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^ 6, S. Januar IS12. Nichtamtlicher Teil. Börsenbio U » d. Dtschn Buchhandel. ZOj» entzieht, wird seiner Verwirklichung jetzt nahe gebracht. Die Verbindung Kölns mit Bonn ist seit sechs Jahren durch die elektrische Schnellbahn am Rhein entlang jEröfsnung am li. Januar 1906) bedeutend verbessert worden; es fahren vier Züge stündlich. Nun ist seit Jahren eine ähnliche Verbin dung mit Düsseldorf geplant, die, von der Staatsregie rung gebilligt, aber dort aus Widerstand stieß. Man wollte in Düsseldorf in einem Bahnbau nach Köln nur einwilligen, wenn die Regierung gleichzeitig auch die Verbindung Düsseldorfs über Dujsburg, Essen nach Dortmund konzessionierte. Hierzu will sich die Regierung aber, Gott weiß aus welchen Gründen, nicht herbeilassen und so nahm Köln seinen Plan allein in die Hand. Die Stadt traf mit der Allg. Elektrizitäts-Gesellschaft und den Siemens-Schuckertwerken ein Abkommen zum Bau der Bahn, das am 21. Dezember die Genehmigung der Stadtverordneten gefunden hat. Die Kosten sind auf 24 Millionen ./t veranschlagt; die Bahn, die von Köln bis Düsseldorf keine Station haben soll, wird linksrheinisch geführt werden, was den Bau einer Brücke in der Nähe von Flehe bei Neuß erforderlich macht. Die Fahrt aus freier Strecke, mit 80 Irm Höchstgeschwindigkeit, soll nur 26 Minuten betragen, während die 35 Irm von den Endpunk ten innerhalb der Städte mit Haltestellen in 45 Minuten zurück- gslegt werden. Man hofft hier, daß Düsseldorf sich doch noch an dem Unternehmen aktiv beteiligen wird. Vor einigen Wochen ist im Börsenblatt die Frage des etwaigen Verkaufs von Autorexemplaren behandelt worden. Alan konnte aus der Art der Behandlung dieser Frage als An sicht eines Verlegers vermuten, daß er es als eine Art Zuvor kommenheit dem Autor gegenüber auffasse, wenn er ihm Autorexemplare überweise. Das ließ wenigstens die Ent rüstung vermuten darüber, daß die Autoren die Frei exemplare verkauften, »obwohl zweifellos der Verleger sie nur zu Dedikations- und Geschenkzwecken geliesert hat.« Indes ist der Verleger nach § 25 des Verlagsgesetzes einfach »verpflichtet, dem Verfasser auf je hundert Abzüge ein Freiexemplar« zu liefern. Es ist eine heikle Frage, die nicht so ohne weiteres zu entscheiden ist, ob der Autor berechtigt ist, diese jedenfalls ohne irgendeinen Vorbehalt in seinen Besitz kommenden Exemplare zu verkaufen oder nicht. Anlaß, hierauf wieder zurllckzukom- men, bietet mir ein Schreiben des Osmanischen Lloyd in Kon stantinopel, das im Dezember an viele deutsche Zeitungen ge gangen ist. Es lautet in der Hauptsache wie folgt: »In der Weihnachtszeit werden die Zeitungsredaltionen mit Büchern geradezu überschwemmt, die keinen »Platz in den Redaktions bibliotheken finden. Wenn Sie sich entschließen könnten, diese bei Ihnen eingehenden Bücher, sür die Sie selbst kein Interesse haben, der Bibliothek der deutschen Gesellschaft .Teutonia» in Konstantinopel zur Beifügung zu stellen, würden Sie sich ein großes Verdienst um die Förderung des Deutschtums und die Verbreitung deutscher Kultur im Orient erwerben.« Es wird dann hingewiesen aus die Gefahr, daß zahlreiche Deutsche im Auslande innerlich dem Deutschtum immer mehr entfremdet werden und am geistigen Leben ihres Volkes keinen Anteil mehr nähmen. Diesem Notstand lasse sich entgegenwirken, wenn man den Ausländsdeutschen im Zusammenhang mit der geistigen und kulturellen Entwickelung seiner Volksgenossen in der Heimat erhalte und »ihn sür die mannigfachen Erscheinungen des deutschen Geistes lebens zu interessieren sucht. Dies kann aber nur durch Verbreitung der zeitgenössischen deutschen Literatur ans allen Gebieten geistigen Schaffens geschehen, und dazu bitte ich Sie, hochgeehrter Herr, uns behilflich zu sein. Wir können alles gebrauchen, von der Jugendschrift bis zur ernsten wissenschaftlichen Arbeit, denn eine Kolonie stellt einen Mikrokosmos dar und umschließt Vertreter aller Bildungsstufen, und es sollen außer der .Teutonia» und dem .Deutschen Handwerkerverein» in Konstantinopel die deutschen Kolonien in anderen Städten des Orients von den freundlichen Gaben beteilt werden. Es gibt gott verlassene Nester in Anatolien, wo junge deutsche Kausleute und Ingenieure ein trostloses Leben sichren, in das auch nicht der leiseste Widerhall von den Geisteskämpsen unseres Volkes dringt. Diesen Beklagenswerten soll auch geholfen werden. Senden Sie deshalb, was Sie entbehren können; Sieerwerben sich nicht nur ein nationales Ver- Börscnblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. dienst, sondern auch den Dank vieler Deutschen, die nach geistiger Nahrung verlangen.« Unterzeichnet ist der Brief von dem Herausgeber des Os manischen Lloyd vr. Grunwatd und als Adresse für die Sen dungen wird das »Kaiserliche Deutsche Generalkonsulat Konstan tinopel« angegeben. Ohne zu dem Schreiben selbst Stellung zu nehmen, möchte ich den Buchhandel von dem Vorschläge in Kenntnis setzen. Tatsache ist jedenfalls, daß viele Zeitungsredal tionen nicht wissen, wohin sie die Rezensionsexemplare ver schenkensollen, denn sie zu verkaufen, nachdem sie durch Anzeige oder Besprechung in ihren Besitz gekommen sind, ist zwar recht lich unzweifelhast erlaubt, gilt aber nicht sür anständig. Am 10. Dezember beging dör hiesige Zweigverein des Deutschen Sprachvereins das Fest seines sünfund- zwanzigjährigen Bestehens. Das wäre nun an sich vielleicht nicht ein jo wichtiges Ereignis, das es beanspruchen könnte, hier festgehalten zu werden, wenn nicht eine typische Beobach tung sich dabei wieder aufgedrängt hätte, die Wohl einmal einer Beleuchtung wert wäre. Bei der Festseier wurde in den Reden mehrfach betont, daß der Sprachverein nicht etwa dazu ge schassen worden sei, für Sauce ein deutsches Wort zu finden, d. h. um sämtliche Fremdwörter aus der deutschen Sprache aus zumerzen, daß vielmehr ein darauf bezügliches Bestreben nur als Folgeerscheinung zu betrachten sei in dem Kampfe um Sprach- richtigkeit, die er sich zur Aufgabe gesetzt habe. In der selben Festversammlung wurden dann aber mundartliche Dar bietungen zum Bortrag gebracht und mehrfach betont, daß der Verein sich die Pflege der Dialekte zur besonderen Ausgabe gemacht habe. Das will mir nicht logisch erscheinen. Wenn ich mir den Kampf für Sprachrichtigkeit zum Ziel gesetzt habe, so wird mir im Gegenteil die Mundart als Feind erscheinen müssen. Ich sehe den entrüsteten Widerspruch aller Dialekt freunde voraus, denn die Begeisterung sür die Mundarten ist zurzeit Mode. Aber wird das Gesühl sür Sprachrichtigkeit wohl gefördert werden durch die Pflege einer Mundart, die nach unsern Begriffen direkt falsche Konstruktionen hat, die mir und mich verwechselt, mit den Fällen ein willkürliches Spiel treibt und Worte gebraucht, die die Sprache entweder ausge stoßen oder nicht anerkannt hat? Aber es ist jo etwas Gemüt liches im Dialekt, sagt man, etwas Volkstümliches und Humori stisches ! Gewiß, der Dialektdichter hat vor seinem hochdeutschen humoristischen Kollegen den Vorteil voraus, daß er schon in dem Mittel der Sprache selbst eine humoristische Wirkung erzielt. Warum »wirkt« aber eine Humoreske im Dialekt mehr als in hochdeutscher Sprache? Wir haben in Köln eine plattdeutsche Bühne, die den geradezu unglaublichsten Blödsinn ausführt, bei dem sich das Publikum gleichwohl aus das köstlichste amüsiert. Der Mantel des Dialektes deckt alles und nivelliert alles. Aber was ist denn im Grunde die Ursache dieser sonderbaren Erschei nung? Warum kommt uns der mecklenburgische Onkel Bräjig ungleich humoristischer vor als der »übersetzte«? Es ist unser uneingestandenes oder wohl unbewußtes Gesühl der Uber hebung über diese Menschen, die sich da so großartig und breit spurig gebärden. Ein geringschätziges, verzeihendes Mitleid ist es zumeist, das uns lachen macht über Gestalten, die wir als die Riesen in Gullivers Landen sehen. Wir lächeln über die Schwächen der kleinen Aufgeblasenheiten, der Wichtigtuereten, des Kontrastes törichter Handlungen mit der, d. h. unserer Ver nunft, die von anderm Holze ist als die jener Leute! Dieser niedere Humor, der sogar durch die Freude an dem Mißgeschick und Unglück der Personen direkt unsittlich und selbst demorali sierend wirken kann, steht im jchrosssten Gegensatz zu dem geist reichen, seinen Humor, der zu seinem Verständnis Gemüts- tiese und Verstand fordert. Der Humor im Dialekt ist meist grobkörnig, obschon man mir nicht zu sagen braucht, daß es ausnahmsweise auch wunderschön zarte, tiefempfundene Poesien im Dialekt gibt, aber gerade hier erhöht der Dialekt die Wirkung durchaus nicht gegenüber dem Hochdeutschen, während die grob- 41