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135 Marktäpfel um 100 °» gestiegen! Das bitte ich von vornherein im Auge zu behalten und dabei zu bedenken, daß wir unter solchen Verhältnissen doch wohl die Verpflichtung fühlen müssen, unseren Nachfolgern Anlagen zu hinterlassen, welche es ihnen ermöglichen, an allen Konjunk turen, die wir noch zu erwarten haben, teil zunehmen. Ich fürchte gerade in Beziehung auf den Verkauf von Frischobst die ausländische Konkurrenz wenig, ich benutze jede Gelegenheit, mir in den Delikateßwarengeschäften amerikanische oder australische Äpfel zu kaufen und finde zu meiner Freude immer wieder, daß diese im Ver hältnis zu unseren entweder zu teuer oder sehr geringwertig, oft beides sind. So wie Weizen und Roggen wird man Obst niemals in der Welt umherfahren, anfspeichern und auf Lieferung ver kaufen können. Die Priorität beim Bezug seitens der Konsumenten haben wir immer und dabei die Gewißheit, daß der Obstverbrauch, welcher zum Segen der Menschheit in den letzten Jahren gewaltig gestiegen ist, sich noch immer mehr steigern wird. Die in Aussicht gestellten Vor teile sind also nicht gering, darum frisch ans Werk, jedes Jahr Verzögerung fehlt unseren Kindern und Enkeln, vielleicht'auch noch uns! Wenn ich sage „noch uns", so will ich damit darauf Hinweisen, daß das, was wir an dem Obstbau tun, uns zumeist nicht direkt zu gute kommt. Wir erhöhen wohl mit seiner Pflege den Wert unserer Besitzungen, aber in den vollen Genuß der Ernte treten wir nicht. Dieser Um stand darf aber den Obstbau nicht herabsetzen, nein, er soll ihn über alle andere Zweige der Landwirtschaft hinaus heben. Der nach allen Regeln der Kunst und Wissenschaft gepflanzte Baum soll achtzig, kann auch hundert Jahre stehen, jeder Fehler wird sich so lange rächen als er Früchte trägt, jede weise Vorsicht Kindern und Kindeskindern zum Segen gereichen. Wie viel Überlegung, wie viel Sachkenntnis und wie viel Vorsicht erfordert demnach die Anlage eines Obstgartens oder einer Plantage im Freien! Ist es unter solchen Umständen ungerechtfertigt, wenn ich auf die Frage der Ökonomischen Gesellschaft antworte: Soll der Obstbau sich rentabel ge stalten, so muß er unter allen Umständen als ein nach jeder Richtung hin vollbe rechtigtes Glied der Landwirtschaft an gesehen werden! „Nach jeder Richtung hin", das ist ein weit gehendes Verlangen, aber es geht nicht ohne das. Es genügt nicht, wenn wir die Obstbäume in Beziehung auf Standort und Düngung den anderen Kulturen gleichstellen, nein, wir müssen uns auch in Beziehung auf alle Bedürfnisse des Baumes ganz dieselben Kenntnisse erwerben, die wir für andere Zweige der Landwirtschaft als nötig erachten und wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, daß unser Nachwuchs nicht ohne solche die Bewirtschaftung eines Gutes mit Obst anlagen in die Hand nimmt. Jeder durchge bildete junge Landwirt muß in der Lage sein, sich, wenn auch mit Hilfe erfahrener Berufs genossen, die drei Fragen zu beantworten: Wo soll ich Pflanzen? Wie soll ich pflanzen? Was soll ich pflanzen? Ist er dazu imstande, dann wird der Obstbau, den er treibt, sich rentabel gestalten, wenn nicht, dann wird er Anlagen schaffen, die niemals einen Nutzen abwerfen können. Ich bitte meine Herren Berufsgenossen, mir zu gestatten, diese drei wichtigen Fragen im nachstehenden von meinem Standpunkt aus be sprechen zu dürfen. Also zunächst: Wo soll der Landwirt Obst bäume pflanzen? Wenn nach einem Vortrag über Obstbau oder auch nach einer Ausstellung über die Notwendigkeit zeitgemäßer Pflanzungen ver handelt wird, dann sagt wohl der und jener von denen, die zu saumselig find, etwas Ordentliches zu tun: Ja, das ist ja alles ganz gut und schön, aber ich wüßte wirklich nicht, wo ich Bäume Hin pflanzen sollte! Nun, ich werde den Herren nicht den Gefallen tun und gleich von vornherein ver langen, sie sollten ein gutes, nahe am Hofe ge legenes Ackerstück mit solchen besetzen, obwohl das für die Nachkommen recht sehr vorteilhaft sein könnte. Nein, ich bitte zunächst nur darum, ein mal recht genau nachzuschauen, ob sich dazu nicht Wege, Triften, Hänge, Winkel, Mauerwände und dergleichen finden. Sollten wirklich auf einer größeren Besitzung keine öffentlichen oder eigenen Wege vorhanden sein, welche breit genug sind, mit einer oder zwei Reihen schmalkronigen Obstbäumen besetzt zu werden oder betrachtet man die einzelnen krummen, struppigen Zwetschen- bäume als eine zeitgemäße Bepflanzung, obwohl der Boden gut genug ist, eine regelrechte, muster gültige Bepflanzung ernähren zu können? Können nicht Hänge, die einen ganz guten Boden bergen, aber mit wertlosem Gestrüpp, wenn nicht gar Dornenbüschen bewachsen sind, umgerodet, in Terrassen gelegt und regelrecht bepflanzt werden? Finden sich wirklich keine liederlichen Scherben winkel am und auf dem Hofe, in denen ein des Schutzes bedürftiger Birnenbaum Platz und Nahrung haben würde? Und endlich, wird der Taubendünger, den der Regen viele Jahrzehnte hindurch von den Dächern unter die Trause spült, überall zur Erzeugung bester Spalierfrüchte in Anspruch genommen? Das sind viel Fragen auf einmal. Ein jeder mag sie sich selbst vorlegen und wohl dem, der sich dann sagen kann, der artige Gelegenheiten seien bei ihm bereits bestens ausgenutzt.