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Des Busstages wegen gelangt die nächste Nummer des Handelsblattes einen Tag später zum Versand. No. 46. Berlin, den 14. November 1901. XVI. Jahrgang. Migenthum dos Verbandes der Handelsgärtner Deutsohlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 M. 50 Pf., für das übrige Ausland 10 M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl Amtsgerichts zu Leipzig. Betrachtungen über Rosenvermehrung. Von C. Pfeiffer in Oppenheim. Die Kose spielte auch früher in ihrer bescheidenen Buschform eine grosse Rolle und war der Liebling im Garten, wie sie es bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Doch die Vermehrung derselben hat manche Wandlung erfahren, wie sich überhaupt schon die Rose in ihrer Form vom einfachsten Busch zum mustergültigen Hoch stamm verändert hat. Denken wir an die alte Centifolie; sie erfreute uns noch in unserer Kindheit als fast einzigste ihrer Art, obschon der Hochstamm seine Einführung er rungen hatte. Doch dürfte es bis auf den heutigen Tag noch Gegenden geben — beispielsweise in Russland —, wo nur die alte Form der Rose anzutreffen ist. Und wie wurden die Rosen früher vermehrt? Durch Samen, durch Stecklinge — auch erst später — und, was wohl am häufigsten geschah, durch Theilung, Ausläufer u. dergl. Es kam dann die angenehme Zeit des Hochstammes, der den Baumschulen Dr. Herger’s zu Köstritz ent sprossen ist. Herger war s. Z. einer der rührigsten Gärtner Deutschlands, besonders in der Anzucht und Verbreitung bunter Laubhölzer, und so kam er auch gelegentlich auf den Gedanken, die Rose „echt“ zu machen. Der eifrige Herr sammelte sich eigenhändig eine grössere Zahl Wald stämme, pflanzte sie in seine Baumschule und begann mit dem Experiment, welches zu seiner grössten Freude auch bald mit Erfolg gekrönt war. Er erhielt durch seinen erfinderischen Geist etwas ganz Hervorragendes, den Rosenhochstamm! Köstritz legte damit den Grundstein zu der späteren, auch heute noch bekannten Bezeichnung: „Rosenköstritz“. Noch einen grossen Theil seiner Neuheit übergab Herger der Oeffentlichkeit; doch zu alt, sich dem schweren Amte noch weiter zu widmen, gab er seine Kulturen auf, bezw. beschränkte sie auf kleinere Flächen. Bald darauf löste ihn ein thätiger und intelligenter Fachmann, Franz D e e g e n j r., ab. Ihm gebührt eigentlich der Ruhm, die herrliche, stolze Blumenkönigin verbreitet zu haben; er begründete die grosse, welt bekannte Rosenfirma und half dem Orte umsomehr zu der Bezeichnung „Rosenköstritz“. 150—200 preussische Morgen hatte der unternehmungslustige Praktiker nur mit Rosen in Kultur und pflanzte schon damals 120 bis 150 Tausend Waldstämme, äusser den Sämlingsstämmen, in einem jeden Jahre an. Zurück nun zur Vermehrung. Wir haben bereits erwähnt, dass der Waldstamm zuerst als Unterlage ver wendet wurde und auch heute noch verwendet wird. Doch bei der grossen Zahl der zu züchtenden Rosen stellte sich bald heraus, dass auf eine andere Weise ein ausreichendes Material zu beschaffen sei. Die Vermehrung durch Samen lag ja sehr nahe, aber kein Mensch dachte daran, dass diese Sämlinge auch die geeigneten Unter lagen werden könnten, und so griff man zur Vermehrung der Waldstämme und zwar vermehrte man sie in folgender Weise: Der Hochstamm, wie wir ihn zur Veredlung ver wenden, wurde niedergelegt und zwar ganz wagerecht, ca. 10 cm mit Erde bedeckt. Durch die dünne Boden decke wurde veranlasst, dass alle gut entwickelten Augen am Stamm zum Austreiben gelangten, was bei stärkerer Bodendecke nicht leicht der Fall hätte sein können. Die schwache Bodenschicht ist durch die Frühjahrssonne leichter durchwärmt und veranlasst die höhere Wärme ein früheres Durchtreiben der Augen. Die nun gebildeten Triebe blieben an dem niedergelegten Stamm bis sie bewurzelt waren, um dann zum Aufschulen abgetrennt zu werden. Eine weitere Operation bestand darin, dass die soeben entfalteten Triebe, nachdem sie vom Boden befreit worden sind, durch einige Schnittwunden verletzt und dann wieder eingedeckt wurden, um dadurch -eine reichlichere Be-