dem Morast der Afterkunst zu reineren Höhen emporzuarbeiten. Ist hier eine Rettung möglich? Ein Weiser hat einmal gesagt: „Möglich ist alles, was nicht logisch unmöglich ist." Da dies in unserem Falle nicht vorliegt, so müssen wir uns fragen: Was kann den musikali schen Geschmack bessern? Das beste und einzige Mittel ist die Selbsterziehung. Wir müssen den Netzen der Gemeinheit und Unschönheit ent fliehen und — „bie Seele in Felcrkleidern" — dem Genius der Kunst entgegenwallcn. Unser kleines, schwaches Selbst müssen wir aus dem Staube der Alltäglichkeit losreitzen und zu seli gen Gefilden emporheben. Die echte künstlerische Kultur ist nichts Aeutzerliches, sondern etwas tief Innerliches. Wenn wir das noch nicht erreicht haben, so ist das ein Mangel unserer Erziehung. Kein Volk der Welt besitzt solche Künstler, als dos deutsche; keine Mutzk lg ln kerrllck und erhaben, wie die deck- sche. Was aber geschieht, um uns unsere nationalen Schätze zu eigen zu machen? In Schule und Haus wird die gute Musik zu wenig ge pflegt. Ihren erlzobenen Sinn hat man uns nicht erschlossen, unser Empfinden nicht geschult, sich in ihre geheimnisvollen Tie fen mit Andacht zu versenken. So ist es kein Wunder, wenn die Musik von leider nur zu vielen nicht wichtig und ernst ge nommen wird, als ein Luxusgegenstand erscheint, der zur Bil dung entbehrlich ist. Mer auch die musikalischen Darbietungen, die der Er ziehung zum Kunstverständnis dienen sollten und könnten, die Konzerte, bieten oft dem Publikum nur Kitsch. Sie sind ja leider auch nur zu häufig aufs Geldverdienen abgestimmt und müssen deshalb auf den (verdorbenen) Geschmack der Mehrheit Rücksicht nehmen. Soll es besser werden, so mutz die musikalische Er ziehung schon in den Schulen beginnen. Nach ver ständlicher Einführung mag man der Jugend verständliche, künstlerische Musik in tadelloser Ausführung bieten. Wo das nicht möglich ist, kann und soll doch dem Schund entgegcn- gcarbeitet und die Auswahl und Einübung der Lieder mit künst lerischer Gesinnung vorgenommen werden. Segensreich wird es auch sein, die Schüler, besonders an höheren Schulen unter künstlerischer Leitung zu musikalischen Zirkel» zu vereinen, wie es ja bereits erfreulicherweise an manchen Ort.cn geschehen ist. Den gediegenen Volkskonzerten sollte noch mehr Augenmerk zugewendet werden. Die Auswahl ober sei von Anfang an dem Kunstverständnis angepatzt und am besten mit kurzen erläuternden Einleitungen versehen, die das Verständnis erleichtern und an sicherer Hand zu den goldenen Höhen der Kunst hinanführen. Auch die klassische Hausmusik sollte mehr ge pflegt werden. Sie schafft für Vereine Kräfte, die erzieherisch und bildend wirken können und werden Für solche Fälle ist immer das zu wählen, was von der Allgemeinheit verstanden wird. Das Virtuos«, wozu der leicht verzeihliche Ehrgeiz den Vortragenden leicht führen kann, trete vor dem erziehlich und künstlerisch Bedeutenden zurück. Viel wird auch zur Besserung erreicht durch Belehrung in Form von leicht verständlichen Vorträgen und einer von künstlerischem Geschmack beeinflutzten Auswahl guter Musik- stück«. Auf diesem Wege ist zu hassen, datz die Musik, einer der edelsten seelischen und geistigen Schätze unseres Volkes, sich aus den schmutzigen Fahrgelcisen der Geschmacklosigkeit zur Hellen Sonne reinen Genietzens hinanführt. Robert Hillmann.