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I.Beilaae zuNr.89.-12.Jalira Di« jeden Wocbentag Abend erscheinende Zeitung „Sächsischer LandcS-Anzetger" mit täglich einem Extra-Beiblatt! I. «leine Botschaft «.Sächsischer Erzähler v. Sächsische Gerichrszeltnng 4. Sächsisches Allerlei k. gllnstrirteS NiiterhaltiingSblall 6. SountaaSbiatt 7. Lustiges Bilderbuch kostet bei Ausgabestelle» uivnatl. 70 Pf., bei Postanstalten monalich 76 Pf. Post-ZeituugS-Preisliste unter Nr. 5680) MM Sächsischen Laniies-Aineilict (Chemnitzer General-Aiyriger). Sonntaa« 17. Wril 1892. Von de» Hauptblättcrudes „Sächstsch«» LandeS-AuzeigerS 'erscheint (oh ue dessen tägliche Ertra-Beiblätter) eine billiger» Sonder-AnSgabe «nter dein Titel: Chemnitzer General-Anzeiger, für monatlich nnr M Pfg. mit Anträgen, außerhalb Chemnitz monatl. SO Pf. m.Ztr- Der „Chemnitzer General - Anzeiger" ist In der Post-ZeitmigS-Preislistc nute» Nr. 1342 eingetragen. BerlagS-Anstalt von Alexander Wiede, Buchdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße b. Das „Ge,»ie". Eine moderne Anferstehungsgeschichte von Paul Blumenreich. Nachdruck verboten. „Er ist ein Genie, Mutier," sagte Martha, „glaub' es mir!" „DaS mag ja sein," versetzte die alte Dame, „aber wenn er auch ein Genie ist, die Miethe soll er n»S doch bezahlen; müssen doch auch wir dem Hausivirth pünktlich sein. In vierzehn Tagen ist schon wieder der Erste — was da»»?" „Gedulde Dich nur, Mamachen," tröstete da» junge Mädchen schmeichelnd, „Du wirst sehen, ich beschaffe Dir die Miethe. Du rechnest nicht mit meinen Extra-Auftrag, mit de» Oster-Vignetten, die ich jetzt zeichne. DaS wird sehr gut bezahlt, »nd das Geld bekomme ich pünktlich bei Ablieferung." Aber die Mama war nicht zu überzeugen. „Du könntest auch einen neuen Hut brauchen," brummte sie, „und ein Paar hübsche Stiefel. Immerhin war' eS die Sache des Herr» Werner, seine Miethe zu bezahlen." „Das wird er ja auch," rief Marie eifrig, „passe nur auf, bis sei» „Charfrcitag" ausgestellt ist! Das Bild muß ausfnllen, es findet sich ein Käufer; eS wird vervielfältigt, das bringt auch Geld ein." Die Mutter schüttelte leicht den Kopf. „Nun, ich weiß nicht, ich würde das große, schwarze Ding nicht kaufen!" „Aber, Mama," rief Martha fast entrüstet, „es ist genial, und er, er wird ohne Zweifel binnen kurzer Zeit eine große Be rühmtheit sein." Wer war Er, das Genie, der Schöpfer des „Charfrcitag"? Es war ein junger Maler, welcher erst vor Kurzem die Akademie ver lassen Halle. Obe», fünf Treppen hoch, in einer Mansarde unter dem Dachboden arbeitete er in eine», bescheidenen Atelier. Und bei Martha's Mutter, einer Beamtenwittwe, bewohnte er ein fast noch bescheideneres Stübchen. Cavalicrmäßigen Aufwand konnte man ihm nicht vorwerfen, trotzdem aber besaß er Schulden, wie ei» Cavalicr. Er schuldete seiner Wirlhin, seinem Schneider, seiner Wäscherin, dem Zählkellner in dem Knnstlercasö, wo er täglich seinen „Absinth" trank, — Absinth ist etwas Besonderes, erinnert an Alfred de Muffet, — seinem Barbier, genug er blieb schuldig, wo daS nur möglich war, aber er that das im besten Glauben. Denn er glaubte an seinen „Charfrcitag". Diesen Glauben hatte er auch auf Martha zu über tragen gewußt. Sein Bild lag jetzt der Jury vor, welche für die große akademische Ausstellung bereits in voller Thätigkeit war. Es war eine sehr große Leinwand, welche — säst ohne Farben — mit einein großen Lichteffekt wirkte. Sie stellte den Moment dar, da Christus auf Golgatha verscheidet, während, nach der Tradition, die Sonne sich verfinsterte. Auf Werners Bild stand eine furchtbar schwarze Wolke vor dem Tagesgestir», di« ganze Landschaft in tiefe Schatten hüllend. Das war das „schwarze Ding", von dem Martha's Mutter sprach. Man sah nur unbestimmte Umrisse von Gestalten durch das Dunkel irren. Dagegen fiel ein einziger blendender Licht strahl auf das Kreuz des Erlösers. Das war der große Effekt und nicht nur Martha, solider» alle Studiengenossen, alle Kaffeehaus- freunde, alle Blllardpartner Werncr's fanden das Bild genial. Und so hoffte man auf den großen Erfolg desselben, insbesondere in der kleinen, musterhaft geordnete» Häuslichkeit der Beamtenwittwe, wo jeder Groschen berechnet war. Soeben trat Werner ei», er verbrachte täglich ein bis zwei Stunden bei den Damen, besonders Nachmittag-, bevor eS Zeit war, in das Kaffeehaus zu gehet,, denn er hatte ja weiter nichts zu thun, als auf den Erfolg seines „Charfrcitag" zu warten. Werner war ei» hübscher, junger Mann mit üppiger Küustlermähne »nd einem schäbigen Sammctrock. Ein wenig Melancholie lag in seinem Wesen, aber auch viel Selbstbcivußtsein. Martha's Augen leuchteten auf, als er cintrat. Aber auch er ließ sich mit sichtlichem Behagen neben dem jungen Mädchen nieder, welches am Fenster emsig arbeitete. „Ei, Sie malen ja heute keine Blumen, Fräulein Martha," sagte er, „keine lila Rose», keine korndlauen Maiglöckchen, keine Phantasielilnn?" Sie zeichnete nämlich ein Osterläinniche» mit einer AufcrstehungSfahne, wie man derlei in den Schaufenstern der Zucker bäcker sieht. „Ich habe einen sehr ehrenvollen Auftrag erhallen," erzählte sie, „der Bruder meines Chefs ist Inhaber eines großartigen Clichö- GeschäfteS — Sie wissen doch, was das ist?" „Was ein Clichü ist, weiß ich," versetzte er mit überlegenem Lächeln, „was ein Geschäft ist, weniger." Martha fuhr fort: „Das glaube ich Jhuem Zu den Festtagen giebt eS in allen Geschäften viel zu thun, und mein Chef — er weiß, daß Mama und ich es nolhwendig brauchen" — sie erröthele dabei, denn cs klang wie eine versteckte Mahnung — „mein Chef meinte, ich sollte-eS doch einmal mit Zeichnungen versuchen, das trüge viel mehr ein, als die Fächermalerei. Ich zeichne also probeweise Oster« Vignetten." „Für Pfefferknchenherzen und Boubonsschachteln," meinte er ironisch, „dar Stück zu zehn Pfennig." „O nein," cntgcgnete sie ohne Gereiztheit, „nur für Zeitungen, Festblättcr, Sonntagsbeilagen, Ostergedichle." „Ja — iver die Knust so in kleiner Münze ansgeben kann," seufzte er, „der wird „gut bezahlt", aber wir Künstler des „großen Sthles", wir sind Märtyrer." «Dafür aber sind Sie ein Genie," rief das junge Mädchen begeistert. Er wehrte mit einer Handbewegung ab, aber er Hörle c- doch gerne, sehr gerne. Diese weibliche Begeisterung floß wie Balsam in seine junge Seele» die doch vielleicht au geheime» Zweifeln krankte. «Seien Sie nicht böse, Fräulein Martha," sagte er jetzt nebenbei, „aber Ihr Osterlamm wird etwas steif, es ist wie von Marzipan; warum sollte dieses geheiligte Thier nicht auch natür lich sein?" „Ach, es geht mir nicht von der Hand," seufzte Martha, „ich werde wohl bei meinen Blumen bleibe» müssen, bei den „lila Rosen". „Lassen Sie mal sehe», Fräulein Martha, ich habe solche Lappalien sonst immer gut getroffen!" Er nahm den Stift. „Aber nicht zu groß," mahnte Martha, „sechs Qnadral-Ccntimeter soll es haben." Er lachte höhnisch auf. „Sehen Sie, nach Qnadrat-Centimeler soll man da arbeiten, nicht etwa aus der Phantasie, ans innerem Müssen heraus." Er zeichnete ein ganz natürliches Lämmchen, aber statt der Fahne umgab er cs mit Veilchen, unter denen es sich wie verwundert um sah. Martha jauchzte vor Vergnügen. Die schönen braunen Auge» leuchtete» ans ihrem lieben, blasse» Gcsichtchen. Das Bildchen war aber auch wirklich reizend geworden. Werner warf die Striche nur so hin — er zeichnete weiter. Die Sache schien ihm Vergnügen zu machen. Er zeichnete eine reizende Wirrniß von Frühlingsblumen mit Blättern, Ranken und Wurzelwerk, dazwischen kleine Genrebilder auS der Osterzeit, ganz winzig, wie aus dem Elfcnlebe», zersprengte Ostereier, aus denen köstliche Gnomen und Blnmengeister schlüpften, das Frühlingsweben versinnlichend, neckische Osterhase» mit menschen ähnlichen Physiognomien, die Arm in Arm spaziere» gingen, Kuchen aßen und Wein tranken. Dazwischen einen Heiland, mir in zarten Strichen, wie im Licht verschwindend, der lächelnd seinem Grabe entschwebt. Werner bemerkte gar nicht, daß seine KaffeehauSstnnde längst vorüber war, er freute sich mit Martha über sein Werk. Die Frühlingssonne beschien ihre junge» Häupter und umwob sie mit einer FrühlingSgloriale. Erst als eS dunkelte, schob er die kleinen Zeich nungen von sich. „Sehen Sie zu, Fräulein Martha, ob Sie etwas davon brauchen können, ob das Maß stimmt; es ist ja weiter nichts daran, aber der Plunder dürfte Ihrem Clichs-Geschäftsmann genügen." „Es ist eigentlich nicht in der Ordnung," meinte Martha mit glühenden Wangen, „aber von Ihnen, Herr Werner, glaube ich'S annehmen zu dürfen. Es ist auch Alles reizend und so vielerlei, daß ich die richtigen Maße schon heransfinde." Noch an der Thür kehrte er um. „Aber Sie geben mir doch Ihr Wort, Fräulein Martha, daß Sie gar nicht verrathen, wer die Dinger da hingekritzelt hat." „Nein, ich will'S nicht verrathen," entgegncte sie etwas ver wundert. Dann aber setzte sie gläubig hinzu: „Natürlich, derlei ist Ihrer nicht würdig. Sie malen nur im großen Styl'." Erhobenen Hauptes ging er von dannen. Am Ende, Almosen kan» man auch in Keiner Münze geben. Martha lieferte gleich am salzenden Morgen. Ganz aufgeregt kam sie nach Hause. Man hatte sie nicht nur glänzend, über ihr Erwarten bezahlt, sondern ihr dauernde Beschäftigung in Aussicht gestellt, eine Beschäftigung, welche unter Umständen ein Jahres einkommen darstellte, da- die bescheidene Martha schwindeln machte Aber die Zeichnungen waren nicht von ihr und sie hatte ja den große» Namen Werner nicht nennen dürfen! Er kam wie gewöhnlich. Natürlich wollte er das Geld nicht nehmen — er habe das Zeug nur so hingekritzelt, um Fräulein Martha gefällig z» sein. Ein edler Wettstreit entstand, endlich wurde das Geld für die fällige Miethe bestimmt. „Da könnten Sie Ihr schönes Brot haben," sagte die Mutter befriedigt, „Ihr schönes Brot, Herr Werner!" Er zuckte die Schultern. „Das werde ich hoffentlich nicht nöthig haben — aber ich will ja gerne Fräulein Martha helfen, wird mir sogar eine große Freude sein!" „Das geht doch nicht, Herr Werner," rief sie erröthend. Dabei bliebe» sie. Ein verspäteter Schneestnrm Ivar gekommen und hatte die ersten jungen Triebe mit dein erstarrenden Weiß des Winters bedeckt. Aber die Sonne siegte wieder. Der „Reif der Frühliugsnacht" schmolz wieder hinweg und heute, Sonnabend vor Ostern, gab es einen wahren Festtag in der Natur. Die Luft war lau und mild, die Knospen schwollen, die Lerchen jubelten in den Lüften und die Sonne überschwemmte die Stadt mit warmen, goldigen Lichtfluthen. Die Glocken klangen festlich zusammen, um die Gläubige» zu dem Gottes dienste zu rufen, der daS Fest einleitet. Und auch die Gleichziltigen, die Ungläubige», wurde» freudig getroffen von dem To» der große» Glocken, der in Jedem fromme Jugenderinnerunge» wachrief und jedenfalls das Bewußtsein, daß der Frühling gekommen sei. In den Straßen Wandel» geschäftig das Osterfest vorbereitende Menschen, alle Schaufenster weisen ans morgen, auf den Tag der Auferstehung hin — alle athmen fröhliche Erwartung. Schon begannen die Straße» im Schalten zu versinken, das rvthe Svnnengold an den Hänsersroutcn hinansznsteigen, aber oben, fünf Treppen hoch, in dem 'Atelier des jungen Malers, war »och Alles voll Licht und Glanz. Weit und breit übersah man von hier das Meer der Dächer und Schornsteine; aber der Ranch und Dunst über denselben war wunderbar durchleuchtet von der Frühlingssonne. Hier vernahm man in ungestörter Harmonie den Znsammcnklang dcs Kirchengeläutes, den» der Straßenlärm drang nur unbestimmt hier herauf. Aber der junge Künstler sah und hörte nicht. Mitten in dem lleinc» Raum saß er auf einem Stuhl und starrte mit der Miene und Haltung eines Verzweifelten nach seinem Bilde, dem „Charfrcitag". ES ivar heute zu ihm zurückgckomme»; die Jury der großen akademischen Ausstellung hatte cs abgcwiesc». Sein ehemaliger Meister, der ebenfalls zu der Jury gehörte, hatte ihm dazu geschrieben, ausführlich und sehr wohlwollend, und hatte ihn auf die große» Mängel des Bildes ansmerksam gemacht. Im ersten Augenblick hatte Werner den Brief von sich geschlendert; er sah in dem Allen nur Neid, Bornirthcit, rückschrittlichen Sinn, kleinliche Pedanterie. Aber nachdem der erste Ausbruch verzweifelnder Enttäuschung sich ausgelobt hatte, nachdem er sein Bild stundenlang betrachtet, las er den Brief doch wieder und wieder, lind jetzt, da die Sonne dieses schmerzliche» Tages sich neigte, war er zu der traurigen Erkeuntniß gekommen, daß sein Meister und die Juroren so ganz Unrecht nicht halten; allerdings, sie hätten anders handeln könne», denn wie vicl leere-, conventivnelles Zeug tvurde nicht ausgestellt. Immerhin aber, sein Bild wies wirklich große Fehler auf. Es war vor Allem für einen bloßen Lichleffekt zu groß; außerdem war das Licht, der mystischen Wirkung zur Liebe, gar zu unnatürlich geführt. Und der Figur des sterbende» Heilandes fehlte eben alle- Charakteristische. „Eigentlich ist das nur höhere DecorationSmalerei," hatte sei» Meister zum Schluß de? Briefes gesagt. Das war hart, aber nicht ganz unwahr. Jetzt, »ach sechs Woche», hatte Werner gelernt, sein eigenes Wer ruhig zu betrachten. Den Lobsprüchen der Freunde stand das ab sprechende Urtheil der Jury gegenüber und heute fand Werner sei» eigenes Werk nicht mehr geniah Der „Charfreitag" hatte den Glaube» an sein Genie begraben. Aber was weiter? Was nun beginnen? Welche schmerzliche, kaum erträgliche Beschämung! Was sollte er de» Freunden im KaffeehanS sage» und waS Martha? Und lvaS sollte nunmehr mit ihm geschehen, mit seiner bürgerliche» Existenz? ES war ja gar nicht mehr daran zu denken, daß irgend Jemand sei» Bild kaufte. Das mochte nun ruhig hier hängen, zu seiner» Werner'-, Qual. Und wie lange war die Wand ihm sicher? Dann wovon die Miethe bezahlen für das Atelier? Der Unglückliche schlug die Hände vor die Augen. Sollte er sich tödten? Er war ja noch so jung, er lebte so gerne — er hatte noch so viele Pläne. Wenn er nur gewußt hätte, wie weiter existire». Aber er besaß weder Freunde, »och Beschützer, die ihm Geld geliehen hätten und das kleine Capital, das ihm seine Eltern hintcrlassen, war längst durch seine Studien anfgezehrt. Er stand dem NichtS gegennber, dem Ende, der Verzweiflung. Es klopfte leise »nd schüchtern an die Thür. Anfangs hörte er nicht. Tann, als d.is Klopfen sich wiederholte, wollte er den Riegel vorschieben, den» er schämte sich. Da sagte eine schüchterne Stimme draußen: „Herr Werner, sind Sie zu Hanse?" Es war Martha's Stimme. Das junge Mädchen, i» strenger Sitte erzogen, war niemal- allein zu ihm heransgekommen. Gewiß aber hatte sie die groß: Kiste gesehen, die man heute hier heraufschleppte und nun kam sie, ihn zu trösten. Ach, wie er sich schämte! Zwar, es war rührend von Martha; aber dennvch, er hätte in die Erde sinken mögen, er — das „Genie". Er öffnete die Thür nnd Martha, sehr roth, sehr verwirrt, schlüpfte herein. Mit einer affektirt gleichziltigen Handbewegnng wie- er »ach dem Bilde . .. „Ja, eS ist znrückgekommen — denken Sie nur, Fräulein Martha — wer hätte das geglaubt? Aber ich schicke es jetzt nach London, nach der deutschen Abtheilnng — da liege» die Ding« anders." Sie lächelte zerstreut; offenbar verfingen die Londoner Aussichten nicht bei ihr. In erzwungen leichtem Tone sprach er weiter, auf einen Blumenstrauß deutend, der auf dem Tische stand. „Da hatte ich heute früh einen Strauß Frühlingsblumen Dr Sie mitgcbracht, Fräulein Martha — zu Studien für Ihre Fächer meinte ich . . . Da sehe» Sie, den reizenden Scid.-tbast — ziemlich selten in unserer Gegend! Und die Anrikel, die Himmelschlüssel — die sind wirklich köstlich!" Martha war an die Blumen herangclrctcn, bewunderte sie, roch daran nnd sagte einige Dankesworte. Dann fuhr sie fort: „Auch ich habe etwas mitgcbracht für Sie, Herr Werner . . . Nur fürchte ich, Sie werden böse sein . . ." Er riß die Augen groß auf. „Wie könnte ich Ihnen böse sein, Fräulein Martha? Sic sind so gut, so reizend — das ist ja ganz unmöglich!" „O doch," brachte sie mühsam hervor, „ich habe das Wort ge brochen, wel t,es Sie mir abgenommen hatten." „Welches Wort?" Er dachte nicht an die Ostervignetten. Sie zog ein gerolltes Papier ans der Tasche. „Als ich heute früh die große, flache Kiste sah," sprach sie stockend, athcmlos, „da wußte ich Alles! Und mir kam der Gedanke, Ihne» zu helfe», selbst gegen Ihren Wille». Nasch nahm ich meinen Hut und ging zu Herr» Lebmann — in das Clichö-Geschäft nämlich, kür welches ich neulich die Ostervignclle» zu liefern hatte. Und ich sagte dem Manne, die Arbeiten seien von Ihnen gewesen, einem aka- dcmischen Maler. Da freute er sich sehr; schon längst hatte er solch eine Kraft gesucht. Hier auf dieses Blatt Papier »otirte er mir die Bedingungen, unter welche» er Sie anstelle» würde. Ohne übergroße Anstrengung würde» Sie einige Tausend Mark im Jahre verdienen. Da . . ." Er nahm das Blatt, ohne noch hincinzusehe» und stand eine lange Weile nbgewcndet, in den röthlichen Svnnendunst blickend, der überall die schwärzlichen Dächer, den hellblauen Himmel nmsänmte. Schon wnrdc Martha bange bei seinem langen Schweigen. Dann sagte er in ehrlichem Tone, wenn auch nicht ohne Selbstüber windung: „Ich bin ein Thor gewesen, Fräulein Martha! ES ist nämlich Nichts mit meinem Genie — wirklich Nichts. Ich nehme dankbar an, was Sie mir bieten und will ein neues Leben beginnen. Und der „Charfreitag" — der „Charfrcitag" — der soll mir überhaupt ans den Augen!" Mit Blickesschnelle zog er sein Taschenmesser und stürzt« mit gezückter Klinge auf das Bild los. Martha stieß einen gellenden Schrei anS, als wolle er einen Mord begehen. Sie fiel ihm in den Arm »nd stellte sich mit auS- gebreiteten Armen vor das Bild, so daß er sic um ein Haar ver letzt hätte. „Nein, das dürfen Sie nicht," rief sie niit fliegendem Athem „das dürfen Sie nicht, das iväre ein Frevel! DaS Bild ist genst — eS wird Alles noch kommen, wie wir's träumten — nur Geduld Beinahe wären seine Angen feucht geworden. „Martha," stammelte er überwältigt, „Martha — wenn Jb daS dumme Bild so theuer ist, so sind auch Sie mir gut!" Und er zog sie von dem Bilde weg an seine Brust. — Es war dunkel geworden in dem Atelier, aber den Beiden le die Ostersonne eine- neuen Glückes. Der „Charfreitag" Hy Künstlereitelkeit de- jungen Mannes begraben; aber ein neues C ^ eine neue Seligkeit war ihm zu Ostern auferstanden.