Volltext Seite (XML)
,Wen Mt denn dos etwas an?" rief die junge Dame. ,Ich schlage Ihnen vor", fuhr ich forr, ,Sie kommen zu mir in die Jolle, und wir nehmen Ihre Bohnenschotr in Schlepp.' ,Haha', lachte die junge Dame, schlug mit dem Paddel ms Wasser, daß die Tropfen stoben, und schoß davon. Ich hinterher. Aber nach zehn Minuten war der Nebel so dicht geworden, daß ich den Standort des Paddelbootes nur noch schätzen konnte. Nebelhörner brüllten auf, dann wurde es dsnkel. Jetzt ist es soweit, dachte ich und rief: ,Havok' Hallo?' klang es matt zurück. ,Wer ist da?' ,Ich bin es', rief ich zurück, ,der Kakerlak.' Zwei Minuten später war die junge Dame bei mir an Bord, schrecklich', flüsterte sie und zitterte am ganzen Kör per, ,diese Nebelhörner! Man wird verrückt davon. Asst brüllt es vorn, dann hinten, dann links, dann rechts. Dann pfeift es von links, irgend etwas gleitet wie ein Schemen vorbei. Dann wieder Nebelhörner, Nebelhörner, nichts als Nebelhörner.' ,Sehr richtig', sagte ich." Der Herr mit der kurzen Pfeife machte eine Pause. „Im August", murmelte er dann, „im August haben wir geheiratet." „Ja, und?" fragte der Herr mit der weißen Hose. „Sagten Sie nicht, Sie hätten sich von der Pfingstfahrt eine Heiserkeit geholt, die den ganzen Sommer über andauerte?" „Ja, natürlich", nickte der Herr mit der kurzen Pfeife, „eine Stunde lang wie sieben verschiedene Nebelhörner brüllen, das hält auch der beste Kehlkopf nicht aus." „Tja", sagte der Herr mit der weißen Hose und steckte sich eine Zigarette an, „das war eine traurige Geschichte. Aber noch nicht so traurig, wie das, was ich Pfingsten vor einem Jahr mit meinem Boot erlebte. Wir waren nach Kuxhaven gesegelt, mein Kompagnon und ich, und wollten nach Neuwerk hinüber. Aber der Wind war so gut, daß wir weiter segelten. Direkt neben uns, aber achthundert Meter entfernt, lag eine Jacht, die Kurs auf Nordwest hatte. ,Die segelt nach Helgoland', sagte mein Kompagnon. .Wollen wir nicht auch nach Helgoland? Bei diesem Wind sind wir in sieben Stunden da.' ,Hm', zog ich die Augenbrauen hoch, ,ohne Kompaß und Seekarte?' ,Aber wir brauchen uns doch nur nach der Jacht dort drübesi zu richten', schlug mein Kompagnon vor. „Also gut', nickte ich, seinetwegen!' Und wir fuhren weiter. Stunde um Stunde, bei Herr- lichem Wind. Und immer mit demselben Kurs wie die Jacht neben uns. Als es anfing zu dämmern, sagte mein Kom pagnon: .Eigentlich müßten wir doch schon da sein.' Und tatsächlich: eigentlich hätten wir längst da sein müssen. Aber was sollten wir tun? Wir segelten, mit zu sammengebissenen Zähnen, die ganze Nacht. Als der Mor gen aufdämmerte, lag neben uns — nur dreißig Meter ent fernt — die andere Jacht. Der Wind war eingeschlafen. Di« Segel schwabberten, hier wie dort, an den Masten. ,Hallo!' rief ich hinüber. ,Wollten Sie nicht nach Hel goland?' ,Jawohl', rief eine Stimme zurück, ,aber wir haben weder Seekarte noch Kompaß an Bord und haben uns nach Ihnen gerichtet.'" Lin ganzes Dorf wandert ins Gefängnis. Durch die unnatürlichen und unberechtigten Friedens- »erträge von 1919 ergeben sich noch heute vielfach die son- »erbarsten Situationen, die den Spruch der damaligen Sach- lerständigen lächerlich machen könnten, wenn nicht für die beteiligten die Angelegenheit so bitter ernst wäre. So er- ügnete es sich kürzlich, daß die gesamte Bevölkerung des an »er ungarisch-tschechischen Grenze gelegenen Dorfes Hidweg .-ns Kittchen wandern mußte. Das Dorf hat zwar nicht einen ünzigen tschechischen Bewohner, gehört aber auf Grund der vidersinnigen Friedensbestimmungen zu der Tschechoslowakei, ^m vergangenen Jahr war in einem benachbarten, auf der rngarkschen Seite liegenden Dorfe ein Flugzeug gelandet, and in Hidweg verbreitete sich die Nachricht, daß diese Flieger )ie damals von allen nationalstolzen Ungarn mit Sehnsucht erwarteten ungarischen Ozeanflieger Enoresz und Magyar eien. Getrieben von ungezügeltem Temperament und dem Nationalstolz, liefen nun die gesamten Insassen des Dorfes, 282 an oer Zahl, im Laufschritt über die Grenze und be i >ayen sich das Flugzeug. Nicht genug, daß sie die eine Ent- I täuschung erleben mußten, daß es nicht die sehnlichst er- warteten Landsleute waren, mußten die braven Bauern noch eine viel schwerere Strafe hinnehmen. Die Grenzwache schrieb alle „Ueberläufer" bei ihrer Rückkunft auf, und das Gericht verurteilte jeden einzelnen zu 50 Kronen Geldstrafe oder drei Tagen Gefängnis. Da aber in Hidweg das Bar geld, wie in aller Welt, knapp ist, zahlten nur drei, und die übrigen müssen nun ins Gefängnis der nächsten Kreisstadt wandern. Eine besondere Schwierigkeit liegt nun noch darin, daß das Stadtgefängnis nur dreißig Insassen faßt. Also müssen die Bauern ratenweise ihre Strafe absitzen. Immer je dreißig Mann haben alle drei Tage anzutreten, bis die ganze Reihe durch ist. In 70 Stunden über den Ozean. Ein junger auslandsdeutscher Ingenieur namens Bel lin hat ein ganz außergewöhnliches Boot konstruiert, mit dem er demnächst eine Weltreise antreten will. Dieses Boot entwickel? große Geschwindigkeit auch Uber längere Strecken und ist vielleicht berufen, die heutige Technik des Uebersee- verkehrs völlig zu ändern. Das Boot hat das Aussehen eines riesigen Fisches. Das Außergewöhnliche daran ist allerdings der Flugzeugmotor mit der vierteiligen Luft schraube, der am Heck des Schiffes in großer Höhe angebracht ist. Bellin will mit diesem Boot in Begleitung eines jungen Berliners demnächst um die ganze Erde fahren. Auf der Fahrt von New Pork nach England, der letzten Etappe seiner Neffe, will er dann einen neuen Geschwindigkeitsrekord für die Ozeanüberquerung zu Schiff aufstellen. Er hofft, mit seinem Boot, das eine gedeckte Führerkabine hat und angeb» ich auch gegen sehr schwere Meereswellen unempfindlich sein soll, die Strecke New Pork—Liverpool in 70 Stunden zu fahren. Das würde eine sehr erhebliche Verkürzung der bis herigen Fahrzeit des schnellsten Ozeandampfers, der „Eu- ropa", bedeuten. Ob sich allerdings die Geschwindigkeits verhältnisse dieses kleinen Bootes später auch auf große Passagierdampfer übertragen lassen, ist noch recht zweifel haft. Zumindest wird es unserem armen Vaterland an Mitteln fehlen, um solche Versuche, die recht kostspielig sind, zu finanzieren. Da müssen wir also sicher wieder einmal dem Ausland, an der Spitze den Amerikanern, die Auswer tung dieser deutschen Errndung überlassen, wie es schon mit so vielen deutschen Geisteserzeugnissen geschehen ist. Lustige Ecke. Der vorsichtige Papa. Tochter: „Papa, ist es wahr, daß die Tiere in jedem Winter 'n neuen Pelz bekommen?" — Vater: „Sprich nicht so laut, Else! Mutter ist im Neben zimmer!" Stammtischdialog. „Was schneidest du denn da aus der Zeitung aus?" — „Ach, eine Zeitungsnotiz von einem Manne, der von seiner Frau geschieden wurde, weil sie jeden Abend seine Brieftasche durchsucht hat." — „Und was willst du mit dem Ausschnitt machen?" — „In meine Brieftasche legen!" Der Kriminalist. „Wie kennen Sie Ihre Zwillinge eigentlich auseinander?" — „Sehr einfach, an den Finger abdrücken!" * „Ihre Leber ist geschwollen, aber das beängstigt mich nicht." — „Ja, Herr Doktor, wenn Ihre Leber geschwollen wäre, würde es mich auch nicht beängstigen." „Zeuge, waren Sie bei Beginn der Streitigkeiten zwi schen den beiden Ihnen bekannten Eheleuten zugegen?" —> „Jawohl, Herr Richter, ich war Trauzeuge." Silbenrätsel Dir Auflösung des Silbenrätsels in der vorigen Nummer lautet: 1. Diebe, 2. Robe, 3. Urlaub, 4. Clausur, 5. Katze, 6. Aster, 7 Riese, 8. Bastion, 9. Erwin, 10. Iris, I l. Tornister, 12. Erker, 13. Niete, 14. Donner, 15. Eisen, 16. Satin, 17. Theater, 18. Altar, 19. Gasse. Der sich ergebende Satz lautet: Druckarbeiten des Tageblattes wirken stets. Sonntags-Beilage >4 - 2 Pulsnitzer Tageblatt « - Druck md »«la« vm «. S. Ksrßer« « »r« (Inhaber: I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Deutscher Pstngstgloube Von Willy Schade Es geht ein wunderbares Blühen, ein freier Zug durchs deutsche Land. Am freundlich blauen Himmel ziehen der Vögelschar zum Heimatstrand. Da atmen wieder frisch die Herzen in freier', schöner Gotteswelt — nur schwinden nicht die alten Schmerzen, das Unglück bleibt, was uns zerschellt. Gibt es denn keine Herzensfreude in deutscher Brust — nur Herzeleid? Schlägt immer noch die fremde Meute in Bruderhaß u,nd Bruderstrcit, das was uns heilig war u,nd Recht in Fran und Bann, deutsches Geschlecht? Gitts, wie im Wesen der Natur, denn keine Auferstehung nur, die unsre Not und Elend bricht und die uns führt empor zum Licht? . . . Blick auf, mein Volk, das in den Nacken die schwere Eisenkette trägt, was höhnend, hart mit Folterzacken die Welt ins heh'rne Antlitz schlägt. Erheb' das Haupt, das Gram durchfurchte, und falle stumm die Schwielenfaust. Vertraut euch selbst und auf den Höchsten, dann fühlt ihrs, wie's im Herzen braust. — Ihr höret eine Stimme sagen, dem, den man dort ans Kreuz geschlagen, der für uns litt und auferstand, der ivollte nicht, daß deutsches Land — wie Ahnenzeiten es gelehrt — von Neidern werd' geächt, entehrt, das blutend schon aus tausend Wunden vom blinden Haß zum Tod geschunden. — Es wird im Werden und Vergehn trotz allem — wieder auferstehn. WM Pfingstgedanken Cs gibt Pfingstsegen, Pfingstgabe; ach, daß wir etwas d^vvn empfingen, so wie jene Schar der ersten Iesusjünger dort in Jerusalem, die einmütig beieinander waren! Aber neben der Pfingstgabe steht auch die Pfingstklage. Wo ist heute die großartige, reinigende Kraft des heiligen Geistes, der einst aus den verschie densten Menschen eine Kirche zusammenschmolz? Ge rade diese Einigkeit ist jetzt unsere schwächste Stelle. Solange die erste Christengemeinde ein Herz und eine Seele war, erlebte sie große Offenbarungen und Hilfen des Geistes; sie war gleichsam seine Offenbarungsstätte. Aber nicht lange hat es gedauert, da geht ein Ritz durch die Christengemeinde; Fudenchristen und Heidenchristen' scheiden sich; die heilsgeschichtliche Bedeutung Jerusalems ist zu Ende, Antiochien wird das Zentrum für die Christianisierung der Heidenwelt. Wenn die Liebe und die Einmütigkeit und die Gemeinschaft weicht, dann weicht auch das Wirken des Geistes von solcher Stelle. Das Spalten und Sichscheiden und Auseinanderreitzen geht hinein in unsere wirren Tage. Gewiß ist der Geist kein Freund eines unwahren, faulen Friedens; aber auch abgefehen von einem solchen bleibt es unsere Pfingst klage: Es fehlt an der Einigkeit, an der rechten Gemein schaft unter den Christen. Woher das kommt? Es ist zuviel Furcht unter uns und zu wenig Kraft. Wer unter uns hätte noch nie etwas von dem Geist der Ver zagtheit an sich selbst verspürt? Ob die Versuchungen zur Verzagtheit in der Eigenart liegt, in dem schweren Blut, dem Temperament, ob in den Verhältnissen, die uns umgeben, das macht so viel Unterschied nicht aus; die Gefahr bleibt Gefahr. Man hat an sich oder in seinem Haus oder in seinem Wirkungskreis etwas ge funden, was nur schwer überwindbar scheint. Man wagt nicht den Kampf dagegen; erst klagte man darüber, dann litt man stillschweigend, dann duldete man es schon mit einer Art Ergebung, als müßte es so sein, endlich sucht man nach Gründen, diesen Waffenstillstand zu ent schuldigen, und noch später fällt es einem gar nicht mehr ein, sein Christentum und die Kraft Christi mit dieser peinlichen Stelle in Zusammenhang zu bringen. Man bog aus, man ging nicht darauf ein, wenn andere oder das eigene Gewissen oder Gottesführungen einem diesen Punkt besonders nahe legten. Höchstens wollte man sein Christentum dazu brauchen, sich seine Verstimmung und seine Unruhe über diesen jämmerlichen Zustand seines Herzens wegzubeten. Aber es ist kein Wunder, wenn dann der Apparat versagte und alles solches Beten sich unwirksam gegen solche Unruhe zeigte. So steht mau innerlich zerrissen in dem Kampfe da: Zustimmen kann man dem bitteren Unrecht nicht, überwinden kann man es auch nicht, und so sucht man die Ursache seiner- quälenden Verstimmung an anderen. Bald muß es die ses Verhältnis, bald jener christlicher Bruder sein, an den man sich stößt; ja besonders das energische Vorgehen des anderen tadelt man auf das lebhfteste; weil es nicht zu der eigenen verzagten Gebundenheit stimmt, muß cs falsch sein. Bon niemand wird der Starke und sein Tun so scharf und^ungerecht beurteilt, als von Schwachen, der durch eigene Schuld schwach geworden ist. So macht der Geist der Verzagtheit nicht nur schwach, sondern er macht auch lieblos und schlecht. Wieviel von dem un seligen, unchristlichen Neid, der so zertrennend wirkt, mag aus dieser Wurzel gewachsen sein! Fehlt aber dem Verzagten die Kraft, dann fehlt ihm auch anderes. Ein in voller Fahrt sich befindendes Schiff ist leichter zu