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Verantwortliche Leitung der Redaktion: «evr- Burkhardt. F271 ——»>—»<— Hz, Jahrgang. — Freitag, den 23. November. Inserate werden bis Vormittags 1t Uhr angenommen. Preis für die Spaltzette 16 Psg. Außerhalb des LandgtrichtSbeztrIS 18 Psg. M.V W< Erscheint jeden Wochentag Abends '/,6 Uhr kür den anderen Tag. Preis vicrteljührlich 1 MH 80 Pfg. «inmonatiich 60 Psg.; durch die Post 2 Mk. 28 Psg. MWergerA«^^ NN-Tageblatt El L AmtMatt für die königlichen und Wüschen Behörden z» Freiberg und Braud. - Ae Einfuhr von Rutz- «ud Zuchtrindern ans vesterreich iu die Greuzbezirke vetr. Das Königliche Ministerium deS Innern hat beschlossen, die in Z 4 der die Einfuhr von MN- und Zuchtrindern auS Oesterreich in die Grenzbezirke betreffenden Verordnurm vom 22. Dezember 1893 — Dresdner Journal Nr. 1 vom Jahre 1894, Leipziger Zeitung Nr. 1 vom Jahre 1894 — vorgrschriebene 60 tägige Standfrist auf 8V Tage herabzusetzen. Die Ortspolizeibehörden des hiesigen Verwaltungsbezirks werden hiervon in Kenntniß gesetzt. Freiberg, den 19. November 1900. Königliche Amtshauptmannschaft. Idr. 8tel»«rt. StadtverorSneteu-Grgiiuzungs-Wahl. Für die mit Ende dieses JahreS nach Ablauf der Amtszeit auS dem Stadtverordneten« -ollegium ausscheidenden Mitglieder, Herren 1. Fabrikant Franz Streubel, 2. Kaufmann Theodor Stötzner, 8. Kunst- und Handelsgärtner Herma«« Seifert, 4. Privatmann Karl Gottlob Mey, L. Spediteur Karl Heinrich Müller, 6. Ingenieur August Löffler, 7. Fabriktheilhaber Georg Schippan, 8. Zahlmeister a. D. I. H. Lehman«, 9. Malermeister K. Konst. Hahn, 10. Postdirektor Th. G. Legler sauer für den infolge freiwilliger Niederlegung des Amtes ausgeschiedene» 11. Herrn Fabrikbesitzer E. Paschke md für dm durch Tod ausgeschiedenen 12. Herrn Privatmann P. Kästner find auf Grund KZ 4 folgende des OrtSstatutS und Ztz 49 folgende der Revidirtrn Etidteordnung ErgönzungSwablen vorzunehmen. Die Wayl findet Montag, ven 26. November ViefeS Jahre», dm vormittags 11 Uhr bis nachmittags 6 Uhr im kleinen Saale des Kaufhauses statt. Wir bringen dies mit dem Bemerken hierdurch zur öffentlichen Kenntniß, daß 7 Anfäfstgg und L Unansäsfige zu wählen sind, sowie daß die Nachverzeichneten, Herr Kupferschmiedemeister G. A. Weise, „ Fleischermeister Heinrich Berger, , Fabriktheilhaber Theodor FuchS, „ Klempnerobermeister Adolph Witt, , BergamtSsekretär Friedrich Schönherr, , Getreidehändler Emil Hermann, „ Oberdirektor Karl Heinrich Fische*, , Geh. Bergrath Kurt Merbach, „ Privatmann Franz Fuchs, „ Restaurateur Wilhelm Butze, , Rechtsanwalt Ed. Rudolph Leonhardt, „ Baugewerke Max Zemmrtch, „ Kaufmann Gustav Rühle, , Malermeister Georg Hertwig, , Kaufmann Rax Wächtler, „ Schneidermeister Gustav Handma««, „ Gymnasialoberlehrer »n. R. Schellhorn, „ Oberamtsrichter Richard Bretschneider im Stadtverordneten-Kollegium verbleiben und deshalb Stimmen, die auf diese Herre« falle», ebenso wie solche, die auf nicht wählbare Personen abgegeben werden, ungültig sind. Die zu Wählenden sind so zu bezeichnen, daß über ihre Person kein Zweifel entstehen kann Insoweit die Stimmzettel dieser Vorschrift nicht entsprechen, sind sie ungültig. Werden zu viele oder zu wenig Namen auf einem Stimmzettel gefunden, so wird hierdurch zwar dessen Gültigkeit nicht aufgehoben, es sind aber die letzten überzähligen Namen als nicht beigesügt zu betrachten. Die Wähler haben ihre Stimmzettel persönlich abzugeben; Formulare dazu werden am Wahltage im Wahllokale vorräthig gehalten. Freiberg, den 12. November 1900. De* Stadtrath. Blüher. Fhrg. Aus de» Ktichstage. (Eigenbericht.) ud. Berlin, 20. November. Der heutige zweite Tag der Chinadebatten stand an Leb haftigkeit wesentlich hinter dem gestrigen zurück, so daß die Tri bünen bald Lücken aufwiesen. Auch die Bundesrathstische waren veihaltnihmäßig leer, ein Umstand, der freilich seine besondere Ursache hat. Graf Bülow hat nämlich eine Verfügung dagegen erlassen, daß an interessanten Tagen die höheren Beamten aus allen Ressorts zusammenströmen und zuweilen an den Bundes- raWschen den Verkehr völlig behindern. Die Herren Geheim- räthe werden sich also in Zukunft, wenn sie außerhalb ihrer Ressorts liegenden Verhandlungen beiwohnen wollen, auf die Tribünen bequemen müssen. Wenn die heutigen Verhandlungen durchweg auch nicht so lebhaft verliefen, wie die gestrigen, so bot doch ein Abschnitt von ihnen das allergrößte Interesse. Diese Episode war in der That geeignet, die allerverwöhntesten parla mentarischen Feinschmecker zu befriedigen. Es handelt sich um ein Rededuell zwischen Eugen Richter und dem Grafen Bülow. Dass Richter bei dieser Gelegenheit eine große, mit scharfen kri tischen Pointen durchsetzte Rede halten würde, war ja selbstver ständlich. Darauf schien nun der Reichskanzler nur gewartet zu haben, um einen offenbar sorgfältig vorbereiteten, recht wirk ungsvollen Trumpf auszuspielen. Er verrieth, daß er im Som mer entschieden für die Einberufung des Reichstages gewirkt habe, als ihm eines Tages ein Artikel der „Freisinnigen Zeit ung", bekanntlich des Lewblattes von Eugen Richter, vor Augen gekommen sei, in dem die Einberufung als nicht gerade nothwen dig erklärt wurde. Stürmische, nicht enden wollende Heiterkeit erweckte die sich daran knüpfende Bemerkung des Reichskanzlers, daß er seine Bedenken vor der so sehr viel größeren parlamen tarischen Erfahrung Richters habe zurückstellen müssen. Was half es, daß Richter nachher die Umstände klar legte, und die sehr geschickte Bemerkung machte, er hoffe, daß der Reichskanzler nun auch in anderen, positiven Dingen den Spuren der „Freisinnigen Zeitung" folgen möge, Graf Bülow hatte die Lacher auf seiner veite, und die Wirkung der Richterschen Rede wurde dadurch zu einem großen Theile ausgelöscht. Diese Rede selbst war wieder ein oratorisches Meisterstück. Zuerst hob Richter seinen prinzipiellen Gegensatz zu Bebel her vor, indem er anerkannte, daß nach dem Belanntwerden von Kettelers Ermordung und von der Belagerung der Gesandt schaften eine militärische Machtentfaltung vorgenommen werden mußte; ganz gleichgiltig, was vorhergegangen sei. Dann aber setzte er mit schonungsloser Kritik ein. Er verurtheilte die zweite Truppensendung, sowie die Uebernahme des Oberbefehls, zu dem Deutschland sich trotz aller verklausulirten Beruhigungsversuche „gedrängt" hätte. Er verspottete die Pose und die theatralische Dekoration, die jetzt in unserer ganzen Politik herrsche; er klagte wegen der Nichteinberufung des Reichstages nicht nur den Für sten Hohenlohe, sondern auch den jetzigen Reichskanzler und alle Minister an, „denn sie seien allzumal Sünder", und forderte ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz; und vor allem zerpflückte er die Kaiserreden, die in Bezug auf die Chinaexpedition gehalten worden sind. Hier benutzte er sehr geschickt eine Blöße, die sich gestern der Kriegsminister gegeben hatte, indem er halb im Scherz, um die Angriffe auf eine Stelle in einer Kaiserrede ab- zuthun, gesagt hatte, der jetzige Zug nach China sei eine Art Ver geltung der Hunneninvasion vor IZH Jahrtausenden. Kein Wunder, daß Richter dann den Grafen Waldersee mit Attila in Parallele stellte, und als moderne Gottesgeißel charakterisirte. Graf Bülow versicherte in seiner Erwiderung nochmals seine unbedingte Achtung vor den verfassungsmäßigen Rechten des Reichstages, stellte, ohne mehr sagen zu dürfen, fest, „daß die Anregung zur Uebernahme des Oberkommandos von außen heraufamtlichemWegeanunsgelangtsei" und vertheidigte die temperamentvollen Kaiserreden damit, daß der Monarch in solchen Augenblicken, sich naturgemäß als Soldat und nicht als Diplomat fühle. „Daß die Diplomatie dabei nicht zu kurz kommt, dafür lassen Sie mich sorgen," fügte er hinzu und schloß mit dem Ausdruck der Zuversicht, daß die Nation sich die Freude an einer maßvollen Weltpolitik nicht werde ver kümmern lassen. — Alles in Allem hatte Graf Bülow heute einen recht glücklichen Tag. Er kann aber auch recht zufrieden sein, denn durch das freimiithige Eingestehen des vorgekom menen Fehlers hat er einer Reihe von sehr scharfen Angriffen die Spitze abgebrochen. Das zeigte sich deutlich' bei allen vier Rednern, die heute noch zu Worte kamen, den Abgg. v. Levetzow (kons.), v. Kardorff (Rp.), Bassermann (natlib.) und Rickert (freis. Bg.). Sie alle verurtheilten entschieden — je weiter sie nach links stehen, desto schärfer — die Verfassungsverletzung, zeigten sich aber halb und halb bereits versöhnt. Auch sonst hielten diese Redner, namentlich die beiden zuletzt genannten, die größere, wohldurchdachte Reden zu wirkungsvollem Vortrag brachten, mit ihrer Kritik nicht zurück. Aber wenn sie auch ihre Bedenken äußerten gegen gewisse Auswüchse bei der Kriegführ ung, gegen den theatralischen Pomp bei der Ausfahrt des Gra fen Waldersee (sogar Abg. v. Levetzow verurtheilte mit ziemlich scharfen Worten den patriotischen Ueberschwang), gegen die allzu temperamentvollen Aeußerungen des Kaisers und noch gegen manches andere, so war ihre Kritik doch eine durchaus wohl wollende, und vor allem war ihre Front nicht ausschließlich ge gen die Regierung, sondern auch, und zwar zumeist hauptsäch lich, gegen Bebel und die äußerste Linke gerichtet. Am Donnerstag wird die Debatte, die zur Ueberweisung der Forderungen an die Budgetkommission führen wird, zu Ende qeführt werden und dann beginnt der Kampf um die 12000 Mark-Affaire. Im Einzelnen ist zu* berichten: Abg. Dr. Bassermann (nat.-lib.): Meine Freunde können sich dem abfälligen Urtheil Bebels über unsere allgemeine Politik durchaus nicht anschließen. Herr Bebel wird den einen Faktor nicht aus der Welt schassen können, daß unter Umstän den der Gewalt, in diesem Falle der Gewalt der Boxer, mit Ge walt begegnet werden muß. Die Erwerbung von Kiautschou als Stützpunkt in Ostasien ist seinerzeit von allen Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, als eine politische Nothwen digkeit für Deutschland gebilligt worden und diese Anschauung der Mehrheit des Reichstags ist auch durch die neuesten Vor gänge in China nicht erschüttert worden. Die Abgeordneten Bernstein, Ledebour und Schippel haben für uns eine ganz andere Auffassung über das Recht der zivilisirten Mächte, ihren Einfluß über tieferstehende Nationen auszudehnen, geäußert, als Bebel sie vertreten. Auch wir sind ja der Ansicht, daß man von einer weltgebietenden Mission nicht sprechen kann. Das sind dithyrambische Uebcrtreibungen. Mr wollen keineswegs überall dabei sein, aber in China ist seit der Ermordung unseres Ge sandten von Ketteler unsere nationale Ehre engagirt, wir haben unsere nationale Pflicht voll zu erfüllen. Wir billigen deshalb auch die Entsendung der Truppen. WaS die Jnszenesehung der Sache anlangt, so sind allerdings Dinge vorgekommen, die einen sehr theatralischen Anstrich hatten, und dem deutschen Wesen nicht entsprechen. Es gehören dazu auch die vielen Reden. ES ist ja richtig, daß die Reden ansteckend wirken (Heiterkeit), aber die sozialdemokratische Kritik hat auch hier viel zu maßlos ein gesetzt. Redner zollt Namens seiner Freunde dem Grafen Wal dersee höchste Anerkennung, ebenso der Leistungsfähigkeit der Militär- und der Marineverwaltung und unseren deutschen Rhedereien. Sei es angesichts der Unthaten der Boxer zu ver wundern, wenn unsere Soldaten nicht schonend mit ihnen um gingen? Festgestellt sei übrigens, daß gerade unsere Truppen an den vorgekommenen Plünderungen nicht betheiligt waren, was ihnen von den Führern der Truppen anderer Mächte nach- gerühmt werde. Das Programm des Reichskanzlers: nicht abenteuerlich, sondern zur Wahrung unserer Interessen! billigen wir durchaus, ebenso bas Zusammengehen mit anderen Mäch ten und speziell das Abkommen mit England, welches beweist, daß wir keine Eroberungspolitik treiben. Einen unangenehmen Eindruck hat es in Deutschland gemacht, daß wir uns mit der 80 Millionen-Anleihe an Amerika wandten und noch dazu einen 4prozentigen Zinsfuß bewilligten. Die Nichteinberufung deS Reichstags war ein schwerer Fehler, zumal der Reichstag im Sommer sicherlich alles Erforderliche bewilligt haben würde. Als konstitutionelle, liberale Partei müssen wir entschieden Verwahr ung gegen ein solches Vorgehen einlegen. Wir gönnen dem Für sten Hohenlohe alle Anerkennung, aber diese letzte That des selben, die Nichteinberufung des Reichstags, war kein Meister stück, Ein Nachsuchen der Indemnität sei unerläßlich. Zu er wägen sei, ob nicht auch wegen Verletzung der Militärgesetze durch Bildung von Neuformationen Indemnität nachgesucht werden müsse. Unser Standpunkt, so schließt Redner, ist Wahr-, ung deutscher Ehre und deutscher Rechte, Förderung deutscher Interessen, aber auch Achtung des Rechts der deutschen Volks vertretung. (Beifall.). Abg. v. Levetzow (kons.) führt aus, daß das Vorgehen Deutschlands in China durch unsere nationale Ehre geboten war, äußert seine Genugthuung über den Fortbestand unserer guten Beziehungen zu Rußland, worauf seine Freunde großes Gewicht legten. Daß das Wort „Indemnität" in die Vorlage hineingebracht werde, darauf lege er kein Gewicht, denn wenn der Reichstag die Forderung nachträglich genehmige, so liege darin schon die Indemnität. Graf Waldersee verdiene für sein sachgemäßes Vorgehen Anerkennung und Dank. In den Soll datenbriefen, ihre Echtheit vorausgesetzt, werde offenbar Man. ches übertrieben. Um etwa gegen Frauen und Kinder Ausschreit ungen zu begehen, dazu sei der deutsche Soldat viel zu gut. müthig. Abg. Richter (freis. Volksp.) ist mit seinen Freunden der Meinung, daß unmittelbar nach der Ermordung des Gesandten eine militärische Machtentfaltung nothwendig war. Das schließe natürlich nicht etwa eine Billigung alles anderen in sich, WaS vor- oder nachher geschehen müsse. So halte er die Uebernahme des Oberbefehls durch Waldersee für einen schweren politischen Fehler Deutschlands. Dieser Oberbefehl sei den anderen Staa ten geradezu aufgezwungen worden. Ein Fehler sei auch die Jnszenirung gewesen. Früher habe man nicht große Worte ge macht, sondern große Thaten vollführt. Vor Mißerfolgen dieses Oberbefehls seien wir auch nur dadurch bewahrt worden, daß beim Erscheinen Waldersees in China die Hauptsache schon ge- than war, und es sich nur noch um drei Schlachten gegen die Boxer handelte. Der Krieqsminister habe gestern bedauert, daß Reden des Kaisers in die Debatte gezogen werden; ja, wenn der Kaiser sich an daS Volk wendet, um für seine Ideen Stimmung zu machen, sollen wir, die Volksvertretung, stillschweigen? Ich