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Dresdner Bürgern das Recht zugestanden hatte, ihr Vieh hier zu weiden, gestattete es ihnen auch für den Fall, daß der Busch abgeholzt würde. Er erlaubte ihnen zwar die Hutung, behielt aber den Boden in seinem unmittelbaren Besitz. Nach dem Brauch der alten Zeit deutet der Besitz der Viehweide darauf hin, daß auch ein Hof mit Ackerflur in der Nähe lag. Wo aber befand sich dieses markgräfliche Herrengut? Da sonst alles Land besiedelt und aufgeteilt war, kommt nur der Raum des späteren Stadtkerns in Frage. — Die Urkunde von 1287 bezeichnet die Viehweide als „merica ante pontem lapideum (Heide vor der steinernen Brücke) trans Albeam" (über die Elbe — auf pons, nicht auf merica zu beziehen). Kötzschke 8 suchte sie am rechten Elbufer, während Richter 9 und Trautmann 10 sie mit Recht in der Weißeritzaue finden. — Wir können unmöglich annehmen, daß die Dresdner ihr Vieh täglich über die Brücke trieben, wo mit Hutungsstreitigkeiten und räuberischen Überfällen zu rechnen war, statt auf die fette Trift unterhalb des Taschenberges, die jahr hundertelang immer die Viehweide hieß. Von dem geräumigen Wiesenland wurde frühzeitig eine Flur an der Weißeritzmündung abgetrennt, Klein-Ostra genannt (im Gegensatz zu Groß-Ostra jenseits der Weißeritz). Als oberhalb von Klein-Ostra Bürgergärten angelegt wurden, beschränkte sich (nach 1455) der Name Viehweide auf die Gegend nahe dem heutigen Bahnhof Mitte. Hier bestand bis in das 19. Jahr hundert hinein die Viehweider Gemeinde, hier lag noch 1851 die „Viehweide“, der heutige Friedrich-Ebert-Platz 11 . Wir vermuten also, daß im späteren Stadtkern die Flur eines markgräflichen Herren hofes lag, an die sich westlich die Viehweide anschloß. Mehrere Gründe stützen diese Annahme: In der Urkunde von 1206, der ersten Erwähnung Dresdens, werden zwei markgräfliche Beamte des Wirtschaftshofes genannt. In einer Zusammenstellung der königlichen Tafelgüter in Sachsen von 1046 bis 1056 wird neben anderen ein Königs hof Nisana aufgeführt 12 . Da der Gau und sein Hauptort mitunter den gleichen Namen trugen und Dresden noch 1607 von Dresser 13 * und 1658 von Saur14 auch Nisen genannt wird, kann der Hof Nisana in Dresden gelegen haben. Im Jahre 1004 erwähnt Bischof Thietmar von Merseburg einen Ort Nisani 15 , den wir nicht in Neusen bei Beigern 16 oder in Birkwitz bei Pirna 17 , sondern im Dresdner Elbkessel finden. So stellen wir uns das älteste Dresden als ein Dorf mit einer Bauernflur im Osten und einer markgräflichen Herrenflur im Südwesten (Stadtkern) vor. 2. DER BODEN DES STADTKERNS Die enttrümmerten Flächen der Altstadt geben nur ein ganz schwaches Abbild der ursprünglichen Bodenverhältnisse. Höhen und Tiefen sind vielfach eingeebnet, Wälle aufgeschüttet, Teiche trockengelegt worden, Kaitzbach und Weißeritz sind nicht mehr zu sehen, und auch die Elbe hat ihr Bett verändert. Die Wiederherstellung des alten Geländebildes ist eine schwierige Aufgabe. Sie stützt sich in Dresden fast nur auf Zufallsfunde. 8 R. Kötzschke, a. a. O., S. 26. • O. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 250. 10 O. Trautmann, Der Boden Dresdens vor 700 Jahren Dr. Geschbl. 1916, S. 176. 11 O. Richter, Geschichte der Stadt Dresden I, 1900, S. 21, 74, 169. 12 L.BönhofF,Der Gau Nisanin politischer und kirchlicher Beziehung, Neues Archiv, 36.Band, 1915, S.183 13 M. Dresser, Von den fürnembsten Städten deß Deutschlands, 1607, S. 162. 11 A. Saur, Vermehrtes Stättebuch, 1658, S. 401. ls O. Trautmann, Ehe Dresden Stadt wurde, Dr. Geschbl., 1919, S. 176f. 18 L. Bönhoff, a a. O., S. 177 f. 17 A. Simon, Die Verkehrsstraßen in Sachsen bis zum Jahre 1500, 1892.