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^ 54, 5. März 1S1L. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. 2867 Werke in eigenen Einbänden, die der Besitzer auf seinen Na men: Goltz-Einbände getauft hat, sollte eigentlich einer großen Stuttgarter Firma als Beispiel-Sammlung zur Nachahmung verehrt werden; sie wird gar manchen Liebhaber geschmack voller Einbände als ständigen Kunden gewinnen lassen. Sic wird, wenn auch die Ausstattung für das eine und andere Werk etwas zu schwer gewählt worden ist, das Odium mil dern, das der deutschen Buchbinderarbeit im Vergleich zur englischen immer noch anhaftet. Auf diesem Gebiete ist die Konkurrenz eines mit allen Mitteln raffinierter Organisation und klügelnder Propaganda arbeitenden Rivalen, des Warenhauses, nicht zu fürchten, da ja die ganze Anlage derartiger Etablissements den Massen verkauf bedingt. Wenn auch das eine der hiesigen Waren häuser einige wenige der neuesten Erscheinungen ausgelegt hat, so verschwinden sie doch gegenüber der in Unmasse in Stapeln zur Schau gebrachten Artikel. Die Erzeugnisse der Warenhaus-Buchfabriken und der sogenannten Grotz-Anti- quariate, sowie einige gute, meistens aber schlechte, ver ramschte Werke bilden das breite Fundament des Waren haus-Sortiments. Rechnet man noch dazu die unfachmätzige, mechanisch funktionierende Bedienung, so hätte man im großen und ganzen die Konkurrenz der Warenhäuser nicht besonders zu fürchten. Das Gefährliche an ihnen ist nur, daß das unkri tische Publikum meistens nur den billigen Preis, nicht aber die spottschlechte Ausstattung und event. die ihrer würdige Übersetzung schätzt und dann denselben Preismaßstab auch beim Sortiment an Büchern mit gutem Druck und gutem Papier und von guten Autoren anlegt. Wer ein reines Sorti ment führt, der weiß gar nicht, von Wievielen heute im Waren haus gekauft wird; der moderne Antiquar hingegen erfährt dies fast täglich, ist aber doch erstaunt, wenn er von Einge weihten hört, daß der Umsatz der beiden hiesigen Warenhäuser in Büchern allein über 300 000 »L betragen soll. Wieviel mag in dieser Summe Wohl für billige Klassiker und für Bilder bücher, deren Absatz im Sortiment immer geringer wird, stecken? Wieviel aber auch von gar manchen guten Werken, die die heutige Überproduktion ins moderne Antiquariat oder ins Warenhaus geschwemmt hat! Es ist ja erklärlich, daß der Verlag oft ein Ventil für seine nicht geglückten Speku lationen sucht. Daß aber eine angesehene Firma die sämt lichen Reste, mehrere tausend Bände, ihrer erst vor einigen Jahren erschienenen Sammlung von Kunstbüchern direkt ans Warenhaus verkauft, dürste denn doch, wenn es auch seinen finanziellen Vorzug hat, als nicht besonders kluger Ausweg beurteilt werden. Das Großantiquariat ermöglicht es in solchen Notfällen auch dem mit modernem Antiquariat verbun denen Sortiment, dem Publikum gleichfalls zu dienen, wäh rend es durch diesen speziellen Fall, da die Werke ja nur im Warenhaus sin einem hiesigen zum Preise von 1 45 L, statt 8 ^s> zu haben sind, das Publikum in seiner Meinung bestärkt, daß nur diese Verkaufsstellen die Möglichkeit, gute Bücher zu billigen Preisen zu erhalten, bieten. Damit ist natürlich die Taktik der Warenhäuser unterstützt, die es immer begrüßen werden, wenn ein Verlag in solch kurzsichtiger Weise mithilft, die Bücherkäufer für sie zu erziehen. Wenn wir auch alle Ursache haben, die Entwicklung der Warenhäuser argwöhnisch zu beobachten, in einem müssen wir sie doch bewundern: in ihrer Propaganda, in ihrer Orga nisation. Ich betrachte es als Grundfehler im Buchhandel, daß diesen beiden Faktoren so wenig Bedeutung beigemessen wird, daß die meisten nicht ihre Geschäfte treiben, sondern sich von ihren Geschäften treiben lassen. Wenn es auch richtig ist, daß das Buch eine eigene Art von Ware ist, so muß man sich doch immer wieder sagen, daß etwas mehr kaufmännischer Geist im Buchhandel nötig wäre, ja, daß gerade der Mangel j an diesem die Hauptursache der gegenwärtigen Krisis im Sor timent bildet. Und da erwarte ich denn viel für die Gesun dung unseres Berufs, wenn er sich erst einmal eingehend mit den Grundzllgen der kaufmännischen Organisation befaßt. Wir werden dann von selbst inne, daß das Prinzip dieser: Zeit sparen, eine wohltätige Konzentration herbeisllhren mutz, und wir begrüßen alles hoffnungsfreudig, was uns von der uns jetzt noch bedrückenden Kleinarbeit befreit. Wir werden dann, in später» Jahren, den Segen eines Instituts von welt umspannender Bedeutung, das jetzt noch im ringenden Werden ist, genießen können: den Segen der »Brücke«. Sie ist, ob wohl schon einigemale im Börsenblatt erwähnt, den meisten Buchhändlern in ihren Grundzllgen noch unbekannt. Ich darf deshalb zu ihrer Charakterisierung Wohl kurz erwähnen, daß sie, bündig gesagt, eine Zeitsparerin sein will, daß sie, den energetischen Imperativ Ostwalds »Vergeude keine Ener gie!« als treibende Kraft empfindend, allen Praktisch oder wissenschaftlich Arbeitenden die oft so viele Zeit beanspru chenden Vorarbeiten ganz abnehmen oder, wenn dies nicht möglich, tunlichst vermindern will. Sie wird aber auch noch eine Unibersal-Auskunftei sein und als solche in außerordent lichem Maße später vom Verlag wie vom Sortiment in An spruch genommen werden. Dieses kann sich dann z. B. bei der »Brücke« erkundigen, was alles über den Ichthyosaurus er schienen ist, um dem Publikum erschöpfende Auskunft geben zu können, jener aber erfährt durch sie die Marktlage, sowie die Institute und Gelehrten, die als Abnehmer in Betracht kommen können. Vorerst aber möchte sie die jetzt meist ermü dende archivaltsche Arbeit verringern, indem sie für alle Rech nungen, Briefe, Fakturen usw. ein Weltsormat einführen will. Wie notwendig dies ist, beweist die Anfrage, die der Franckh- sche Verlag jüngst im Börsenblatt stellte; er dürste bei genaue rer Untersuchung sich Wohl auch für das Weltformal ent schließen. Ein reiner Segen und reichlicher Gewinn wäre es, wenn der Verlag die viel überflüssige Arbeit bringende, Zeit fressende Hydra der vielerlei Formate endlich erdrosseln würde, durch den herzhaften Entschluß, allgemeingültig das Weltformat einzuführen. Leider waren die Vorarbeiten für die Heuer hier statt- stndende Bayerische Gewerbeschau schon zu weit gediehen, um für alle Geschäftszweige die besonderen Vorteile dieses Sy stems in der Praxis zeigen zu können. Da die »Brücke« aber auf der Ausstellung vertreten sein wird, so ist jedem Gelegen heit gegeben, sich von den eminenten Vorzügen der angestreb ten Einrichtung durch Augenscheinnahme selbst zu überzeugen. Da hier alles, was die bayerische Industrie in künstlerischer oder technischer Hinsicht Bemerkenswertes bildet, zur Schau gestellt wird, ist ja Wohl ein großer Fremdenzustrom zu erwar ten. Und sicher wird hier wieder die Technik in der Herstellung geschmackloser und unpraktischer »Andenken« mit einer reichen Auswahl die Besucher zum Kauf verlocken. Der Buchhandel aber wirdwie bei allensolchenUnternehmungenwieder rechtstief mütterlich dabei bedacht werden. Er will's ja auch gar nicht an ders, denn er ringt so gar nicht um die Gunst dieses Publikums. Oder bin ich schlecht unterrichtet? Gibt es wirklich hübsche, geschmackvolle, die spezifische Eigenart Münchener Kunst schon im Äußern zeigende Alben, die zum Ankauf reizen? Gibt es eine hübsch ausgestattete billige Auswahl der besten Gemälde Münchener Sammlungen? Gibt es, in erster Linie, ein »Mün chener Bilderbuch«, für die vielen Kinder, die von hier aus bedacht werden sollen? Die Münchener Künstler-Bilderbücher, dieGeorgW.Dietrich herausgtbt, haben janichtsals denNamen hergegeben; sie sind auch viel zu fein in ihrer subtilen Kunst und deshalb auch durch den relativ hohen Preis für den Massenverkauf ausgeschlossen. Aber, wie es beschaffen sein soll, darüber brauche ich ja nicht viele Worte zu machen; die Ideen zu einem solchen Buch, das doch einen besonderen