Volltext Seite (XML)
Nr. 33 u. 34 DEI LANDELSGARINEK, liandelszeitung iur den deuischen Gartenbau 131 vorzugte Körnerfrucht ist und der besonders anspruchs volle zweizeilige Weizen hier in einer Ueppigkeit gedeiht, wie man es nur in sehr gesegneten Gegenden findet. Das schwere, massige Kaltblutpferd, als „Belgier“ das typische deutsche Bierbrauerpferd, wächst hier in Reinzucht, und die wohlhabenden, durchweg von prächtigen Kirchen be hüteten Dörfer zeigen ein wohlhabendes, ja reiches Land. In diesem Lande, wo weitverbreitet der altwallonische Jargon noch Landessprache ist, hat sich der reiche bel gische Adel angesiedelt oder doch seine Sommersitze ge schaffen, Aber auch holländische, französische Magnaten, ein Herzog von Aosta und Savoyen, Prinz von Orleans und Spanier haben hier Niederlassungen. Das Ostelbiertum, wenn man so sagen will, ist hier in Belgien unendlich viel ausgedehnter, verbreiteter, als bei uns im konservativsten deutschen Osten. Fast jedes Dorf hat sein Schloß mit Park, Fasanerie und sonstigem Zube hör, und was es an Feldern, Wiesen, Wäldern in weitem Umkreise gibt, gehört zumeist ausschließlich dem Schloß herrn. Es gibt unter ihnen solche, ganze Familien, denen, wie den Grafen von Beaudignies, Baronen d'Huarl, Ba ronen Selys u. a., das Land und die Dörfer in vielen Meilen Umkreis gehören. Zu den Schlössern gehört fast stets ein großes Gut mit durchschnittlich 40—80 und mehr Rindern, großer Pferdezucht, die mit der starken Ausfuhr schwerer Gebrauchspferde nach England, Holland und vornehmlich Deutschland rechnet, und entsprechend großem Land, da bei starkem Weidebesitz. Diese Güter sind fast nie in eigener Bewirtschaftung des Besitzers, sondern durchweg verpachtet. Und ebenso sind alle anderen Güter Pacht sitze, die ein meist recht wohlhabender Pächterstand dem adeligen Großgrundbesitze abpachtet. Dieser lebt durch weg nur der Verwaltung seines Vermögens, bringt wenig Zeit in seinen Stadthäusern in Brüssel oder Namur zu und lebt in ausgesprochener Vorliebe für das Landleben in seinen mehr oder minder romantisch gelegenen Schlössern. Ich habe dienstlich eine große Anzahl dieser Herr- schaftssitze 'kennen gelernt: Halloy, Haute, Mianoy, Mouffrin, Sovet, Onthaine, Maibelle, Flostoye, Neuve- Court, Emeville, Wagnee, Gesves, Francesse, Froidemont, Libois, Tahier, Skenore und wie sie sonst heißen, die sich wie eine Kette Perlen aneinanderreihen. Eine kurze gärt nerische Schilderung ihrer Eigenart mag nicht unange bracht sein. Den Erbauern aller dieser Schlösser ist ausgespro chene Vorliebe für Romantik eigen gewesen. Der Blick über die weiten, welligen Höhen der Hochebene ist be sonders im Hochsommer, wenn die Aecker in goldreifen der Frucht stehen, nicht ohne großen Reiz; aber die Ro mantik ist diesem Lande doch fast nur in den tief einge schnittenen Tälern mit ihren Felsnasen und Bächen zu fin den, und so findet man diese Schlösser in großer Mehrzahl tief im Tal. Architektonisch taugen sie oft nicht viel. Besonders bei den neueren Schöpfungen drängt sich oft etwas reich lich protzenhaftes Emporkömmlingstum auf. Die älteren Sitze weisen viel Gleichförmigkeit auf. Der Burgcharakter herrscht vor: massiger Mittelbau mit flankierenden, wuch tigen Rundtürmen, leicht erhobene Lage im Talgrunde, oft und mit Vorliebe auf Nasen, die dann mit schweren Stützmauern gegen die Talsohlen abgesetzt’ sind. Alles auf romantische, oft etwas finstere Wirkung berechnet. Die Bäche sind, wo es geht, zu Wasserfällen oder Teichen abgefangen. • Die Lage an etwas erhöhter Stelle im Talgrunde bringt es mit sich, daß auch die gartenkünstlerische Erschließung der Umgebung notwendigerweise sich immer nach densel ben Gesichtspunkten vollzieht, wenngleich die im übrigen wechselnde Oertlichkeit natürlich ihre Abwechslungen bedingt. Aber im großen und ganzen gilt sie doch nur immer dem einen Problem, der Bildwirkung vom Schloß als Mittelpunkt talauf- und talabwärts, sowie von oben und unten auf das Schloß hin, dem der langgestreckte, leicht geschwungene, von Baumgruppen, Teichen, Wegen, Feldern, Weiden unterbrochene Wiesentalgrund den Vor dergrund gewährt, wogegen die nicht sehr hohen baum bestandenen Hänge beiderseits den Rahmen bilden, der die ackerbedeckte Hochebene dem Blick entzieht. Wer sich darauf beschränkt, die gartenkünstlerische Umgebung dieser Schlösser mit einigen wenigen Blicken abzutun, wird bei der Gleichheit des Grundthemas freilich bald gelangweilt sein. Um so anregender ist indessen, die Durcharbeitung des im Grunde gleichartigen Motives der verschiedenen Sitze zu beobachten. Hier kommt nun zur Geltung, daß der Besitzer in ungleich viel höherem Maße ausübender Gartenkünstler ist, als bei uns in Deutschland. Bei uns stellt der Gartenkünstler die Umgebung als abgeschlossene Anlage etwa so her, wie es der Baumensch wohl „schlüsselfertig“ nennt. Er arbeitet sie fertig durch, soweit er es kann und nicht der Natur und der Zeit über lassen muß, während hier der Gartenkünstler die weitere Umgebung, soweit sie der Blick vom Schloß aus erschließt, als Naturpark betrachtet und nur die engste Umgebung des Schlosses eigentlich gärtnerisch bearbeitet. Im übri gen, soweit es die weitere Umgebung betrifft, schafft er lediglich durch Durchhiebe Durchblicke und unterbricht er die weite Flucht der Wiesen und Weiden durch Baum gruppen und -kulissen. Da diese weitere Umgebung mit sehr großen Flächen rechnet, die zudem landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzt werden, liegt auf der Hand, daß in ihr im Laufe der Jahrzehnte nicht nur Veränderun gen durchgreifender Art im Bereiche der Möglichkeiten liegen, sondern sogar notwendig werden. So bleibt denn die engste Umgebung der Schlösser meist unverändert, wogegen das Weichbild derselben im Laufe der Zeiten oft recht tiefgreifende Veränderungen erfährt. Die eigentliche gärtnerische, engere Umgebung ist oft sehr knapp bemessen und das Bereich des Nutzlandes (Feld, Weide, Wiese) beginnt schon bei 50—100 m Ab stand vom Schlosse; aber seltener umgibt ein geräumiger Park das Schloß, ehe die offene „verschönerte Landschaft“ beginnt. Ganz selten nur (Mianoy, Neuve-Court) ist die Umgebung abgeschlossener Park, aus dem nur wenige Blicke in die umgebende Landschaft hinausgehen. Es ist ein Charakteristikum dieser belgischen Privatparks, daß sie meist ohne jede Begrenzung (Einfriedigung) sind. W eil dem Besitzer des Schlosses meist in weitestem Umkreis alles gehört, sein Bereich nicht mit dem Park aufhört, ist auf jeglichen Abschluß Verzicht geleistet, und bei der gro ßen Zahl derartiger Besitzungen in vielen Gegenden gren zen die verschönerten Landschaftsgebiete so dicht anein ander, daß meilenweit die Landschaft als Park erscheint, in dem Wiesen, Weiden, Wäldchen, Aecker, Viehtriften mit Vieh, Koppeln mit Pferden künstlerisch abgemessen ein gesprengt sind. Diese Behandlung der Landschaft nach künstlerischen Gesichtspunkten hat sich durch Jahrzehnte hindurch der art eingebürgert und verbreitet, daß der Landadel mit der Zeit viel künstlerisches Interesse und Feingefühl aufge- nommen hat. Das Interesse, in diesem Sinne zu wirken, habe ich nirgends so stark entwickelt gefunden, wie ge rade in dieser Gegend Belgiens. Mit Recht wird auch der englische Großgrundbesitzer als gartenfreundlich und na turbegeistert gerühmt; aber er steht dem Gartenbau doch im Herzen kühler gegenüber als der Belgier dieser Gegen den. Er ist mehr Mäzen, weniger schaffender Geist. Freilich findet man in dem Umfange, wie hier die Gar tenkunst Laienbetätigung geworden ist, auch regelmäßig wiederkehrende Mißgriffe und Mängel. Es liegt z. B. in der Natur der Sache, daß Holz, wenn es schlagreif geworden ist, durch Nachpflanzungen ersetzt wird. Der Schlag trifft natürlich auch Baumgruppen, die