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kannt worden sind und daher Wigand’s Ansicht, wonach sie als eine Art Reservestoff betrachtet werden sollen, gewiss Beachtung verdient. Aber einen Stoff, der bei beginnender Entwicklung in den Organen der Keimpflanze entsteht, der während der folgenden Ent wicklung gleichgültig in den Zellen liegen bleibt, sich also genau umgekehrt verhält, wie die eigentlichen Bildungsstoffe (eiweissartige Substanz, Zucker, Stärke), kann man doch nicht wohl als auf gleicher Linie mit diesen Bildungsstoffen stehend betrachten, und es drängt sich die nahe liegende Frage auf, wozu denn gerade bei der Kei mung, wo ja nachweislich alle echten Reservestoffe zur Bildung neuer Organe benutzt werden, ein neuer Reservestoff gebildet wer den soll«. Diese beiden Sätze über die Rolle des Gerbstoffs in der Pflanze bestehen noch heute nebeneinander. Der eine (Gerbstoff-Neben produkt), aus zwingenden anatomischen Befunden erfasst und be wiesen, zumeist unbezweifelt*); — der andere (Gerbstoff in die »pla stische« Stoffreihe gehörig) ursprünglich aus allgemeinen That- sachen abgeleitet und in keinem einzigen Spezialfall wirklich er wiesen — hat Anlass zu weiteren Untersuchungen gegeben. Zahllose Male, meist beiläufig und flüchtig wurde die Ansicht bald als richtig, bald als unrichtig angesehen, ernste Versuche oder zusammen hängende Arbeiten nur selten gemacht. Wo man nicht quantitativ vorging, war der Misserfolg vorauszusehen. So in der Arbeit von Schell, deren physiologischer Theil jedenfalls unbrauchbar ist. In der Kut sch er'sehen Arbeit ist wenigstens der ehrliche Versuch ge macht, ein freilich nur sehr approximatives quantitatives Verfahren anzuwenden; ob es für annuelle Pflanzen, die von mir nicht un tersucht worden sind, zum richtigen Ziele geführt hat, lasse ich dahinstehen. Neben diesen Hauptauffassungen von der Bedeutung des Gerb stoffs drängten sich besonders in neuerer Zeit mit wachsender Un geduld neue Hypothesen zu Tage, und es war keine unwahrschein lich genug, die nicht eifrige Verbreitung gefunden hätte. Von der Oser'sehen Meinung, der Gerbstoff könne Respirationsmaterial sein, der Pick’schen über die Bedeutung des rothen Farbstoffs für die *) Trcul nimmt an, dass der Gerbstoff bei den Leguminosen eine »sub- stance assimilable« sei (in den vaisseaux propres), bringt übrigens keinen ein zigen Grund dafür vor. Compt. rend. 1865, I (XL) 228 f. abgdr. in Ann. scienc. nat. V. Sr. Tome IV 1865, p. 382.