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18SS. r Freiberger Anzeiger und Lageblatt. Gelte 2. — 8 Januar dunklen Anspielungen die unumwundene Erklärung entgegen, daß die deutsche Politik von den Empfindungen, aus die der „Pester Lloyd" gerathen ist, völlig frei bleibt und daß sie die Lobsprüche der unbedingten Bundestreue und der Aufrichtigkeit und Ehr lichkeit ihrer Absichten sich zueignen muß, die der „Lloyd" dem Wiener Kabinett spendet." — Das ist deutlich. Die Firmen Blell u. Söhne (Inhaber Reichstagsabg. Blell) und M. Hiller Nachf. (Inhaber Stadtverordneter Jacobi haben folgendes Rundschreiben an ihre dänischen Kunden erlassen: „Angesicht« der Aufregung, welche sich infolge der Maßnahmen der preußischen Regierung m DchleSwig-Holstetn deS dänischen Volke- bemächtig! hat, erlauben sich die ergebens! Unter»eichnelen, daraus hin- zuweisen, daß in weiten Kreisen de« deulschen Volke- diese Erregung ai- vollkommen berechtig! anerkannt wbd. E- sind nicht nur Handel. Neidende, «» sind Männer aller BeruISartrn, «- ist die deutsche Presse mit wenig Ausnahmen, eS find hervorragende Pro efloren der deurschen tzochichulen, welch« einmüihig und entschieden die Härte mißbilligen, mit Wilcher in SchleSwig-Holstein gegen harmlose Leute vorgegangen wird, welche kölnisch indifferent sind und sich niemals einen Verstoß aegen dt« Etaot-ordnung haben zu schulden kommen lassen. Auch im deulschen Re chSlage ist von verschiedenen Rednern unter dem -deisall der Mehrheit die Angelegenheit zur Sprache g-bracht und daS Bei hallen de« preußischen Regierungspräsidenten beklag! und als solche- bezeichne! worden, welche» den Frieden und da» bestehende freundliche Einvernehmen zwischen den beiden Völkern stören muß. Wir werd-n gemeinschaitlich mit unsern Freunden und der großen M-hrhetl de» deulsMen Volke» nicht» unversucht lassen, um die Abstellung ter ge troffenen barten Maßregeln herbeizusuhren. Sie dagegen ersuchen wir freundlichst, dahin wiiken zu wollen, daß da» dänische Volk seine M ß- stimmurg gegen die preußische Regierung nicht auf da- deutsche Volk überträgt." So schreibt ein deutscher ReichStagsabgeordneter und ein Berliner Stadtverordneter! — Die deutsche Tageszeit, bemerkt hierzu: „Haben denn die Herren für die Kläglichkeit diese» Rundschreibens keine Empfindung gehabt? Wir haben für einen solchen Mangel an Empfindung für nationale Würde keine paffende Bezeichnung, alS die übliche Interjektion bei Ekel- rmpfindungen." — Die „Nationalztg." nennt daS Rundschreiben höchst kläglich, die „StaatSbürgerztg." spricht von einer Schamlosigkeit, die an Landesverrath grenzt, die „Tägl. Rundschau" kennzeichnet daS Vorgehen als schnorrerhast. Die Entrüstung ist in diesem Falle vollkommen berechtigt. ES kann nicht auSbleiben, daß diese berechtigte Entrüstung auch gelegent lich im Reichstage dem Herrn Blell zum Ausdruck gebracht wird, damit die dänischen Empfänger deS Rundschreibens erfahren, wie man in deutschnationalrn Kreisen über solche jammervolle Kläg lichkeit denkt. Die „B. B.-Z." veröffentlicht ein Schreiben, aus dem hervor geht, daß daS Centrum über die Geheimräthe in den preußischen Ministerien zu klagen, wie dies kürzlich der Abg. vr. Lieber gethan hat, keinerlei Ursache hat. Schon seit längerer Zeit werden vorwiegend Katholiken in die Ministerien gebracht und in Folge dessen auch alle Katholiken unter den Beamten ent schieden bevorzugt. Einzelne Ministerien, so namentlich das der öffentlichen Arbeiten, „sind fast ganz katholisch". Hier war lange Zeit der Personal-Dezernent ein Katholik und auch vr. Micke (früher Alleinherrscher unter Minister Thielen) ist ein solcher. Letzterer ist auS dem Staatsdienst geschieden. In den letzten 10 Jahren wurden denn auch nur katholische Assessoren als Arbeiter in daS Ministerium berufen, die damit die Anwart schaft aus spätere Ernennung zu Vortragenden Räthen erlangten. Leider spielen Konfessionsfragen noch eine so große Rolle, daß es bedeutsam ist, diese Sachlage mit den ewigen Klagen im Centrum zu vergleichen. Sie baden eben nie genug, so lange es noch ein protestantisches deutsches Kaiserreich giebt! Ein interessantes Museum bilden die Rumpelkammern deS preußisch«! Kriegsministeriums. Ununterbrochen werden dem Ministerium Modelle, Entwürfe u. s. w. eingcsandt, die meist Verbesserungen der Gepäck-, MontirungS- und dergleichen Gegenstände betreffen. Alle diese Gegenstände werden geprüft, und schließlich als brauchbar anerkannt oder als unbrauchbar verworfen. Im zweiten Falle, der am häufigsten eintritt, werden sie in Rumpelkammern sauber geordnet und registrirt. Durch wandert man diese Kammern, so empfängt man, wie die „Berl. Ztg." schreibt, den Eindruck, als sei der alte Mühlendamm ins KriegSministerium verlegt worden. Da sieht man Helme in allen Formen aus Leder, Holz, Kork, Blech, Mützen, Tornister in den denkbarsten und undenkbarsten Gestalten und mit allen nur mög lichen Einrichtungen, Stiesel für alle Truppengattungen, vor- zweijihrigen Dienstzeit Genügendes zu leisten. Tie dem Reichs tage jetzt gemachte Militärvorlage bezweckt wesentliche Fortschritte für Organisation und Ausbildung der Truppe und braucht alS allgemein bekannt hier nicht näher berührt zu iverden. Di« „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: „Nachdem die Er örterungen über eine Rede deS österreichischen Minister präsidenten Grasen Thun durch die bekannte Erklärung der „Wiener Abendpost" einen den Umständen nach befriedigenden Abschluß gesunden Haden, kommt der „Pester Lloyd" unter Vor würfen gegen Deutschland nochmals aus diese Angelegenheit Mrück. Das Blatt glaubt, die Leitung der auswärtigen Politik Oesterreich-Ungarns gegen ein angeblich in Deutschland kultivirtes „System des Mißtrauens" vertheldigen zu müssen, auf dessen Bestehen „mancherlei Zeichen" hindeuten sollen. Wir setzen diesen nehmlich für die Infanterie, vom sandalenähnlichen Halbschuh bis zum Wasserstiefel, der das ganze Bein bedeckt. In anderen Abtheilungen erblickt man Patronentaschen in allen Größen, Kochgeschirr, Feldflaschen, Zeltausrüstungen vom Compagniezelt bis zum Zelte für den einzelnen Mann, Schanzzeug, Gewehr- und Geschützmodelle, Uniformstücke, Hemden, Unterbeinkleider, Fußbekleidung, Trinkgeschirre — kurz alles, was der Soldat im Kriege und Frieden nur irgend gebrauchen könnte. Wenn diese Gegenstände reden könnten, so würden sie viele traurige Ge schichten von geduschten Hoffnungen erzählen. Denn cS sind viele unter ihnen, auf deren Herstellung die Erfinder lange Jahre eisriger Arbeit und große Kosten verwendet haben und von deren praktischer Verwendung sie Wohlstand und Glück erhofften. Das Militärgericht in Harburg verurtheilte den Regierungs baumeister Boost, der am 26. Oktober bei einem Pistolenduell seinen Kollegen, den 30jährigen Regierungsbaumeister Frede aus Braunschweig, erschoß, zu 2 Jahren Festung. Die Ursache zum Duell war ein Wortwechsel über die Arbeiten am Elbbrückenbau. Oesterreich. Der „Reichswehr" zufolge wird Kaiser Nikolaus von Rußland im Frühjahr, wahrscheinlich im März, nach Wien kommen, um dem Kaiser Franz Josef einen Besuch abzustatten und von hier sich nach Rom zu begeben. Italien. Dir in Rom stattgesundenen Verhandlungen der Anti-Anarchlstenkonferenz Haden ihren Abschluß erreicht. Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen ist nicht in Aussicht ge nommen. Frankreich. Dem „Cri de Paris" zufolge hat Kapitän Lebrun-Renault bei semem Verhör vor dem Kassationshofe sich geweigert, eine direkte Antworr zu geben. Er sagte, es sei ihm unmöglich, sich genau zu erinnern, waS DreyfuS seiner Zeit zu ihm gesagt habe. Einer der Kasiationshof-Räthe stellte Lebrun- Renault sodann die Frage, ob er unmittelbar nach dem Sprechen mit Dreyfus den Eindruck gehabt habe, daß die Worte Dreyfus' ein Geständniß seiner Schuld gewesen seien. Lebrun-Renault antwortete kategorisch: „Nein, man hat mir erst nachher gesagt, daß diese Worte Dreyfus' einem Geständniß gleichkämen". Aus Paris, 29. Dezember wird der „Boss. Zeit." geschrieben: Die Behandlung, die gegenwärtig dem Beisitzer des Höchsten Gerichts Hrn. Bard in der Generalstabspresse zutheil wird, ist ohne Beispiel in der Geschichte eines gesitteten Staatswesens, daS sich nicht etwa in voller Umwälzung und Anarchie befindet. Man verzeiht dem Richter Bard nicht, daß er, mit der Bericht erstattung über die DreyfuSsache betraut, eine wahrhaft richterliche Unparteilichkeit an den Tag gelegt und nicht das schmachvolle Beispiel der Delegorgues, Pöriviers u. s. w. nachgeahmt hat. Seit sein Bericht bekannt ist, hat die Generalstabspresse nicht aufgehört, ihn zur Zielscheibe der niederträchtigsten Beschimpfungen und Verleumdungen zu machen. Sie gab zuerst durch die Blume zu verstehen und erklärte dann in voller Deutlichkeit, daß Hr, Bard sich um einen großen Geldbetrag verkauft habe. Man brachte angebliche Lebensaeschichten von ihm, die ihn ungefähr alS vielfach abgestraften Gewohnheitsverbrecher erscheinen ließen. Jeden Tag wurde irgend eine iyn betreffende Nachricht erlogen, die immer darauf hinauslief, daß er geheime Zusammenkünfte mit Juden habe, die ihm Befehle ertheilen, daß man ihn mit verdächtigen Mittelspersonen überrascht habe, die ihm geheimniß volle Papierchen zusteckten u. s. w. Der Hauptsturm auf seine Stellung wird aber seit acht Tagen von den vereinten Kräften deS „GauloiS", „Eclair", „Jntransigeant", „Soir", „Petit Journal" und der „Libre Parole" ausgeführt. Hr. Bard soll eines TageS den als Zeugen vorgeladenen Hrn. Picquart in die Amtsstube deS bekannten Hrn. Quesnay de Beaurepaire, jetzt Senats-Vorsitzenden des Höchsten Gerichts, haben eintreten lassen; er wäre dann, ohne zu bemerken, daß inzwischen auch Hr. Quesnay de Beaurepaire auf seine Stube ge kommen war, auf Hrn. Picquart zugeeilt, habe ihm die Hand gedrückt, ihm frohlockend zügel ufen: Mein lieber Picquart, ich glaube, wir haben jetzt den General Gonse!" und sei todtenblaß geworden, als Herr Quesnay sich plötzlich von seinem Stuhl erhoben und mit den Worten: „Ich bin hier offenbar zu viel!" den Raum verlassen habe. Diese Geschichte ist, wie schon berichtet wurde, amtlich richtiggestellt worden. Herr Bard hat einfach Herrn Picquart mitgetheilt, daß er an jenem Tage nicht mehr werde vernommen werden, also den Gerichtspalast verlassen könne. Irgend ein vertrauliches Gespräch konnte zwischen ihnen umso weniger stattfinden, als Herr Picquart, aus der Haft im Cherche Midigefängniß vor- aesührt, von zwei Soldaten begleitet war, die nie von seiner Seite weichen. Die antisemitischen Blätter kehren sich aber nach ihrer Gewohnheit an die Berichtigung nicht. Die Geschichte ent wickelt sich unter ihren Händen ins Ungeheure. Jeder Tag bringt neue Einzelheiten. Jetzt hat schon Herr Quesnay Herrn Picquart gesagt: „Was suchen Sie in meiner Stube? Ich biy Senatsvorsitzender und Sie können sich glücklich schützen, daß nicht ich über Sie zu Gerichte zu sitzen habe!" Der Rechts anwalt Esterhazys nimmt den angeblichen Vorfall zum Anlaß, um dem Justizminister zu schreiben, Esterhazy werde sich nicht als Zeuge stellen, da die Richter, wie der Fall Bard beweise, schwer verdächtig seien. Drei antisemitische Abgeordnete kündigen Anfragen an, weshalb die Regierung Herrn Bard nicht wegen Amtsverbrechens verfolge! Kurz, die Sache ist schon erfunden, von der die Fälscher und Verbrecher zu leben gedenken, wenn das höchste Gericht ein Urtheil gefällt haben wird, das ihre Missethaten aufdeckt. Das Urtheil ist bestellt gewesen! Das höchste Gericht war gekauft! Und Herr Bard hat sich dabei er tappen lassen, wie er vom Hauptagenten des „Syndikats", Herrn Picquart, in unterthäniger Haltung Befehle, vielleicht wird die Lesart dann lauten: einen Geldbeutel, empfing. Dieses Treiben der Partei, die in den Sammellisten der „Libre Parole" ihre Bewunderung für die Bartholomäusnacht, die Scheiterhaufen de^ Inquisition, die Massenhinrichtungen der Schreckenszeit ausgedrüm hat, kann nicht Wunder nehmen. Es muß aber in Helles Licht gestellt werden, damit man im Ausland eine rechte Vorstellung von den Kräften bekomme, die zur Zeit hier an der Arbeit sind. Die gegenwärtig zur Berathung des algerischen Budgets ein- berufencn Finanz-Delegationen unterzeichneten außerhalb der Sitzung eine Adresse an den Gouverneur, in welcher sie die Auf hebung des Dekrets Crömieux' von 1870 verlangen, durch welches den Israeliten in Algier die Naturalisation gewährt wurde, und zwar soll diese Maßregel rückwirkende Kraft haben. Das Kriegsgericht des 20. Armeecorps in Nancy verhandelte am 27. Dezember gegen den Wachtmeister Henriot vom 8. dortigen Artillerie-Regimentt Dieser hatte vor einigen Monaten auf seinem Dienstpferd einen Spazierritt auf deutsches Gebiet gemacht, wobei ihm die bösen Deutschen seine Rosinante und die Uniform sammt der Dienstmütze konfiszirten. In Anbetracht seiner acht jährigen guten Führung wurde Henriot freigesprochen. Das Pferd und die Uniform bezahlte seine Familie. Spanien. Sagasta ist außer Lebensgefahr — bei dieser Kunde, die der Draht aus Madrid bringt, athmen in Spanien Liberale wie Konservative erleichtert auf, denn wenn Sagasta auch kein Staatsmann in dem großen Stil eines Richelieu oder gar eines Bismarck ist, so kann man doch ohne Uebertrei- bung sagen, daß er für Spanien gerade jetzt beinahe unentbehrlich ist, daß sein Tod einen unersetzlichen Verlust sür die Nation bedeutet hätte. Die spannungsvolle Theilnahme, mit der in den letzten Tagen ganz Spanien das Krankenlager des greisen Staatsmannes umstand, war nicht gemacht, sondern entsprang der klaren Erkenntniß, daß Sagastas Tod die Gefahren der inneren Lage aufs Bedenklichste verschärfen, ihae Wirrnisse bis zum völligen Chaos steigern müßte. Mit seiner klugen, be dächtigen Art, Menschen und Dinge zu behandeln, Gegensätze nicht zuzuspitzen, sondern abzuschleifen und zu mildern, Knoten nicht zu durchhauen, sondern Faden um Faden zu entwirren, ist er gerade in dieser Zeit einer Schicksalswende für Spanien der richtige Staatsmann, um so mehr, als das Land zur Stunde über keinen einzigen Politiker von überragendem Geist und all gemein anerkannter Geltung verfügt. Seine Erkrankung hat das politische Leben zeitweise völlig ins Stocken gebracht, eS wird erst jetzt, nachdem die Gefahr, Sagasta von der Bühne verschwinden zu sehen, vorüber ist, wieder in Fluß kommen. Die Unhaltbar keil der gegenwärtigen Lage ist jedermann klar. Rustlanv. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland erörtert eine offenbar gut unterrichtete Berliner Mittheilung wie folgt: Dem neuerlichen Briefwechsel znnfltM Kaiser Wilhelm und dem Zaren Nikolaus wird von russischer Seite aus nicht mit Unrecht eine politische Bedeutung insofern beigemessen, als derselbe in der That dazu geführt hat, den Per suchen gewisser russischer Kreise, aus der Orientsahrt deS Kaisers Wilhelm und dem Abschluß des englisch-deutschen Abkommens in deutschfeindlichem Sinn Kapital zu schlagen, ein Ende zu be reiten. Anscheinend haben jene österreichischen Politiker, die dem Auftreten des Grafen Thun in Sachen der Ausweisungsangelegen- heit Beifall zollten, gehofft, daß zwischen Deutschland und Ruß land in der That aus den angedeuteten Ursachen ein gespanntes Verhältiiiß entstehen könnte, welches die Intimität zwischen Oester- rerch und Rußland noch erhöhen könnte. Nur so ist der elegische Ton zu verstehen, der aus dem bekannten Nachwort des „Pester Lloyd" zu der offiziellen Erklärung der endgiltigen Beilegung des Falles Thun spricht. Jedenfalls ist es der Leitung der deutschen Politik auf das Beste gelungen, die Pläne derjenigen gehrirathete L Häupter. DaS älteste und daS jüngste Mitglied de» Gesammthauses gehören beide der fürstlichen Linie an: di? verwittwete Fürstin Josefine, geb. 21. Oktober 1813, und Prinz Albrecht, geb. den 28. September 1898. Unsere Marine im Jahre 1898. DaS zu Ende gehende Jahr 1898 ist für die Entwickelung der deutschen See macht und dadurch auch für die Zukunft unsere- Volkes von größter Bedeutung gewesen. Während seiner Dauer haben die bereit» früher hervorgetretenen Bestrebungen der von der Noth- wendigkeit einer mächtigeren Flotte für daS starkbevölkerte, handelskräftige Deutschland überzeugten Männer zum guten Ziel geführt. Die Mehrheit unseres Volkes nnd deS Reichstages haben Vie Nothwendigkeit, daß Deutschland mehr als bisher zur See gelten müsse, ringesehen. Am 10. April konnte daS den Soll- oestand der deutschen Flotte und die Maßnahmen zur Erreichung desselben bi- zum 1. April 1904 seststellende Flottrngesetz ver kündet werden. Der politische Gewinn dieser Errungenschaft wird sich später fühlbar machen: zur Zeit ist aber schon unserer In dustrie und unserem Schiffbau ein schöne« Feld sicherer Thätigkeit in dem stetigen Ausbau unserer Flotte eröffnet worden. Die vor dem Inkrafttreten de» FlottengesetzeS begonnenen Bauten sind in diesem Jahre theil» beendet, theil« weiter geführt worden. Am weitesten von den größeren Schiffen ist der große Kreuzer „Hertha" gefördert worden, der nach Erledigung von Probefahrten bereits in» Ausland entsendet ist. Vom Stapel gelaufen sind die Kanonen boote „JltiS" und „Jaguar", der große Kreuzer „Hansa" und der kleine Kreuzer „Gazelle". Zu Probefahrten bereit oder fast bereit sind die großen Kreuzer „Hansa", „Victoria Luise", „Freya" und „Bineta". Probefahrten machen jetzt am Ende des JahrcS da» Linienschiff „Kaiser Friedrich III.", „Gazelle" und „JltiS". Der Ausbau deS bereits schwimmenden Linienschiffes „Kaiser Wilhelm II." und deS Panzerkreuzers „Fürst Bismarck", der Um bau der älteren Linienschiffe „Sachsen" und „Württemberg", sowie der Bau de» noch aus Stapel stehenden Linienschiffes „Ersatz Köniy Wilhelm" werden energisch sortgesührt. Außerdem sind noch >m Bau die beiden Kanonenboote „Ersatz Wols" und „Ersatz Habicht" sowie Torpedofahrzeuge. Bon den nach den Festsetzungen de- Flottengesetze- begonnenen Neubauten stehen aus Stapel das Linienschiff X bei Schichau in Danzig, L bei Blohm und Voß in Hamburg, der Panzerkreuzer X auf der kaiserlichen Werst zu Kiel, der kleine Kreier aus der Germaniawerst Kiel, L bei der Aktiengesellschaft Weser zu Bremen. Der Die»st deS ersten Geschwaders und der Küstenpanzerschiffe verlief ähnlich wie in den Vorjahren. Entsprechend der größeren Zahl der Kadetten und Schiffsjungen ist in diesem Jahre ein fünfte« Schulschiff, die früher« Kreuzerkorvette „Sophie", hinzugetreten. Zur Zeit be finden sich die fünf Kadetten- und Schiffsjungen-Schulschiffe im Au-lande in den wärmeren Gegenden deS nord- und südatlantischen Ozean-. Außergewöhnlich war die Reise der Kaiseryacht „Hohcn- zollern", der „Hertha" und „Hela" vom September bis Anfang Dezember bei Gelegenheit der Fahrt Seiner und Ihrer Majestät nach Palästina. „Hertha" ist in Genua geblieben, woselbst einige Veränderungen an der Ventilation deS neuen Schiffes vorgenommen werden. Dann geht der große Kreuzer nach Ostasien und löst den heimbefohlenen alten kleinen Kreuzer „Arcona" im Kreuzer- grschwader ad. Bon den den Auslandsdienst leistenden Schissen war in diesem Jahre di« größte Zahl in Ostasicn in Thätigkeit. Größtl« UngtückSsälle sind in diesem Jak» nicht vorgetommrn. Da- während der Herbstmanöver in der Nacht zum 1. September insolge von L«ckwerd«n bei Fehmarn gesunkene Torpedoboot ist wieder gehoben worden. Sonst hat die Marine durch den am 6. November erfolgten Tod ihre« Chefkonstrukteurs, des Wirklichen Geheimen Admiralitit-rathe-, Professor« Dietrich, einen schweren Verlust erlitten. Bou den nicht mehr aktiven Flaggoffizieren sind in diesem Jahre di« drei Vizeadmirale z. D. Klatt, Berger und Batsch verstorben. Zur Frage der zweijährigen Dienstzeit äußert sich daS „Militärwochenblatt" in einem Artikel „Zum Jahreswechsel" wie solgt: Beim Rückblick auf das vergangene Jahr und die in ihm entwickelte Thätigkeit können wir nur wiederholen, was in dem gleichlautenden Artikel vor Jahresfrist gesagt wurde, und die Arbeit in dem Heere besteht hauptsächlich in dem Bemühen, durch erhöht« intensivere Thätigkeit die Mängel der zweijährigen Dienstzeit auszugleichen. Dir Ansichten im Herre, ob dies ge lingen wird, gehen noch vielfach auseinander; während die Einen rundweg verneinen, daß es gelingen werde, bei der zweijährigen Dienstzeit die Schlagfertigkeit des Heeres aus derselben Höhe wie früher zu erhalten und besonders betonen, daß sich dies nament lich bei der Einziehung der Reserven und Landwehr von zwei jähriger Dienstzeit zeigen werde, glauben wieder Andere, daß bei richtiger Ausnutzung der zweijährigen Dienstzeit sich sehr wohl eine genügende Ausbildung der Führer und Mannschaften erreichen lasse. Ueder die folgenden Bedingungen, unter denen sich diese Ausbildung m zwei Jahren erreichen läßt, sind sich diese ziemlich Alle einig: 1. Die Mannschaften müssen während ihrer zweijährigen Dienstzeit auch wirklich vollständig zur Ver fügung der Truppe stehen, also alle Abkommandirungen, die keinen Werth sür die Ausbildung zum Kriege haben, müssen sortfallen. Die infolge von Abkommandirungen mangelhast Ausgebildeten fallen jetzt schon bei den Reserve- und Landwehrüdungen un angenehm auf; bei der zweijährigen Dienstzeit wird dies dem nächst noch mehr hervortreten, und die Zahl dieser mangelhaft Ausgebildeten wird so wachsen, daß die Schlagfertigkeit namentlich der Reserve und Landwehr empfindlich leidet. Deshalb ist bei der zweijährigen Dienstzeit das Aufhören der Abkommandirungen eine größere Nothwendigkeit, wie de, der dreijährigen Dienstzeit. 2. Die Truppen müssen auf einen höheren Etat gebracht werden, wie er theilS schon eingeführt ist, theilS angebahnt wird. Dem entsprechend muß auch ein höherer Etat von Vorgesetzten vor- handeu sein und Alles geschehen, um den Zudrang zur Unter- offiziercharg« zu fördern. 3. Für jede Garnison müssen genügende Nebungsplätze zum Schießen und Gefecht zur Verfügung stehen. Die stets vermehrten und besser ausgestalteren größeren lledungs- plätze Haden nach dieser Richtung hin schon Vorzügliches geleistet, aber vollständig genügen sie noch immer nicht. Durch Erfüllung dieser drei Bedingungen ist die Möglichkeit gegeben, während der