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228 srewerger Anzeiger und Tageblatt. Seite 4. — 30. September. 18SS kommen beweisen und einer kleinen Fraktion den Herrn zeigen wollte, sie war die klare Absage, gewissermaßen eine Unabhängig- keitserklärung des hiesigen Freisinns von dem Terrorismus der Berliner Parteileitung, sie war der Ausdruck eines lebhaften nationalen Empfindens, das sich der Gefahr sozialistischer Uebei- fluthung vollkommen bewußt war, sie war aber keineswegs die Erklärung, daß der Wahlkreis unentwegt reformerisch ist. — Eine große Anzahl Schneegänse flogen in der ver gangenen Nacht in südlicher Richtung über unsere Stadt. Das Schulwesen im Schulinspektionsbezirk Dippoldiswalde hat stch während des letzten Vierteljahrhunderts in solgender Weise entwickelt. Die Gesammtzahl der Schüler betrug 1874: 8811; 1899: 10032 (14 Proz. mehr); die Zahl der Lehrer be trug 1874: 89 und 1899: 123 (reichlich um 38 Proz. gestiegen); 1874 gab es 22 Schulen, in welchen 1 Lehrer über 120 Kinder unterrichtete, jetzt ist nur noch eine Schule im Bezirk vorhanden, in welcher die gleiche Zahl Kinder von einem Lehrer unter richtet wird. Weiblicher Handarbeitsunterricht wurde 1874 in 2, jetzt in 66 Schulen ertheilt. Die Zahl der Fortbildungsschulen betrug 1874: 9, jetzt wird dieser Unterricht in allen Schulen des Bezirks ertheilt, in Geising erhalten sogar die Mädchen Fort bildungsschulunterricht. Von den 89 Lehrern (1874) amtiren jetzt noch 10. Seit 1874 sind 27 Schulneubauten und 26 An- und Umbauten im Bezirk ausgeführt worden. Die Gemeinden haben im Vorjahre 189229 Mk. für Schulzwecke aufgebracht. Auf der Bahnlinie Leipzig—Döbeln—Dresden sind die Arbeiten am zweigleisigen Ansbau soweit vorgeschritten, daß mit 1. Oktober die Strecke zwischen Deutschenbora und Miltitz, annähernd 9 Kilometer lang, zweigleisig befahren werden wird. Der Unterbau, die Verlegung des Packlagers, wie auch die Ver legung der Schwellen und Schienen sind zwar auch aus deu be nachbarten Strecken Triebischthal—Miltitz und Deutschenbora— Nossen schon sehr weit vorgeschritten, doch sind hier die Arbeiten an den zahlreichen Durchlässen und den Triebischüberführungen, an denen die Widerlager auszubcssern und die Eisenkonstruktionen für das zweite Gleis noch zu montiren sind, noch nicht so weit, daß vor Sommer nächsten JahreS die Einrichtung zweigleisigen Betriebes zu erwarten steht. Auch an der in Nossen gelegenen Muldenbrücke sind zahlreiche Kräfte mit der Montirung der Eisen konstruktion beschäftigt, doch auch deren Fertigstellung wird noch geraume Zeit mähren. Die nothwendige Entlastung deS Landgerichts Dresden fall durch Errichtung eines zweiten Landgerichts in Dresden be wirkt werden. Hierbei erfolgt eine Theilung der Arbeiten in der Weise, daß dem bestehende» Landgericht Dresden I alle Sachen auS der Stadt Dresden zur Erledigung überwiesen werden, während dem neuen Landgericht Dresden II die der Ortschaften bezw. Amtsgerichtsbezirke außerhalb Dresdens zusallen. Die Markthalle in Dresden-Neustadt kann bis zum festgesetzten Erösfnungstermin (1. Oktober) nicht fertig ge stellt werden. Es ist aus diesem Grunde der 7. Oktober als Eröffnungstag festgesetzt worden. Der freie Wochenmarkt aus dem Neustädter Marktplatz fällt von diesem Tage an fort. Ein recht bedauerlicher Unfall ereignete sich auf der Elisenstraße zu Dresden. Dort wurde ein Haus abgebrochen, um an seiner Stelle ein neues erstehen zu lassen. Bei der Herunternahme der ersten Balkenlage brach die eine Giebelwand vollständig zusammen und durchbrach die Gewölbe im Erdgeschoß mid daS erste Obergeschoß. Einen der Arbeiter nssen die ein- stürzenden Mauern mit in die Tiefe, der schwer verletzt aus den Trümmern hervorgeholt wurde. Wne halbe Stunde später brach, als die Arbeiter den Bau wieder betreten hatten, auch die zweite Giebelwand zusammen. Glücklicherweise konnten sich die Arbeiter noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. In den beiden Leihamtsgeschäftsstellen in Dresden wird vom 1. Oktober au die durchgehende Geschäftszeit für das Publikum auf die Stunden von 9 Uhr Vormittags biS 3 Uhr Nachmittags eingeführt. An den Nachmittagen der bisherigen Geschäftszeit traten verschiedene Uebelstände hervor, es konnten an trüben und nebeligen Nachmittagen die Einlösung und Verlängerung der Pfänder aus Mangel an Tageslicht nur mit dem größten Zeitauswande erfolgen. Der Versatz von Gold und besonders von Edelsteinen war sehr erschwert und zum Theil ausgeschloffen, weil die Taxatoren bei künstlicher Beleuchtung die Echtheit nur mit größter Schwierigkeit prüfen können. Die Farben oder das Gewebe von Stoffen und Kleidungsstücken war nicht sicher zu unterscheiden. Die Lagerräume mußten mit La ternen betreten werden, wodnrch die Herbeifchassung der Pfänder fehr erschwert, insbesondere aber auch die FenerSgesahr erhöht war. Nunmehr glaubt man durch Einführung der durchgehenden Geschäftszeit diese Fährlichleiten beseitigt zu haben. In ihrer in Dresden-Friedrichstadt gelegenen Wohnung wurde eine 29 Jahre alte Frau todt vorgefunden. Wie die ärztliche Untersuchung ergab, hatte sie sich vergiftet. Kürzlich früh begab fick der städtische Wafferkontrolleur Petzold in Dresden bei Ausübung seines Dienstes in einen Keller der Walpurgisstraße. Als das Dienstmädchen nach 3 Stunden den Keller betrat, sand sie den Beamten todt dort vor. Ein Schlagfluß hatte den etwa 60 Jahre alten Beamten mitten im Dienste aus dem Leben abgerufen. Dieser Tage wurde in Leipzig, wie schon kurz gemeldet, in einer von 80 Musikdirektoren aus ganz Deutschland besuchten Versammlung die Gründung eiiies Deutschen Musikdirek- toren-Verbandes mit dem Sitz in Leipzig beschlossen. Dem Aufruf zum Beitritt sind bereits über 230 Direktoren gefolgt. Der Zweck des Verbandes soll erreicht werden 1. durch Einführ ung einheitlicher Kontrakte und Disziplinarordnungen, damit ein Musiker allerorts gleichgeordnete Verhältnisse vorfindet, 2. durch Fernhaltung jedweder unwürdigen Konkurrenz der Mitglieder, 3. durch Beseitigung unlauteren Gebahrens solcher Unternehmer bezw. Direktoren, welche dnrch falsche Ankündigungen unhaltbare Versprechungen und dergleichen Musiker engagiren und dieselben dadurch oft in Noth bringen, 4. durch möglichst kostenlose Ver mittelung von Engagements auf Grund gegenseitiger Empfehl ung, 5. durch Förderung empfehleuswerther Musiker, 6. durch kollegiales Einvernehmen der Mitglieder. Mit der schon gemeldeten Verbaflung des Uhrmachers Klotzsch auS Jetznitz in Anhalt durch die Polizei in Leipzig ist es ge lungen, dem Treiben eines Falschmünzers aus die Spur zu kommen, der seit länger als einem Jahrzehnte unangefochten Deutschland mit falschen Einmarkstücken — Münzzeichcn und Jahreszahl 1881 — förmlich überschwemmt hat. Seit etwa zehn Jahren wurden an den verschiedensten Kassenstellen der größeren Städte solche Falschstücke angehalten, deren Unechtheit dem ober flächlich prüfenden Auge entging. Ihre Zahl beläuft sich ganz zweifellos auf viele Tausende. Ihr Ursprung aber ist aus nahmslos auf den Jeßnitzer Uhrmacher zurückzusühren. Diesen mag der bisherige Erfolg seiner verbrecherischen Thätigkeit über- müthig und sicher gemacht haben. Denn er scheute sich nicht, in einem großen Waarenhause bei Zahlungsleistung zugleich zehn Einmarkstücke aufzuzählen. Dabei hatte er aber nicht mit dem wachsamen Auge Ler Kassirenn gerechnet, die aus Erfahrung die Markstücke 1881als unecht kannte. Ihrer Umsicht ist in erster Linie die Verhaftung Klotzsch' zu verdanken. Er ließ sich im Bureau der Kriminalpolizei bald zu dem offenen Geständnisse herbei. Die sofort nach Jeßnitz entsandten Kriminalpolizisten entdeckten die Werkstatt des Falschmünzers und überführten die sämmtlichen Maschinen und Werkzeuge nebst fertigen und un fertigen Falschstücken nach Leipzig. Die falschen Markstücke be stehen auS einer Mischung von Zinn und Antimon, sind galvanisch versilbert, mittels Feile gleich den echten fein gerändert und außerordentlich täuschend nachgemacht. Nur an ihrem leichten Gewichte läßt sich sofort ihre Unechtheit erkennen. Klotzsch hat in seiner Vaterstadt, wie es heißt, schon seit 20 Jahren im Ver dachte der Falschmünzerei gestanden. Trotzdem hat er in Jeßnitz Ehrenämter bekleidet und iw öffentlichen Leben eine große Rolle gespielt. — Das in Plauen i. V. seit etwa zehn Jahren täglich erscheinende freisinnige Tageblatt wird vom 1. Oktober ab nur noch einmal wöchentlich erscheinen. Der ^,4 jährige Knabe einer Webersamile in Glauchau ver schluckte beim Spielen eine Kaffeebohne, welche dem Kinde in die Luftröhre gcrieth. Um dieses vor dem Erstickungstode zu retten, mußte es operirt werden. Die städtischen Kollegien zu Werdau haben die Einführung des fakultativen stenographischen Unterrichts, System Gabels- berger, neben dem französischen Unterricht au der I. Bürgerschule (für Knaben) definitiv genehmigt. Ter Cirkus Blumenfeld beabsichtigte in Meeraue einen Cyclus von Vorstellungen zu veranstalten. Von der dortigen Behörde ist diesem aber die Genehmigung versagt worden, weil angeblich kein Bedürfniß für derartige Veranstaltungen vor handen sei. Die für das neu zu errichtende Feldartillerieregiment, das in Wurzen in Garnison zu liegen kommt, bestimmten Geschütze und Munitionswagen trafen gestern mit zwei Sondcrzügcn dort ein. Unerhörter Leichtsinn hat zwei Schüler des Technikums in Limbach zu Strasthaten getrieben. Die beiden jungen Leute, der 18jährige Max Karl Nickel und der 19jährige Achille Cäcile Claiss erschienen wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung vor dem Schwurgericht zu Chemnitz. Die Angeklagten hatten am Abend des 1. Juni einem Zechgelage beigewohnt und verübten nun im angetrunkenen Zustande auf den Straßen allerlei Unfug. Sie kamen schließlich in eine zum Rittergut Limbach gehörige gefüllte Scheune. Nickel steckte diese aus purem Uebermuth in Brand, wozu ihm Claisä Streichhölzchen gab. Die Scheune ging in Flammen auf und wurde binnen kurzer Zeit mit ihrem ge- saminten Inhalte vernichtet. Der hierdurch erwachsene Schaden belief sich auf 3480 Mark. Zu seinem Unglück hatte in jener Nacht der Polizeiobservat Ernst Otto Freitag aus Oberlungwitz in der Scheune Unterschlupf gesucht und war bereits in festen Schlaf versunken. Aus diesem erwachte er, als das Feuer rings um ihn herum schon brannte. Er erlitt so schwere Brandwunden, daß er im Krankenhause, wohin er alsbald nach seiner Rettung aus den Flammen verbracht worden war, verstarb. Dem Wahr spruche der Geschworenen gemäß wurden die Angeklagten unter Zubilligung mildernder Umstände zu je 1 Jahr und 6 Monaten Gesängniß und je 1 Woche Hast verurtheilt. Ein russischer Jude, der sich Aron Abraham Tur nennt, wurde in Blasewitz beim Einsammeln von Geld angehalten und festgenommen. Er hatte das Adreßbuch der Vororte von Dresden bei sich und nach einem Sammelbuch, das er bei sich führte, hat er größere Beträge in Dresden und Umgegend, in Blasewitz allein gegen 60 Mark erbettelt. Die Sammlung ge schieht angeblich zn Gunsten von zwei in Rußland unschuldig verurtheilten Gutsbesitzern und Literaten. Bei Tur wurden 23 Mark vorgefunden; er lehnte es ab, seinen Wohnort zu nennen und anzugeben, wohin das gesammelte Geld gekommen ist. Es scheint sich um eine arge Schwindelei zu handeln. Aus den Weinbergsgrundstücken von 16 Besitzern in LinVenau (Lößnitz) ist das Vorhandensein der Reblaus amtlich festgestellt worden. Ein heiteres Vorkommniß erlebten am Montag die Passagiere eines aus der Strecke Chemnitz-Limbach verkehrenden Zuges. Erst neben, dann hinter dem Zuge sah man kurz vor der Station Hartmannsdorf einen Mann herlaufen, der, wie es schien, der Schnelligkeit des Zuges Konkurrenz machen wollte; jedoch der Zug war etwas schneller und so blieb dem guten Mann nichts anderes übrig, als den Hut in die Hand zu nehmen und zu winken. Jetzt, was war das? Der Zug blieb auf freier Strecke stehen, Alles sah natürlich, wie es bei derartigen Vor kommnissen üblich ist, zum Fenster heraus mit der Frage: „Was ist hier los?" Die Antwort der Schaffner war: „Der Maschinen- sührer ist verloren gegangen!", was natürlich große Heiterkeit hervorrief, aber doch erst etwas zweifelhaft erschien. Nunmehr kam aber der vom Laufen sehr erhitzte Maschinenfühler seinem Ziele näher, eilte am Zuge vorüber auf die Maschine und nun gings mit Volldampf weiter. Kunst, Wissenschaft, Literatur. ** Stavttheater. Morgen, Sonnabend, bleibt das Theater geschlossen. Am Sonntag findet eine Aufführung des fünfaktigen Schauspiels: „EinKind des Glücks" von Charlotte Birch- Pfeiffer statt. Verschiedenes. * Der Kaiser als Pathe. Allgemein ist die Ansicht ver treten, daß der Kaiser bei dem siebenten Sohne eines Ehepaares stets Pathenstelle annimmt. Aus einem Schreiben des kaiserlichen Civilkabinetts an den Milchfahrer Golembiewski zu Kulmsee geht indessen hervor, daß dies nicht der Fall ist. G. hatte den Kaiser gebeten, bei seinem siebenten Sohne Pathenstelle zu übernehmen. Da von den sieben Söhnen jedoch schon einige gestorben sind, so erhielt er jetzt den Bescheid, daß der Monarch die Uebernahme der Pathenschaft ablehncn müsse, weil es Gepflogenheit des Kaisers sei, Pathenstclle bei dem siebenten Sohne einer Familie nnr dann anzunehmen, wenn dessen sämmtliche Brüder noch am Leben sind. Der Herrscher ließ jedoch für den kleinen Erdenbürger bei der Sparkassenstelle zu Thorn ein Geldgeschenk von 30 Mark verzinslich niederlegen. * Der Hirtenknabe aus den» Stanzerthal, welcher, wie wir kürzlich berichteten, beim Schafesuchen im Maroithale, südwestlich von St. Anton am Arlberg, sich in dem Schnee treiben verirrte und acht Tage eingeschneit war, ist ge - storben. Er war in die chirurgische Klinik zu Innsbruck ge bracht worden; eS sollten ihm beide Beine, die erfroren waren, amputirt werden. Das wollte aber der Knab« nicht zugeben, lieber wollte er sterben. Auch seine Mutter war mit einer Amputation nicht einverstanden. Man brachte daher den Kranken I wieder in seine Heimath zurück, wo sich noch am Abende desselben Tages der Brand einstellte. Am 23. d. M. starb der Unglück liche. Er hieß Ludwig Wucherer. * Ein ganzer Zug über ei» Kind hinweggerolli. Nahe der Station Swatonitz der Oesterreichischen Nordwestbahn kroch ein zweijähriger, unbeaufsichtigter Knabe auf den Bahn körper und spielte dort in sitzender Stellung zwischen den Schienen. Dem Lokomotivführer eines heranbrausenden Personen- ,uges war es nicht mehr möglich, die Maschine anzuhalten, und o fuhr der ganze Zug über das Kind hinweg. Man glaubte, )en armen Knaben als verstümmelte Leiche wiederzufinden, doch zur größten Ueberraschung lebte er und hatte nur unbedeutende Hautabschürfungen erlitten. Das Kind war, nachdem es von der Maschine niedergestoßen worden, ruhig liegen geblieben und so der Gefahr entronnen. * Eine Statistik der Berliner Chantants veröffentlicht ein Artisten-Fachblatt. Danach giebt es in der Reichshauptstadt 5 große Spezialitäten-Theater, 6 Spezialitäten-EtablissementS zweiten Ranges, nicht weniger als 35 Varietes, ferner 20 Sommer-Lokale, 4 Konzert- und 5 Balllokale, in denen gleichfalls Spezialitäten aufzutreten Pflegen. Von den Berliner Vororten haben Nixdorf, Schöneberg, Halensee, Lichtenberg, Stralau, Charlottenburg, Spandau und Westend außerdem noch besondere Spezialitätenlokale in welchen zum Theil auch den Winter über gespielt wird. * Ueber ein eigenartige- Vorkommnitz in eine« Berliner Krankenhaufe wird wie folgt berichtet: In der Station für Infektionskrankheiten lagen auf einem Zimmer sechs scharlachkranke Kinder. Als eines Morgens der Arzt die Runde machte, fand er zu seinem Erstaunen, daß bei sämmtlichen sechs Kindern die Halsdrüsen übermäßig stark angeschwollen waren. Die sosort angestellte Untersuchung ergab dann, daß die mit der Nacht wache betraute Wärterin so bodenlos leichtsinnig gewesen war, während der ganzen Nacht die Fenster offen zu lasten. Natür lich hat sie sich um die Kinder überhaupt nicht gekümmert, sonst hätte sie die offenen Fenster unbedingt bemerken müssen. Zwei von den vernachlässigten Kindern sind bald darauf gestorben. * Thierquälerei und Prügelstrafe. Die Zeitschrift für Thierschutz „Ibis" schreibt in ihrer neuesten Nummer: „Unter den Anzeigen, die der Leipziger Thierschutzverein bei der dortigen Behörde eingereicht hat, befinden sich zwei Fälle, die geeignet sind, auch bei dem humansten Menschen ein Gefühl des Jucken? auf der rechten Handfläche hervorzurufen. In dem einen Falle hatten junge Bursche eine lebende Katze an den Hinterpfoten auf gehängt und durch ein unter ihrem Kopfe angezündetes Fenn langsam zu Tode geschmort, im andern Falle schnitten rohe Ge sellen einer Taube die Zehen von den Füßen und ließen sie dann weiter fliegen. — Natürlich werden diese menschlichen Ungeheuer nur eine gelinde Geld- oder Freiheitsstrafe bekommen haben." * Eine verheerenve Feuersbrunst hat in der Nach! zum 13. August das Eingeborenenviertel in Nokohama heim gesucht und einen ganzen Stadttheil, über 3000 Häuser, darunter auch die allen Globetrottern wohlbekannte Straße „Jsezakicho" zerstört. Yokohama gliedert sich in drei Stadttheile; im Osten, an der Bay, liegen die europäischen Niederlassungen, daran schließen sich nach Westen zu die Reihen der japanischen öffent lichen Gebäude und erst hinter diesen erstreckt sich weithin die Eingeborenenstadt mit ihren vielen tausend kleinen Häusern, ihren Tempeln, Schulen und Theatern, ihren freundlichen sauberen Straßen und dem fröhlichen und emsigen Leben, das sich vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein dort abspielte. Die Straße Jsezakicho war der große Vergnügungsmittelpunlt und jeder Europäer, der Nokohama besucht hat, wird sich mit leb haftem Interesse des eigenthümlichen Treibens dort erinnern. Hier standen die fünf großen Theater und bei ihnen die unzähligen Singspielhallen, Schaubuden, Theehäuser und Vergnügungslokalitäten. Von all diesen Stätten ist wenig mehr geblieben als ein großer Trümmerhaufen, und das ganze Viertel von Jsezakicho ist ebenso vernichtet. 3027 Häuser sind nach dem offiziellen Bericht in Flammen aufgegangen und ferner zwei Tempel, ein Bankhaus, fast alle der vielen Theater und mehrere Schulen. Die Bewohner retteten kaum das nakte Leben, und was sie an Hab und Gut besaßen, ist rettungslos verloren. Wie groß der gesammte Schaden ist, läßt sich genau nicht berechnen, die offizielle Schätzung giebt ihn auf 12 bis 13 Millionen Mark au. Wie oder wo das Feuer zuerst auskam und wer Schuld ist an dem Unglück, wird kaum jemals sestgestell! werden können. Bisher wurden 25 Todte geborgen. Seit dem großen Brande, der 1866 einen Theil der Stadt und die euro päischen Ansiedelungen zerstörte, hat Yokohama keine solche Katastrophe erlebt. * Ein Gattenmord am Vierwaldstätter See. Man berichtet aus Zürich: Ein Kriminalfall, der in der deutschen Schweiz großes Aufsehen erregt hat und viel Aehnlichkeit mit jenem sensationellen Gattenmord hat, den im Jahre 1876 der Engländer HenryTourville amStilfser Joch beging, ist jetzt nach dreitägiger Verhandlung vor dem Gerichte in Schwyz zum Ab schluß gelangt. Vor den Schranken stand der 24jährigeCommis Bernhard Füßler, wohnhaft in Seewen bei Brunnen, der be schuldigt war, am 8. Mai d. I. seine Frau in mörderischer Ab sicht bei der Axenstraße über eine Felswand in den Vierwald stätter-See gestürzt zu haben. Ein direkter Beweis für die Schuld des Angeklagten lag nicht vor, wohl aber sprechen schwerwiegende Indizien gegen ihn. Füßler ist ein in sittlicher Beziehung ziemlich verwahrloster Mensch. Er führte ein lw- stätes Leben, war in den verschiedensten Berufen thätig, konnte aber der Arbeit keinen rechten Geschmack abgewinnen, da getzen trieb er sich gerne mit Frauenspersonen herum und unterhielt zu gleicher Zeit stets mehrere Liebesverhältnisse. Auch nach sei ner vor zwei Jahren erfolgten Verheirathung änderte er seist unsittliche Lebensführung nicht, trieb es im Gegentheil so wen, unter falschem Namen mit einer seiner Geliebten sich öffentlich zu verloben. Das eheliche Zusammenleben mit einem solche Menschen, der seine Frau auch auf das Brutalste mißhandeln, war ein Dasein voll unablässiger Qual. Bei den Gerichtsal ten lagen Briefe, in welchen die bemitleidnswerthe Frau in ruh- rnder Weise ihr Leid klagt und ihrer Besorgniß für die Zukunft Ausdruck giebt, denn die materiellen Verhältnisse des Ehr- Paares wurden immer schwieriger, das kleine Vermögen, das die Frau in die Ehe eingebracht hatte, schmolz immer mehr zu sammen. Bis kurz vor seiner Verheirathung lebte Füßler nm seiner früheren Logisfrau zusammen. Diese endete angeblich durch Selbstmord in den Fluthen des Rheines bei Basel. Futz- ler hatte sich von ihr, die allerdings öfters Selbstmordgedanlen äußerte, eine Art schriftliche Bescheinigung ausstellen lasten, daß er, falls „etwas mit ihr passire", nicht daran schuld l«. Auf denselben Tag, da diese seine Geliebte endete, hatte Futzier seine spätere Frau nach Basel bestellt und verkehrte mit ihr aufgeräumtester Stimmung. — Der Angeklagte versuchte , den Tod seiner Frau als einen Unglücksfall darzustellen, sei mit seiner Frau auf der Axenstraße spazierengeaangenunv dabei an der Wasifluh (einer steil in den See abfallnden WS wand) vorbeigekommen. Hier habe er sich auf einen Aug