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Sitzung. Wenn ich auf diese Momente aufmerksam mache, so deshalb, um zu betonen, daß vor lauter Hochschätzung der politischen Rolle des polnischen Staates im 10. und 11. Jahrhundert beinahe die Wurzeln nicht bemerkt wur den, aus denen die Monarchie der frühen Piasten ihre belebenden Säfte ge schöpft hat. Es gibt hierfür eine Reihe von Ursachen. Einerseits war es das Ergebnis einer in der bürgerlichen Wissenschaft allgemein herrschenden Tendenz 4 ), die Bedeutung der subjektiven Faktoren in der Geschichte zu überschätzen, zum anderen war es — dies betrifft besonders die Arbeiten ausländischer Forscher 5 ) — das Resultat von Versuchen der Übertreibung der Rolle fremder Elemente 6 ) bei der Bildung der slawischen Staaten und ihrer Kultur. Einen nicht geringen Einfluß auf diesen Stand der Dinge hatten schließlich objek tive Faktoren. Es ist bekannt, daß nur wenig schriftliche Quellen die Früh geschichte unseres Staates beleuchten. Ein Fortschritt war auch nicht möglich nach ihrer Ergänzung durch sehr wertvolle Sprachquellen. Erst die Entwick lung der archäologischen Forschungen brachte trotz immer noch vorhandener Lücken und Mängel einen wirklichen Umbruch in der bisherigen historischen Sicht dieser Perioden, ermöglichte eine Überbrückung zwischen Geschichte und Vorgeschichte und gestattete es, in die geschichtlichen Grundlagen der Bildung sowohl des Staates der Piasten als auch der frühpolnischen Kultur einzudringen. Wenn wir heute auf der Sitzung der Polnischen Akademie der Wissenschaften über die geschichtlichen Grundlagen der Entwicklung der polnischen Kultur sprechen können, so ist dies auch das Resultat eines Umbruches, der in unse rem wissenschaftlichen Denken stattgefunden hat dank der Benutzung eines neuen, um vieles leistungsfähigeren methodischen Werkzeuges als alle vor hergehenden, d. h. des Marxismus-Leninismus. Es ist dies ferner das Ergebnis einer dank der Hilfe der Volksmacht von den polnischen Gelehrten vorge nommenen Aufnahme breiter Komplexuntersuchungen in einem in der Ge schichte der polnischen humanistischen Wissenschaften bisher unbekannten Umfange, die auch in der Weltwissenschaft wenig Beispiele besitzt. Man konnte sie bereits im Jahre 1948 beginnen, weil die Errungenschaften der polnischen Forscher auf diesem Gebiete schon in den vorhergehenden Jahren hervorragend waren 7 ); schöpferisch und schneller konnte man sie aber erst 4) Es wäre eine Vereinfachung, wenn wir zugleich meinten, daß in ihr auch ein Mangel an anderen Tendenzen spürbar war, die ziemlich treffend auf Kräfte hinweisen, die über die Entstehung und die Existenz von Staaten entscheiden, d. h. auf die ökonomischen und sozialen Elemente. 5) Dazu allerdings auch einen Teil der polnischen Arbeiten. 6) Z. B. hebt R. Holtzmann in der o. a. wie übrigens auch in anderen Arbeiten mit Nachdruck die angeblich wikingische Herkunft Mieszkos I. hervor. Diese Frage berührt mein Referat nicht, weshalb ich die reiche Literatur zu diesem Thema nicht anführe. Es lohnt sich hier, die Aufmerksamkeit auf einen neueren Interpretationsversuch im Referat von G. Labuda. Rodzime podstawy i obce nawarstwienia kulturowe na Pomorzu w okresie wczesnego feuda- lizmu (600-1200) (Heimische Grundlagen und fremde kulturelle Überlagerungen in Pommern im Frühfeudalismus), Szczecin 1959, S. 8 f., S. 14 ff., zu lenken. 7) Dies bezieht sich insbesondere auf die Erfolge unserer Mediävisten, deren lange und her vorragende Reihe man hier gar nicht nennen kann. Es soll nur hervorgehoben werden, daß von selten der Historiker (ohne auf ältere Forscher, wie J. Lelewel und K. Potkahski einzu gehen) die Notwendigkeit der Überbrückung zwischen Geschichte und Vorgeschichte bereits