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poldt 1965, S. 90, 97; Bräuer 1979, S. 26). In Übereinstimmung damit datiert die kunsthistorische Forschung die romanische Marktkirche in die Zeit zwischen 1165 und 1180 (vgl. Krause 1963, S. 457 „um 1165/75“; Dehio 1965, S. 185 „um 1165“; Richter 1978, S. 400 „1170-80“). Im Gegensatz zu Schlesinger, der keinen An haltspunkt für eine vom Chemnitzer Benediktinerkloster ins Leben gerufene Markt siedlung zu erkennen vermochte, wurde die aus örtlicher Sicht entwickelte Vorstel lung von der Existenz vorstädtischer Siedlungskerne, an die man bei der Stadtgrün dung anknüpfte, nie völlig aufgegeben, sondern erhielt sogar neuen Auftrieb. Dabei sind drei unterschiedliche Orientierungen wirksam: 1. Noch immer belastet die Hypothese einer Marktsiedlung im Zuge der Langen Gasse das Entstehungsbild der Stadt. Sie ist eine Erfindung der neueren Forschung und geht in dieser Form nicht einmal auf Albert Bernstein zurück, dessen Vorstellun gen von der Besiedlung der Langen Gasse 1 bereits Schlesinger (1952, S. 68 f., 79 Anm. 1) zurückgewiesen hatte. Die Ergebnisse der archäologischen Stadtkernfor schung (Vogt 1965, S. 7-23; Vogt 1969, S. 251-253; im Anschluß daran Herrmann 1976, S. 173, und Barth 1979, S. 55-59) und die Analyse des Stadtgrundrisscs durch Oskar August (1961, S. 136 f.) hätten längst zur Ablehnung jener Hypothese führen müssen, doch lebt sic auf Geschichtskarten (Richter 1960, Bl. 33, Kt. II-III; Atlas 1973, S. 34, Kt. V) und in anderen Darstellungen (Blaschke 1965, S. 43 f.; 1967, S. 282; 1973 b, S. 371 f.; Czok 1979, S. 12 f.) weiter. Erst 1973 begann man, von dieser Ansicht abzurücken (Richter 1973, S. 22). 2. Infolge der für das 12. Jh. völlig negativen Fundsituation innerhalb der Stadt mauer hat Heinz-Joachim Vogt bereits 1965 (S. 23; 1969, S. 253) die Besiedlung dieses Gebietes vor 1200 grundsätzlich in Frage gestellt und die Forschung deshalb auf die Suche nach den Anfängen städtischen Lebens außerhalb der Rechtsstadt orientiert. Indem er aus archäologischer Sicht erwog, ob die älteste Marktsiedlung im Bereich eines der beiden Siedelkomplexe um die Nikolai- oder die Johanniskirchc lag, wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob die letztere „als ältere Stadtkirche“ auf zufassen sei. Leider fand dieser Ansatz kaum einen seiner Bedeutung gemäßen Widerhall. 3. Auf Grund eines mit Verkehrs- und stadttopographischen, kirchenrechtlichen und patrozinienkundlichen Forschungsmethoden aufgearbeiteten Vergleichsmatcrials interpretierte Karlheinz Blaschke (1965 b, S. 290-307), vom Beispiel Colditz aus gehend, auch die Chemnitzer Nikolaikirchc als Zeugnis für das zeitweilige Bestehen einer frühstädtischen Kaufmannssiedlung im 12. Jh. 2 Dadurch wurde die Aufmerk samkeit erneut auf den klösterlichen Markt als eine Vorstufe der Stadt Chemnitz gelenkt, ohne daß dieser Ansatz in der Lokalforschung spürbare Resonanz fand. 1 A. Bernstein (1928, S. 23) glaubte irrtümlicherweise, einen engen Siedlungszusammenhang zwi schen Langer Gasse und Johannisvorstadt zu erkennen, und deutete erstere als einen im Zuge der Stollbergcr Straße (S. 25, 43) durch „von auswärts kommende freie Leute, mercatores“ (S. 50), vollzogenen Ausbau der um Johanniskirche und Sitzeplan lokalisierten Marktsiedlung von 1143 (!). 2 Blaschke 1967, S. 314 f. Vgl. auch die von Epperlein 1977, S. 222 f., referierten Ergebnisse der sowjetischen Mediävistik, die mit den Beobachtungen im Markengcbict korrespondieren.