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„Herr Settgast, Sie sprechen davon, als sei es bereits » eine feststehende Tatsache. Und ich, der Beteiligte, ahnte ! bisher nichts. Ich kann es kaum glauben, denn wieso.. ." Halmer unterbrach ihn und fiel ihm in der Erregung der Minute mit feinen Fragen in das Wort: „Du ein Er- » sinder?" Es lag ein zweifelnder Klang auf dem „Du", ! der beleidigend hätte sein können, wenn nicht das Antlitz I des Fragenden eine harmlose Liebenswürdigkeit zur Schau 1 getragen hätte. „Was hast du denn zustande gebracht?" „In zwei Worten läßt sich das nicht sagen," meinte . Otto kurz, „auch scheint mir hier nicht der richtige Ort dafür l zu sein. Aber ein andermal gern," lenkte er freundlicher I ein, als er HalmerS Betrübnis für echt nahm. „Komm', ; wir wollen nun hinaus auf das Walzwerk und die Ein» » richtungen besichtigen. Hochöfen und Thomashütten I kannst du dabei auch in Augenschein nehmen." „Gern, ich bin einverstanden." Halmer schob seinen ; Arm in den des Studienkameraden. Ein ungeheuer weites Feld lag nun vor ihnen, erhellt I von dem Scheine weißer Bogenlampen, um die die Falter I schwirrend sich drehten. Gerüste standen gerichtet, ragten hinaus in die Luft, ' und Barren, Eisenbogen und aufgewühltes Erdreich I waren bevölkert von einem Schwarm von Menschen, Ar- I beitern, Meistern und Ingenieuren, die Anleitungen zum ! Bau gaben. Otto wurde angesichts dieser Riesengerüste ' unruhig und erregt. Wann würde Lohe die endgültige I Entscheidung treffen? War es nicht schon zu spät? Hatte I Settgast überhaupt recht oder berichtete er einfach irgend ! etwas, um sich wichtig zu machen? Er fing in Gedanken zu rechnen an. Tag und Nacht I baute man hier auf der neuen Walzenstraße, also würde I ihre Fertigstellung nicht mehr als ein halbes Jahr in An- ! spruch nehmen. Sechs Monate noch, und sein Leben ! würde in andere Bahnen gelenkt, sechs lange, schreckliche I Monate müßten vergehen, dann aber konnte er der Welt I zeigen, was er geleistet, der Welt, die ihm in der Minute ! aus Malwe Weinholds Augen zu strahlen schien. Auch an Renate dachte er. Aber es kam keine Freude I in sein Herz dabei. Gott, Renate war schrecklich verständig, » sie machte sich wenig aus dem äußeren Schein, ihr blieb » es im letzten Grunde eigentlich gleich, ob sie viel oder wenig » hatten. Ihr war der Erfolg nur ein Sieg, den ihr schein- I bar kühles Herz mit ihm feierte. Malwe aber, Malwe, ach, » die würde das Glück des aufjauchzenden Triumphs mit » ihm teilen. „Nun, da ist noch ein ganz schönes Stück Arbeit zu I bewältigen," sagte Halmer, nachdem er sich eingehend mit ; dem einen und anderen Meister unterhalten. „Tüchtige ; Leute hier, fleißige Menschen," und er nickte diesem und i jenem eifrig zu, er hatte sie durch seine Freundlichkeit ge- I Wonnen. „Ich bin. auch gern bereit, dir bei deinen Versuchen ; behilflich zu sein, sobald sie angestellt werden," bot sich i Lukas mit großer Bereitwilligkeit an. Otto aber war in I der Minute so eingenommen von seinen Gedanken, daß er , nicht antwortete. ; . „Ich will dir gern Helsen," sagte Halmer noch einmal, i und bei dem weithin leuchtenden Schein schaute Otto dank- I bar in das Gesicht seines Begleiters. Da war ihm, als i stünde wieder der Haß, die Rache darin geschrieben, da ; glaubte er das fatale Lächeln noch einmal um die Lippen I spielen zu sehen. Und jetzt deckte Lukas rasch die Hand über I das Antlitz, als sei es die Helligkeit, die ihn blende. „Dieses Licht," sagte er zu seiner Entschuldigung, ? „daran muß ich mich erst gewöhnen, ich war darauf nicht I vorbereitet." Otto empfand eine müde Niedergeschlagenheit und » konnte sich nicht deuten, woher sie kam. Er fühlte sich von ! dem Manne an seiner Seite bald abgestoßen, bald durch I seine Hilfsbereitschaft angezogen. Immer hatte Lukas l Halmer diesen Eindruck auf ihn gemacht, und seit damals » auf dem Stiftungsfeste, als er um Renate Heinsius ge- ! worben, hatte er die Hoffnung, ihm nie wieder zu be- I gegnen. Jetzt fragte er sich, ob er damals von Renate gelassen, > wenn in seinen Gedanken die Überzeugung gelebt hätte, » daß Halmers Herz noch an ihr hing. „Nein, nein," sagte I er. Aber er wußte, er suchte sich selbst zu belügen, wollte sich glauben machen, daß ihr Bild neben dem der anderen noch die leuchtenden Farben trug. Als bestünde eine ge- Heime Übertragung der Gedanken, erwähnte Lukas nun den Namen Weinhold. „Haben wir einen netten Be- triebsingenieur in Weinhold?" ! Otto zuckte saft zusammen, und er überstürzte sich in Lobeserhebungen. „Soviel ich weiß, ist er augenblicklich auf der Thomas- Hütte. Da kannst du ihn gleich kennenlernen. Komm', wir werden dahin gehen." Das Thomaswerk ragte vor ihren Augen empor. Weinhold kam ihnen entgegen, erfreut, wieder einmal einen Menschen zu haben, dem er sein Leid klagen konnte. „Nun, Herr Storm?" Da sah er Lukas Halmer und i reichte ihm die Hand. „Herr Halmer, mein neuer Assi stent? Sie kommen zu einer schweren Zeit, junger .Freund, wir haben unmenschlich zu tun. Haben Sie ! draußen den Neubau der Walzenstraßen gesehen? Ja, Sie sollen uns helfen, den Verpflichtungen nachzukommen. Vorläufig besteht keine Aussicht, die Anzahl von Meilen Schienen liefern zu können, und mir scheint, die Herren Aufsichtsräte werden tief in die Tasche greisen müssen. Es gilt eine hohe Strafe." Er stand gebückt da, aus seinen Augen sprach die Be- kümmcrnis. Nun aber lief ein freudiges Zucken über die gepolsterten Wangen. „Unsere einzige Rettung sind Sie, Herr Storm, hat Lohe noch nicht mit Ihnen gesprochen?" Der junge Ingenieur schüttelte den Kopf, ohne ein ! Wort zu erwidern. Jedesmal, wenn die Lieferungsfrage von einem der Herren erwähnt wurde, quoll die Ungeduld drängend in ihm empor. Weinhold war mit seinen Gedanken wieder wo anders. Er beschäftigte sich mit Halmer, um zu ergründen, ob der ihm eine Hilfe bei der Arbeitslast bedeuten könnte. „Wissen Sie auch, Laß man auf der Paulinenhütte sehr in Anspruch genommen ist?" Halmer bejahte mit großem Eifer, der ausdrücken sollte, daß ihm die Arbeit eine Wonne sei. Weinhold sah das mit Befriedigung und spann weiter: „Wir alten Ehemänner lassen uns willig in das Joch ! spannen, wenngleich meine Frau sich nicht daran gewöhnen kann, daß ich nie zu Hause bin. Aber in Herrn Storm sehen Sie einen Neuvermählten, man weiß aus Erfahrung, wie schwer man sich von seiner jungen Frau trennt, ewig lebt man in der Angst, es könnte der Gattin etwas zu- stoßen, wenn man den ganzen Tag nicht zu Hause ist." Er lachte breit und behaglich und schlug Storm neckend auf die Schulter. Halmer hatte sich bei Renates Erwähnung schnell ab gewandt. Seine Aufmerksamkeit galt scheinbar der Thomashütte, in der daS flüssige Eisen seinen letzten Prozeß durchmachte. Man vernahm das Brodeln und Wallen der Massen, Funken stoben, die Flammen schlugen höher. Brausend ging der hochgepreßte Wind durch das glühende Eisen, Gase strömten aus und füllten die Luft mit Sengen und Feuer. Es wurde beklommen und schwül hier in dem Raume. Otto war peinlich berührt davon, daß Weinhold gerade in Halmers Gegenwart von Renate erzählen mußte, und sagte kurz und scharf: „Ich bin nicht ängstlich, es liegt kein Grund vor." Im ! Innern war er geneigt, Frau Ida recht zu geben, die von i ihrem Manne behauptete, daß er immer gerade von dem sprach, was anderen Menschen unangenehm war. Weinhold ahnte nicht, welche Empfindungen er in den beiden Männern ausgelöst. Froh darüber, von etwas anderm sprechen zu können als von dem ewigen Thema der Arbeit, erzählte er: „Ja, Ihre Frau, Herr Storm... ich bin kein Schwärmer, was meine Ida mit Bedauern empfindet... Ihre Frau aber könnte einen trockenen Mann wie mich noch fortreißen. Sie ist etwas Besonderes, wissen Sie. im Grunde genommen viel zu schade für unser Nest. Ha, ha, wer weiß ein solches Kleinod hier zu schätzen!" (Fortsetzung folgt.) ,