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Academia Medicinae Dresdensis Der diesjährige Fetscher-Preis des Ra tes der Stadt Dresden wurde vergeben für den Aufbau der humangenetischen Beratung und die Einführung der pränata len Diagnostik im Bezirk Dresden. Unser Dank gilt dem Oberbürgermei ster und den Mitarbeitern des Rates der Stadt. Mit dieser Auszeichnung möchte der Rat der Stadt die Erinnerung an einen Wissenschaftler, Arzt und Humanisten bewahren, der von 1921 bis 1945 in unse rer Stadt gewirkt hat. Das Lebenswerk von Prof. Dr. Rainer Fetscher hat tatsäch lich vielfältige Beziehungen mit unserer heute ausgezeichneten Arbeit. Während seiner Tätigkeit als Dozent und später Professor am Hygieneinstitut der Techni schen Hochschule Dresden bemühte sich Fetscher theoretisch und praktisch um eine Verbesserung der Volksgesundheit aus eugenischer Sicht, wobei neben so zialhygienischen auch ökonomische Ge sichtspunkte im Mittelpunkt standen. Die für das Land Sachsen aufgebauten Ehe- und Sexualberatungsstellen waren neben den in Preußen zugleich Muster für ganz Deutschland. Sie verfolgten das Ziel, jun gen Heiratswilligen ein Risiko hinsichtlich genetischer Erkrankungen ihrer Nach kommen und den Grad der gesellschaftli chen Belastung anzugeben und mit Nach druck gegebenenfalls Verzicht auf Kinder bzw. sogar Unfruchtbarmachung zu for dern. Dank besserer Methoden der Schwangerschaftsverhütung spielt die Dem Lebenswerk Fetschers verpflichtet Aufbau einer humangenetischen Beratung und Einführung der pränatalen Diagnosik im Bezirk Sterilisation heute keine Rolle in der hu mangenetischen Beratung mehr. Mit gro ßem Engagement baute Fetscher zusam men mit nur einer Schreibkraft eine erb biologische Kartei auf. Er erfaßte gene tisch Kranke, vorwiegend „Geistes kranke" und „sozial Entwurzelte" im Land Sachsen, als Beratungsgrundlagen für Nachkommen aber auch um Gutachten abgeben zu können. Fetscher erkannte den ideologischen Mißbrauch seiner Arbeit durch die Natio nalsozialisten und verweigerte ihnen seine Mitarbeit. Er wurde 1933 vom Hochschuldienst suspendiert und setzte seine Arbeit auf individueller Ebene in seiner eigenen ärztlichen Praxis fort. Die aktuellen Berührungspunkte zu Fetschers Arbeiten bestehen im Aufbau einer hu mangenetischen Beratungsstelle an der Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus" Dresden, für die Bürger des Bezir kes Dresden. Im Gegensatz zu Fetschers vordergründig eugenischer Zielstellung, sehen wir die humangenetische Beratung heute als eine ärztliche Hilfeleistung ge genüber Ratsuchenden, die befürchten, kranke Nachkommen zu bekommen bzw. die geklärt haben wollen, ob genetische Faktoren für die Manifestation einer Er krankung Bedeutung haben. Der Medizin stehen heute auch moderne Methoden der Genetik zur Verfügung. Damit ist ein gewaltiger Erkenntniszuwachs über gene tische Krankheiten eingetreten, denen der einzelne praktische Arzt zum Teilun- erfahren gegenübersteht. Es gab also mehrere Gründe für den Aufbau human genetischer Abteilungen oder Institute an den medizinischen Hochschulen der DDR. Obwohl wir eine humangenetische Be ratung - wie Fetscher - vor der Familien planung empfehlen, kommen zu viele Bürger erst bei einer bestehenden Schwangerschaft zur Beratung. Vielfach steht dann die Beratung unter erhebli chem Zeitdruck um noch rechtzeitig eine vorgeburtliche Diagnostik zur Erkennung einer genetischen Erkrankung durchfüh ren zu können. Neben der Beratungstä tigkeit haben sich neue Perspektiven für humangenetische Untersuchungen durch die Zusammenarbeit mit der vorgeburtli chen Diagnostik-der sogenannten Präna taldiagnostik - aufgetan. Dadurch eröff nen sich völlig neue Wege der Untersu chung beim Ungeborenen. So gelingt heute die Erkennung von etwa 30 bis 40 Prozent aller angeborenen Fehlbildungen bereits vor der 24. Schwangerschaftswo che. Allerdings sind gerade durch diese Diagnostikmöglichkeiten auch große ethische Probleme entstanden. Denen müssen sich Ärzte, Ratsuchende, aber auch unsere Gesellschaft stellen. Dieser Wissenschafts- und medizini sche Betreuungsbereich ist eine interdis ziplinäre Aufgabe, die von Ärzten, Natur wissenschaftlern, medizinisch-techni scher Assistenten und Schwestern der Abteilung Klinische Genetik und der Kli nik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Medizinischen Akademie und der Gynä kologischen Abteilung des Diakonissen krankenhauses Dresden und anderen Ein richtungen wahrgenommen wird. . Doz. Dr. G. K. Hinkel Dr. G. Mehner Das Kollektiv stellte den finanziellen Anteil des Preises (1 750 Mark) dem staat lichen Pflegeheim „Elsa Fenske" zur Ver besserung der Betreuungssituation pfle gebedürftiger Kinder zu Verfügung. Die neue Erkenntnis lautet: Das Volk in der DDR sind Menschen. Vorher waren es Massen, Klassen und Schichten. Jetzt soll es mit einem neuen Experiment von vorn anfangen, der Sozialismus muß menschlich sein. Statt sozialistischer De mokratie gibt es demokratischen Sozialis mus. Eben hat das Volk das existenzbedro hende Gesellschaftsexperiment beendet, dem es sich durch selbst ernannte Voll strecker historischer Missionen ausge setzt sah. Dafür darf es auch wählen. Sehr viele haben bereits ungebeten die Wahl getroffen und treffen sie immer noch, indem sie nicht mehr zum Volk der DDR gehören wollen. Das verbliebene Volk der DDR sehnt sich indes nach ech ten Wahlalternativen, nicht nach neuen Experimenten. Zu tief sitzen die schmer zenden Wunden bei wohl allen Men schen. Da sind Erkenntnisse über nicht gelebtes Leben, über die große Lüge, da Angst als Mittel des Wahlkampfes Gedanken zum Jahresende 1989 wachsen neue Einsichten zur vorenthalte- nen Selbstverwirklichung und Entfaltung der wirklichen Fähigkeiten des Indivi duum. Viele Menschen mußten erken nen, einem menschenfeindlichen Dogma gedient und dessen Leben aktiv verlän gert zu haben. Während viele Leute wei terhin schnelle Heilung der Wunden im anderen Deutschland suchen, lindert die große Mehrheit ihren Schmerz mit Hoff nung und Tatkraft. Hoffnung auf echte Annäherung an das, was man Demokratie nennen kann. Hoffnung aber auch auf einen gesellschaftlichen Konsens mit dem Ziel einer wirksamen Verbesserung der Lebensqualität in allen Bereichen und ei ner intensiven deutsch-deutschen Annä herung, ohne auf ewig dazu verdammt zu sein, die Strafe für die Verbrechen des Naziregimes als Erblast tragen zu müs sen. Hoffnung wächst, wenn Mißtrauen schwindet, Hoffnung hält die Leute im Lande. Diese einfache Formel sollte als Gebot der Stunde den Wahlkampf be stimmen, an ihr ist die moralische Stärke aller gesellschaftlichen Kräfte zu messen. Überzogenes Selbstbewußtsein einer SED-PDS, deren Erneuerung in der Spitze und im Programm durch das Volk erst möglich wurde, wirkt befremdlich. Zwar schmerzen die Wunden der nicht abge sprungenen Parteimitglieder nun weni ger, wie ihre glänzenden Augen verra ten. Aber was ist mit dem Volk? Die SED-PDS wähnt sich als einzige politische Kraft, die das Land aus der Krise führen kann, weil sie wie Phönix aus der Asche gestiegen ist, die sie vor der Läuterung hinterlassen hat. Sie ist traditionell orga nisiert, im Besitz aller alten Strukturen und verfügt über die wesentlichen Mono polstellungen. Geschaffen hat sie sich das aber alles als stalinistische Partei mit den entsprechenden Methoden. Wie aber kann sich eine erneuerte Par tei so selbstbewußt geben, die alle gefü gigen Kräfte von vorher, alle Macht (Fortsetzung auf Seite 7) In eigener Sache Wir bitten die Verteiler unserer Hochschulzeitung in den Kliniken, In stituten und Verwaltungsbereichen das Abonnementengeld in den näch sten Tagen in der Redaktion abzu rechnen - soweit das noch nicht ge schehen ist. 1989 sind 20 Ausgaben erschienen, wobei die Nr. 1 (Sonder ausgabe) bereits abgerechnet wurde, so daß 1,90 Mark zu kassieren sind (pro Abonnement). Für 1990 sind 23 Ausgaben geplant. Außerdem bitten wir unsere aus wärtigen Abonnenten ebenfalls 1,90 Mark in Form einer Postanweisung an die Redaktion zu senden. Begehrte ISB- Ausweise vertrieben Es dauerte nicht lange und die 350 un seren Hochschulstudenten zur Verfü gung gestellten Internationale-Studenten bund-Ausweise waren verkauft. Wie die Vertreter des Studentenrates die Redak tion informierten, waren bereits inner halb einer Stunde 250 Ausweise vertrie ben. So, wie Monika Heugel aus dem 4. Stu dienjahr Medizin sagte, wolle sie den Ausweis nutzen für ermäßigte Eisenbahn; fahrten ins Ausland und nach Westberlin. Weiterhin besteht die Möglichkeit, ermä ßigt Studentenwohnheimplätze im Aus land in Anspruch zu nehmen sowie ermä ßigte Eintrittskarten zu erwerben. Foto: Bachmann