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Nr. 29 PAPIER-ZEITUNG 1037 Später wurden für höfliche Zwecke Spielkarten in Miniaturmalerei auf Pergament ausgeführt. Einzelne solche Blätter besitzt die Ambraser Sammlung in Wien. In Frankreich wurde das Kartenspiel zur Zerstreuung des geistes gestörten Königs Heinrich II. eingeführt. Unter Karl VII. (1422—1461) erfand der Maler Jacquemin Gringonneur, den man lange Zeit fälsch lich für den Erfinder der Spielkarte hielt, ein neues Muster für Karten bilder. Er setzte anstelle der alten Grundformen der Monarchien und der Cupi (Becher), Denari (Münzen), Spadi (Degen) und Bastoni (Stäbe), daher Bastonade der altitalienischen Trappolirkarten, sym bolische Zeichen, nämlich: Garreau (Viereck, bei uns Eckstein), Pique (Kleeblatt, bei uns »Schüppe«, »Schüffek), Coeur (Herz), Treff (Kreuz). Eigentlich heisst es »trefle« = Klee; daraus ist im Deutschen »Treff« geworden. Mit diesen Zeichen umschrieb er in Herz den Priesterstand, in Carreau den Bürgerstand; Garreau sollte einen be hauenen Stein darstellen, der, wie der Bürgerstand im staatlichen Leben, das Fundament des Gebäudes bildet. Pique, das Kleeblatt, deutete auf den Bauernstand, der, gleich den anderen Ständen, unter dem Soldatenstand rangirte, dem Treff, der Lanze, dessen Ass mit einer Krone, dem Sinnbild des Königs, geziert wurde. Für die bis dahin verwandten Figuren wählte Gringonneur Persönlichkeiten aus der Geschichte Frankreichs, deren Namen er unter sehr durch sichtigen Marken barg. Die Treff-Dame, Orgine, trug die Züge der Königin Marie von Anjou, der Gemahlin Karls VII. Rahel, die Carreau-Dame, war Agnes Sorel, des Königs schöne, unsterbliche Freundin. Pallas, Pique-Dame, war Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orleans, und Judith, die Herz-Dame, war die ihres grossen Herzens wegen berüchtigte Elisabeth von der Pfalz. Der König selbst steckte als Pique-König im Kostüm König Davids, eine Anspielung auf Karls Kämpfe mit seinem Vater und später mit seinem Sohne. Die Cavalle, Reiter, Kavaliere der italienischen Karten, ersetzte der Maler durch »Varlets«, heute »Valets«. Die vier Valets, im Deutschen irr- thümlich »Buben« oder »Jungen« genannt, statt Knappen, ritterliche Knechte, die den Ritterschlag zu gewärtigen haben, hiessen: Ogier, Lancelot, Hektor und La Hire. Auch ihre Namen stammten von Per sönlichkeiten aus der Geschichte. Der französische Maler machte vor erst wenig Schule. Die deutschen Kartenzeichner dieser und der Folgezeit entnahmen nach wie vor ihre Vorbilder dem gewöhnlichen Leben. Das pergamentene Kartenspiel der Wiener Ambraser Sammlung aus dem 15. Jahr hundert weist treue Trachtenbilder aller damaligen Berufe auf. Viel fach kursirten auch Spielkarten scherzhaften Charakters, in deren Zeichnungen sich die bis zur Rohheit ausartende freie Denkweise jener Epoche spiegelt. Seltener als derartige Blätter sind solche mit symbolisch-abergläubischen Zeichnungen und Räthseln, deren Deutung nicht mehr möglich ist, oder Karten, die sowohl zum Spiele als auch zum Wahrsagen dienten. Die Nürnberger Kartenmacher bezeichneten bis 1518 ihre Erzeug nisse mit einem stehenden Kreuz (t) als Fabrikmarke. Aus religiösen Bedenken befahl der Magistrat dieser allzeit getreuen Stadt, dafür ein schräges Kreuz (x) zu setzen, das sich auch jetzt noch unter den rothen Sieben vieler Karten deutscher Herkunft vorfindet. Erst zu Beginn des 19. Säkulums begann man in Deutschland geschichtliche Ereignisse auf den Spielkarten festzuhalten. Die Spielkarten waren gleichsam eine Art illustrirter Zeitung. Die umwälzende französische Revolution bemächtigte sich auch der Spielkarten. Der König war todt; auch der Kartenkönig musste sterben, mit ihm seine Gefolgschaft Dem berühmten Maler und Konventionsmitgliede Jacques Louis David (1748—1825), dem Schil- derer der Revolution und Schürer des Fanatismus, gebührt das frag würdige Verdienst, die Revolutions-Spielkarten erschaffen zu haben. Anstelle der an den Hof erinnernden Figuren setzte David Genien. Für den Herz-König kam der Genius des Krieges. Das Haupt mit einer Löwenhaut geschmückt, die Hände bewehrt mit Schild und Schwert, ruhte die Figur in ruhiger Pose auf einer Lafette. Der Pique-König wurde zum Genius der Künste, bedeckt mit der Jakobiner mütze. Leier, Plektrum, Hieroglyfen, Künstlerwerkzeuge und die Apollobüste waren auf diesem Blatt mit mehr oder weniger Geschmack gruppirt. Der Genius des Friedens, Treff-König, sass auf einem antiken Stuhle, in der einen Hand eine Gesetzrolle, die andere leicht auf ein Bündel Stäbe, das Symbol der Einigkeit, gestützt. Carreau- Genius als Handel ruhte auf einem Waarenballen, um den Bücher und Papiere verstreut lagen. Er hielt Merkurstab, Oelzweig und Palme fest gepackt. Madame Freiheit hatte die Königinnen ver drängt. Coeur-libert personifizirte Gewissens- und Religionsfreiheit. Treff-libert die Ehefreiheit, Pique-libert die Pressfreiheit und Carreau-libert die Gewerbefreiheit. Auch auf den Libertbildern ist mit allegorischem Beiwerk nicht gespart. Die Valets hatten den Egalitös Platz gemacht. Coeur symbolisirte durch einen National gardisten die Gleichheit im Dienste für das Vaterland; Treff durch eine Richtergestalt Gleichheit vor dem Gesetze; Pique durch einen Sanskulotten, der auf Steinen der zerstörten Bastille thronend einen Adelsbrief mit Füssen tritt, Gleichheit der Stände; endlich Carreau mit einem seiner Fesseln entledigten Negersklaven Gleichheit der Rassen. Die vier Asse tragen alle die Bezeichnung »Gesetz« und weisen nur ein Bündel Pfeile auf. Lie neueste Zeit sucht den sogenannten Luxuskarten ein höheres künstlerisches Gepräge zu geben. Künstler wie Ludwig Berger, Doepier d. J, Dietz, Wanderer und Andere mehr malten werthvolle Vorlagen für Kartenfabriken. Diese farbenprächtigen, mit allen Kniffen unserer hochentwickelten Technik hergestellten Kunstwerke blenden durch ihre Pracht. Sie mögen in gewissen exklusiven Kreisen im Gebrauche sein, aber der wirkliche Kartenspieler ist konservativ. Er bleibt bei der altgewohnten Karte, an deren Anblick sich schon die Altvorderen vor fast 500 Jahren ergötzten. Er will sein Spiel machen! Wie die dazu gehörigen Karten aussehen, ist ihm gleichgiltig — wenn es nur gute Karten sind! (Aachener Sonntagsblumen) Eine Schreibunterlage für Erblindete und Schwachsichtige wurde von Dr. Achter in Münster i. Westf. erfunden. Mit Hilfe dieser ist es selbst vollständig Erblindeten möglich, gut und leserlich zu schreiben. Die Schreibunterlage besteht in einem Linienblatt mit fühlbaren Linien und einem Linienvermerker. Bin Gewährsmann der »Germania« sah kürzlich Briefe von vollständig blinden Personen, die mit Hilfe einer solchen Schreibunterlage so deutlich geschrieben waren, dass man ihnen die Blindheit ihrer Urheber kaum anmerkte. Gegen das Zugabe-Unwesen. Nach einer Bekanntmachung des Stadtrathes in Hletssen haben sich die dortigen Buch- und Papierwaarenhändler an Rathsstelle gegenseitig und der Meissner Schulbehörde gegenüber verpflichtet, vom 1. April 1902 ab beim Verkauf aller Schulgebrauchsgegenstände an Er wachsene und an die Schulkinder der dortigen Volksschulen und höheren Lehranstalten keine Zugaben mehr zu gewähren, Gutscheine nicht zu vertheilen und für jeden Zuwiderhandlungs fall an die städtische Armenkasse eine Strafe von 20 M. zu zahlen. (Leipz. Tagebl.) Die Schreibmaschine in der Rechtspflege Wie Justizrath Staub in der Deutschen Juristen-Zeitung mittheilt, hat der preussische Justizminister, nachdem durch mannigfache Ver suche in der geheimen Kanzlei des Justizministeriums sich ergeben hat, dass die unter Benutzung gewisser Farbbänder mit der Schreib maschine hergestellten Schriften dieselbe Widerstandsfähigkeit haben und ebenso schwer vertilgbar sind wie eine mit bester Tinte her gestellte Schrift, den Notaren gestattet, die Schreibmaschine für die Urschriften und die Ausfertigungen der Notariatsurkünden zu verwenden. »Köln. Ztg.« bemerkt hierzu: Diese dankenswerthe Verfügung stellt einen grossen Fortschritt in der Benutzung der Schreibmaschine und eine erhebliche Erleichterung dar. Der Geschäftsgang in den Notariatskanzleien wird dadurch beschleunigt und die Form der Aus fertigung bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und Reinlichkeit auch gefälliger. In unsern Anwaltskanzleien werden allerdings nicht selten die Abschriften der Schriftsätze mit der Schreibmaschine in einer so ungenügenden, vielfach kaum leserlichen Art hergestellt, dass rücksichtslose Zurückweisung solcher verfehlten Abschriften durch den Empfänger nicht selten am Platze wäre. Probenschau Unter dieser Ueberschrift werden alle von Beziehern der Papier-Zeitung eingesandten Muster von Erzeugnissen des Papier- und Schreibwaaren-Faches die Neues oder Bemerkenswerthes bieten, kostenfrei beschrieben Lichtpausrohpapiere von Joach. Heinrich Knaack & Cie. in Lambrecht (Pfalz). Die Firma verarbeitet fertige Lumpenpapiere zu Licbtpausrohpapieren, indem sie die Papiere nach einem von dem Theilhaber Herrn Joach. Heinrich Knaack ermittelten Ver fahren derart nachleimt, dass ihre Oberfläche für die Chemikalien, die in der Lichtpauspapierfabrikation benutzt werden, undurch dringlich wird. 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Die Figuren sind in braunem Steindruck und in Prägung ausgeführt, die Köpfe heben sich in sehr gefälliger Weise von einem dunklen Feld ab, und die anderen Theile der Karte zeigen hellfarbigen ge musterten Unterdrück sowie in vollen Farben gedruckte und hochgeprägte Blumenguirlanden. Der Rand ist mit einer schmalen zweifarbigen Borde versehen, die der Karte einen hübschen Abschluss giebt, da die Farben dieser schmalen Um fassung zu denen der Blumen stimmen. Die Ausführung der Karten ist sorgfältig.