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170 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Nr. 43 u. 44 tionsmitteln: eigene Gespanne, eigenen Stallmist, billige Ar beitskräfte (Kriegsgefangene) und wohlfeilen Grund und Bo den unter dem Schutz der Höchstpreise viel bessere Ge schäfte mit dem Gemüsebau gemacht hat, als mit dem Ge treidebau. Das Gemüse wird aber sicher in absehbarer Zeit billiger werden. Es ist daher möglich, daß ein Teil der Land wirte, die jetzt Gemüsebau in großem Umfange treiben, nach dem Friedensschlüsse wieder die frühere Wirtschaftsweise aufnehmen wird. Aber doch nur ein Teil! Viele werden noch weiterhin Feldgemüsebau in großem Maßstab pflegen und eine weitere Anzahl wird, gestützt durch reichlich vorhan denes Betriebskapital und die schon erwähnten billigen Be triebsmittel, dazu übergehen, einen Teil ihres Besitztums in intensiven gärtnerischen Anbau zu nehmen. Hierdurch wird ein starker Preisdruck erfolgen, unter dem natürlich die ur sprünglichen gärtnerischen kleinen und mittleren Gemüse baubetriebe, die nicht mit den billigen Erzeugungsmitteln, wie sie der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, arbeiten, stark leiden werden. Günstige Aussichten scheinen einzig für die Obstbaum schulen zu bestehen. Der große gesundheitliche Wert des Obstgenusses und die volkswirtschaftliche Bedeutung des Obstbaues sind während der Kriegsjahre in das richtige Licht gesetzt worden. Jedenfalls werden nicht nur die pri vaten Grundbesitzer, sondern auch die Gemeinden und vielleicht auch der Staat dazu übergehen, Obstbau in eigener Regie zu treiben, so daß für die nächsten Jahre die Obst bäume und Beerensträucher sehr gesucht sein werden. Abgesehen von diesem Sonderfall wird es aber zu emp fehlen sein, wenn die Handelsgärtnerei in der nächsten Zeit ihre geschäftlichen Dispositionen mit großer Vorsicht trifft. Vor allem, so scheint es dem Verfasser, wird es ratsam sein, in Anbetracht der Möglichkeit von unerwarteten, durch die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse (z, B. die Zollpolitik) bedingten Fehlschlägen nicht den größten Teil des vorhandenen baren Betriebskapitals ein seitig anzuwenden." Von der Selbstversorgung des Herrn Leberecht Migge. Von A. J a n s o n. Es war einmal ein sehr pfiffiger Amerikaner, so lautet die Mär, dem kam ein genialer Gedanke. Er kaufte sich 100 Katzen und die zum heiligen Ehestande nun einmal notwen digen Kater; ferner 500 Ratten, und machte einen Groß betrieb auf. Er zog ab und zu einer größeren Anzahl Ratten das Fell über die Ohren, verkaufte es mit erklecklichem Ge winne und fütterte seine Katzen mit Rattenfleisch. Und da mit auch die Ratten zu leben hatten, brachte er ab und zu auch etliche Katzen um, verkaufte das Fell und fütterte mit dem Katzenfleisch die Ratten, Bei der sprichwörtlichen Fruchtbarkeit des Viehzeuges dieser Tierarten nahm die Zahl beider trotzdem ständig zu Katzen und Ratten hatten zu fressen, kosteten dem Pfiffikus nichts, der an den steigenden Erlösen aus den sich mehrenden Fellen schließ lich so reich wurde, daß er im Golde elend erstickte. An Herrn Leberecht Migge aus Hamburg-Blan kenese war es, den Ruhm besonderer Pfiffigkeit dem Ame rikaner mit Erfolg streitig zu machen. Und weil ihm das auf unserem ureigensten Gebiete gelang, dem des Gartenbaues, wollen wir uns mit seinem Kunststück etwas näher befassen. Herr Migge rechnet nämlich in einem von ihm verfaß ten Buch: „Jedermann Selbstversorger" wie folgt: Mein Garten von 400 qm „erscheint gerade noch eben groß genug, wenn Gemüse und Obst als Hauptnahrung fürs ganze Jahr und ausreichend Frühkartoffeln garantiert wer den sollen" (Seite 10), um eine Familie zu ernähern, die 5 Köpfe stark ist. „Ich erziele (Seite 30) auf 400 qm insgesamt 2141 Pfd. Gemüse und insgesamt 350 Pfd. Frühkartoffeln und nach Obstberechnungstabelle (Seite 43) 600 Pfd, Obst, auf 400 qm also eine Gesamternte von 3091 Pfd.", und er fährt dann fort: „Umsichtiger Flinkheit und Ausdauer wird dagegen leicht fallen, noch mehr zu erzeugen. Die Norm setzt zwar Anleitung und Aufsicht, aber keine besonderen Fachkennt nisse voraus und hat genug auch für Fehlschläge (Gemüse allein 3 Ztr.)." Aber Herr Migge ist auch weitblickend genug, einzu sehen, daß man dem Garten, der so bedeutende Erträge lie fern soll, etwas bieten muß, daß er dementsprechend zu düngen ist. So sagt er dann auf Seite 17: „. . . so erfordert diese Betriebsweise doch erheblich reichere Düngung natür lichen Ursprunges als der extensive Betrieb", wobei er wohl wollend unsere übliche Gartenwirtschaft seiner Betriebs weise gegenüber als ertensive Wirtschaft bezeichnet. Und auf Seite 17—21 entwickelt er dann seinen Plan, die erfor derlichen Düngermengen zu beschaffen. Ihm gelingt das er staunlich einfach und leicht. Er verwendet alle Hausab fälle; namentlich nennt er: Hausmüll, Kehricht, Horn, Zellstoff, Faserstoffe, die sich in ihm befinden, Knochenreste, Gräten, soweit sie nicht zu Futterzwecken verwendet wer den; ferner den „Gartenmüll, der als pflanzlicher Abfall stoff hauptsächlich Stickstoff spendet". Hauptsächlich aber die „Fäkalien".. Hieraus und aus einigen Ballen Torfmull wird von ihm ein „Universaldünger hergestellt, der, völlig geruchlos, von einfachster Anwendung und nachhaltigster Wirkung ist, jeden Gebrauch des knappen, teuren animali schen und gefährlich künstlichen Düngers in unserem Gar ten erübrigt. Die Siedlergemeinschaft wird eben, wie sie ihre Grünnahrung restlos erzeugt, auch den Dungstoff hier für ganz aus Eigenem und auf natürliche Weise gewinnen." Ja, so steht es geschrieben, und wer es nicht für möglich hält, lese auf Seite 19 nach. Was Herr Migge wörtlich sagt, habe ich in Gänsefüßchen gesetzt, um nicht in den Verdacht zu kommen, ein Abschriftsteller zu sein. Wie war es bei dem genialen Amerikaner? — Er fütterte seine Katzen mit Ratten und seine Ratten mit Katzen, und hatte die Felle übrig! Und wie ist es bei Herrn Migge? Er füttert die Men schen mit Obst und Gemüse (wohlgemerkt: Gemüse und Obst als Hauptnahrung fürs ganze Jahr!), und mit dem Ab fall dieser Nahrung und dem Kehricht und Spülicht füttert er wieder das Gemüse. Und wird dabei auch noch speck nudeldick. Und damit ist der Amerikaner eigentlich der Bla mierte! — Man wird wissen wollen, wie es sonst in Herrn Lebe recht Migges Selbstversorgung zugeht? Es gibt dafür einen wundervoll kurzen Ausdruck, der kennzeichnender als jeder andere ist. Er heißt: Dementsprechend! Man würde mit dieser Kostprobe und dem Gefühl, einen hübschen Witz verdaut zu haben, Herrn Leberecht Migges Selbstversorger in der Versenkung verschwinden lassen, hätte die Sache nicht auch eine höchst bedenkliche Kehr seite. In den Augen urteilsunfähiger Leute müssen die An gaben Migges den Siedlungsgedanken in ein wirtschaftlich ganz falsches Licht setzen. Ferner ist Migge nur einer von vielen, die sich dieses Stoffes bemächtigt haben und ihn schriftstellerisch behandeln. Migges Selbsterzeuger ist nicht ein einzelnes Buch, sondern eine Richtung, die aus Unkennt nis oder Berechnung jenes falsche Bild von den Erzeugungs möglichkeiten eines Gartens zeichnet, um den Siedlungs gedanken weiten Kreise mundgerecht zu machen. Der Bü chermarkt wird seit etwa 2 Jahren mit Büchern dieser Art überschwemmt und es besteht die Gefahr, daß, von den Ge danken solcher Schriften überzeugt und ihnen gutgläubig vertrauend, zahllose Menschen wirtschaftlich geschädigt werden. Auf dem Umschlagblatt der Miggeschen Schrift steht: