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Nr- 26 PAPIER-ZEITUNG 1073 kaufspreis erzielte Mehrpreis reiner Nutzen sei. Daß man von einem Lager von 20000 M. eine Verzinsung von 1000 M., also rund 3 M. im Tag, ferner mindestens eine eben so hohe Lager miete in Rechnung zu ziehen hat, daran denken sie nicht, sondern sind nur verblendet vom scheinbar hohen Preis des Erlöses. Von unseren oft enormen Reisespesen, vom Porto für Be musterungen und Anfragen, haben sie meist keine Ahnung. Einer meiner Pappenlieferanten verkaufte auf dem Platz, wo ich wohne, einem meiner Abnehmer die gleichen Pappen wie mir mit einem Mehrpreis von —30 Pf. die 100 kg! Das erinnert mich an Offenbacher und Frankfurter Papierhändler, welche glauben, eine große Heldentat begangen zu haben, wenn es ihnen gelingt, einem Kunden Papier mit 25—30 Pf. Nutzen auf die 100 kg verkauft zu haben. Dazu senden solche Leute Reisende aus! Solche Geschäfte könnte man doch auch ohne Reisende zustande bringen. Vor einigen Jahren sagte mir ein Offenbacher Papierhändler, derartiges käme in der Fabrikstadt Offenbach, öfter vor, ja, es würden Pappen oft nur um den Skonto als Nutzen verkauft. Die Fabrikanten sollten sich doch hüten, an Leute Ware zu liefern, welche nach solchen Grund sätzen arbeiten, denn solchen Kunden kann kaum so viel übrig bleiben, daß sie den Einkaufspreis der Waren bezahlen. Ein anständig und vernünftig rechnender Papierfabrikant arbeitet meines Erachtens vorteilhafter, wenn er an einige gute Händler große Posten in Wagenladungen absetzt, als wenn er seine Erzeugung an eine Menge kleiner Verbraucher zersplittert. Er kann sich nie einen richtigen Reisenden darauf halten, um die Produktion zu detaillieren, weil für seine einseitigen Waren die Spesen viel zu hoch sind, ferner sammelt er sich in kurzer Zeit ein solches Lager von kleinen Anfertigungen und Resten an, daß er beim Räumen des Lagers mehr verliert, als er an Verbrauchern zu verdienen hoffte. Einen meiner Lieferanten läßt es nicht schlafen, wenn ein Händler Posten gebraucht und unterbringt. Dafür hat sich bei ihm ein Lager von 10 bis 12 Ladungen angesammelt. Vielleicht verliert er daran soviel, daß er dann geheilt ist! Wenn unsere Fabrikanten richtig rechnen werden, und wenn manche Händler in ihrer Bilanz die faulen Posten weglassen, kann vielleicht Besserung kommen. Papierhändler Vorsicht! Zu Nr. 23 Seite 953 Aus London Es wäre interessant die Adresse der Firma Arnold Listing Machinery Co. zu erfahren, da sie im Londoner Adreßbuch von 1906 nicht steht, ebensowenig die Firma A. C. Keller & Co. Zu Nutz und Frommen der Leser der Papier-Zeitung gebe ich meine Erfahrurigen zum besten in Fällen, welche ich im Interesse von betrogenen Fabrikanten untersucht habe. Ein italienischer Papierfabrikant lieferte für eine Londoner Firma eine Sendung Papier nach Kairo und erhielt dafür einen schön lithographierten Wechsel auf Kairo gegen Schiffsdoku mente. In dem Wechsel waren die Namen des Ausstellers so wie des Bezogenen lithographiert, um der Sache den Anstrich eines regen Geschäftsverkehrs zu geben. Der Wechsel wurde nicht bezahlt und kam in meine Hände, um den Betrag, über 80 Lstr., von dem Londoner Aussteller einzuziehen. Das Kontor des Ausstellers war eine Dachstube mit einem Tisch und einem Stuhl, auf welchem ein Mann saß. An der Kontortür waren 6 Firmen angebracht, und der Inhaber der verlangten Firma war natürlich abwesend. Im zweiten Falle, wo ein deutscher Fabrikant Papier an eine Londoner Firma geliefert hatte, stellte sich heraus, daß das Ge schäftslokal eine Kellerstube in einer abgelegenen Vorstadt war. Die Geschäftsbriefe waren mit einer guten Schreibmaschine ge schrieben, die Auskunft von der bezogenen Firma ebenfalls, alles mit lithographiertem Briefkopf. Es ergab sich aber, daß die Adresse das Lokal eines Barbiers war, wo die Briefe gegen eine kleine Zahlung ausgeliefert wurden. Der Käufer der Ware war verschwunden. Ein dritter Fall war diesem ähnlich, die Referenz war eine Firma in derselben Rasierstube. Glücklicherweise aber erwähnte der böhmische Fabrikant in einem Briefe an mich, daß er einen Posten Papier für die betreffende Firma mache (ohne Namen zu nennen), welche ihm gern lov. H. höhere Preise bewilligt hätte. Auf mein Gesuch, die Firma zu nennen, tat er es, und ich konnte ihm einen großen Verlust ersparen. Ich schließe mich dem Rate Ihres Herrn △-Korrespondenten an, daß stets Auskunft durch ein Auskunftsbureau sowohl über Besteller als Referenten eingeholt werden solle oder durch eine dem Lieferanten gut bekannte Firma am Platze. A Infolge der Mitteilung in Nr. 23 meldete sich bei uns eine zweite deutsche Firma, welche durch A. C. Keller & Co. auf Grund der Auskunft der Arnold Listing Machinery Co. geschädigt wurde, ferner erhielten wir folgendes Schreiben: Vom Rhein Wir beziehen uns auf den Artikel »Vorsicht« in Nr. 23 S. 953 und auf die Vertraulichen Listen Nr. 3392 und 3394 des Papier industrie-Vereins über die Firma A. C. Keller & Co. in London. Diese Firma hat auch uns geschädigt, der Sachverhalt war ge nau so, wie er bereits geschildert wurde. Die Firma bestellte bei uns weißes Papier, welches zu Spitzen verarbeitet werden sollte, gab uns Referenzen auf und bemerkte bei der Bestellung, daß Zahlung nach 30 Tagen gegen Kasse erfolge. Unsere Rech nung betrug 401 M. Kurze Zeit, nachdem die Firma A. C. Keller & Co. in dem Besitz unserer Rechnung war, sandte sie uns un aufgefordert ihr Akzept ein, welches aber bei Verfall nicht ein gelöst wurde. Die Firma verlangte von uns Ausstand, doch ließen wir den Wechsel protestieren und haben dann den Ver ein Creditreform in London mit der Ordnung der Sache betraut. Den berühmten Brief aus Posen haben auch wir erhalten, Keller scheint alle Briefe an einen Freund in Posen gesandt zu haben, welcher die Auflieferung besorgt hat. Dem Inhalt des Briefes haben wir keinen Wert beigemessen. Einer uns befreundeten Firma in R. ist es ähnlich ergangen. Bei dieser hat die in Rede stehende Firma erst Kleinigkeiten bestellt und ist den Betrag für die Hauptlieferung schuldig ge blieben. Sollte Ihnen in dieser Angelegenheit eine günstige Wendung bekannt werden, so wären wir für freundliche Mitteilung sehr verbunden. Papierfabrik X Betrug? Eine Firma bietet ihrem Kunden ein Papier, 63 kg die 1000 Bogen schwer, zu 46 M. an. Der Kunde bestellt hierauf 30000 Bogen. Die Firma gibt bei der Fabrik aber nur 62 kg schwere Ware auf in der Hoffnung, daß die Fabrik Uebergewicht liefert. Die Fabrik liefert aber nur 6r1/2 kg schweres Papier. Trotzdem berechnet die Firma ihrem Kunden 46 M. die 1000 Bogen. In diesem Falle macht sich die Firma doch des Betruges schuldig? Darf ein Angestellter der Firma seinem Chef, mit welchem er auf feindlichem Fuße steht, direkt sagen, daß er betrogen hat? Oder aber kann er gerichtlich etwas gegen solch eine un reelle Handlungsweise der Firma tun? Der Kunde hat den vollen Betrag, also 46 M. die loooBogen bezahlt. Die Firma macht derlei Handlungen nicht einmal, sondern fast ausschließlich, d. h. mit mehreren Kunden. Gutachten eines Papiergroßhändlers: Leider kommt der gerügte »Mißbrauch«, (um einen ge linden Ausdruck zu gebrauchen), hin und wieder, glück licherweise aber nicht allgemein vor. Ich muß es aber als unreell bezeichnen, wenn ein Papier, das dem Kunden im Gewicht von 63 kg verkauft ist, bei der Fabrik nur 62 kg schwer bestellt wird. Durch dergleichen Geschäftsgebaren wird dem reellen Großhändler oft mancher Abschluß un möglich gemacht. Die Frage, ob es sich in dem erwähnten Falle um einen Betrug handelt, möchte ich nicht entscheiden und auch die Beantwortung der anderen Fragen Ihrem rechtskundigen Beirat überlassen. R. Gutachten unseres rechtskundigen Mitarbeiters: In der Lieferung des nur 611/2 kg schweren Papiers statt des zum Gewicht von 63 kg bestellten und der Be rechnung des nur für letzteres Gewicht vereinbarten Preises liegt arglistige Täuschung des Kunden, also ein zivilrecht licher Betrug, der den Kunden zum Rücktritt vom Verträge im Wege der Anfechtung oder Wandlung berechtigt. Ob auch ein Betrug im strafrechtlichen Sinne vorliegt, hängt davon ab, ob der Lieferant von vornherein die Absicht ge habt hat, dem Kunden statt des schwereren Papiers ein leichteres zu dem für das schwerere vereinbarten höheren Preise zu liefern. Diese Absicht wird aus dem Umstande, daß der Lieferant bei seiner Fabrik das Papier nur 62 kg schwer bestellt hat, zu entnehmen sein, wenn nicht die Er wartung, daß die Fabrik 1 kg Uebergewicht liefern werde, berechtigt war. Die Beantwortung dieser letzteren Frage liegt in fachmännischer Richtung und hängt ins besondere davon ab, ob es im Papierfach üblich ist, ein solches Uebergewicht zu liefern, und ein Besteller dar auf rechnen darf. Nach der Aeußerung des fachmännischen Mitarbeiters scheint diese Frage verneint werden zu müssen, sodaß also auch ein Betrug im strafrechtlichen Sinne als vorliegend anzunehmen ist. Ein Angestellter ist nicht berechtigt, seinem Chef Vor haltungen über sein Tun oder Lassen zu machen. Wohl aber ist es nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht, seine Mitwirkung zu einem sich als Betrug darstellenden Geschäfte zu verweigern. Nachteile können ihm aus solcher Weigerung nicht erwachsen. Für ein gerichtliches Vorgehen des Angestellten wegen betrügerischer Handlungen seines Chefs ist kein Raum, es sei denn, daß er ihn bei der Staatsanwaltschaft anzeigen will.