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1548 PAPIER-ZEITUNG Mr. 43 Schwere Schädigung des Steindruckerei-Gewerbes Hannover, im Mai 1902 Die Firma Holländische Margarinewerke Jürgens & Prinzen, G. m. b. H, Goch (Rhld.), hat im April dieses Jahres eine Submissions-Aus schreibung veranstaltet, ohne diejenigen Firmen, welche sich daran beteiligt haben, vorher darüber aufzuklären, dass es sich um eine solche handle. So war z. B. unserem Vertreter mündlich mitgeteilt, dass die genannte Firma beabsichtige, demnächst zwei Plakate heraus zugeben, und bereits »einige« Kunstanstalten aufgefordert habe, Ent würfe vorzulegen. Wir liessen daraufhin durch einen Kunstmaler zwei vorzüglich ausgearbeitete Entwürfe anfertigen, die einen Wert von etwa 150 M. haben, und sandten sie nach Goch. Dort wurde unserem Reisenden eröffnet, dass eine Entscheidung sofort nicht getroffen werden könne, weil man etwa 8 Tage gebrauchen werde, um die etwa 200 Plakat- Sendungen durchzusehen und daraus eine Wahl zu treffen. Wir würden selbstverständlich, wenn wir davon Kenntnis gehabt hätten, dass eine derartig grosse Zahl von Konkurrenz-Firmen auf gefordert wäre, uns keinesfalls veranlasst gesehen haben, die nicht unerheblichen Kosten der Entwürfe aufzuwenden. Wir vermuten unsererseits, dass auch andere Firmen, welche der Firma Jürgens & Prinzen, G. m. b. H., Entwürfe eingesandt haben, auf dieselbe Weise dazu veranlasst sind, da wir uns nicht denken können, dass andernfalls eine so grosse Beteiligung an der Kon kurrenz, ohne dass Preise ausgeschrieben waren, stattgefunden hätte. Es liegt auch ferner im Interesse aller Beteiligten, im vorliegen den Falle, soweit das Gesetz eine Handhabe dazu bietet, geschlossen vorzugehen gegen ein derartiges, uns alle wirtschattlich schwer ge fährdendes Verfahren. Denn wenn 200 Firmen des Kunstdruckerei- Gewerbes sich mit einer Ausgabe von nur je 100 M. an der Kon kurrenz beteiligt haben, so trifft unser Gewerbe ein direkter wirt schaftlicher Verlust von 20 000 M., dem gegenüber der einem einzelnen Steindruckerei-Besitzer wirklich gegebene Auftrag keinen gebühren den Ausgleich bildet. Wir bitten daher alle Diejenigen, welche sich an der Konkurrenz beteiligt haben, uns baldgefälligst Mitteilung machen zu wollen: Erstens darüber: Unter welchen Umständen sie sieh zu dieser Be teiligung veranlasst gesehen haben? Zweitens: Welche Kosten sie ihrerseits aufgewendet haben? Drittens: Ob sie eventuell bereit sind, sich an einem gemeinsamen ge richtlichen Vorgehen gegen die Firma Jürgens & Prinzen zu beteiligen? Darüber, welche Handhabe das Gesetz bietet, um unser Recht zu wahren, haben wir bereits mit Rechtsverständigen berathen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Firma Jürgens & Prinzen in Goch die wahre Tatsache, dass nicht »einige«, sondern etwa »200 Kunstanstalten« von ihr zur Konkurrenz aufgefordert waren, mit der Absicht und mit dem Bewusstsein verschwiegen hat, gerade dadurch die Beteiligung einer so grossen Anzahl von Kunstanstalten berbeizuführen. Sollte es uns gelingen, im Prozess diesen Beweis zu führen, so würde damit zweifellos eine Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Schadens gegeben sein. Ob dieser Nachweis sich erbringen lassen wird, hängt wesentlich von der Zahl und Art der Mitteilungen ab, welche uns auf diese unsere Aufforderung von den ebenfalls geschädigten Kollegen zu gehen, und von den Umständen, unter welchen in jenen Fällen die Firma Jürgens & Prinzen es verstanden hat, die betreffenden Firmen zu einer Teilnahme an der Konkurrenz zu veranlassen. Aber selbst wenn uns dieser Beweis nicht gelingen sollte, so würde es nicht ausgeschlossen sein, dem Gerichte die Ueberzeugung beizubringen, dass die Handlungsweise der Firma Jürgens & Prinzen, eben mit Rücksicht auf die schwere Schädigung unseres Kunst gewerbes, gegen die guten Sitten verstösst und daher unter Hinweis auf den § 826 des BGB zum Schadenersatz verpflichtet. Fettback in Firma Rob. Leunis & Chapman Winke für die Setzerei Eine ständige Klage in den Druckereien bilden die Zuhebel fische, die je nach dem Geschäftsbetrieb, mehr oder weniger häufig auftreten. Auf Setzbrettern fällt infolge mangelhaften Ausbindens oder durch Herausziehen von Klischees, Regletten, Stegen und Quadraten der Satz ein, und der Zwiebelfisch- Haufen ist fertig. Aber auch im Quadratenfach der Setzkästen, besonders der kleinen Akzidenzschrift-Kästen sind sie häufig. Allerdings schreibt die Arbeits-Ordnung in grossen Betrieben vor, dass der Setzer nur einen in Ordnung befindlichen Kasten anzunehmen, aber auch einen solchen abzuliefern habe. Für die Akzidenz-Kästen ist diese Kontrolle nicht durchführbar, und es kommt oft vor, dass eine Schrift in einen anderen als den dafür bestimmten Kasten gelangt. Der erste Setzer, der diesen Fehler bemerkt, soll ihn dem Faktor melden. Meistens wird diese Vorschrift dadurch umgangen, dass der Setzer die falschen Buchstaben in das Quadratenfach legt und die Be schwerde dem nächsten Setzer überlässt. Zur Bekämpfung dieser Unordnung hat seit einem Jahre eine namhafte Akzidenz- Druekerei in Leipzig folgende Neuerung mit Erfolg eingeführt: Ein Wanderplakat mit der Aufschrift: »Zwiebelfisch-Major!« bleibt bis zum nächsten Falle am Platze desjenigen Setzers aufgehängt, der sich bei Nachfrage nicht freiwillig als Täter meldet. Als bestes Mittel gegen den verfischten Setzkasten hat sich sofortiges Aufsetzen erwiesen. Eine weitere, seit Kurzem in Leipzig eingeführte Neuerung besteht darin, dass neue Einfassungen in einem dafür be sonders eingerichteten Kasten untergebracht werden, der so viel Fächer besitzt, wie die Einfassung Figuren. Die Akzidenz setzer dürfen nur mit diesem neuen Material arbeiten, damit keine Zeit vertrödelt wird. Durch die vielen illustrirten Drucksachen der letzten Jahre für Akzidenzen, Werke und Zeitungen hat sieh in ordnungs mässig geführten Druckereien ein Klischee-Buch notwendig erwiesen; trotzdem muss man oft lange nach einem Klischee suchen. Schnelles Auffinden ist möglich, wenn man für die Klischees, welche der Druckerei nicht gehören, ein anderes Einschlagpapier wählt und den Abdruck aufklebt. M. I. Lichtdrucker-Kongress Die Lichtdrucker, Fotografen, Retuscheure und Präparateure Deutschlands hielten am 1. und 2. Pfingsttag in Berlin einen Kon gress ab. 15 Delegirte waren anwesend, welche 9 Bezirke mit 87 Städten vertraten. Vom Verein der Lithografen, Steindrucker und verwandter Berufsgenossen Deutschlands war dessen Vorsitzender delegirt. Die Verhandlungen wurden durch Jantzen-Berlin geleitet. Aus den Berichten der Delegirten wurde festgestellt, dass 7(0 Gehilfen im Lichtdruck-Gewerbe arbeiten. Der Beruf selbst blüt auf, wozu die Lichtdruck-Postkarte viel beiträgt. Der Wochenlohn schwankt zwischen 25 und 45 M. und mehr. Die Arbeitszeit beträgt 8 bis 9, vereinzelt 91/2 Stunden täglich, die Mehrzahl hat 81/2 stündige Arbeitszeit. Feiertage werden mit wenig Ausnahmen überall bezahlt; für Ueberstunden meist 25 und mehr pCt. Zuschlag. Ueber schäd liche Auswüchse in der Prämien-Arbeit und über viel Ueberstunden bei einigen Firmen wurde Klage geführt. Alle Berichte sollen statistisch zusammengestellt und veröffentlicht werden. Beim dritten Punkt der Tagesordnung Organisationsfrage«, hob der Referent die Notwendigkeit einer Zentral-Organisation mit An schluss an den Verein der Lithografen, Steindrucker und verwandten Berufe Deutschlands hervor. In allen Städten sollen Sektionen ge gründet werden, an deren Spitze eine Zentralkommission steht, welche für Agitation und Durchführung festgesetzter Lohn- und Arbeitsbedingungen zu sorgen hat. Diese Zentralkommission erhält ihren Sitz in Berlin und handelt gemeinsam mit dem Vorstand des Vereins der Lithografen, Steindrucker und verwandten Berufe Deutsch lands. Zwei Delegirte schlugen vor, einen selbständigen Lichtdrucker verband zu gründen, welche Ansicht von allen anderen Delegirten bekämpft wurde, sodass eine Resolution angenommen wurde, nach welcher der Anschluss an den Verein der Lithografen, Steindrucker und verwandten Berufe durch Gründung von Lichtdrucker-Sektionen vorzunehmen ist, an deren Spitze eine Zentralkommission steht. Vor Schluss des ersten Verhandlungstages wurde eine Kommission eingesetzt, welche bestimmte Normen auszuarbeiten und dem Kongress am zweiten Tage vorzulegen hat. Am zweiten Verhandlungstag wurde zunächst über den vierten Punkt der Tagesordnung, »Stellungnahme zum Lehrlingswesen und den Lehranstalten« verhandelt. Einzelne Firmen beschäftigen zuviel Lehrlinge, oft mehr als Gehilfen. Dies soll bekämpft werden. Ausserdem wird in den Lehranstalten bei hoher Entschädigung den Zöglingen versprochen, dass in vier Wochen der Lichtdruck erlernt sei, was unmöglich ist. Die aus den Lehranstalten Kommenden finden infolgedessen schwer Beschäftigung und treten nur als Lohn drücker auf. Nach der Aussprache beschloss der Kongress: 1. Eine Lehrlings-Statistik aufzunehmen und zu veröffentlichen; 2. Auf je fünf Gehilfen und in kleineren Geschäften bis fünf Gehilfen ist ein Lehr ling zuzulassen; 3. Alle Lehrlinge sind in zwei Fächern auszubilden (Lichtdruck und Präparation oder Fotografie und Retusche); 4. Ueber- läufer aus anderen Berufen sollen den festgesetzten Mindestlohn ver dienen; 5. Die Auswüchse in den Lehranstalten sollen bekämpft werden, und aus den Lehranstalten Kommende müssen den Mindest lohn erhalten. Die am ersten Tage gewählte Kommission zur Festsetzung von Lohn- und Arbeitsbedingungen der im Lichtdruck-Gewerbe Beschäftigten gab hierauf Bericht, und nach eingehender Beratung wurde Folgendes festgesetzt: 1. Die Arbeitszeit ist zunächst auf 9 Stunden festzusetzen; für die achtstündige Arbeitszeit ist eine energische Agitation einzuleiten. Wo bereits eine kürzere Arbeitszeit besteht, ist keine Verlängerung zuzulassen. 2. Ueberstunden sind zu vermeiden, wo solche dennoch statt- finden, sind 881s pCt. Zuschlag zu zahlen, Sonntags 50 pCt. In die Ueberstunden ist eine viertel- bis halbstündige Pause einzurechnen und zu bezahlen. Hausarbeit ist zu vermeiden. 3- Feiertage, auch vom Geschäft angeordnete, sind voll zu be zahlen, die Lohnzahlung hat innerhalb der regelmässigen Arbeitszeit zu erfolgen. 4. Kündigungszeit ist mindestens 14 Tage und zwar am Zahltag.