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2868 BürseiiNottb. Dtschn. BiMmldll. Nichtamtlicher Teil. ^1? 5«, 5 März 1912 Absatz verspricht, hängen ja greifbar in der Münchener Luft. Warum kommt es nicht? Vielleicht ist es schon im Werden und bildet dann für die Kleinen »das Andenken« von der Gewerbeschau, die Wohl da zu hilft, einen starken Fremdenstrom nach München zu führen. Auch die Bayerische Post hat sich in den Dienst der Propa ganda für sie gestellt, indem sie vorläufig 5 Millionen der regu lären Fünfpfennig-Postkarte auf der Adreßseite mit dem Auf druck versieht: Bayerische Gewerbeschau 1912 in München. Unter dem Allerhöchsten Protektorate S. K. H. des Prinz-Re genten Luitpold von Bayern — Mai bis Oktober. Und die Zeitungen bringen in kurzen Zeiträumen Notizen: daß wieder Richard Wagner- und Mozart-Festspiele stattfinden und wie die Rollen dabei besetzt werden; daß das Marionettentheater Münchener Künstler wieder auf der Ausstellung mit den und jenen Spielen zu finden sein wird, wie der Wettbewerb für Glasmalereien, den die Gewerbcschau ausgeschrieben hatte, ausgefallen ist und andere Mitteilungen, die die Auf merksamkeit immer wieder auf das Unternehmen Hinweisen. Kurz allez macht Propaganda für unsere »Attraktion«. Nur allein der bayerische Buchhandel, der doch jedenfalls wieder mit einem ziemlichen Kapital an der Ausstellung beteiligt ist, hüllt sich in veilchenblaue Bescheidenheit. Solche Gelegen heiten werden zwar meist für den Verlag, selten aber für das Sortiment ausgenützt, obwohl sie für die Erziehung zum Buch den besten Boden bilden. Das Publikum kauft auch heute noch die, wie bereits gesagt, beleidigend geschmacklosen sogenannten Andenken: Federhalter mit Ansichten, Aschenbecher mit Ansichten, Matzkrüge mit An sichten, kurz die gräßlichsten Dinge, wenn sie nur durch die aus geprägte Ansicht in Verbindung mit der betreffenden Stadt stehen und somit ausdrücken: Ich habe in L dein gedacht und deshalb dieses mitgebracht. Wie wäre es nun, wenn wir das Publikum für sinngemäße Geschenke, d. h. für uns zum Buch erziehen würden? München z. B. hat eine reichhaltige Lokal literatur, nur wird sie leider in ihrer Gesamtheit nie zur all gemeinen Kenntnis gebracht. Es könnten deshalb in den Aus stellungsräumen eine oder einige Tafeln mit der Aufschrift an gebracht werden: Das beste Andenken von bleibendem Wert ist ein Buch über München. Ein Verzeichnis von Alben, Kunstwerken, Führern, historischen und belletristischen Werken der betreffenden Stadt würde dann die reiche Auswahl an derartigen Geschenkwerken vor Augen führen und zugleich durch die Preisangabe zeigen, daß hier für jedermanns Geldbeutel etwas zu finden ist. Die gleiche Auf schrift und dasselbe Verzeichnis wären dann in den Auslagen der an den Kosten dieser Reklame beteiligten Sortimenter oder der Mitglieder des Vereins zu finden. Die Hauptsache aber wäre, daß die verzeichnete Literatur in der Ausstellung selbst zur Durchsicht aufliegt. Auch in dem Ausstellungsführer, dem Katalog, müßte das Verzeichnis zu finden sein. Selbstver ständlich müßte der erste Grundsatz der Reklame, die Wieder holung, hier unbedingt durchgeführt werden. Das ganze Ver zeichnis mehrmals abzudrucken, ist natürlich zu teuer; aber das Stichwort, das wir dem Publikum einhämmern wollen: Das beste Andenken von bleibendem Wert ist ein Buch über München, müßte mehrere Male wiederkehren. Am auf fälligsten vielleicht als Block mit weißer Schrift aus schwar zem Grund, etwa mit dem Hinweis auf die Seite mit dem Verzeichnis. Und die Kosten? Du lieber Himmel, die sind nicht schwer aufzubringen, da gewiß jeder Verleger, der sein Buch mit ausgenommen weiß, gern seinen Teil beiträgt. Will er dem Titel noch eine kurze Charakteristik des Buches bei fügen lassen, dann zahlt er eben die entsprechenden Doppel kosten. Die Einzelheiten solcher Berechnungen wechseln ja mit dem Ort und der Gelegenheit. Die Hauptsache bleibt, daß wir derartige Gelegenheiten, das Publikum zum Buche zu erziehen, immer mehr ausnutzen. Wir sehen, wie sehr die Industrie alle Festlichkeiten, alle Messen, alle Ausstellungen als willkommene Absatzgebiete für allerlei Flitter und Tand benutzt, wie sie oft dabei künstlich Bedürfnisse schasst, und wir sollten gelehrige Schüler sein. Wir sollten uns das Wort Rathenaus merken: Die Klage über die Schärfe der Konkurrenz ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen. An Stelle des Übermaßes an Idealismus sollten wir einen gesunden Egoismus treten lassen, der sein Plätzchen an der Sonne verlangt. Dies bedingt natürlich einen scharf rechnenden, alle Fak toren erwägenden Unternehmungsgeist, gepaart mit wagendem Optimismus. Aber der vorwärtsstrebende Geschäftsmann mutz ja immer Optimist sein. Ohne diese Fähigkeit ist noch kein großes Unternehmen gediehen; ohne sie hätte der Verlag Georg Müller die Riesenarbeit, die er in den letzten Jahren unternommen, schwerlich vollbracht; ohne sie würde er sich Wohl kaum an die Herausgabe der Gesammelten Werke von Otto Julius Bierbaum gewagt haben. Denn er erkennt ja selbst, daß nicht alles in den reichen Gedankengängen dieses Autors eitel Gold ist, und schürft daher auch nur das Beste aus. Die Herausgabe liegt in den Händen vr. M. G. Conrads und H. Brandenburgs, die die geringen Kürzungen Wohl ganz im Sinne des Verstorbenen vornehmen werden, denn sie sind in sein Schaffen und in seine unerfüllten Absichten eingeweiht ge wesen und bewahren ihm ein treues Gedenken. Dies ließ sie auch am 1. Februar an der Grabstätte des Dichters im hie sigen Waldfriedhof eine würdige Gedächtnisfeier in einem kleinen Kreis Getreuer begehen. Daß sein Verleger Georg Müller dabei nicht fehlte, dies zu erwähnen, ist Wohl eigentlich überflüssig. Ganz erstaunlich ist es, was dieser rührige Schatz heber und -Halter nicht alles unternimmt; aus Vergangenheit und Gegenwart fördert er viel unvergängliches Gut. Mit seinem allerneuesten Werke: Boccaccios Dekamerone mit Kupfern von Gravelot hat er sich von vornherein die Sym pathie seiner Kollegen erworben, da er es zusammen mit Hans von Weber unter der nur für dieses Werk gegründeten Firma Georg Müller und Hans von Weber, Leipzig, herausgibt. Bei einer gelegentlichen Unterredung ergab sich nämlich, daß beide Verleger das gleiche Unternehmen geplant und bereits vorbereitet hatten, und so vereinten sich denn beide, um nicht wieder einmal die dem deutschen Buchhandel öfter vorge führten »feindlichen Brüder« spielen zu müssen. Da diese Doppelfirma aber nur in Leipzig ausliefert, also weder Georg Müller noch Hans von Weber in München Bestel lungen annehmen, tritt für die Münchener Sortimenter wieder der eigenartige Fall ein, daß sie, wenn das Buch zufällig nicht auf Lager ist, den Kunden erklären müssen, es in einem oder sogar in drei Tagen (wenn es die Stuttgarter Barsortimente nicht führen) besorgen zu können. Solchen Angaben steht das Publikum vollständig verständnislos gegenüber: ein Buch, das bei einem Münchener Verleger erschienen ist, das also in spä testens einer halbenStunde geholt werden kann, erst am nächsten Tage zu besorgen? Herrgott, sind die Buchhändler unpraktisch! Da helfen dann natürlich alle Erklärungen nichts, und es bliebe nur der eine Ausweg, wenn die betriebstechnische Seite schon keine eigene Auslieferung erlaubt, in München eine Aus lieferstelle zu errichten. Nun hat ein hiesiger Verlag, ich darf ihn ja Wohl nennen, da ich ihmvollständigfernstehe,derVerlagBert- hold Sutter, schon die Auslieferung für Reclam, Göschen usw. übernommen; könnten denn nicht die betreffenden Münchener Verlage wie Mörike, Langewiesche-Brandt usw. dem hiesigen Sortiment die Last des »hinkenden Boten« abnehmen lassen? Die getroffene Einrichtung funktioniert bis jetzt ja ganz vor-