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o—o—° Aus schwerer Zeit, o—o 16) Erzählung aus dem 30 jährigen Kriege. Von R. K. Der Großknecht, der ein Riese von Gestalt war, rich tete sich zur vollen Höhe auf und fragte noch einmal so laut wie vorhin; „Wer ist in unserem Lchngute und in Nürschdorf Herr, Valtin Ziegenbalg oder dieser — dieser Lotterbube, dieser Pfarrhausbengel?" „Valtin Ziegenbalg!" war die Antwort und ein Knecht, er mochte dem Aeußeren nach zu urteilen, der älteste Lehngutsarbeiter sein, setzte hinzu: „Gott sei's geklagt, seitdem der Henner im Hause ist, gefällt es mir nicht mehr hier, alles will er besser verstehen und versteht doch nicht einmal soviel, wie unser Kühjunge. Da soll man stets einen tiefen Bückling für ihm machen nnd ehrenwerter Herr Henner zu ihm sagen. Der erste will er überall sein und verdient doch kaum den letzten Platz bei uns, der Zierbengel." Fast alle nickten ihm beistimmend zu. Da trat Henner plötzlich ein und fragte herrisch: „Von wem wird denn eigentlich hier so laut gesprochen? Ich hörte im Vorbeigehen etwas wie Lotterbube, Pfarrhaus bengel, sollte ich etwa damit gemeinet sein? Das verbiete ich mir ein für allemal, so wahr ich Paul Henner heiße. Von mir hat man stets mit der mir zukommenden Ehrer bietung zu sprechen." „Gehorcht hat er auch noch dazu, er besitzt alle Untugenden," sagte der alte Knecht Thomas für sich hin. Henner hatte es vernommen; denn er herrschte den Alten an, indem er ihm einen bösen Blick zuwarf: „Warst du es etwa gar, der mir diese Namen gegeben?" Henner wußte es nur zu gut, wer es gewesen, er getraute es sich nur nicht, es dem ihm an Stärke weit überlegenen Groß knecht ins Gesicht zu sagen. „Nein, das war ich," antwor tete ruhig für den darob erschrockenen Alten der Großknecht. „Du?" sagte Henner so geringschätzig wie möglich zu Michel, „meinest wohl, dn könntest dir solches erlauben, weil du hier Großknecht bist? Weißt du, wer ich bin?" „Wer du bißt, — wer du bist? O ja, sehr gut weiß ich das," kam es ebenso höhnisch aus Michels Munde. „Du bist der, der die Leute gegen die bestehende Ordnung aufhetzte, der dem lieben Gott die Zeit wegnimmt, um sie zu verfaulenzen, besser herumzulungern, sodaß die niedrigste Stallmagd vor dir nicht —" „Hör auf!" schrie Henner außer sich vor Wut, „oder du sollst dein großes Maul für immer halten." Henner hatte die geballte Faust wie zum Schlage erhoben, aber er schlug nicht, obwohl der Großknecht dicht vor ihm stand. „Schlage nur zu, erbärmlicher Wicht, wenn dn willst, daß man deine Knochen einzeln im Hofe zusammensuchen soll, du elendester aller Schurken, du zugelaufener —" Henner sprang wie ein Rasender zur Tür hinaus, dieselbe mit aller Macht zuschlagend. Er öffnete sie aber gleich wieder und schrie in die Stube hinein: „Es ist für heute genug. Du wirst mich ja noch besser kennen lernen und dann gibts keine Gnade. Blutig will ich mich für die angetane Schmach rächen." Totenstille herrschte in der Gesindestube. Verstört^ saßen Knechte und Mägde da. Es war, als ob sich ein schweres Gewitter entladen, aber noch keine Abkühlung her beigeführt. Jeder fühlte, daß der Auftritt ein böses Nach spiel haben werde. Endlich sagte einer: „Dem hast du's ja gut gesagt, Michel," und nun hieß es von verschiedenen Seiten: „Der hat genug. Wacker! Wie mich das freut, daß der einmal die Wahrheit gehörig gesagt bekommen hat." „Aber merken wirst du's bald, ich möchte nicht in deiner Haut stecken. Fürchte seine Rache," sagte Peter, und BlasiuS, dem die Lippen dick aufgeschwollen waren, ballte unterm Tische die Fäuste. „Vor dem fürchte ich mich nicht," sagte der Großknecht, „der hat mehr Furcht, als Ihr alle zusam men. Er gehört zu der Rotte, die bloß schreien, aber nicht hauen." „Daß du dich nur nicht in ihm täuschest, ich kenne ihn, denkst du, er wird sich mit dir in einen Kampf einlassen? Da hat er andere, und wenn er sich Hilfe beim Feinde holen müßte," sagte Peter. „Ich bin auf alles gefaßt. Er oder ich, einer von uns beiden muß aus dem Gerichte'); denn so kann es hier nicht mehr weiter gehen," versetzte Michel. „Nun, vorderhand ist er gegangen. Ich denke, soweit wie ich ihn kenne, geht er itzo einen schlimmen Weg. Der Feind soll in der Nähe sein. Ich hörte es heute auf dem Felde von Flüchtlingen aus Rammen»), die sich nach der Polz») zuwandten." „Und deshalb konntest dn wohl nicht arbeiten, weil du auf solch Gerede hören mußtest. Warum bist du nicht gleich mitgelaufen, he? Wenn ich Lehnrichter wäre, ich würde dich itzt dem Henner, dem Lausbuben, in drei Teufels Namen nachschicken und den Blas dazu," bekam Peter vom Großknecht zu hören. (Forts folgt) ooo Meine schiönen Moarunken! °°° Lustige Lausejungengeschichte aus der Westlausitz von Hermann Weise. Ond wie'se doas nor emo irscht weise kriegten, woas hiehe de Glocke geschloan hotte, goab's bei die Beeden kee' gruoß' Jöwerlee'ns mih. Bei Maxel'n gings — rutschdich — ön Eilzugstempo 'n Boom nunger ond Johoanne, dar schon möt ausgebreeten Oarmen Hungen an'n Boome off'n lauerte, groade suo dam'sch off'n Bauch, daß'es'n glei ömleierte ond Maxel glei iöwern driöwer wag pfatschte. Koarlchen hotte's irscht oabgewoart't, ar wollte's sahn, wie'ch sei' Leidensge- foährte aus derr Schlinge zieh'n wore. Doas hott'erch glei wahr genommen, wie Schneidersch Johoann Hungen an Por- zelboom schoß ond woar off derr jenen Seite von'n Boome fix nungecgeroasselt. Ar luß Säckel, Säckel sein, noahm irscht an kleenen Oanloof ond wie derr Wind woar Koarlchen iöwer'n Zaum geblitzt, su fix sahkste kaum. A' Schtöckel Ho senarsch klabte noa off dar eenen Zaumschtacheetenschpitze — doas woar oalls, woas mer noa von Koarlchen ze sahn krieggte. Wie weggebloosen woar dar eene Mausedieb. — Johoann Hots weter nischt getoan, ar woar troapp wiöder off'n Beenen ond toatch glei öm doas andre Früchte! kümmern, dar irscht an tücht'gen Bläck'ch getoon hotte ond nu keenen Mauks mih von sich gähn toat. Wie tuot lag'err ungern Boome. Johoann befuhlt'n irscht ond horchte woas drömmerröm, ar konnte me'n oangahn, woas err wollte, doas Karlchen rührte ond röppelte sich nö. Nu kriegts Schnei dersch Johoann cawer doa baale möt derr Angst ze tune. „Sellter'ch erne goar Schoaden getoan Han," soat'err sich, „oder v, 's hot'n dar Schreck woas geschoad't! Do ös nö ze schpoaßen. Suowoas koann oich moanchmo goar domm oabloofen! Woas soall ner hiehe war'n!" Off emo docht'err an seine Aale ond schon woßt'erch Root. „Meine Froa wöß ön sicken Sachen iger ond besser Bescheed! Dan war'ch möt nein ön de Schtuowe nahmen!" Ar fackelte o nö lange, sackte Maxeln oan, hockt'n off ond bvckelt'ch möt'n de Wiöse avir. Derbei toat Johoann woas kräck'z'n ond bloosen, denn dar Lausejunge luß'ch troan, dar hotte schon sei' Gewöchte! Wie err nu baale Hungen an Tür'l ös, mußt'err irscht amo ruhken ond'ch verschnaufen. Ar sieht'ch derbeie amo öm ond woas muß err doa sahn? Do ös doa dar jene Lauseschtepsel schon wiöder ön senen Gaartel hüune ond kauert dorte hu'm ungern Moarunken boome ond klaubt die römgeschtreeten Moarunkcn getäsche zesoammen. Dan eenen vullen Sack hott'err schon iöwern Zaum gefuhrwarkt. Do packte Johoanne oawer de Wut ond ar droht'n von weiten. An liebsten wär'err glei hön ond hätt'n 's Fall amo urndlich schtroaff gezuon ond'n no oallen Regeln der Konst verwackelt. Aower dos ging nö suo fix, wie er'ch dochte. Ar hotte doa doas andre Borschel noa hiehe. Ar simbelierte hön ond har. Endlich koam err off'n Tröchter. „Suo larnts kloappen," soat er'ch. „Dan ») Lehngut. ») Rammenau. ») Pulsnitz.