Volltext Seite (XML)
3 S 'S alleinstehenden Villa; Kauz: die Nachbarn Dingen bei ihm zu. wie für dich geschaffen! In einer der Eigentümer ist ein fonderbarer munkeln, es gehe nicht mit rechten Darum stehen unten die kleinen „Aber neun Das »st ia teilen." „Gewiß, schenken Sie mir einige Minuten Gehör! Jeder junge Mensch will Seelen werben; keiner sieht sich gern allein aus feinem Lebensweg gehen! So auch ich. Es war damals ein recht bescheidenes Auskommen. Also, ich hatte einen Freund; wir verbrachten jede freie Stunde miteinander; denn der Beruf füllte nicht mein ganzes Denken aus. Hans Ramler gab den Anstoß zu meinem Erleben." „Tu, Felix, ich weiß eine Wohnung für dich," sagte er eines Tages zu mir, als ich ihm erzählt hatte, daß mein Hauswirt das Grundstück verkauft und ich wahrscheinlich die zwei Stuben würde räumen müssen. Da ich eigen« Möbel besaß, so war ich, Gott sei Dank, von dem Leben des „möblierten Herrn" verschont, mein eigener Wirt. „Wo denn, Hans?" „Draußen bei uns; ein bißchen weit; in der Gegend von Pankow. Aber, ; lassen. Aber auch in den fast bescheidenen Verhältnissen « blieb die alte Dame sich gleich: menschenfreundlich und voll I Humor. Ihre kleine Pension suchte die Witwe durch gei- I stige Arbeiten, übersetzen und Schriftstellern zu vermehren, ! und der Verlag, der in ihren glänzenden Tagen ihre Bei- ' träge begehrt, blieb ihr auch im Wechsel der Zeiten treu. Der Kreis, der sich um sie sammelte, setzte sich nrrk « aus geistig geschulten Menschen zusammen. In den Vor- ! kriegsjahren hatte mancher von Namen und Rang danach i gestrebt, bei der Baronin Liebenau eingeführt zu werden, I aber die kluge Denkerin tat weise Auswahl. „Banale Leute I können überall unterkommen; ich suche Menschen." So » fand sich eine kleine gediegene Gruppe von Schriftstellern, » Gelehrten — Männer und Frauen — in ihrem Bann. Wenn die Stunden des Abends geschwunden und der ; Abschied nahe rückte, die Ansichten über Tagesfragen ge- « nügcnd geklärt, die literarischen und Kunstgespräche für « diesmal sich erschöpft hatten, dann wurde durch ein leicht I hingeworfenes Wort wohl auch einmal allzu Werktäg- ! liebes besprochen. So griff heute jemand die überhand» « nehmende Straßenbettelei auf. Geheimrat Grube stützte den Kopf in Lie Hand. Zu I dem Einwurf der Baronin hatte er abwehrend genickt. „Leugnen Sie etwa meine Rede?" Die Hausfrau ; wandle sich ihm direkt zu. „Wenn Sie so etwas sagen, i müssen Sie auch irgendeinen Grund dafür angeben, Herr I Geheimrat! Also, heraus mit Ihrer Zurückhaltung!" Der Angeredete ließ seine Augen Lurch das Zimmer ! schweifen. Die wenigenPersonen, die heute anwesend waren, I kannte er seit Jahrzehnten. Zufällig fanden sich nur ältere I Herrschaften beieinander, bis auf eine junge, blonde Schön- » heit, die Nichte der Baronin, die eine Art Adoptivtochter- ! stelle bei ihr einnahm. Es war der einzige Kummer der I Witwe, daß sie vielleicht sterben und Melanie allein, ohne l Vermögen, ohne Beschützer zurücklassen würde. Gern hätte » sie es gesehen, wenn Geheimrat Grube, der Junggeselle, i der zwar ein reifer Vierziger, doch frisch und unverbraucht I ins Leben sah, sich für Las Mädchen interessiert hätte. I Aber niemals nahm sie bei diesem ernsten Mann irgendeinen » Anteil an einem weiblichen Wesen wahr. Felix Grubes Augen trafen Melanie. „Merkwürdig, wie tief die dunklen Sterne aus diesem I Gesicht leuchten," fast hätte er den Gedanken laut werden » lassen. „Gerade solche Augen, wie einstens „jung Linchen," I spann die Erinnerung den Faden weiter. Seine Finger I glätteten die Stirn; er richtete sich stramm auf. „Meine Gründe? Gut, ich will sie Ihnen erzählen! » Eine Straßenbettlerin hat mich vor Jahrzehnten um mein Oie Bettlerin. Skizze von Hanna Zunk-Frieden ck u. (Nachdruck verboten.) , „Die Not an den Straßenecken zeigt oft ein falsches » Gesicht! Heuchelei und Geschäftssinn gucken da unter de- ! mütig gesenkten Lidern! Ich gebe nie einem Bettler am > Wege etwas! Niemals!" „Aber, liebster Herr Grube, machen Sie sich doch nicht ; schlechter als Sie sind! Wer hat denn Len ganzen vergan- i genen Winter hindurch den jungen Mediziner zu Tiiche I gehabt? Wer hat feinen fast neuen Anzug weggegeben?" ; Die alte, weißhaarige Hausfrau, die mit der Teetasse ! in der Hand dicht bei dem großen, grünen Zimmerkamin I saß, lächelte ein wenig ironisch zu dem Sprecher. Das I dichte Haar, in Ler Mitte geteilt, ließ die schöne, hohe » Stirn sehen, auf der tiefe Furchen des Denkens und Grü- ! deins feine Linien gezogen hatten. Aber die dunklen Augen I glühten noch wie im Jugendfeier, und Las zarte, rosig an- l gehauchte Gesicht war ganz überflutet von dem Ausdruck » der Güte und Liebe. Baronin Liebenau sammelte ! immer, wie in Deutschlands besten Zeiten, einmal im I Monat ihre Freunde um sich. Nur, daß heute ein jeder nach I dem Abendessen erschien und bei einer Tasse dünnem Tee « behaglich plauderte. Die einstmals herrschaftliche Wohnung umschloß nur l noch drei Räume: alles übrige hatte der Druck des Um- I schwnngcs dem jungen Reichtum in den Schoß werfen ein rechtes Paradies, für einen, der Verse macht, wie du! „Aber, wer wird mir wirtschaften! Wenn er keine Fiminina duldet?" „Sein alter Diener; er sagte es mir, weil er mir I nämlich die Sache angebotcn hat! Ich kenne ihn seit Jahr I und Tag; er ist Bienenzüchter, und so sind wir uns näher- I gekommen. Irgend etwas stimmt wohl nicht ganz in dem Hauswesen; aber, ich habe nicht nachgespürt, und du zeigst - ja auch keine Neigung, in fremde Töpfe zu gucken! Soll ! ich den alten Dreise vorbereiten?" Nach kurzem Zögern sagte ich zu. Und nun kommt der I schönste und elendeste Sommer meiner Vergangenheit! ! Wenn ich zurückdenke, scheint es mir manchmal, als ob die ' Phantasie eines romantischen Autors die Begebenheiten « nicht hätte eigenartiger ausmalen können, als es die Wirk- I lichkeit zustande brachte! Tas Leben schreibt nun einmal ! die seltsamsten Romane, und, wenn ich nicht aus eigener ! Erfahrung fpräche, — ich würde die Sache Fremden nicht I glauben! Ich zog in die Villa ein; es war gerade Früh- « ling; Maienmond. All die Lenzlieder, Lie ich kannte, ! schienen Daseinsform angenommen zu haben; es grünte ! und blühte, wie ich es nie in dem staubigen Berlin für I möglich gehalten hätte. Damals erschien meine Sammlung « „Lieder des Eros". Denn die Königin der ganzen Pracht » und Herrlichkeit, des alten Dreise junges Töchterlein, das ! halte es mir angetan! Soll ich sie schildern? — Sagen, I wie Karoline aussah? — Sie kennen alle das Bildnis der » VigSe-Lebrun, mit dem Pinsel und der Palette in der » Hand. Die gleichen leuchtenden Augen, das gelockte, reiche ! Haar, der schöngeschweifte rote Mund mit den Perlen» I zähnchen! Dazu liebte sie es auch wie jene, ein turban» artiges Seidentuch um den Kopf zu schlingen, mit der ; Schleife auf der rechten Seite, und eine große, runde, feine, , getollte Rüsche um den Hals zu legen. Als ich sie zum erstenmal sah, staunte ich sie verzückt ; an ob der Ähnlichkeit. I „Ich weiß, woran Sie denken," sagte das zierliche Per» I sönchen kokett zu mir. „An die Vigee-Lebrun! Tas hat j aber schon mancher mir gesagt, also ersparen Sie es sich! . Ich tue auch nichts, um die Ähnlichkeit abzuschwächen, im I Gegenteil! Wir Frauen sind alle ein bißchen Schauspiele- I rin! Und ich habe dieses Erbteil von Papa, der war doch j in seinen jungen Jahren am Wallnertheater." Ich hörte ihr begeistert zu und ahnte damals noch gar» ! nicht, wie schmerzlich ich mich später an diese Worte er» I innern, wie sehr ich ihrem Schauspielertalent fluchen , würde! — Es kam, wie es fast immer mit der Jugend ge- ; schieht, wenn sie gesund ist und sich täglich sieht. Der Gott der Liebe warf sein Netz über uns und hielt I unsere Herzen gefesselt. (Schluß folgt.)