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4 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Nr. 1 u, 2 noch eine Einfuhr aus dem Auslande erforderlich war. Schon im letzten Jahrhundert tauchte bei den Chemikern die Frage auf, ob es nicht möglich sei, den Luftstickstoff an Wasser stoff zu binden, und so unmittelbar, also durch Synthese, aus den beiden Elementen Stickstoff und Wasserstoff Ammo niak herzustellen, und wirklich glückte dies bei verschiede nen Laboratoriumversuchen. Aber trotzdem bot keiner die ser Versuche Aussicht auf eine technische Verwendung, bis es Professor Dr. Haber und Dr. Bosch gelang, indem sie ein Gemisch von Stickstoff und Wasserstoff im Volumenver hältnis 1 : 3 unter Druck von vielen Atmosphären und bei einer Temperatur von bestimmter Höhe über passende Kon taktkörper leiteten. Dieses Verfahren ist durch Patent ge schützt. Da aber das aus den Elementen Stickstoff und Wasser stoff bestehende Ammoniak gasförmig ist und diese Form zu Düngungszwecken nicht verwendet werden kann, leitet man das Ammoniak in Schwefelsäure, wobei das jedem Gärtner und Landwirt bekannte streufähige Salz, das schwefelsaur Ammoniak, entsteht. Bisher war man bei der Herstellung desselben von der Einfuhr ausländischer Schwefelerze abhängig. Um in der Zukunft vom Auslande unabhängig zu sein, suchte man die Schwefelsäure aus inländischen Stoffen zu gewinnen. Auch dies ist den Chemikern gelungen. Man verwendet jetzt zur Herstellung der zur Erzeugung des schwefelsauren Am moniaks erforderlichen Schwefelsäure Gips, das ist schwe felsaurer Kalk, welcher sich in Deutschland an verschiede nen Stellen in großen Lagern vorfindet, die auf undenkliche Zeiten ausreichen. Mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens ist es nun also möglich, schwefelsaures Ammoniak in beliebigen Mengen zu gewinnen, und zwar kommt das synthetische schwefel saure Ammoniak in zwei Arten in den Handel mit 20,58 v, H. Stickstoff und, gedarrt und gemahlen, mit 20,78 v. H. Stickstoff. Gestützt auf das Haber-Bosch-Verfahren ist es nun auch möglich, salzsaures Ammoniak oder Chlorammonium in großen Mengen herzustellen, ein weißes, gut streubares Salz, welches 25 v. H. Stickstoff enthält und sich als Dünge mittel vorzüglich eignet. Gewissermaßen das Bindeglied zwischen den Am moniak- und Salpeterdüngemitteln bildet das Mischsalz. Das Mischsalz ist ein Stickstoffdüngemittel, welches aus salzsaurem Ammoniak und Kalisalpeter besteht. Dasselbe enthält 14 bis 15 v. H. Stickstoff, je zur Hälfte in Form von salzsaurem Ammoniak und Kalisalpeter neben rund 25 v. H. Kali. Es bietet vorteilhafterweise den Pflanzen außer Kali den Stickstoff in zwei verschiedenen Wirkungsformen, als Ammoniak und als Salpeterstickstoff. Durch Ueberleiten des nach dem Haber-Bosch-Verfahren aus Luftstickstoff und Wasserstoff gewonnenen Ammoniaks über Platin oder andere geeignete Kontaktmassen bei Gegenwart von Luft und bei erhöhter Temperatur ist es den Chemikern ge lungen, das Ammoniak in salpetersaure Gase überzuführen und aus diesen Gasen nach einem patentierten Verfahren Natronsalpeter, Kalisalpeter und Ammoniaksalpeter herzu stellen. Der so gewonnene Natronsalpeter oder synthe tische Chilisalpeter enthält 16 v. H. Stickstoff. Er bildet einen vollwertigen Ersatz für den bisher aus Chile und Peru eingeführten natürlichen Chilisalpeter. Der synthetische Natronsalpeter ist wesentlich reiner und vollständig frei von schädlichen Verbindungen, er wird möglicherweise die Chilisalpetereinfuhr (vor dem Kriege jährlich rund 800 000 Tonnen im Werte von 10 Millionen Mark) vollständig ver drängen. Der Kalisalpeter wird auf dieselbe Weise unter Be nutzung von Luftstickstoff bzw. Ammoniak nach dem Ha ber-Bosch-Verfahren wie der Natronsalpeter gewonnen. Zu Düngungszwecken verwendet man ihn vorläufig nur als Be standteil des vorstehend beschriebenen Mischsalzes, also zusammen mit salzsaurem Ammoniak. Der Harnstoff enthält rund 48 v. H. Stickstoff. Infolge seines außerordentlich hohen Stickstoffgehaltes wird er sich für die Ausfuhr vorzüglich eignen, da die Frachtkosten, auf das Kiloprozent Stickstoff berechnet, sehr gering sind. Der salpetersaure Harnstoff enthält rund 34 v. H. Stickstoff, davon rund 11 v. H. Salpeterstickstoff. Infolge seines hohen Stickstoffgehaltes ist er ein sehr wertvolles Stickstoffdüngemittel. Das Harnstoff-Superphosphat ist ein Mischdünger, wel cher ebenso wie das Ammoniak-Superphosphat in verschie denen Marken mit wechselnden Gehalten an Stickstoff und Phosphorsäure hergestellt werden kann und auch dieselben guten Eigenschaften besitzt. Eine sehr brauchbare Mischung enthält z. B. 12 v. H. Stickstoff und 12 v. H. Phosphorsäure. Der Harnstoff-Kalksalpeter ist ein gut streubares Dop pelsalz, welches die ungünstigen Eienschaften des reinen Kalk- oder Norgesalpeters, die starke Zerfließlichkeit und die Neigung zum Zusammenballen nicht mehr aufweist. Es enthält rund 34 v. H. Stickstoff, davon rund 7 v. H. Sal peterstickstoff. Der Kalkgehalt beträgt rund 14 V. H. Kal ziumoxyd, das ist ungelöschter Kalk. Gärtnerei und Landwirtschaft. Verschiedentlich ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Landwirtschaft sich die Errungenschaften der Wis senschaft viel mehr angeeignet hat wie die Gärtnerei. Dies ist nicht von der Hand zu weisen, denn großartig ist der Aufschwung der Landwirtschaft seit einem Menschenalter, und nur, wer, wie auch Schreiber dieses, von Kind auf Ge legenheit hatte, die Fortschritte zu beobachten, kann die selben recht ermessen. Was für Breiten Zuckerrüben deh nen sich aus dort, wo man diesen Anbau vor 30-—40 Jahren noch nicht für möglich hielt; wieviel mehr Kartoffeln und Korn wird geerntet, der Futtergewächse gar nicht zu ge denken! Es klingt schauerlich, aber es ist die nackte Wahr heit: ohne diese Mehrerträge wären wir längst verhungert. Ja, wie kommt es denn nun, daß die Landwirtschaft die Sache so schnell erfaßt hat, während die Gärtnerei tat sächlich nur langsam nachhinkte? Letztere verdient des halb keinen starken Vorwurf, denn die Antwort, die ich gebe, entlastet sie. In der Landwirtschaft wurde ein Geist rege, der die Einsicht hervorrief, daß es so nicht weitergehen könne. Der Großgrundbesitz ging voran, die Ergebnisse der Wissen schaft sich zunutze zu machen, nicht gleich alle, einige zögerten noch, da sie Neuerungen haßten, aber das gute Vorbild wirkte, keiner konnte sich den Tatsachen ver schließen. Der mittlere und Kleingrundbesitz meinte noch lange nach der sogenannten Separation, die die Acker flächen- und Eigentumsrechte gründlich verbesserte: „Mit den Rittergütern kommen wir doch nicht mit!“ Indessen, der gute Geist erleuchtete immer mehr, und die Verhält nisse erleichterten ihm dies. Und damit komme ich zu dem Kernpunkt meiner Ausführungen. Das ganze Dorf ist voller Landwirte, und die Ackerstücke grenzen eins ans andere, so ist es durch das ganze Land hin, dadurch wird einer von dem andern mitgerissen, ob er will oder nicht, er muß schon, denn wie kann er mit ansehen, daß der Nachbar besseres Getreide, bessere Kartoffeln usw. erntet als er? Wie kann er den geringeren Gewinn und dazu noch den Spott ertragen? Die von den Behörden begünstigten landwirtschaftlichen Vereine, denen dann die Landwirt schaftskammern folgten, taten ein übriges. Der Bauer lauschte den Vorträgen mit Verständnis und richtete sich danach, strich auch gelegentlich schmunzelnd die staatlichen Beihilfen ein. So ging es fort, bis auch der kleinste Besitzer auf dem Mor gen dasselbe erntete wie der Großbauer und Ritterguts besitzer. Ganz anders ist es mit der Gärtnerei. Die Grundstücke liegen nicht nebeneinander, es sind einzelne Sonderbetriebe, die meistens keine Nachbarn haben, denen sie nacheifern müßten. Die großen Betriebe gingen ja noch mit der Zeit, aber für die. kleineren und kleinen sorgte niemand, sie waren