Volltext Seite (XML)
WsnitzerMchendlatt Nummer 131 Sonnabend, den 1 November 1924 76. Jahrgang Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach. Hauptblatt und lltest« Zritunz tn den Ortschaften der Pnlknitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Vollung, Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Oberstem», Niederstem» Weißbach, Ober» und Niederltchtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Siem-Dittmannsdorf, «eschSfeSstelle: Pulsnitz, Bismarckplatz Nr. 265. Druck und Verlag von E. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohrs Schriftleiter: I. W. M o h r in Pulsnitz. Wir vsrrinssn kommen- unö pi-ivsi-kank ^ulsnilrek kank HklisnssssIIsedatt s. Q. m. b. i-f. ^W6l§8te1l6 ?U18N112 k^ulsnilL und Oliorn bis p. s. ^vi ^unscd Vertsürkrerung »uk Uollsrdasls. ^ustüftrung sämilicriisr SsnkZöscstäfis ru kulsntsstsn SsciinsunZsn. Amtlicher Teil. Hafer, He«, Stroh Kaust lausend unmittelbar oom Erzeuger bei Zufuhr nach dem Magazin Steinborn. Heeresverpflegungszweigamt Königsbrück. Bekanntmachung. Die vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hülste zu tragenden Beiträge zur Erwerbslosensürsorge find nach einem Beschluss des Vsrwaltungsausschusses des Landes- amles für Arbeitsvermittlung oom 3. November 1924 ab auf 1 vom Hundert des Grundlohnes herabgesetzt worden. Pulsnitz, den 29 Oktober 1W4. Oeffentlicher Arbeitsnachweis Pulsnitz und Umgegend. Ueber das Vermögen des Kaufmanns Reinhard Oswald Walter in Groß röhrsdorf i. Sa., Btsckiosswerdaei Straße 142 8 wird heute am 1. November 1924, vor» mittags V-10 Uhr da» Konkursverfahren eröffnet. Der Bücherrevisor Max Hain in Großröhrsdorf i. Sa. wird zum Konkurs verwalter ernannt. Konkurssorderungen find bis zum 23. November 1824 bei dem Gericht anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Glüubigerausschuffes und ein« tretendenfalls über die im § 132 oer Konkursordnvng bezeichneten Gegenstände und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 1. Dezember 1924, vormittags 11 Uhr — vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Wer eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz hat oder zur Konkursmasse etwas schuldig ist, darf nichts an den Gemeinschuldntk verabfolgen oder leisten, muß auch den Besitz der Sache und die Forderungen, für die er aus der Sache abgesonderte Befriedi gung beansprucht, dem Konkursverwalter bis zum 23. November 1924 anzsigen. Amtsgericht zu Pulsnitz. Das Wichtigste. Fürst Otto o. Bilmaick wird doch wilder zum Reich«- tag kanditieren. Deutschnattonalr und Zentrum haben nun ihre Wahl aufruf« »klaffen. Dir ausgetretenen Mitglieder der Deutsch«« demokratischen Partei haben «ine neu« polttsch« Partei .Liberale Bereinigung" gegründet. Der Parteitag der Deutschen Volktpartrt, der ursprüng lich an 16. November statlstnden sollte, ist auf den 13, und 14 November vordattert worden. Die im Notionalv«rband Deutscher Beruftverbände vereinigten vaterländischen «rbeitnehmerorgantsa» tionen haben die Rechtsparteien gebeten, noch mehr alr bisher vaterländische Arbeiter und Angestellte an sicheren Stellen zu den Wahlen aufzustellin. Di« am 28. Oktober b«t der ReichSpost geführten Lohn- verhandlangen find einstweilen ergebnislos verlau fen. Die Verwaltung der Deutschen ReichSpoft lehnt eine allgemeine Lohnerhöhung ab. Wie wir zuverlässig erfahren, schwebt bei der Staats anwaltschaft in Wrimar zurzeit gegen den entlas senen thüringischen StaaUbankpröfidenten Loeb da« Vorfahren wegen Meineid. Sus dem Bahnhof Seesen bei SoSlar wurden dr«t Männer, der Landwirt Hoffmeister, der Lehrer Rauihmann und der Schlosser Schrader verhaftet, al« fie im Begriff waren, jungt Lmt« für die Fremdenlegion anzuwerben. Frankreich hat nun die dt-jure-Anerkennung Sowjet- Rußland» vollzogen. Die Rache für Versailles. . In London find die Wahlmathtmatiker der b«i- den g.schlag.nrn Parteien bereit« eifrig an der «rbeit, um an den «rgebniffrn der Wahl herumzurechnen und dtn Nachwei« ,» erbringen, daß der Sieg d»r Sonser- vattven eigentlich g«r kein Sieg ist. Mit Zahlen läßt fich ja bekanntlich «2,, beweisen, t« ist ja auch zu- zugebin, daß di, Zusammenhänge «twa» ander» au«- sehen, w«nn man erfährt, daß die >rb,it«rpart,i trotz ihre» Verlust«« von vierzig Mandat«» noch üb«r «in« Million Stimmen g«wonn«n hat, daß dir Verlust d«r Liberalen nur wenig mehr al« ein« Million «timmtn h«trägt und daß «ndlich die Konservativen nur zwei- «inhalbmal soviel Stimmen wie di« Liberal«» habrn, obwohl fie neunmal sooirl Mandat« besitzt». Die deutsche demokratische Press», dir mit Recht au» dem Ausfall der englischen Wahlen Rückwirkungen für un« befürchtet, b«t«t dt«se Zahlen denn auch eifrig nach und klagt da» englisch« Wahlsystem an, anstatt zu erkenn«», daß nur eine rein formal« Auffassung d«r Drmokrati« jede Stimm« gleich wrrtet, während die Engländer ein ganz richtige» Gefühl dafür haben, daß nicht der Wahlzrttel allein da» Ausschlaggebend« ist. Mag sein, daß dir Wühlk«i»einteilung, die gegenwärtig in Eng» land besteht, den wirtschaftlichen Berhültniflen d«, Land«» nicht mehr angrpaßt ist, aber gerade die eng. ltschen Konservativen —«m Gegensatz,u ihren prrußisch- deutschen Nam«nSv«ittrn — haben «» immer verstan den, die Forderung der Ltbtralen aufzunehmen und rechtzeitig «tnr Wahlrsform durchzuführen. Dt« Ber- teilung d«r Stimmen ändert denn auch r icht» daran, daß dt« englischen Liberalen einen Zusammenbruch «riebt hab«», wie ihn selbst die Jahrhunderte alte englische Geschicht« nicht kennt, «in«n Zusammenbruch, der so groß ist, daß «» zweifelhaft erscheinen kann, ob st« sich von dieser Niederlage jemals wieder erholen. Brgreifiich genug, daß «r nahe liegt, in dirsem Zerreiben der Mitte die Rückkehr zu dem alten eng lischen Zweiparteien-Syfiem zu sehen und jttzt darauf abzukomm«», daß die Reste der Liberalen fich nach recht« und link« verteilen, so daß künftig nur d«r große Grgensatz zwischen den Konservativen und der Srb«i1erpart«i btstehen würde. Ob «» so kommt, muß man abwarten, richtig ist, daß di« Liberal«» kein« «tn- hritlich« Partei find, sondern in die beiden Gruppen zerfallen, die fich unter den Namen Asquith und Lldyd George einander gegenübtrstehen. Und wenn ASyuith so fchn.ll erklären ließ, daß er wieder in» politisch« L«S«n zurückzukehren beabsichtige, so geschah da» wohl hauptsächlich d«Shalb, um Lloyd Georg« «in«» Knüpprl zwtsch«» dir Bein« zu w«rf«n, d«r fich darauf «in stillt«, al» Nachfolger «kquith» die Führung d«r Liberale« Partei zu übernehm«». Dagrg«» wehrt fich der rechte Flü gel der Liberalen au» begreisttchrn Gründen, weil «r tn Lloyd George den Totengräber der altrn englisch«« Partri steht. Noch zittert drüben di« Erregung de» Wahlkampf«» zu sehr nach, noch behrrrscht auch die Frag« nach d«r Zusammrnstellung de» n«u«n Mini sterium» zu sehr dl« GimÜter, al» daß man schon Zeit fände, den tieferen Ursachen dieser Katastroh« nachzu- gthen. Wir, dt« wir den Dingen ferner stehen und lediglich Zuschauer find, haben «» «infachrr, haben «» vi.lleicht auch leichter, die Zusammenhänge zu begreifen, di« In dies« Niederlage hineinsührten. Und da ist eigentlich die einzige Ungerechtigkeit, daß Lloyd George sein Mandat behauptete, während «tquith auf der Streck« blieb. .Patrokle» liegt b«. grab«» und Therfite» kehrt zurückl" Aber instinktiv hat der Engländer doch gefühlt, daß die letzten Ur sachen seiner wirtschaftlichen Notlage der Partei zu- zuschrriben find, die für da» Krt«g»«ndr verantwortlich zeichnet und hat de»halb an der Partei Lloyd G«orge» Rache genommen für den Frieden von Bersaille», d«r für jede» sehende Auge d«r Ausgangspunkt all«r eng lischen Nät« ist. Lloyd Georg« war «in glänzend«« Propagandamtntster, er hat e» au»gez«tchnst verstan- ! d«n, di« letzt«» Kräfte England« für den Sieg herau«. zuholen, aber in dem Augenblick, al» Deutschland in di» Knie sank, zeigt« fich, daß rr noch kein Staat»- mann, sondern nur ein Agitator war. Der Friede von Vrrsaill«» ist vom englisch«» Standpunkt aus für die englischen Interessen ein Verbrechen gewesen. Auch vor hundert Jahren haben d!« Pitt, Wellington und so fort da» letzte Pfund eingesetzt, um den großen französtschen Rivalen Napoleon zu stürzen. Im Augen blick aber, wo er gestürzt war, trüge» fie Sorge da für, daß Frankreich nicht allzu ohnmächtig wurde, da mit da» europäische Gletchtgewicht nicht gestört werde. Lloyd George dagegen war der Führer in dem v«r- ntchtung»kampf gegen Deutschland auch nach dem Kriege. Er glaubte fich gestört zu haben, al« er dt« d«utschin Kolonien «tnstrcktr, den deutsch«» Hand«l und di« brutsch« Flott« v«rnicht«te. Er sah ab«r nicht, daß da» Utb«rg«wicht Frankreich» auf dem europäischen Festland« England um die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Folge» de» Stege» betrügen mußte. Und wenn heute der «ngltsch« Handel darniedirlitgt, wenn die Arbeiirlosenzahl nicht zurückgehen will, w«nn England den Weg »ach >«Stzptm gefährdet sieht, wenn «» überall in seiner «olonialpolttik aus Wtderständ« stößt, so kann e» fich dafür bet Frankreich bedanken, dem Lloyd Georg« d«n Größenwahn tnftztete. Gerad« deshalb ist t» diesem Wahlausgang «in Stück au«- gltichend« Gerechtigkeit, und e» gehört nicht allzuviel Prophetengabe dazu, um den Tag oorauSzusehen, wo Lloyd George vom eigenen Volk« verantwortlich g«. macht wird für all da» Unglück, da» er nicht nur über Europa, sondern auch über England gebracht hat.