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Das Mahnmal Von / Am Grabe eines unbekannten deutschen Soldaten Dr. Gertraude Uhlhorn-Bub. Der Himmel ist grau verschleiert. Der Sturm peitscht , Rcgeiiböc auf Negenböc vor sich her. Schwer löst sich der Fuß > aus dem aufgcwcuhlcn Lehmboden. Das Geäst der Hecke» und Bäume hängt ivelk und zersetzt. Hier herrscht das große, er- greisendc Schweigen des Todes, das nur der Sturmwind unterbricht. Wir sind auf einem Schlachtfeld im Westen, zwischen Laarnemünd und Nanzig. Die Straße, jetzt nur mehr ein aus gewaschener, lehmiger Pfad, zeigt immer wieder die gleichen, luudcn Löcher und Pfützen: Granaurichter. Im Tal liegen wieder die Tanksperre» der Franzosen unter Wasser, wie bei Sem Angriff der deutschen Truppen, als die Franzose» das ganze Gebiet überschwemmt halten. Aber aus den Bnulern , au der Höhe lommt kein Feuer mehr; ausgebrannt, wie mit i Wien Augen, zerschossen, daß der Beton Ivie Mörtel nbgcbröckclt liegt, oder auch heil, von der Besatzung kampflos schon vor dem ersten Schnß verlassep, — schauen sic ins Tal und nach »enlschcm Land. Da rührt sich heute uichts. Keine rasenden Tanks, kein kNschützfcucr; kein Pionier nnd Infanterist kämpft sich »lehr siegend die Höhe hinauf. Das siegreiche Heer hat längst diesen ! Ort verlassen. Nur die Toten sind hier geblieben. Und ihrem Gedächtnis wird dieser Boden geweiht werden, der heute noch wie durch- gepflügt von der Pflugschar des Krieges, vou Stulatrichtcrn und Granatlöchern, ist. Au dem Wald, dessen Bänmc im Gran des Ncgeus leblos mit geborstenen Kronen in den Himmel ragen, bedeutet ein Schild, daß hier dcr Hcldcufricdhof entstehen wird von dem Regiment, das an dieser Stelle seine Besten verlor. Zwischen den Bäumen im Gestrüpp liegen noch die > lieste ausgebrannter Fahrzeuge, französischer Kurierfahrcr. Mitten auf der Wiese, im Rücken eines zusammeugcsallc- 5t» Untcrstandcs erhebt sich ein Hügel, der nicht gewachsen ist. Bon Menschenhand, Soldalenhand, ist er anfgcschanfelt, und das schlichte Holzlreuz verkündet die Namen eines Hauptmanns und elf seiner Soldaten, die hier für ihr Vaterland starben. Zwischen den Stahlhelmen liegt ein Fcldblumenstrauß, dessen Blüten langsam zn wellen ansangen. Die Kompanie Hal hier ihrem Hanpimann, der an ihrer Spitze fiel, ehe noch der Sieg ganz erfochten war, znr letzten Ruhe gebettet. Dicht daneben aber erhebt sich ein zweiter, kleiner Hügel. Das Holzkreuz nennt keinen Namen, und doch spricht es er greifender, beredter als das erste noch: Hier ruht ein u» bekannter deutscher Soldat. Wir stehe» am Fuße des Hügels, der Rege» zerschlägt die wenige» Kornblume», die darauf »icdcrgclcgt sind, mid wir gedeiikcu der Mutter, der Frau, der dieser stille Held einst ver bunden war. Ich stehe hier, als Frau, au Stelle all der deutschen Frauen, deren Mann, Sohn oder Vater als unbekannter Soldat, irgendwo auf dem Schlachtfeld sein Leben für dic Heimat dargcbote» und sterbend zum Sieg beigelragcu Hal. Gr ist unbekauilt, der Soldat hier, dessen Stahlhelm nnd Seitengewehr in der nassen, lehmigen Erde rosten; aber er ist nicht einsam! Seine toten Kameraden ruhen an seiner Seite, und seine lebenden habe» ihm das Grab mit der gleichen Liebe wie ihnen geschaufelt. Ich suche eine Blüte, um sie neben jene der Kameraden zu legen im Gedächtnis an die Frau, dic cs nicht tun kann, an die Mutter, deren Gedanken hier suchend weilen mögen. Das Schlachtfeld hat keine Blüten mehr. Nnr feuchte, schwere Erde ist ringsum. Da lasse ich eine Handvoll aus den Hügel fallen, eine Handvoll der Erde, um die schon so oft deutsche Männer ihr Blut gegeben haben und die jetzt wieder deutsche Erde ist, — Heimaterde, die der Feind nie mehr be- treten soll! muiimmiMMMIMMWiiiiiliiitWiiiiiiiiiiMMMMMMMMMmm Die gleiche Aufschrift Erzählung von Gerda Holt. Sic heißt Käthe Merl und Hal eine Wäschcannahmc, Icme» schöne» Ecklade» mit mcillgrunc» Möbel» n»d silbern Mslreislcn Simsen, wo überall Pflanzen stehen. Nings um Il>cn Laden liegt das Billcnmcriel der großen Stadt, und de» iHcrzcnürvman Vieler Stadl, de», der i» keinem Bnch zu lesen list nnd dessen Fortsetzungen nur die Besucher des Eckladcus Ii,ländlich mit Eifer und Wärme wenerspumen, erlebt das Wläulcm, das hart an die Fünfzig geht, hinter seinem Ladentisch. Im letzten Jahr kamen die Soldaten aus Pole» zurück, Wie lagen hier oben herum nn Quartier uud warteten aus ihren DNarschbesshI. Das Fräulein Käthe schlug angesichts des feld- Ipaneu Trupps, der sich Plötzlich vor ihrer Theke aufpflauzte ' Mud iu der Ecke Wäsche zu schichten begann, die Hände über ' »cm Kops zusammen. „Das wollt ihr gewaschen haben'?" rief i »je Merk fassungslos in das Durcheinander von Soldaten, Döcmdc» und Strümpfen. „Wo kommt ihr denn her'? Habt Dhr die polnischen Keller damit gefegt?" „Fräulein Käthe! Haben Sie eine Ahnnng, wie cs in Wole» anssicht! Aber bevor wir nach Frankreich gehen, müssen Deir alles wicdcrhaben, aber tipptopp!" Das Fräulci» faßte sich nnd rief nach rückwärts: Lilli!" j Lilli kam aus dem anstoßenden Zimmerchen, ein siebzehn- ! »-ihriges, stilles, emsiges Ding, das die Wäsche besorgte und Demi Fräulein zu Mittag aß. „Nimm dic Feuerzange, Lilli, Dud pack die Wäsche in die großen Körbe! Und nimm dich in Ixhl! Nein, sowas ..." „Ah", sagten dic Inngens vor der Theke nnd sahen zu. MlS Lilli fertig war, ries jemand über alle Köpfe hinweg vou Wer Tür her: „Meine auch noch, macht mal Platz da vorne!" »iid wars sein Pakei Lilli in die aufgchaltenc Schürze. „GiN Mtrofsen?" — „Ja", wgic Lilli. So lernten die beiden Frauen den Gefreiten Udo Hilmerich Dcimcu, Sohn eines Erbhofbaucrn ui Pommern. Er trieb sich Rin wenig herrenlos in der lrcmden Stadt umher, dem wollte Das Fräulein steuern. Vorlänfig bekam Käthe heraus, daß Dch aus diesem Maune ein übermütiger Junge zaubern ließ, Demi man die EAcmbnis bekam, ihn Dodel zu rufen, wie Dine Leute daheim. Als in den wlgendcn Tagen lein Marsch- Dcfchl kam, wgie das Franlem: „Dodel, Sic könnten nur mal Dcün Auw Helsen." Von da an wuchte der blonde Kopf des Mommern in seinen Freizcuc» öfters in und außer dem Ladcu Dch. Die Wäschekörbe wurden durch die Lust gehievt, Lilli Dahm sic entgegen, und von drinnen begleitete die etwas Harle Dümme des Fräuleins: „Waagerecht! Denken Sie an die Daltcnhcmden, Dodel! Nnd in der Psannc haben wir auch Doch nichts!" Dodel betreute dic Pfanne, er tat alles, nnd daS Fräulein Dihlie sich nach so vielen müde» Jahre» so i»»g, wie es nie Dil Bewußtsein gewesen war. Bier Schwestern waren ver- f Diralct, mir sic halte immer ein wenig abseits gestanden. „Hier wird Ordnung geschaffen!" trnmpfle Dodel ans. Mas Fräulein Käthe muß aufgepulverr werden! Lilli, wir Mcrdeii heule abend dic Ehcsin ausführcn!" Zu drill gingen M ins Kino nnd dann zu einem Glas Wein. Dodel kam noch Mn zum Dieustbcginn zurecht. An diesem Abend sah das Mäulcin lange in seine» Handspiegel. .Mei» Haar ist blond, Md die paar grauen da links, was tnn dic schon! Aber zn- Mchlmachen könnte ich cs einmal lassen, und ein nettes Woll- Mid, ,a. das wäre richtig.' Etwas blühte ui ihrem Herzen auf, das iu all dem Mchäsligcn Treiben scheu und einsam geblieben war, hctrn- Mc Freude und Gespannls l ließ sie alle Müdigkeit der ver- Mugcncn Jahre vergessen. Käthe legte den Spiegel zufrieden Mr sich hin undhob lauschend das Gesicht, das »och von der Men Stunde verklärt war. Ja, cs lag etwas in der Lust... Mch glaube, ich träume', dachte das Fräulein» ,wie sollten sie Mittel, in der Nacht Signal blasen?' ! Am nächsten Morgen flog dic Order durch dic Stadt: Mos, Jungens, weiter!" — „Wohin geht ihr denn?" ragte Muhe. „Das wissen wir nicht, aber wir schreiben iä", >agte Model nnd war schon mit einem Bein draußen aus der Mwße, „und die polnische Wäsche müßt ihr uns »achschicken!" nu waren sie. Dann flogen Briefe und Pakete nach Hol- ud mW Belgien und Frankreich. ES war manches Päckchen r den Gefreiten Hilmerich dabei, in braunem Papier, wie an cs in Wäschereien verwendet, aber kein» trug einen ame», er würde schon wisse» ... Aus ciiimal stand Dodel eines Morgens im Laden, üppig »iid verbrannt, und roch nach Front mid Lcmdslraßc. c käme nur'für seinen Hanptmcm» nno müsse aus die Kom- lmdannlr. Das Fräulein hörte kaum hin, sic sah nur, er n da. „Und Lilli?" fragte Dodel. „Doch, die ist auch da! Ili, komm mal raus!... Seht ihr, letzt wo cs regnet, kommt ! Kotssuhrc!" Also schippte er den Koks Heren, und erzählte V Feier der Helden D Kein Volk hat mehr Recht, seine Helden zn W A feiern, als daö deutsche! In schwerster gcopoliti- W W scher Lage konnte das Dasein unseres Volkes M W immer wieder nur durch den heroische« Einsatz g M seiner Männer sichcrgcstcllt werden. Wenn wir W D seit 2»0ü Jahren ein geschichtliches Dasein leben, W W dann nur, weil in diesen 2N00 Jahren immer Z A Männer bereit gewesen sind, für dieses Leben der W N Gesamtheit ihr eigenes cinzusctzcn und — wenn Z W nötig — zu opferu. Jeder dieser Helden aber hat Z W sein Leben gegeben nicht in der Meinung, damit g W spätere Generationen von der gleichen Pflicht bc- Z Z freien zu könne». Alle Leistungen der Vergangen- W W heil, sic wären vergeblich gewesen, wenn in einer Z Z einzigen Generation der Zukunft dic Kraft zu W D gleichem Opfer fehlen würde. Der Führer am Hcldengedcnktag lS 10. in Windeseile von Frankreich. Nach Ladcmchluß, als Lilli heim war, sah er beim Frankem ,m Ladenzimmcr. „Fränlcin Käthe", sagte Dodel, „die Pakete waren von hier, das weiß ich! Das ist schon, wenn man weiß, da ist eine, die denkt an uns." — „Ja?" kragte das Fränlcin, „Deshalb wollte ich auch mit Ihnen sprechen... Sehen Sie, ich habe sic licbgchabt von dcm Augenblick an, als ich ihr das Paket zngcworkcn habe, und sie fing cs auf. Bei uns ist alles rauh, und bei dcu Soldaten wird man nicht zahmer. Und zu Hause hm nur dic Mmler immcr so leise und behut sam über unicr Kissen gestrichen, und nun, wo die Mutter tot ist. soll Lilli cs mir ivicdcrbringcn." Das Fränlein schob sich die dünne grane Strähne aus dcm Gesicht und sah dann aus seine Hände nieder, aber die wiesen kaum noch Jugend auf. „Haben Sic cs ihr Phon gesagt, Dodel?" — „Nein, ich wollte sa erst mit Ihnen reden, Käthe... — Käthe", sagte der Soldm weiter, „ich mvchlc em einziges Mal .Dm zu dir lagen, dn warst mir mehr, als >e cm Kamerad draußen für mich sei» könnte, Herrgott, bist du gnt zu mir gewesen! Aber glaubst du nicht auch, daß wir noch warten müsse», bis sic zwanzig geworden ist...? Sic ist noch w pmg .. Jung... Sic saß neben ihm und horte seiner Stimme zu, die .Du' sagte zu ihr und ihrem bedrängten Herzen. „Ja", sagte sie dann ruhig, „sie wird eine gute Frau werden, Dodel, sie hat's verdient so." „Er Hai dich lieb, Lilli", sagte Käthe Merk am nächsten Morgen, als sic beide »och allein waren, „nnd dn ihn auch, ich weiß sa! Mag die Pakete schicken, wer will, er meint doch nnr dich, das muß so sciu!" Lilli sah dic Ehefiu an und fühlte da irgendwo Tränen hinter den knappe» Worte». Aber sic war viel zn s»ng, um nicht gleich voll geheimen Jubels zu denken: ,Es war nicht nnr ein Traum mit Dodel! Ich werde Bäuerin in Pommer»! Und heute... nein, gleich kommt das Glück für ei» ganzes Lebe»!' Aber dic Chefin legte ihren Spiegel ins Fach zurück uud verschloß Gedanken, Wünsche und Träume, ohne daß es jemand bemerkt hätte. Am Nachmittag standen sie beide in der Tür, Lilli mit ihrem Ning, nnd winkten Dodel nach, als er loszog, die Stiefel Klapperten auf dein Pflaster. „Heute abend könnt ihr die Fähnchen wciterstccken!" Das taten sie imd warteten. Lilli schickte ihren ersten Liebesbrief ab, und wenn Golt wollte, würde Dodel Zeit zum Schreiben finden. Im Laden lagen indessen drei verschnürte Pakete mit fremde» Soldatcnnamen. Käthe hatte sie den Fort- gezoge»c» ilachgesaiidt nach Belgien. Da lagen sie mm mit der Aufschrift: Gefallen. — Wcmi ich jetzt in den Lade» komme, muß ich hiuschaucu zu dcu Pakete» drüben i» der Ecke, dem, mm sind es vier, daS vierte gehörte dcm Gefreite» Udo HÜmerich, auch darauf habe» sie geschrieben: Gefalle». Tas Frcmlcm nimmt mit dem gleiche» freundlichen Wort meine Wäsche entgegen oder händigt sic mir aus, und auch Lilli gehl mit leisem höflichem Gruß vorüber und mit dem Korb in die Kuiidschaft. Heute morgen sagte daS Fräulein: „Dic Pakete... ja, sic gehöre» jetzt der Wehrmacht, die Soldaten komme» ja nicht mehr wieder, ich muß sie endlich einmal ablieferu..." Und dieses eine Mal hob sie de» Blick von ihrem Tisch und sah zn dcm Bündel hinüber, dem einzigen, was ihnen beiden von Dodels Dasein verblieben war. Ich sah den Blick und halte eine Vision: von emem herbst- licheil Blatt, daS niedergewehl am Boden 'liegt, tansendfarbig und fnng lind golden vom Glanz später Sonne. Ach, Freunde, «Rück kann wohl cme einzige Stunde sein, dann geht es da von, und ihr mcrkt's nicht einmal, doch für immer leuchtet es lernhcr und mach« keinen Unterschied: über die Gräber wan- dcrl's in West und Nord, und heimwärts trägt es dic Süße m das stille Antlitz derer, denen nur noch Ernmerung zn hüte» blieb. (Ahnffopl) / (lrrlebnis von (?rnst Kaiser Erlebnis von E r n st Kaiser. Der Tag war trübe imd regnerisch nnd machte die polnische Landschaft noch eintöniger, als sie schon war. Der Hauplmanu I starrte gedankcnvcrlor'cii znm Zimmerfcnster hinaus. Unver- ! mittelt fragte er: „Keimen Sie de» Schwarzwald?" Ich mußte vcrilciiicu. Er sagte daraus: „Iu einem Som- ; Hier Ende der zwanziger Jahre »ar ich einige Zeit dort, um mich wieder mal so richtig auszulausen. Eines Tages schritt ich durch eines der vielen freundlichen Täler, bog ab in ein schmaleres Seitental, wanderte auch hittdurch und wandte mich an seinem Ende nach links in ein noch schmaleres Tal. Hier hatten nur noch der Bach und mem Fußpfad Platz. Links und ' rechts nichts als Felsen und Wald. Und keine Mcnschcnseele. l Die bewohnte Welt, so schien mir Halle ausgchört. .Der Weg wurde sehr steil. Nach tüchtigem Marsch sand ich am Ende dieses welt entrückten Tales noch ei» Hans. Strohgedeckt, schwärzlich, Ivie cmgcwachscn in de» dnnklcn Waldschaltcn. Mir wurde das Herz eng, wenn ich an die Lcbcnsbcdingnngen für seine Be wohner dachte. Nicht einmal einen Karren konnte man den Weg herauf ziehen; hier mußte alles, was gekauft uud ver- lausl wurde, wie das bißchcu Milch täglich, stundenweit ge tragen werden. Ich ging weiter hinanf und kam oben ans eine steinige Wcidcslächc. Ein paar magere Vergliche grasten. In der Nähe einer einsamen windverzwirbclten Buche fand ich einen Steinhausen. Ich setzte mich darauf, um zu raste», uud dabei kam mir die Schichtung der Siciiie ein wenig gewollt vor. Als ich nnn den Haufen genauer betrachtete, sah ich unten ein Ende Blech hcrvorstchen. Ich wollte schon ein paar Steine nbiragen, mn näher nachznschcn, da stand plötzlich ein Hüter- bnb vor mir. Ter Bub Ivar bleich wie alle Kinder in diesen Bergnestern, bei deren Anblick man unwillkürlich an die Schwindsucht denkt, aber etwas fiel mir an ihm sofort auf: Er hatte nicht dieselbe, von der Einsamkeit und dem harten Dasein gedrückte Scheu. Nein, das feine Bubengesicht trug eine^ eisenharte Entschlossenheit nnd jetzt anch irgendwie eine selch* große Angst. Ich fragte den Jungen, was er wolle; da sagte er für einen kaum elfjährigen Schwarzwälder nngewohnt scharf: ,Dcr Slcinbaufe gehört mir!' Ich sagte langsam: ,So, er gehört dir — ,a. was hast du denn da drunter verborgen?" Und wieder kam es hart: ,Dcs isch mei Sach!' Das war seltsam. Ich fragte ihn, wie er heiße. .Christoph', sagte er. .Komm, Christoph, setz dich mal her! Ich weiß, du hast nichts Unrechtes hier verborgen, ich möchte aber doch gyrne wissen, warum du es verbirgst.' Er schwieg. Ich sah Trotz und zugleich auch höchste Not in seinem Gesicht. .Vielleicht kann ich dir helfe»', sagte ich in die Stille. Eine Träne rann nun dem Jungen übers Gesicht. Aber er schwieg. .Weißt dn, Christoph, ich komme aus der große» Welt, ich kenne hier leinen Mensche» nud sage cs bestimmt niemand/ Er hielt den Kopf gesenkt und schwieg. Da erzählte ich ihm, einer Eingebung folgend, von der Welt draußen, von den großen Schiffe», welche die Meere befahre». Endlich bückte er sich, räumte eiu paar Steine weg, legte sich dann Platt auf den Boden und langte mit seinem Arm unter das verborgene Blech. Was kam zum Vorschein? — Ein uralter, verschlissener Stcrnenatlas. Der Text war im Deutsch vergangener hundert Jahre, die Sternbezeichnung lateinisch. Der Bnb hatte ihn ans dcm Boden gefunden. Er verbarg ihn hier, weil ihn sei» Vater, der Bauer in dcm ein samen Hof drunten, unweigerlich als nutzloses Zeug verbren nen würde, weil» er ihm ni die Hände fiele. Das Verwunder liche aber war, daß sich der Bnb in dem Allas vollkommen richtig znrcchtfand. Wenigstens in der nördlichen Hemisphäre. Von der Südlichen wußte er, daß sie .uff de andere Sitte vn de Welt isch'. Er lamue mehr Sterne als ich. Er lcnnuc die gciiane Ncihcufolgc der Planeten vom Merknr bis' zum Uramis. Ich fragte ihn, ob ibm der Lehrer den Atlas erklärt habe, er schüttelte aber verneinend den Kops. Sein Vertraue» war mi» gestärkt: er griff »och cmmal unter den Steinhausen, und nun lam der ganze Schatz zum Borschein: Ein alter ErdatlaS eine Geschichte des Altertums, eiu altes, aber gutes Bucb der beimischen Tierwelt und ein reichlich' phantastisches, bebildertes Scesahrerlmch. Er kannte all diese Bücher fast auswendig, und ich ließ mir lange daraus erzählen. Erstaunlich war die Auffassungsgabe des Jungen, der aus dem Wust icmer geringen Bilduugsmittcl ganz die richti gen Zusammenhänge hcrausfand Im nächste» Jahre ging ich wieder i» de» Schwarzwald. Und die erste Wanderung führte zur Slcmhaufenwcide, wie ich sic für mich nauiite. Im Nucksack hatte ich für den Christoph einige Bücher. Der Junge war auch da, hatte mich wohl kommen sehen, trat aber erst zu Mir, als ich mich auf den Steinhaufen gesetzt halte. Schweigend stellte er lieb vor mich und nahm nnr sein Hüteri als stillen Gruß vom Kopf. Ich zeigte ihm meine Bücher und erklärte sie ihm. Dq waren die Götter- und Heldens, gen Germaniens. Da waren dic Geschichte des deittscheu Volkes und Fahrten in allq Länder... Christophs Vater Halle eine Knh nnd drei Ziegen. Mehr trug sein Bode» »ichl. Christoph erklärte es mir ganz genau. Er sagte mir, daß es vielleicht einmal möglich sein werde, eine zweite Kuh zu halte». Sein Vater wollte es immcr, aber cs gelang nicht, halt weil auch kein Geld da war. Aber er, Christoph, er wollte es einmal so weit bringe». Saß da ein junger begabter Mensch, — dessen Lebensziel sich auf die Unterhaltung einer zweiten Kuh beschränkte! Die Ferne, das so reiche Wissen der weiten Welt draußcn, lag für ihn so fern, so unerreichbar beinahe wie seine Slerne iliitcr dem Steinhaufen und nachts über ihm am Himmel " Der Hauptmcnm schwieg. Draußen war cs Heller gewor ben. Nun am Ende des Tages wollte noch einmal dic Sonne scheinen. „Kommen Sie mit", sagte er nach einer Weile, „wir wollen noch ein wenig Hinans!" Eine halbe Stunde gingen wir. Dann standen wir vor vielen Holzkreuzen, auf >edem hing ein Stahlhelm. Unweit einer windzerzausten Fichte stand auch eines. Der Hauptmann blieb davor stehe». Er wies mit der Hand hi»: „Hier liegt der Christoph. Zweiu»dzwa»zig Jahre alt. In Polnischer Erde." Wir schauten über das Land. Unwillkürlich legten wir unsere Hände auf die Waffen. Hier war ein Stück Heimat zu verteidiaen!