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No. 9. Sonnabend, den 27. Februar 1904. VI. Jahrgang. Derjiandelsgärfner. "nnermannpiz." tiandels-Zeitung für den deutschen Gartenbau, Leipzig, Südstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohiis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G." „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post 'unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich-Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „üandelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. ---------------------------------------------------------------------------- Die Bekämpfung der Reblaus 1902 1903. Das kaiserliche Gesundheitsamt hat vor wenigen Tagen die 25. Denkschrift über den Stand der Reblaus-Bekämpfungen im Sommer 1902 bis Herbst 1903, soweit das Material bis dahin zur Verfügung stand, verschickt. Bekannt lich ist in dem letzten Jahre die Reblausfrage wiederholt in den Vordergrund getreten, und wir haben offen die Befürchtung ausgesprochen, dass die Monopolisierung der Anzucht der Reben von seifen der verbündeten Re gierungen erwartet werden kann. Der Anfang ist bereits, wie den Lesern unseres Blattes bekannt ist, im Königreich und in der Provinz Sachsen, sowie verschiedenen Thüringischen Staaten gemacht, indem der Versand nach aus wärts verboten wurde, und die betreffenden Baumschulenbesitzer ihre zum Teil sehr wert vollen Vorräte nicht verkaufen konnten, ohne dass ihnen gegenüber dieser Schädigung eine entsprechende staatliche Entschädigung bewilligt worden ist. Auch im Reichstage hat man bereits diese Angelegenheit behandelt und eine gesetzliche Regelung des Handels mit Reben- Schnittlingen und bewurzelten Setzlingen in Erwägung gezogen, das bedeutet aber weiter nichts, als dass der Staat demnächst eigene Rebschulen anlegen wird, um den Verkauf und Handel auf diese Weise besser zu überwachen. Wir halten diese gesetzlichen Massnahmen für alle Gebiete östlich der Weser und nörd lich des Thüringer Waldes für überflüssig, und können dabei nicht einmal das Königreich Sachsen ausnehmen. Es ist ja eine erwiesene Tatsache, dass die gegenwärtigen hohen Arbeits löhne eine Rentabilität der Weinberge in der Lössnitz vollständig ausschliesst. Auch die zum kräftigen Wachstum nötige Nahrungszufuhr durch Stalldünger ist bei den hohen Preisen des letzteren nahezu vollständig ausgeschlossen. Aus diesem Grunde kann nur eine Aufgabe der Weinberge, soweit es nicht um die Anzucht von Tafeltrauben in geschützten Lagen, handelt, befürwortet werden. Aber der Handel mit Reben, der für die mittel- und östlichen Gebiete des Reiches eine immer grössere Ausdehnung aufwies, sollte von seifen der Regierung nicht verboten werden, denn das bedeutet für viele gärtnerische Firmen den Verlust eines lohnenden Zweiges ihres Betriebes. Wir möchten eher bei derartigen Einzel pflanzungen eine schärfere gesetzliche Kontrolle und Untersuchung befürworten, und die sofortige Vernichtung der befallenen Reben für richtig halten. Von gärtnerischer Seite wird ausser dem das Reblausgesetz mit grossem Misstrauen angesehen, da es den gesamten Pflanzenhandel mit dem Auslande in einer höchst bedenklichen Weise erschwert und für die nach Deutschland eingeführten Pflanzenneuheiten eine oft störende und nachteilige Verzögerung der Untersuchung herbeigeführt wird. Wir sehen hierbei von den Kosten, die dem Empfänger dadurch auferlegt werden, ganz ab, obgleich diese in vielen Fällen ganz erhebliche sind. Die Ausübung der Reblauskonvention in der jetzigen Art und Weise bleibt ein Hemm nis für den gärtnerischen Handel, obgleich nach gewiesen ist, dass bisher noch niemals an unsern Kulturpflanzen die Reblaus vorgefunden und dadurch verbreitet worden ist. Unser Stand punkt bleibt daher der alte, und lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Handel mit gärtnerischen Erzeugnissen keinenfalls erschwert werden darf, dass keine Untersuchung nötig ist, so lange aus Italien und Oesterreich-Ungarn frische Trauben ohne Kontrolle nach Deutsch land eingeführt werden können. Unsere Regie rungen sind bestrebt, die Einfuhr amerikanischer Aepfel, wegen der San Jose Laus zu verhindern, obgleich die Möglichkeit einer Fortpflanzung in Deutschland noch nicht einmal nachgewiesen werden konnte. Auf der andern Seite aber legt man bei der Traubeneinfuhr Italien, auch Oesterreich zuliebe, wiederum eine grenzenlose Gleichgültigkeit an den Tag. Man führe eine scharfe Kontrolle ein über Trauben, welche bei uns Eingang finden, und sorge dafür, dass diese nachweislich nur aus Distrikten stammen, in welchem bisher die Reblaus nicht beobachtet wurde. Eine Kontrolle, die übrigens in Italien sehr schwer fallen dürfte. Aber den gärtneri schen Handel gebe man vollständig frei und unterbinde auch nicht in Norddeutschland den Verkehr mit Reben, der für alle deutschen Landesstriche, in denen kein Weinbau getrieben wird, eine gute Einnahme für die Baumschule stets sein wird. Auf den Inhalt der umfangreichen Denk schrift selbst zurückkommend, wird in der Einleitung zunächst darüber berichtet, dass die ausländischen Zollstellen, über welche die Einfuhr nach den betreffenden Ländern gestattet ist, eine Erweiterung erfahren haben, da in Bel gien das Zollamt in Maeseyck und das Neben zollamt in Wolberg hinzugetreten sind. Sodann mussten verschiedene Teilungen und Aenderungen der Weinbaubezirke vorgenommen werden, die uns weniger interessieren dürften. Die Kosten, die zur Bekämpfung der Reblausgefahr 1902 von den Bundesstaaten getragen werden mussten, belaufen sich auf 1 798 907 Mk., so dass bis her seit 1880 im ganzen gegen 12 Mill. Mk. in Frage kommen. Für die unerlaubte Ein führung oder das Versenden von Wurzelreben, sind verschiedene Strafen verzeichnet, ebenso hat die Behörde einmal die Rebsetzlinge ver nichtet. Zur Unterdrückung der Rebläuse sind ferner in Sachsen für das Jahr 1903 im Bezirk Dresden 122, im Bezirk Leipzig 9 Beobach tungskommissionen gebildet worden. Eine besondere Verordnung wurde vom Kaiserl. Gouverneur von Deutsch-Südwest afrika zur Abwehr gegen die Einschleppung und zur Unterdrückung der Reblaus erlassen. Diese Verordnung ist am 1. Januar 1903 in Kraft getreten, und im Oktober vom Gouver neur in Windhoek ausgefertigt. Es wird dabei bestimmt, dass die Einfuhr von lebenden Wein reben- und Rebenteilen der staatlichen Kontrolle, sowie Weintrauben- und Weintrestern einer genauen Untersuchung durch Sachverständige unterliegen. Ausserdem müssen diese Reben einer geeigneten Desinfektion mit Schwefel kohlenstoff unterworfen werden (auch die Trau ben? Die Redaktion). Alle eingef ährten Kul turgewächse, sobald diese Wurzel- oder Erdballen haben, unterliegen gleichfalls einer Untersuchung und dürfen nicht in der Nähe von Reben angepflanzt werden. Das ist un bedingt eine sehr strenge Massnahme, doch sind Ausnahmen zulässig. Im übrigen schliesst sich der betreffende Erlass den Grundzügen der internationalen Reblauskonvention an. doch sind schärfere Vorschriften über die Untersuchung der Rebengelände und Vernichtung der etwa befallenen Stöcke vorgesehen. Ferner inter essiert uns noch, dass den Besitzern, denen die Rebanlagen vernichtet sind, gestattet ist, selbst ihre Ersatzansprüche zu formulieren, und der Gouverneur bez. die zuständigen Gerichte über deren Anerkennung zu bestimmen haben. Man ersieht somit, dass man den dortigen Verhält nissen Rechnung getragen hat. Die Ausbreitung der Reblaus in den Reichs gebieten hat trotz des scharfen Vorgehens der Regierung bedenkliche Fortschritte gemacht. In der Rheinprovinz sind 40, in Hessen-Nassau 6 und in der Provinz Sachsen 15 Reblausherde während des Berichtsjahres aufgefunden worden. Die Zahl der zur Vernichtung bestimmten Rebstöcke beziffert sich in Preussen auf über nahe 200000; in Bayern kommen auf das fränkische Weinbaugebiet 15 neue Reblaus herde. Ferner konnte noch eine starke Aus breitung in dem bisher reblausfreien Bezirksamt Kitz ngen festgestellt werden; vernichtet werden mussten gegen 15 000 Weinstöcke. Bei Kitzingen ist man so scharf vorgegangen, dass selbst Werkzeuge zur Weinbergbearbeitung nicht ausser halb des Rayons zu anderen Arbeiten benutzt werden dürfen. Eine bedeutende Zunahme weist gleichfalls das Königreich Sachsen auf, doch ist die Aufzählung dort, wie es scheint, so gründlich und detailliert, dass 174 neue Herde mit etwa 15 000 befallenen Reben aufgezählt werden. Ueber die Zahl der vernichteten Stöcke wird hierbei nichts erwähnt, doch kann fest gestellt werden, dass der Weinbau in der Löss nitz mit Riesenschritten rückwärts geht. Die Pflege der Weinberge wird nicht mehr so sorg fältig durchgeführt wie früher, und deshalb findet naturgemäss die Ausbreitung des Insektes aussergewöhnlich schnell statt. Das Berichtsjahr weist in Württemberg 11 neue Reblausherde auf, wovon allein 7 auf die Gemarkung Neckarsulm kommen. In Baden wurde im Jahre 1902/1903 überhaupt kein Reblausherd vorgefunden; auch im Gross- herzogtum Hessen konnte nur ein solcher im Kreis Oppenheim zur Feststellung gelangen. Eine bedauerliche Ausbreitung des Insektes fand in Elsass-Lothringen statt, die ja auch die bekannte Interpellation im Reichstag veranlasste. Es wurden 413 neue Reblausherde im Jahre 1903 in den Reichslanden entdeckt, die sich auf 28 Gemarkungen verteilten und die Vernichtung von ca. 40000 Weinstöcken zur Folge hatten. Bekanntlich ist das Feil halten und Versenden von Wurzelreben und Blindhölzern auf den öffentlichen Märkten in Elsass-Lothringen vom 1. Januar 1903 über haupt untersagt. Auch die Kontrolle wird in Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (8. Fortsetzung). Nachdruck untersagt. XI. Kenzius machte Toilette, um an dem Fest teilzunehmen, das im Kasino stattfinden sollte. Nicht aus Vergnügungslust, sondern lediglich, um die unangenehm sentimentalen Ge danken ein wenig zu verscheuchen, die ihn seit einiger Zeit nicht mehr freilassen wollten. Den hellgrauen, weichen Filzhut auf dem dunkeln Haar, die Handschuhe von schwedischem Leder in der Hand tragend, so schlenderte er durch die Strassen. Er hätte viel darum gegeben, Margarete einmal an einem dritten Ort und in Gesellschaftstoilette zu sehen. Bis jetzt hatte er sie nur in ihrem Heim, bei ihren Beschäftigungen, im einfachen Hauskleid bewundern dürfen. Die Umgebung einer fröhlich angeregten Gesellschaft, in der ihre ruhig natür liche Vornehmheit hervortreten musste, würde ihren Liebreiz in neuem Lichte erscheinen lassen. Aber er wusste, dass sie keine Vergnügungsorte besuchte. Da auf einmal kam ihm ein Gedanke; wenn-er sie und ihre Tante einlud zu dem Gartenfest? Vielleichtwürden sie die Einladung doch annehmen. In freier Atmosphäre aufgewachsen, wie er war, dachte er nicht daran, welch einen Effekt es auf die klatschhungrigen Leute der Kleinstadt machen musste, wenn er, der ohne es zu wissen momentan im Mittelpunkt des Interesses weiblicher Jugend stand, mit den Damen Winternitz im Kasinosaal erscheinen würde. Kurz entschlossen lenkte Kenzius seine Schritte der Gärtnerei zu. Er fand Margarete im Garten beschäftigt, mit einer zierlichen Schere die verblühten Rosen zu entfernen und die Blätter zu sammeln. Sie glaubte sich unbeobachtet, hatte das Kleid leicht geschürzt und schritt langsam vorn übergebeugt mit einem frohen Zug in dem frischen Gesicht durch die Rosenbeete. Kenzius beobachtete sie eine Weile, ohne von ihr be merkt zu werden. Ungewollte Grazie lag in jeder ihrer Be wegungen, ernst und völlig versunken war sie in ihre Tätigkeit. Angenehme Kühle lag nach der Schwüle des Tages über den Gartenanlagen. Von den nächsten Beeten sandten pracht volle Malmaisonrosen schmeichelnd süssen Duft. Friedlich lag das grosse Haus, altmodisch und gemütlich mit den grünen Fensterläden, den clematisumrankten Lauben an der Seite. Ein verspäteter Schmetterling flatterte wie trunken von einem Kelch zum andern, ein letztes, kurzes Auf jubeln aus halb schlafbefangenen Vogelkehlen liess sich hören. — Die Harmonie des Bildes tat Kenzius fast weh, ihm, dessen sehnlichster Wunsch es war, das holde Mädchen los zureissen aus dieser Umgebung, zu entführen als sein ein zigstes, unbestrittenes Eigentum. Mit Macht wollte ihn die Gewissheit überfallen : „hier gehört sie hin“, und eine höhnende Stimme schien ihm zuzuflüstern: „wenn du diese Pflanze ent wurzelst, so muss sie sterben.“ In diesem Augenblick wandte sie sich um, und erblickte ihn. Er sah es deutlich, dass etwas wie ein Aufleuchten über ihr Gesicht ging, und diese Entdeckung trieb ihm eine volle Blutwelle zum Herzen, dass er, der Mann von tadel losen Manieren, vor Verwirrung vergass, den Hut zu ziehen. Erst, als sie ihm mit freundlichem Gruss entgegenkam, holte er erschrocken das Versäumte nach. „Verzeihen Sie, dass ich mir zu solcher Stunde erlaube, hier einzudringen.“ „Sie wissen ja, dass das Wort Etikette bei uns nicht bekannt ist,“ erwiderte sie mit heiterem Lächeln, indem sie ihm die Hand reichte. Er ergriff sie und behielt sie, während er fortfuhr: „Ich komme eigentlich um Sie zu entführen aus Ihrem stillen Bereich — o nur für ein paar Stunden,“ fügte er etwas befangen hinzu, da ihm plötzlich klar wurde, wie er im leichten Plauderton den heissesten Wunsch seines Herzens aussprach. „Wohin denn?“ fragte sie erstaunt. Er sagte ihr seinen Plan, dass es seine Absicht sei, sie und Tante Verena zu dem Gartenfest einzuladen. „Es findet ein Konzert statt, darauf folgen lebende Bilder, ein grosses Essen, dann Feuerwerk im Garten und zum Schluss Ball. Sie sehen, allerlei Herrlichkeiten; sind Sie dabei?“ Er sagte es fast bittend. Erst jetzt gewahrte sie, dass er immer noch ihre Hand hielt. Hastig entzog sie sie ihm. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich danke herzlich — es ist sehr hübsch von Ihnen, uns dazu einladen zu wollen, aber wir nehmen an solchen Fest lichkeiten nie feil. Tante Verena fühlt sich zu alt, und ich — ich weiss selbst nicht warum, ich habe nie gedacht, dass solche Dinge auch für mich vorhanden sein könnten.“ „Das ist seltsam,“ sagte er traurig, „Sie sind doch so jung; also lieben sie Musik nicht, freuen sich nicht, frohe Menschen zu sehen und der Tonkunst zu lauschen?“ „O doch, ich liebe Musik, aber nicht, wenn ich einge drängt zwischen den vielen Menschenreihen in einem blendend erhellten Saal stundenlang regungslos auf einem Stuhl sitzen muss. Sondern wenn die Musik, ohne dass ich sehe, wer sie veranlasst, hereindringt in meine Stille und ich, so wie ich bin, im Alltagsgewand lauschen darf, — allein!“ „Sie sind eine Poetin,“ sagte er, und zum zweitenmal an diesem Abend ergriff ihn mit jähem Schmerz das Bewusst sein, dass sie nicht für die Welt da draussen geschaffen sei. Als sie nichts erwiderte, fuhr er fort: „Es ist seltsam mit Ihnen, wenn ich Ihnen von meinen Reisen erzähle, dann scheinen Sie doch etwas wie Sehnsucht nach all dem noch nie Geschauten zu empfinden, und den noch zieht es Sie nicht hinaus und Sie bleiben hier versteckt in Ihrem Paradiese.“ „Das ist vielleicht, wie mit der Musik,“ antwortete sie gedankenvoll, „die schmelzenden Weisen beseeligen mich, wenn sie von fern her zu mir dringen, und wenn sie mir von der Welt da draussen erzählen, sah ich sie so schön und strahlend, wie sie mir in Wirklichkeit vielleicht nie er scheinen würde. Meine Welt hier erscheint mir schön, so wie sie ist.“ Eine tiefe Traurigkeit bemächtigte sich des Doktors. „Es ist schade,“ f.üsterte er, „dass gerade ein so bevor zugtes Menschenkind wie Sie, so verborgen leben soll, Fräu lein Margarete, Sie wissen nicht, wie gut der Name „Lete“ Ihnen steht; wer Leid und Reu zu vergessen hat, wird aus Ihren Augen Lete trinken.“ Eine dunkle Glut bedeckte ihr Gesicht. Niemals waren ihr solche Worte gesagt worden. Ihre Brauen zogen sich