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341 Nachdem der Hauptmann die Ursache seines Hierseins er klärt hatte und eine kurze Pause entstanden war, ergriff Jungfer Clara das Wort und sprach: „Halten der Herr Hauptmann meines Herrn Vater Ehr würden zu Gunsten, daß er erschrocken von solcher nie gehörten Störung in unserm geistlichen Hause nicht gleich sich zu fassen weiß und gestatte mir der Herr in Gnaden, Ihn mit uns be kannt zu machen. Das hier ist meine liebe gute Frau Mutter, hier die an allen Gliedern zitternde Jungfer eine gute Freundin von mir, die ganz und gar nicht gefährlich ist und hier"... auf den jungen Geistlichen deutend ... „sieht der Herr unsern neuen ... Frühprediger." (Fortsetzung folgt.) Das Siegtsftst in Leipzig. „Wenn heut ein Geist herniederstiege" — so begann Uhland sein herrliches, kräftiges, wehmüthiges und doch so hoffnungs freudiges, „Männerstolz vor Königsthronen" athmendes Lied: „Am 18. October 1816." Heut aber, heut, da zum fünfzigsten Male wieder die Octobersonne — und wie mild, wie freundlich! — herniederschaut auf das einst blutgetränkte Gefilde, heut war er herniedergestiegen ein Geist, und ein Geist: ein Geist der Erhebung des vater ländischen Vollgefühl's, der siegesfreudigen Zuversicht; und dieser Geist, es war ein Geist, Und einer Freude Hochgefühl entbrennet Und ein Gedanke schlägt in jeder Brust. „Der Geist der Freiheit war's, der jene Schlachten schlug" — und der Geist der Freiheit, der Geist der deutschen Freiheit war es auch, der jene herrlichen Octobertage Leipzig's weihte und verklärte. Auf dem durch und durch vom segnenden Thau deutscher Geschichte getränkten Boden Leipzigs, im Herzen Deutschlands, das voll ist der Erinnerungen an unsere größten Männer: Luther, Lessing, Göthe und Schiller, in der Stadt, deren Mauern der Siegesdonner der Glaubensfreiheit unter Gustav Adolph und der Völkerbefreiung vom Druck Napoleons begrüßte, in dieser alten ehrwürdigen und doch so jugendlich frisch, immer schöner sich erweiternden, immer mächtiger sich er hebenden Pflanzstätte echten, vom Weitblick des Handels und vom Tiefblick der Wissenschaft genährten Bürgersinns: da ist den Octobertagen eine Feier bereitet worden, würdig der großen heiligen Erinnerung, der es galt, und der herrlichen Hoffnungen, die sich daran knüpfen. Diese Feier, sie war der Probirstein, darauf sich erwies, daß das Gold der Vaterlandsliebe und der Begeisterung ein ächtes sei. Kaum war das Fest der Jugend und des frischquellenden Lebens, das große Turnfest vorüber, so wand dieses Octoberfest, das Fest der Alten und des opfermuthigen Todes, ein zweites hellstrahlendes Diadem um die Bürgerkrone Leipzigs, das sich in hohem Maße verdient gemacht um den Dank des deutschen Vaterlandes. Noch lagerte die Messe mit ihrem Gewirr und Gewühl in der Stadt, als die ersten Sendboten des deutschen Volkes, die Veteranen und die Vertreter der Städte, einzogen. Die Schwierigkeit einer Umwandlung aus dem Meßtrubel zum Fest jubel ward glänzend gelöst. Noch standen die Meßbuden — bis zum Sonnabend, dem 17. October — auf dem Markte und schon war das große Podium für die Sänger errichtet, schon wehten aus den Fenstern fast aller Häuser der Stadt und Um gegend schwarz-roth-goldne Fahnen, schon wanden sich, trotz der vorgerückten Jahreszeit, bunte Ranken von Fenster zu Fenster. Die einziehenden Festgenoffen wurden am Sonnabend Abend in dem feenhaft erleuchteten Saale und Garten des Schützen hauses von der Stadt bewillkommt. Das bunte malerische Gewühl der ehrwürdigen Veteranen, deren einzelne in stattlicher Uniform, zum Theil wohlerhaltener aus der Kriegszeit her — der Lützower Jäger, Ziethenschen Husaren u. s. w. — der verschiedenartigsten Grade, die Mehrzahl im Bürgerkleide, er schienen waren, die vielen stattlichen, strammen alten Krieger mit den freudeblitzenden Augen — das zu sehen war schon eine Freude. Nach fünfzig Jahren des Lebens in verschiedenartigsten Berufskreisen waren sie hier wieder zusammengekommen, hier, wo sie einst beigetragen zur herrlichsten Siegesthat. Kaum kann es etwas Herzerhebenderes geben, als daS Glück, mit Bewußt sein theilgenommen zu haben an solch bedeutungsvoller That und nach fünfzig Jahren noch zu erleben, daß diese That aner kannt, daß sie gefeiert wird, diese Feier dann an demselben Orte, vereint mit alten, zum Erstenmale wieder angetroffenen Kriegs kameraden von damals zu begehen. Wahrlich, die leuchtenden Blicke, die Thränen im Auge, die beredten Schlachtberichte der Veteranen: sie waren der herrlichste Festschmuck. Weckruf des Turner-TrommlercorpS, Glockengeläute und Böllerschüsse eröffneten am Sonntag, den 18. October, das Fest. Auf dem nun, in einer Nacht, vollständig geräumten Marktplatze mit dem altersgrauen, reichdekorirten Rathhause und überall in der ganzen Stadt festliches Wogen der durch Ertrazüge von nah und fern allstündlich vermehrten Festgenossen. Zwischen den Dahnen und Guirlanden, deren Reichhaltigkeit das Auge erfreute, hier und da freudig begrüßte Inschriften und Sinnbilder. Das schönste am Königshause neben Auerbach s Keller. Dort, wo zum Turnfeste die Worte zu lesen waren: Wir wollen sein em einig Volk von Brüdern, In keiner Noth uns trennen und Gefahr, prangten jetzt die Strophen: . Nichtswürdig ist die Nation, die nicht Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre. Darunter waren in einem Erker drei schöne transparente Bilder, welche den Sieg der Freiheit, den Segen des Friedens und die Hoffnung der Zukunft darstellten. Auf der Dresdner Straße war Uhland's feuriger Ruf zu lesen: Ihr Fürsten, seid zuerst befraget, Vergaßt ihr jenen Tag der Schlacht, An dem ivr auf den Knieen läget Und huldigtet der höh-rn Macht? Wenn eure Schmach die Völker lösten, Wenn ihre Treue sie erprobt, So ist's an euch, nicht zu vertrösten, Zu leisten jetzt,-was rhr gelobt! Darunter stand: Stahl von Männerfauft geschwungen, Rettet einzig dies Geschlecht. Uhland's herrliche Worte zündeten und wurden von den Vorübergehenden in die Notizbücher geschrieben und von Mund zu Mund weiter verbreitet. Auch die Staatsgebäude hatten sämmtlich Schwarz-roth-gold aufgehißt, wie denn überhaupt der Regierung die Anerkennung gebührt, daß sie in jeder Beziehung dem Feste freien Verlauf lleß, und selbst in würdiger Weise sich daran betheiligte. Wie beschämt mußten alle Die, welche dem Feste ihre Mitwirkung versagt — und leider hat in Sachsen Lessing s Vaterstadt den Reigen dieser Renitenten eröffnet — wie beschämt mußten sie wahrnehmen, daß ihr Partikularismus von der Regierung keineswegs getheilt werde. Die Leipziger Zeitung hatte ihre Nummer vom 22. October 1813 reproducirt, welche den Schlachtbericht, datirt „Hauptquartier Rötha, den 19. October" enthielt und auch des Uebergangs der beiden wür- tembergischen Cavallerieregimenter unter dem General von Nor mann, sowie der beiden sächsischen Kavallerieregimenter und 7 sächsischen Füfilierbataillone mit 4 Batterien zu 26 Feuerschlün den unter den Befehlen des Generals von Rüssel mit dem Be merken gedenkt, daß sie „sich ganz ausgerüstet an die Armee der Alliirten anschlossen, um gemeinschaftlich mit ihnen die Sacke Deutschlands zu verfechten." — Am Sonntag Vormittag fand in den überfüllten Kirchen aller Confessionen, einschließlich der Synagoge, Festgottesdienst und Predigt, darauf aber Mittags auf dem Marktplatze eine öffentliche und gemeinsame ernste Feier von ergreifendster Wir kung statt. Kopf an Kopf gedrängt standen auf dem großen Po dium die Sänger, unter ihnen Dresdener (Liedertafel, Orpheus) und Berliner, sowie die Musiker. Den Veteranen und übrigen Ehrengästen waren besondere Plätze eingeräumt. Der ganze Markt war erfüllt von Hörern, aus allen Fenstern, aus den höchsten Dachlucken blickten Schaulustige hernieder und keiner kann die Zahl nennen und ermessen der Tausende, welche durch die ern sten Klänge des Tedeums (von Reinecke), vor Allem aber des herrlichen, nie zuvor so gehörten Halleluja von Händel sich ge hoben fühlten. Auf Arndr's Logesang (Wohl auf mit Herz und Muth) folgte das alte deutsche, fromme und innige: „Nun