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bestehenden Rechtszustande ein durchgreifender Wandel geschaffen worden dadurch, daß die beiden Bestimmungen sich gegenseitig ergänzen und einen wertvollen Schutz gewähren gegen Handlungen, die gegen die guten Sitten verstoßen, also auch gegen geschäftliche Mißbräuche jeder Art; insbesondere auch gegen das Feilhalten von) Lockartikeln und gegen das sogenannte Schleudern. Der augenblickliche Stand der Frage in rechtlicher Beziehung ist kurz folgender: Zunächst ist bei der Frage, ob sich der Fabrikant allein gegen das Schleudern mit seinen Waren in Warenhäusern und seitens der Händler, d. h. gegen den Verkauf unter den von ihm bestimmten Preisen, auf den'§ 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb oder auf § 826 berufen kann, zu unterscheiden zwischen dem Ver hältnis des Fabrikanten zu seinem unmittelbaren Abnehmer und dem zu dritten Erwerbern. Seinen unmittelbaren Abnehmer kann der Fabrikant ver- traglich verpflichten, nicht unter einem bestimmten Preise zu ver kaufen ; er kann ihm gegenüber insbesondere die Erlaubnis zum Vertrieb seiner Waren von der Einhaltung bestimmter Verkaufs preise abhängig machen. Die Nichteinhaltung der Preise stellt dann eben eine Vertragsverletzung dar; auf das dabei üblich gewordene Reversverfahren brauche ich, als allgemein bekannt, hier nicht näher einzugehen. Anders liegt die Sache bei dem weiteren Ver kehr gegenüber dem dritten Erwerber. Die Art dieses Verkehrs kann der Fabrikant nicht nach seiner Willkür, auch nicht durch Bestimmung des Preises, regeln; auch das Reversverfahren (wobei der Fabrikant seinem Abnehmer vorschreibt, auch seinerseits wieder nur unter denselben Bedingungen zu verkaufen) kann ihm dritten Erwerbern gegenüber unmittelbaren oder überhaupt ausreichenden Schutz nicht gewähren. Den dritten Erwerber kann er also in der Regel überhaupt nicht binden; dieser ist im allgemeinen und be sonders auch dann in der Preisbestimmung der ihm gehörigen Waren frei, wenn er sie aus Konkursen, Ausverkäufen oder sonstigen billigen Gelegenheiten erwirbt. Nur dadurch wird — und hier greifen die Bestimmungen des § 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wett bewerb und die Bestimmungen des § 826 BGB ein — das Handeln des dritten Erwerbers zum Verstoß gegen die guten Sitten, daß er sich die Waren auf einer nach den vorerwähnten Paragraphen verbotenen Weise, d. h. auf Schleichwegen verschafft, um sie zum Schaden des Erzeugers billiger zu verkaufen. Diese Grundsätze sind mehrfach in Entscheidungen oberster Gerichtshöfe, insbe sondere auch in Entscheidungen des Kammergerichts und in einer vom Reichsgericht bestätigten Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden aufgestellt worden. In der letzteren Entscheidung war ausdrücklich gesagt worden, daß in dem Herabsetzen des Preises noch kein Verstoß gegen die guten Sitten zu erblicken sei; daß der freie Gewerbebetrieb jedem gestatte, die Waren zu dem Preise zu verkaufen, zu dem es ihm beliebt; daß der Umstand, daß jemand billiger verkaufe, um die Kunden an sich zu locken, als eine Aus übung des freien Wettbewerbes anzusehen sei, und daß nur, wenn die Beklagte die von der Klägerin nicht mehr gelieferten Artikel sich auf eine gegen die guten Sitten verstoßende Art verschaffen würde, es in Frage kommen könne, ob ihr der Verkauf nicht zu unter sagen wäre. Die Täuschung über die Person bei dem Ankauf könne nicht als ein solcher Verstoß angesehen werden; es sei dies eine Kriegslist, aber nicht die Verletzung eines Treueverhältnisses. Man hat bisher immer angenommen, daß durch eine derartige Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dem Bedürfnis ausreichend Rechnung getragen wird, und hat deshalb von dem Erlaß weiter gehender Vorschriften, durch die in die freie Befugnis des Geschäftsmannes eingegriffen werden würde, den Preis für Waren oder Leistungen nach dem Maße seines Interesses zu bestimmen, aus allgemeinen Gründen abgesehen. Daraus ergibt sich, daß die bestehenden Ge setze einen allgemeinen Schutz gegen Preisunterbietungen, wie sie bei dem Verkauf von Markenartikeln vielfach in Frage kommen, nur für den Fall, daß diese Artikel auf unlautere Weise erworben sind, nicht aber allgemein gewähren. Anderseits beweisen aber die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, in denen vielfach für den Fall eines unlauteren Erwerbes der Waren eine Boykottierung der in Frage kommenden Firma seitens der Fabrikanten und auch seitens eines Verbandes von Fabrikanten für gerechtfertigt erklärt wurde, daß in der Tat ein geschlossenes Vorgehen von seifen der Fabrikanten, besonders aber auch von seifen der Interessenten- Vereinigungen das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung dieser Mißstände ist, und daß in einem solchen Zusammenschluß aller oder möglichst vieler Fabrikanten das beste Mittel zu sehen ist, wodurch die Fabrikanten zugleich sich und ihre Abnehmer gegen eine unlautere Konkurrenz schützen können. Wie Ihnen bekannt ist, besteht nun bereits ein Spezial verband, der die Bekämpfung der Preisunterbietungen und des Schleuder wesens in erster Linie als seine Aufgabe erachtet, nämlich der Ver band der Fabrikanten von Marken-Artikeln in Berlin. Der Ver band, der in 3 Gruppen, für die besondere Bestimmungen gelten, bisher 6 verschiedene Branchen umfaßt, nämlich die chemische, pharmazeutische und kosmetische Industrie, Weine und Spirituosen, Schaumweine, photographische Industrie, Schreib- und Malutensilien, Kolonial- und Materialwarenbranche und Mineralwässer, bezweckt, den Vertrieb der von seinen Mitgliedern hergestellten, mit patent amtlichem Markenschutz versehenen Artikel zwischen dem Groß- und Kleinhandel zu regeln, insbesondere dafür zu sorgen, daß diese Fabrikate nicht unter einem bestimmten, von den Fabrikanten festgesetzten Mindestpreise verkauft werden. Mit Rücksicht darauf bestimmen die Vorschriften des Verbandes folgendes: 1. Die Fabrikanten verkaufen ihre Marken-Artikel und ge statten deren Weiterverkauf nur unter der Bedingung, daß die von ihnen sowohl für den Groß- und Kleinhandel fest gesetzten Verkaufsbedingungen, besonders die Mindestpreise eingehalten werden. Die Waren werden also nur unter der in einem Revers festgelegten Bedingung verkauft, daß sie nicht unter dem festgesetzten Preise abgegeben werden dürfen. Der Grossist wird verpflichtet, seinem Abnehmer die gleiche Bedingung aufzuerlegen. 2. Die Fabrikanten haben, vorbehaltlich ihres Anspruches gegen Händler, das Recht und — was besonders wichtig ist — dem Verbände gegenüber die Pflicht, alle Leistungen, auch die auf bestehenden Schlüssen beruhenden, sofort einzu stellen, falls ein Händler die Bestimmungen, besonders die Mindestpreise für einen Marken-Artikel, auch nur eines Ver- bandsmitgliedesnichtinnehält. Bei Abschlüssen von Lieferungen ist ausdrücklich zu bedingen, daß der Fabrikant zur Weiter lieferung nicht verpflichtet ist, wenn seitens des Verbandes das Verkaufsverbot gegenüber dem betreffenden Händler erlassen wird. Der Grossist muß beim Abschluß eines Liefe rungsvertrages seinem Käufer die gleichen Bedingungen auf erlegen. Die Bedingungen für die einzelnen Gruppen sind verschieden. In der Gruppe a) ist jede Ermäßigung des festgesetzten Mindest preises durch Rabatt, Rabattmarken, Skonto, Kassenscheck oder sonstige Vergütungen irgend welcher Art unzulässig. In der Gruppe b) wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Rabattgewährung bis zu einem Betrage von 5 v. H. nicht beanstandet; während in der Gruppe c) Ermäßigungen und Erhöhungen der nach den von den Mitgliedern festgesetzten Bedingungen zulässig sind. Der Verband hat schon im Jahre 1905 einen Beschluß gefaßt und veröffentlicht, wonach die Mitglieder des Verbandes sich gegen seitig dahin verpflichten, daß derjenige Groß- und Kleinhändler, der die Preise und Bedingungen für einen Markenartikel auch nur eines Mitgliedes nicht einhält, vom Bezüge sämtlicher Waren sämt licher Mitglieder ausgeschlossen wird. Das gilt auch für den Fall, daß dem Händler die Verpflichtung zur Innehaltung der Preise und Bedingungen nicht ausdrücklich auferlegt wurde. Die Frage des Beitritts der Papier- und Schreibwarenfabrikanten zu dem Verband der Fabrikanten von Markenartikeln ist nicht neu; sie ist bereits in den Jahren 1906— 1908 bei den über die Frage statt gehabten Verhandlungen, auch seitens des Deutschen Papiervereins, in Erwägung gezogen worden, und sie ist auch inzwischen wiederholt angeregt worden. In neuester Zeit habe ich auf eine von mir ein gezogene Erkundigung über die augenblickliche Verbindung des Verbandes mit der Papier- und Schreibwarenbranche die nach stehende Auskunft erhalten: Bisher sind dem Verband 3 Firmen aus dieser Branche beigetreten; es sind dies die Firmen: L. & C. Hardt- muth in Wien, Günther Wagner in Hannover, Edmund Moster & Co. in Zagreb und Berlin. Im übrigen haben die Fabrikanten bis jetzt von dem Beitritt abgesehen, weil anscheinend die Befürchtung obwaltete, man könne durch den Beitritt zu dem Verbände dem Kon kurrenzfabrikanten einen Vorsprung verschaffen, weil der Kon kurrent in diesem Falle billiger verkaufen und seine Fabrikate da durch in den Vordergrund stellen könnte. Nach der Auffassung des Verbandes würde diese Ansicht allerdings irrig sein, da ja seine Tendenz dahin geht, den Händlern einen möglichst großen Nutzen zu gewährleisten, damit diese sich für die einzelnen Artikel inter essieren. Nach Ansicht des Verbandes kommt es bei den Bestre bungen der Fabrikanten der Papier- und Schreibwaren-Industrie immer darauf an, die einzelnen Kategorien der Fabrikanten, so die Bleistift-, Tinten-, Federfabrikanten auseinanderzuhalten; eine Aus sicht auf erfolgreiches Vorgehen würde nur dann bestehen, wenn die Mehrzahl der maßgebenden Firmen sich gemeinsam zum Beitritt erklärten. Es ist das volltändig verständlich, weil dadurch natur gemäß auch die Wirkung innerhalb des Verbandes erhöht wird: denn es muß damit gerechnet werden, daß hin und wieder gegen Papier-