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Unterhaltungs-Beilage zum WM-WWl MM Ä MM Druck und Nerlaa von I. Ruhr Nachf. Dr. Alban Arisch. Hohenstein-Ernstthal. Liebeszauber Roman von Osw (14. Fortsetzung.) Sein Haupt war stolz und froh gehoben, sein Auge flammte düster hinauf zu den glänzenden Reihen der Damen, die vom Kranze der Logen und Ballone auf das wundervolle, festliche Bild im Saal herniederblickten, und blieb an jener Seitenloge haften, aus der dem Präsidium schräg gegenüber die weiße schlanke Königin seiner Liebe still und ernst und unbeweglich wie ein Gruß aus un irdischer Geisterwelt auf ihn herüberschaute. Weit und tiefgründig griff seine Rede in den Strom der deutschen Geschichte und holte die funkelnden Ideale deutschen Wesens, deutscher Jugend herauf. In farben glühender, fortreißender Sprache, aus stürmischem Her zensdrang, als habe er mit der Gewalt der Worte in leidenschaftlichem, äußerstem Einsatz seines ganzen Ich zurückzuerobcrn, was das Schicksal seinen Händen entrissen hatte, floß seine Rede wie ein feuriger Lavastrom in die lautlose Stille im Saal, in die brennenden Herzen der Kommilitonen, in die staunende Aufmerksamkeit wohlan- gesessener und beamteter Philister, in die frohbewcgten Gemüter ehrwürdiger Alter Herren — in die schimmernde Blumenrunde Ler holdesten Weiblichkeit und zu ihr, die still und unbeweglich zurückgelchnt, in fernen Zauber ent rückt, leicht Las Haupt senkte und in die funkelnden Tiefen einer verlorenen Welt einsam hinunterlauschte. Nun riß er den Feuerstrom Ler Rede plötzlich ab mit aufflammendem Schluß. Blitzschnell flog sein Kommando. Donnernd krachte der Salamander der vielhundertköpfigen Verbandskorona, vom schneeweißen Altherrenhaupte bis zur elementarsten Fuchsengrünheit, aus die köstliche Thüringerstadt. Ungeheuer war das Toben des Beifalls Ler akade mischen Festversammlung, als auch der Salamander ver rauscht war, betäubend die Begeisterung über Liese nie gehörte StuLentenrcde. Vergeblich stand er hochaufge- reckl und harrte Ler Möglichkeit, mit schallendem Kom mando zum Festgesang hinübcrzuleiten, bis er dem Orchester endlich das Wort zu schassen vermochte und die jubelnde Weise über Lie riesige Korona zündend dahin- rauschte. In glänzendem Strom lies Ler Festkommers seinen Gang. Die Stimmung rauschte in schwellenden Wogen daher. Doch mitten in ihrem Brausen lastete tief in seiner eigenen sprühenden Tatkraft der dunkle Schatten der Einsamkeit. Unendliche Lichtfülle schwebte über Lem Fest der deut schen Jugend. Und er selbst sah sich zuweilen in plötzlichem schreckhaften Erwachen von dem Schönsten Ler ganzen Welt verlassen, wie auf einer einsamen, umbrandctcn Insel. Anfänglich in feinem bläulichen Duftschimmer, dann in dichter sich webenden Schleiern breiteten sich vom zweiten Festteile an die Wolken des Zigarrenrauchs darüber. In seinem Lichtschweben wichen die lieblichen Bilder über Lem Wappen- und Fahnenkranz der Galerien immer däm meriger in märchenhafte Ferne. Was irgendeiner aus Lem Gewimmel, dem Pokulieren, Reden und Singen an ald Berge« er. ! (Nachdruck verboten.) » den Festtafeln, dort oben Schönes und Liebes mit seu. I rigen Blicken suchte, das zog sich in geheimnisvollen Lüsten I immer geisterhafter zurück, wie sich der silberne Mond ' hinter zarten Schleiern lächelnd verhüllt rmd im rmmer » mehr andrängendea Rachtgewöll sich schließlich ganz I verbirgt. Längst hatte es von den Türmen der Stadt Mitter- ; nacht, ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr geschlagen, als er sich » ganz allein von den Kommilitonen gelöst und in die nacht- I einsame, schattensinstere Lindenallee gestohlen hatte, lange I unbeweglich unter dem Schutze der ehrwürdigen Baum- . riesen stand und zu den Fenstern des stattlichen Hauses hin« . aufsah. Müde und reglos lag das Glimmen der Straßen- I laternen an den dichtgeschloffenen grünen Jalousien, hinter > Lenen sich tiefes Schweigen, unbekannte Träume, ewrg ver- » lorenes Gedenken verbargen. Ein weltferner leifer Morgenschimmer dämmerte über I dem Dach, ein leises, zaghaftes Logelschluchzen wachte auf , und schlief wieder ein, irgendwo. Und der Einsame drückte ! Lie dunlelrote Rose, die noch immer seinen Frack über I seinem Herzen schmückte, mit leidenschaftlicher Inbrunst j an seine Lippen. Das Konzert des Festfrühschoppens erfüllte die grünen . Gartenschatten, die Glashallen und Säle des »Landgrafen i von Thüringen" mit Klang und Melodie, mit festlichem I Durcheinander von akademischer Kommentlust und weib- z lichem Duft und Rauschen, mit Gläserklingen und fröhlicher - Verbrüderung zwischen gastfrohem Bürgertum und keck I croberungslustigen Gästen. I Wolfram wanderte ernst und nachdenklich durch die ! oberen Gasträume. Auch hier hatte es sich überall taten- i lustig an gemütlichen Sofaplätzen, in traulichen Nischen, I an aussichtsreichen Fenstern angesiedelt, und Männlein und k Wciblein stimmten ihre Blicke auf blitzendes Lachen und » ihre Seelen auf sonnige Eintracht. Er steuerte einer Sitzung des Festausschusses zu, deren I klare, umsichtige Leitung in seinem Kopf und seinen I Händen zu liegen hatte mitten im Saus und BrauS der ; anderen. Eben als er eines dieser gastlichen Zimmer betrat, um I an dichtbesctztcn Tischen vorüber und Lurch die hin- und ! herwogenden Gruppen seinen Weg zu suchen, öffnete sich die ! jenseitige Tür, und in ihrem Rahmen stand, umflutet von I grüngoldenem Sonnenlicht, das jenseits hereinsttömtr, Elga I Waldhausen. Sie hatte ihre Hand leicht in den Arm ihrer Beglei- ! terin gelegt und schüute mit dem rosenfrisch umzauberten, I lieblichen Antlitz gespannt und suchend herein. Sie befand j sich in Gesellschaft einer einheimischen Honoratiorenfamilie, ; die vergeblich nach einem Platze suchte. - Da geschah es mit Gedankenschnelle, daß Wolfram sich i durch Las Gedränge wand, daß er wie aus dem Boden gc« I stiegen vor ihr stand, daß er nur ein paar rasche, sreudheitze i Worte mit ihr wechselte und dabei ihre Hand leidenschast- ' lich umspannt in die seinige bannte, daß er sich mit feu- I