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50jährige Berufsjubelfeier des Herrn Carl Riefenstahl in Berlin Am 1. April 1906 beging Herr Carl Riefenstahl, In haber der Firma Riefenstahl, Zumpe & Co., Geschäftsbücher fabrik, Druckerei und Kalenderverlag in Berlin, Holzmarkt straße 67, sein 5ojähriges Berufs-Jubelfest. 1841 in Ballen stedt a. H. geboren, trat er am 1. April 1856 in die Lehre, ging als Gehilfe auf die Wanderschaft und begründete 1869 mit Herrn Adolf Zumpe die Firma Riefenstahl, Zumpe & Co. Das Geschäft wuchs schnell empor und machte die Ueber- sicdlung in das eigene Haus, Holzmarktsr. 67, notwendig. Seit 1893 ist Herr Carl Riefenstahl alleiniger Inhaber der Firma. Wir bringen sein Bildnis und ein Bild des Ge schäftshauses. Seine drei Söhne, die im väterlichen Ge schäft tätig sind, veranstalteten aus Anlaß dieses Er innerungstages eine Festlichkeit in den Sälen des Hand werker-Vereins, Sophienstr. 18. Ihrer Einladung waren sämtliche Angestellten und Arbeiter der Fabrik und eine große Anzahl von persönlichen und Geschäftsfreunden ge folgt, unter welchen die engeren Berufsgenossen, Buch binder und Geschäftsbücherfabrikanten, in größter Zahl ver treten waren. In großer Zahl waren auch Mitglieder des Handwerker-Vereins, welchem Herr Riefenstahl seit Jahr zehnten in opferwilliger Weise seine Kräfte weiht, erschienen. Wir sahen ferner Abordnungen der Buchbinder-Innung, geführt von den Obermeistern Slaby und Papajewski, des Papiervereins Berlin und Provinz Brandenburg mit ihrem Vorsitzenden Herrn Bruno Engel, den Vor sitzenden der Papier Verarbeitungs - Berufs genossenschaft Herrn Hellriegel und den gerichtlichen Sach verständigen Herrn Kommerzienrat Bor chardt. Die schönen Räume des Hand werker-Vereins dien ten insofern als be sonders würdiger Rahmen des Festes, als Herr Riefenstahl sich um die Errichtung und den Bau dieses Hauses, welches vor etwa Jahresfrist fertig- gestellt wurde, große Verdienste erworben hat. Dadurch, daß die Einladungen auch auf die Ehefrauen ausgedehnt waren, erhielt das Fest ein familiäres Gepräge. Als die etwa 500 Gäste ihre Plätze an den für sie gedeckten Tafeln eingenommen hatten, trat gegen 1/23 Uhr der Jubilar, begleitet von seinen Enkeln, unter den Klängen des Einzugs marsches aus Lohengrin in den Saal und wurde von einem Männerchor, bestehend aus Angehörigen der Fabrik, durch ein Lied begrüßt. Die Gänge des Mittagmahles wechselten mit künstlerischen Darbietungen ab. Unter anderm wurde auf der Bühne des Festsaales ein von Herrn Hausknecht gedichtetes stimmungsvolles Festspiel aufgeführt. Durch Rede und Gegenrede zwischen der Fee des Harzes Hercynia, dargestellt von Fräulein Frida Riefenstahl, und dem Berg knappen Caliban, erfuhren die Zuhörer die Lebensgeschichte des Jubilars, der vor 50 Jahren seine heimatlichen Berge verlassen hatte, um nicht mehr dauernd dorthin zurück zukehren, da ihn in der Großstadt ein bedeutendes Unter nehmen zurückhalte. Das mit vielen heiteren Anspielungen gewürzte Zwiegespräch endet damit, daß Hercynia dem Jubilar den Segen der Heimat übersendet. Im weiteren Verlauf der Festtafel überbrachte und verlas Handelsrichter Bamberg, Vorsitzender des Berliner Handwerker-Vereins, eine Adresse, worin die Verdienste des Jubilars um den Verein gewürdigt werden. Auch Ober meister Slaby von der Berliner Buchbinder-Innung über reichte im Namen der zu dieser Feier erschienenen Innungs genossen eine Adresse. Kommissionsrat Tetzer, Vor sitzender des Deutschen Papier-Vereins, verdolmetschte die Grüße dieses Vereins, welchem der Jubilar von Anfang an angehört. Herr Ferd. Asheim überreichte im Namen der Vereinigung der Buchbindereibesitzer des Geschäfts bücherfaches eine Bronze-Statuette, die Arbeit darstellend, und teilte mit, daß die Vereinigung Herrn Riefenstahl zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt habe. Herr Moritz vom Deutschen Buchdrucker-Verein überreichte ein Diplom nebst den Glückwünschen des Vereins Berliner Buchdruckerei besitzer. Nunmehr folgten eine Reihe gelungener Darbietungen des Personals. Fräulein Zwieg sprach eine poetische Be grüßung von der Bühne herab, wo die älteren und in verantwortlicher Stellung befindlichen Mitarbeiter der Firma zu einem lebenden Bilde vereinigt waren, dessen Mittelpunkt eine Bronze-Plakette bildete. Diese zeigt das von Lorbeer umrahmte, wohlgetroffene Bildnis des Jubilars, von Künstler hand modelliert, und ist ein Geschenk der Arbeiter und Beamten an ihren Prinzipal. Eine humorvolle und herz liche Ansprache wurde von Herrn Hannemann gehalten, der den- Jubilar als treuen Freund und Sommergast der Woltersdorfer Schleuse feierte. Sodann sang der Gesang- Verein des Berliner Handwerker-Vereins mehrere Quartette. Die Herren E. Hinze und O. Schemmel, Angestellte der Firma, sangen ein Couplet über das Warenzeichen der Firma. Ein anderes Couplet, betitelt »die Stützen des Hauses«, zeigte den Wettkampf des Druckers, Kaufmanns und Buchbinders: Jeder will die Hauptstütze sein, bis sie sich dahin einigen, gemeinsam am Aufblühen des Hauses zu arbeiten. Nach allen diesen Darbietungen erhob sich der Jubilar, dankte für die Ehrungen und gab einiges aus seinem Lebens laufe zum besten. Danach hat er schon in frühester Jugend der Mutter den Kleister weggenommen und Papierstreifen geklebt. Dann klebte er, 7 oder 8 Jahre alt, in seiner schulfreien Zeit Zigarrenkisten, und der Groschen, den er dafür erhielt, war sein erster Verdienst. Schon damals sah er ein, daß, wenn man den Leuten etwas bringe, was sic brauchen können, man auch Geld dafür verlangen könne. Später, noch immer als Schuljunge, kaufte er Papier, ver schaffte sich von anderen Jungen Handwerkszeug und