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Nr. 29. Freitag, den 17. Juli 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Beeng vom Verlag: für Deutschland, Oesterreich und Luxemburg M.5.—, für das Ausland durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Inserate BO Pfennige für die vier gespaltene Nonpareille-Zeile auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Beklameteil M. 1.-- für die zwegespaltene 105 mm breite Petit-Zeile Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Ist die Oemüsegärtnerel noch rentabel? I. Schwarze Johannisbeeren. Rechtsfragen bei der Sendung von Musterkollektionen In Sämereien, Zwiebeln usw. Der 29. Kongreß des Vereins Deutscher Rosenfreunde am 21. Juni in Zwei brücken (Pfalz). Der Verband Königreich Sachsen des Bundes deutscher Baumschulenbesitzer. Die Gartenbau-Ansstellung Altona Mai- Oktober 1914. VIII. Handelskammerberichte: Crefeld, Zittau. Ausstellungen, Ausstellungstofel, Kulturstand und Ernte. — Marktberichte usw. Ist die Gemüsegärtnerei noch rentabel? L Seit die großen Alpenpässe durchstochen wurden, ist der Begriff Süd- und Nord-Europa nur noch ein geographi scher. In wirtschaftlicher Hinsicht und nachdem es keine Zollgrenzen für gärtnerische Produkte gibt, ist kaum noch von ernsten Schwierigkeiten im Austausch der Erzeugnisse zwischen Nord und Süd zu sprechen. Das Zeitalter der Technik hat es fertig gebracht, daß bequem Menschen sich in München schlafen legen und in Rom oder Neapel auf wachen und auch die Expreßzüge, die uns die Unmenge südlicher Erzeugnisse übermitteln, arbeiten nicht minder prompt. Seit 10 Jahren wollen die Klagen nicht verstummen, daß besonders uns Gemüsegärtner die südliche Konkur renz noch ganz tot macht. In der Tat sind solche Befürch tungen nicht von der Hand zu weisen, daher die überlauten Rufe nach Zollschutz, denen sich unsere Reichsregierung fast taub gegenüber stellt. Sie steht da in der Tat auf einem heiklen Standpunkt, Unser Stand verlangt aus berech tigten Gründen der Selbsterhaltung Schutz gegen die Schleuderkonkurrenz des Auslandes, die andere Seite, das werktätige Volk und das Gros der Bevölkerung droht mit dem Gespenst der Unterernährung und mit Geburtenrück gang, wenn man ihm die Nahrung verteuert. Wenn man ge recht sein will, muß man beide Teile hören. Das Richtigste wird es sein, den Zolltarif so auszubauen, daß in den Zeiten, in denen die deutsche Gemüsegärtnerei den Markt vollauf versorgen kann, ein nur mäßiger Zoll auf ausländische Er zeugnisse gelegt wird. Aber noch einen anderen Weg glaube ich vorschlagen zu dürfen, die Gemüsegärtnerei und deren Rentabilität zu heben. Das ist eine vernünftige Re organisation dieses Berufes. Mag uns die südländische Kon kurrenz noch so zusetzen, es gibt immer noch Mittel und Wege, auch dieser Gefahr zu begegnen. Es gilt vor allen Dingen zu erwägen, ob es nicht doch möglich ist, die Kon kurrenz auszuhalten und noch Besseres zu liefern. Nach dem ich alljährlich über 4 Monate in Südfrankreich und Italien zubringe, erlaube ich mir zu erwähnen, daß auch dort nicht alles Gold ist, was glänzt. Hätten wir deren Klima und günstige Regenperioden, dann käme bei uns ganz anderes zustande, wie das, was man dort zu sehen be kommt, Insbesondere in bezug auf Sorten und Formvoll kommenheit der Erzeugnisse steht uns der Süden immer nach, Deutsche Arbeit und Intelligenz ist nicht zu ersetzen und scheint uns die Sonne auch weniger golden, so ist den ¬ noch die Hoffnung vorhanden, durch andere Mittel uns hochzuhalten. Alle Gebiete des Gartenbaues haben bei uns in Deutschland größere Fortschritte gemacht, als die Gemüsegärtnerei, Sie wird größtenteils als Schmerzens kind behandelt und ist es doch am allerwenigsten. Es liegt mir fern, alte erfahrene Kollegen zu verletzen, aber ich möchte doch vielen sagen, daß sie ihren Beruf zu wenig kaufmännisch behandeln. Ich kenne in Deutschland die verschiedenen Systeme des Gemüsebaus, insbesondere ’ der Gemüsefrühtreiberei, und ich muß leider sagen, daß da von Fortschritt oft noch wenig zu bemerken ist. Wenn ich mir zeitweise den Betrieb manches Kollegen ansah, dann kam ich zu der Ansicht, daß man mit der Hälfte der Ar beitskräfte fast das Doppelte erzielen könnte. Die ärgsten Feinde unseres Berufes sind übertriebene Sparsamkeit und Umstandskrämerei, Soll eine Gemüsegärtnerei viel Geld eintragen, dann muß der Betrieb großzügig angelegt sein. Wenig Wert hat es, teure Gebäude mit kostspieligen Was serheizungen zu bauen, die die Rentabilität schon im vor aus in Frage stellen. Billiges Land, billige Anlagen, gute Bewässerung und ausgeprobt gute Sämereien sind hier die Grundbedingungen des Erfolges, Die Gemüsetreiberei hat goldenen Boden, wenn man der Natur nicht vorgreift und nichts erzwingen will. Des wegen bin ich grundsätzlicher Gegner der Warmtreiberei. Gerade diese Erzeugnisse fallen dann in die Periode der südländischen und holländischen Konkurrenz. Dabei er fordern solche Kulturen fünfmal mehr Arbeit wie die primi tiven Kalttreibereien. Ich kenne einen Kollegen, der sich 4 Gurkenhäuser von 25 m Länge mit einem Kostenaufwand von 7000 Mark gebaut hat. Das entspricht einer Treib fläche von 400 qm, dafür hätte er schon als Kalttreiberei 1500 qm bebauen können. Für dasselbe Geld könnte man an Treibkästen 1500 qm herrichten. Für solche Kulturen von 1500 qm Treibkästen sind aber bei richtigem Anbau und Ausnützung beispielsweise nur 750 qm Glasfläche nötig. Es ließe sich sogar mit noch weniger Glasfläche auskommen, wenn das „Wechseln“ der Fenster immer zur richtigen Zeit ausgeführt wird. In meinen Kulturen wer den sogar die Fenster oft zweimal gewechselt, d. h, auf das vorige Beispiel berechnet, man würde zu 1500 qm Treib fläche nur 500 qm Glasfläche benötigen. Wer das Wech seln der Fenster zur richtigen Zeit ausführt, wird eine er höhte Rentabilität seiner Kulturen erzielen. Es ließen sich z, B. beim ersten Anbau von Rettichen und Radiesen mit Karottenuntersaat die Fenster von dieser Kultur schon Ende März entfernen und auf bereitstehende Salatkästen nehmen. Die Salatkultur an sich ließe sich dadurch noch rentabler machen, wenn man einzelne Körner Treibrettiche zwischen die Salatstauden steckt und zwar erst zu der Zeit, wo der Salat das erstemal aufgelockert wird, da bei früh zeitigem Stopfen die Rettiche den Salat im Wachstum be hindern würden. Von solchen Salatkästen können gegen Mitte Mai schon wieder die Fenster weggenommen werden und auf gut vorbereitete Kohlrabi- oder Gurkenkästen ge legt werden. Bei solchen Kaltkulturen kommt es natürlich auch darauf an, daß bei den Kästen, die ohne Glasschutz