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treffen. Nächste Ueberlegung: Wo und wie verbringst du deine kurzen Tage? Bei Krauses hatte Vater sich einige Tage Urlaub genommen. Das Reiseziel war nach mancherlei Hin und Her, und nachdem ein ernstes Familienzerwürfnis unter viel Tränen umgangen war (Mutter hatte in dem Wunsche Vaters, an die See zu fahren, einen Scheidungsgrund ge sehen), gefunden worden. Die Koffer standen acht Tage ge packt, schlaflose Nächte waren an der „Tagesordnung, aber schließlich stand man auf dem Bahnhof. Den Kampf um einige Plätze im Abteil hatte Vater siegreich für sich ent schieden. Seine Familie war ganz stolz auf ihn und nahm die feindseligen Blicke der Mitreisenden als Bewunderungs- zeugnifse huldvollst entgegen. Herr Krause dachte, in die Fenster ecke gelehnt, mitleidig an seinen Kollegen Krüger, der keine Reise unternehmen konnte. (Nehmen wir an, das Geld spielte in diesem Falle eine gewisse Rolle. Es ist doch immerhin mög lich.) Er ahnte nicht, daß Krüger zu Hause, umgeben von einem Stoß internationaler Reiseprospekte, die Ur. laubs-Illusion in fer nen Landen erprobte. Schulzes von nebenan wußten sich im Besitze eines Autos. Klein, aber fein, wenn auch böse Zungen wissen wollten, daß einige Kilo Lack und ein altes Ofenrohr das Material für die Luxuslimousine abgegeben hätten. Am Pfingstsonntagmorgen setzte sich die „Porzellanfuhre" mit viel Geknatter, wofür man durch die atemraubende, be ängstigende Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometer ent schädigt wurde, in Bewegung. In irgendeinem Gartenlokal wurde Rast gemacht. Das verstärkte Orchester von drei Mann besorgte das obligate Frühkonzert. Der garantiert reine Bohnenkaffee ließ manche Wünsche in bezug auf Stärke und Gehalt offen. Eingeweihte hatten natürlich eine sehr ein ¬ fache Erklärung für diese Tatsache. Am Morgen vor An kunst der Gaste hatte der Gastwirt auf die Frage des „Obers": „Wieviel Kaffee ist denn bestellt, 3V Liter?" ge antwortet: „Ree, 45 Liter!" Worauf der Angestellte sei nem Chef als Lösung des Problems vor geschlagen hatte: „Na, denn müssen wir doch noch ein halbes Lot mehr nehmen!" Nach diesem Vorschlag ist dann auch verfahren worden. Vater Schulze begab sich nach eingenommenem Kaffee nach dem im Hintergrund des Gartens aufgebauten Schießstand, um seine Schießkunst unter Beweis zu stellen. Plötzlich ein gellender Schrei. Herr Schulze wandte sich ehrlich erstaunt an den Budenbesitzer: „Die Figur-quietscht ja ganz menschenähnlich!" Worauf ihm dieser mit handgreiflicher Betonung klarmcuhte, daß er seiner Frau eins aufgebrannt hätte. , . Herr Muller von der Ecke war mit seiner Braut auf dem „Brautomobil" (lies Motorrad) hinausgefahren. Eigent lich und ehrlich gesagt, nur, um seine neue Ledcrausrüstung auszuführen, pardon, auszufahren. Bestimmt aber nicht, um auf einer Dorfstraße eine Panne zu erleiden. Mit Aus dauer und Flüchemurmeln wurde die Maschine wieder in Gang gebracht vor der Zuschauerschar kleiner Hosenmätze. Einer von ihnen hatte sich die schüchterne Anfrage erlaubt: .Sie, soll ich 'ne Axt holen?", während ein anderer sich wenigstens den bewun dernden Ausruf von den Lippen rang: „Knorker Schlitten!" Ja, ja, es ist nicht so einfach, auf ?8 zu bauen. Das junge Ehepaar Meyer war, wenn auch bescheidener, so doch wahrscheinlich glück licher auf Schusters Rappen die Feiertage unterwegs. Das waren überhaupt zufriedene Menschen. Als am Mor gen das Thermometer nur fünf Grad Wärme angezeigt hatte, hatte „Er" schnell ein Streichholz unter den Wärmemesser gehalten, und beide hatten dann nnt Genugtuung festgestellt, daß die Temperatur auf 20 Grad geklettert war und alles nur rela tiv wäre. Schnell sind die köstlichen Tage der Freiheit vorüber geflogen. Der Ruhe sollten sie dienen, aber es hat doch — schaut man zurück — mancherlei Aufregungen gegeben (siehe > den unglücklichen Schuß vor dem Schießstand und die Motor radpanne auf der Dorfstraße), aber dennoch: „Es sei wie es wolle, es war doch so schön!" Womit wir wieder einmal Goethe zittert hätten, mit dem jeder Aufsatz, jede Plauderei in diesem Jahre ja scheinbar anfangen ober enden muß. Pfingstgeist Pfingsten, du des Lenzes Krone, Jubelhymne der Natur, die um Gottes Schöpferthrone jauchzt und strahlt mit goldner Spur! Lerchenwirbel, Blumendüfte, Waldesrauschen, Quellenklang, Glocken brausen durch die Lüfte als ein großer Lobgesang. Deutsches Volk, o laß dir künden deiner Pfingsten tiefsten Geist! Was zersprengt ist, will er binden, schmieden will er, was zerreißt. Gründen will er Opfertreue, Bruderliebe und Verstehn, dann erglüht der Schwur aufs neue: Deutschland darf nicht un ergehn! Erich Langer. Pfingsten Ein vor einiger Zeit erschienenes bedeutsames Buch, Dichterglaube, bringt Stimmen religiösen Erlebens deut scher Dichter der Gegenwart. Dieses Buch offenbart deutlich den völligen Wandel der geistigen Lage un seres Bölkes) den man ganz kurz als Wiedererwachen religiösen Fragens bezeichnen kann. Von der Vor kriegszeit sagt Franz Schauwecker, der Dichter des Kriegsromanes „Aufbruch der Nation": „Ich war mit Schülern, mit Studenten, mit Leuten in Beruf, in Amt und Würden zusammen — ich fand nirgends einen von ihnen, der aus dem Glauben an die Lehre der Kirche gelebt hätte. Sie betrachteten alle Dinge, Vorgänge und Menschen unter den verschiedensten Gesichtspunkten, vom Berus her, aus der privatpersönlichen Schätzung, von der Leistung, vom Konventionellen aus, aber sie sahen nichts von der Religion her. Es gab keinen Glauben. Es wurde weder davon gesprochen noch danach gehandelt. Das war vor dem Kriege." Die Sorglosigkeit und Sicherheit des Lebens in der Vorkriegszeit ließ die Hintergründe des Lebens unbeachtet bleiben. Daraus entstand eine nur am Sichtbaren haftende Weltanschau ung mit ihrer Absage an den Hintergrund der Wirk lichkeit, der Materialismus, der für die Gottesfrage und den Gottesglauben keinen Platz mehr hatte. Das Geschehen der Kriegs- und Nachkriegszeit brachte ein Aufbrechen des Hintergrundes der Welt in seiner Tiefe: die Welt steht nicht nur im Sichtbaren, sie wird bewegt und bestimmt durch unsichtbare Kräfte und Mächte aus dem Welthintergrund. Ein neues Fragen nach dem Welthintergrund, dem Geheimnis der Welt setzte ein. Dieses Fragen ist Religion. Dieses neue Fragen kommt in dem Buch „Dichter glaube" zum Ausdruck. „Wir stehen vor einer neuen Zeit religiösen Suchens, wir stehen da, von tausend Strömen der Vergangenheit gelenkt, von Gott mit dem Recht zum Glauben^ zum Wissen um ihn begnadet. Wir haben die Müdigkeit des Intellekts hinter uns, wir haben mit dem Lächeln des Herzens uns von neuem über den Verstand hinausgehoben, wir wissen um des Menschen Ewigkeit und ewige Verwandlung", so be kennt Hans Friedrich Blunck. Und diese neue Zeit religiösen Suchens offenbart sich in diesem Buche, offen bart sich als eine Zeit leidenschaftlich verzehrenden Suchens, sinnenden stillen Ringens, fröhlich gewissen Findens und freudig starken Bekennens. In einer Mannnigsaltigkeit mit Dissonanzen und Harmonien tritt das religiöse Suchen in Erscheinung. Der alte griechische Gedanke von der Ewigkeit und Gotteinheit der Men schenseele wird wieder gedacht und durchlebt und be jaht. Aber viel mächtiger dringen andere Gedanken vor. Waldemar Bonsels schreibt: „Ist es nicht zugleich son derbar und unheimlich deutlich, wie Buddhas heiliges Pilgerhaupt mit dem unaussprechbaren, welttiefen Lächeln seiner vollendeten Einkehr sicht langsam im Osten über Europa erhebt?" Dem müden Abendländer, der, durch die Krise aufgerüttelt, weithin mit Manfred Haus mann sagt: „Ich bin nicht imstande, an irgend etwas zu glauben ... So gehe ich aus der Erde umher, hilflos und hoffnungslos", scheint das „unaussprechbare, welt tiefe Lächeln" Buddhas das Erlöschen und Vergehen in der in der Natur erlebten Alleinheit zu bringen, wonach er sich sehnt. „Die mir verwandte Religion ist eine Synthese des Christentums mit den Religionen der alten Hochkulturen, vor allem der indischen" sagt Man fred Kyber. Das ist im letzten Grunde das Bezeichnende am religiösen Suchen der Gegenwart: Selbst unschöpferisch sucht es, wo religiöses Leben sei. Für eine solche Zeit religiösen Suchens ist das Pfingstfest von entscheidender Bedeutung. Dem Kenner der alten Religionsgeschichte ist deutlich, daß unsere Zeit in ihrer Mannigfaltigkeit religiösen Suchens der vor zweitausend Jahren gleicht. Damals war unter dem Geschehen des Pfingsten eme Bewegung entstanden, die in einem Glauben Heil und Erlösung gefunden hatte, im Glauben an Jesus Christus. Auf diese eine Möglich keit religiösen Lebens war ein Strahl gefallen, der ihr Wirklichkeitscharakter und Gewißheit gab. Von ihr zeugt Paulus: „Niemand kann Iesum einen Herren heißen ohne den heiligen Geist." Alles Fragen und Suchen fanden sie beantwortet, alle Ahnung und Sehn sucht war Klarheit und Gewißheit geworden in dem Bekenntnis: „Jesus, mein Herr". Und sie bekannten: nicht von uns aus kam diese Klarheit und Gewißheit, sie wurde uns geschenkt und leuchtete in uns auf „durch den heiligen Geist". Es geschah ihnen das, was Gustav Schüler in feiner feinen besinnlichen Art schildert: „Da