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Nr. 47 u. 48 Freitag, den 22. November 1918. XX. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland, Oesterreich and Luxemburg M. 5.—, für das Ausland M. 8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Lelpzig-R., Comenlusstr. 17. Das Abonnement gilt fortlaufend und kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden. Inserate 30 Pfennig für die fünf gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennig, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszusehlag 25°.. Das Abonnement gilt fortlaufend und kann nnr dureh Abbestellung 14 Tage vor JahresschlnB aufgehoben werden Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Wünsche. — Zur Einfuhr von Blumenzwiebeln aus Holland. — Die gegenwärtigen Verkehrsschwierigkeiten. — Wo bleibt der Reichsverband für den deutschen Gartenbau? Praxis und Wissenschaft: Gegen den Fruchtschimmel. — Der Ontarioapfel, eine vor zügliche Sorte für rauhes, feuchtes Gebirgsklima. — Die sogenannte chinesische Ab legervermehrung der Stachel- und Johannisbeersträucher. — Gelbe Tomaten. — Etwas vom Neuseeläuder Spinat. — Lonicera brachypoda foliis aureo-reticulatis. — Richtiger Schnitt der Straßen-, Allee- und Schattenbäume. — Kleinere Mitteilungen. — Rechts pflege. — Vereine und Versammlungen. — Handelsnachrichten. — Handelsregister. — Geschäftsnachrichten. — Geschäftsjubiläum — Personalien. — Ehrentafel. — Fragekasten. Wünsche. Politisch Lied ist zwar angeblich ein garstig Lied, und unser „Handelsgärtner“ ist nicht der (geeignete Fecht boden, um darauf politische Kämpfe zu führen. Diejenigen in der Praxis des Berufes stehenden Fachgenossen aber, die, in den jetzigen Zeitläufen nach dem oben angeführten Worte handelnd wie weiland Odysseus vor dem Sirenen sang, die Ohren mit Wachs vor dem politischen Lied ver schließen wollten, das laut und vernehmlich genug in sie hineingellt, die würden ins Akustische übertragene Vogel straußpolitik treiben. Das Verfahren dieser Vögel aber hat bisher och nicht als Zeichen besonderer Intelligenz gegolten. Deshalb ist es zweifellos das einzig Richtige, die Dinge zu nehmen, wie sie sind, und für unseren ge samten Beruf herauszuholen, was möglich ist. In den folgenden Zeilen sollen einige Wünsche in Worte gekleidet werden, Welche große Bedeutung der Nutzgartenbau für die Volksernährung hat, das hat uns die über vier Jahre wäh rende Kriegszeit fühlbar genug eingebläut. Was wäre aus der Ernährung des unbewaffneten und bewaffneten Volkes geworden, wenn nicht durch die Vergrößerung der dem Gemüsebau gewidmeten Bodenflächen die Lük- ken, die bezüglich der Versorgung mit Getreide und an deren Nahrungsmitteln vorhanden waren, soweit als mög lich ausgeführt worden wären? Gewiß haben viele Leute auf das massenhafte „Grünfutter“ geschimpft. Aber alle diese Unzufriedenen sollten sich einmal im Bild die Sach lage zu vergegenwärtigen suchen, wenn dieses „Grün futter“ nicht vorhanden gewesen wäre. Vor allem hat das Gemüse die Eigenschaft, den Magen zu füllen und hierdurch das Hungergefühl zu stillen. Wenn, was be stimmt zu hoffen ist, das bisher für manche technisch militärischen Zwecke gebrauchte tierische und pflanz liche Fett zu einem großen Teile in recht naher Zukunft der Ernährung dienstbar gemacht wird, dann wird das Gemüse nahrhafter und schmackhafter zubereitet werden können. Jedenfalls aber wird der Gemüsebau auch nach dem Friedensschlüsse vorderhand eine viel wichtigere Rolle spielen als vorher. Deshalb kann er auch verlan gen, daß ihm die Berücksichtigung zuteil wird, die er ver dient und die er außerdem notwendig gebraucht, um wirk liche Höchstleistungen zu erzielen. Dazu gehört vor allem reichlichste Belieferung mit den erforderlichen natürlichen und künstlichen Dung- stoffen und allen sonst notwendigen Materialien, wie sie für den ordnungsmäßigen Betrieb der Gemüseerzeugung notwendig sind. Während des Krieges hat insbesondere die Gewinnung des Luftstickstoffes so große Fortschritte gemacht, daß ein Mangel an Stickstoff für Düngezwecke nicht mehr gut möglich sein sollte. Im übrigen ist rechtzeitige Massenanzucht von Pflanzen nur möglich, wenn Holz für Mistbeetkästen, Fensterglas, Stroh und Rohr zum Decken usw. reichlich und zu erschwinglichen Prei sen zur Verfügung stehen. Auch in dieser Hinsicht be dürfen die erbärmlichen Zustände, wie sie sich in den Kriegsjahren entwickelt haben, der dringlichsten Verbes serung, Eine intensive und erfolgreiche Gemüseerzeu gung erfordert ferner die Bereitstellung der notwendigen Arbeitskräfte, die in irgendeiner geeigneten Weise erfol gen müßte. Es besteht in der Nähe der Großstädte eine große Scheu vor der Tätigkeit in den Gemüsegärtnereien. Es sollte in dieser Hinsicht zu gewissen Zeiten, haupt sächlich für das Frühjahr, sogar eine behördliche Zuwei sung von Arbeitskräften erwogen werden. Denn die rechtzeitige Ausführung der erforderlichen Arbeiten, be sonders der Bepflanzung, wird für die Volksernährung auch im Frühjahr 1919 noch von größter Bedeutung sein. Was für den Gemüsebau gilt, hat auch für den Obst bau sinngemäße Anwendung zu finden, und ebenso hat die gesamte Zierpflanzengärtnerei Anspruch darauf, daß ihre durch die Kriegswirtschaft erschwerte Existenz so weit als irgend möglich erleichtert wird. Keinesfalls ist das Verhalten zu rechtfertigen, das die Reichsbehörden während der Kriegszeit der Zierpflanzengärtnerei gegen über gezeigt haben. Es sei z. B. an die Kämpfe erinnert, die mit dem Reichskohlenkommissar wegen der Kohlen versorgung ausgefochten werden mußten. In einer Zeit, in der es z. B. Kohlen genug für die Aufrechterhaltung von großen Druckereibetrieben gibt, die den erbärmlichsten Schund und Kitsch von Ansichtspostkarten drucken, hat die Topfpflanzengärtnerei mit ihren ästhetisch einwand freien Erzeugnissen ganz bestimmt das Recht, ebenfalls Berücksichtigung zu finden. Ganz besonders wichtig ist die Forderung, daß die Preispolitik bezüglich des Obstes und Gemüses gründlich geändert wird; sie darf unter keinen Umständen, so wie sie jetzt ist, einseitig auf den Nutzen des Händlers zuge schnitten bleiben. Der Verfasser möchte nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit ganz besonders nachdrücklich darauf hinzu weisen, daß die Handelsgärtnerschaft an allen Orten mit den derzeitigen maßgeblichen Behörden rechtzeitig Füh lung nimmt, damit ihr nicht verhängnisvolle Ueberra- schungen bereitet werden. Es ist immerhin nicht unwahr scheinlich, daß diese Behörden in absehbarer Zeit darauf zurückkommen werden, neue zwangsweise Preisfestset zungen für die Waren des täglichen Bedarfes zu treffen.