Volltext Seite (XML)
No. 5 Sonnabend, den 30. Januar 1904 VI. Jahrgang Derjfandelsgärfner. 'Verantwortlicher Redakteur: Hermann Pilz, Leipzig, Südstrasse 33. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G." „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. 7/ _ _ Py • y groe y f r v A r v Für die Handelsberichte und nandels-Zeifung für den deutschen Gartenbau. denattichenTenverantortich: 9 UllU 1 AldIc-K6n» Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig- Gohlis. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich^Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Die neue Tarifgemeinschaft der Hamburger Landschaftsgärtner. Wer die Richtung unseres „Handelsgärtner“ seit Beginn verfolgt hat, wird sich erinnern, dass wir von Anfang an der Begründung von Tarifgemeinschaften sympathisch gegenüber ge standen haben. Wir haben in unseren diesbe züglichen Artikeln offen erklärt, dass wir die Abneigung der selbständigen Handelsgärtner gegen solche Gemeinschaften nicht verständen, weil aus ihnen doch die Arbeitgeber ebenso gut Vorteile zu ziehen vermöchten, als die Arbeitnehmer, und weil in ihnen der Boden zu einer friedlichen Beilegung entstehender Diffe renzen gegeben werde. Wir haben es deshalb mit Freude begrüsst, dass es zwischen den selb ständigen Landschaftsgärtnern von Hamburg, Altona, Wandsbek und Umgegend, die seit 1901 in der Vereinigung der Landschaftsgärtner (125 Mitglieder) zusammengeschlossen sind, und den Gehilfen am 5. Januar zu einer Tarifgemein schaft gekommen ist. Der Tarifvertrag, der, wie es in dem uns zugegangenen Schreiben der Vereinigung der Landschaftsgärtner heisst, eine ruhige und für beide Teile günstige Entwick lung der Berufsverhältnisse bezwecken soll, hat Gültigkeit vom 1. Januar 1904 bis zum 1. April 1905. Die Frist ist kurz bemessen und das muss den Glauben erwecken, als habe man noch nicht das rechte Zutrauen zu der Vereinbarung gehabt. Wenn wir nun zu einer Zeit, wo die Ver handlungen sich noch im Schwebezustand be fanden, einer Zuschrift aus Hamburg Raum gaben, welche tatsächlich solche Bedenken äusserte und sich namentlich darüber wunderte, dass die Gärtnergehilfen von der roten Fakultät sich so äusserst zahm in ihren Anforderungen zeigten, so war darin nicht etwa eine von uns suggerierte Anschauung kundgegeben, sondern wir teilten nur mit, was tatsächlich in dem Kreise der Landschaftsgärtner von einzelnen Arbeitgebern befürchtet wurde. Albrecht, der jetzt den Lakai der Gewerkschaftsgewaltigen macht, und seif er das bekannte „spitze Hütlein“ mit der roten Ballonmütze vertauscht hat, auch die Sprache, die auf dem Dresdener Sozialisten- kongress geführt wurde, sich schon ganz fliessend angeeignet hat, benutzt diese Publi kation zu einer öden Anpöbelung unseres Schriftleiters in No. 4 seines auf 4 Seiten zu sammengeschmolzenen Blättchens. Er geberdet sich dabei wie ein Löwe! Da wir aber unter der Löwenhaut bei ihm leider etwas anderes her vorgucken sehen, verspüren wir keine Lust, uns mit dem Genossen Albrecht hierin einen Zeitungskrieg einzulassen. Wenn wir, wie gesagt, der Befürchtung Raum ge geben haben, dass die Tarifgemeinschaft nur vor läufig von Bestand sein werde, und die Gehilfen schaft später jedenfalls mit wesentlich erhöhten An forderungen hervortreten werde, so findet diese Befürchtung darin eine Bestätigung, dass Albrecht schon jetzt sich damit brüstet, dass die 2000 Mitglieder des „Allgemeinen“ deut schen Gärtnervereins, indem Albrecht der Star matz der Hamburger geworden ist, in einem Streike Sieger bleiben müssen. Der Crim mitschauer Streik presst ihm einen Jubelruf aus. Das war vordem jähen Ende desselben! Auch er fürchtet ein Crimmitschau in der deut schen Gärtnerei nicht mehr. „Wohlan,“ ver kündet er prophetisch seiner Gemeinde, „wir sind heute dazu bereit, mit nahezu einer Million deutscher Arbeiter als Rückendeckung.“ Das heisst Farbe bekennen! Weiss denn aber der „olle ehrliche Albrecht“ nicht, dass die Crimmit schauer Arbeiter gerade von dem Gewerkschafts kartell schmählich im Stiche gelassen worden sind, und dass man ihnen zur bedingungslosen Ergebung geraten hat, als der Gewerkschafts beutel offen gehalten werden sollte? In der Tat, sollten die Gärtnergehilfen auf dem gewalt samen Wege des Streiks von den Prinzipalen Zugeständnisse erpressen wollen, die diese nicht zu geben imstande sind, so bereiten sie sich ein „Crimmitschau“, d. h. eine solche schmäh liche Niederlage, ein so glänzendes Fiasko, wie es den Arbeitern dort trotz ihrer Million deutscher Arbeiter als „Rückendeckung“ beschieden gewesen ist. Schliesslich wünschen wir unserem Kollegen Beckmann zu seinem neuen Freunde Otto Albrecht viel Glück! Wir werden uns um des letzteren „Gekläffe“ nicht mehr kümmern. Unser Wagen fährt weiter, wie auch die Wolfsspitze die Räder umbellen mögen! Mittlerweile liegt uns nun die Tarifgemein- schäft in ihrem Wortlaute vor. Der Minimal lohn beträgt nach § 1 pro Stunde 40 Pfg., wovon invaliden und Volontäre ausgenommen werden können. Dass dieser Lohnsatz gerade für Hamburg ein recht bescheidener zu nennen ist, haben wir bereits hervorgehoben. Auch der Aufschlag von 10 Pfg. bei Ueberstunden erscheint uns mässig. Das Nachhauseschaffen von Wagen, Karren, Vorrat und grösserem Geschirr soll während der Arbeitszeit geschehen oder es soll die darauf verwandte Zeit berechnet werden. Das ist wie vieles andere der Arbeitsordnung der Berliner Landschaftsgärtner entnommen. Der Lohn muss spätestens eine halbe Stunde nach Feierabend ausgezahlt werden. Dabei wird es für wünschenswert erklärt, Freitags Wochen schluss zu machen, damit der Lohn dann im Laufe des Sonnabends ausgezahlt werden kann. Die tägliche Arbeitszeit beträgt 10 Stunden. Diese Arbeitszeit ist an grossen Plätzen schon längst eingeführt und von den Arbeitgebern freiwillig eingeräumt worden. Dass Ueber stunden im Interesse der Arbeiter möglichst vermieden werden sollen, bedurfte keiner Fest setzung, denn es liegt auch im Interesse der Arbeitgeber, dass die höher bezahlten Ueber stunden vermieden werden, soweit das über haupt nach dem Geschäftsgänge möglich ist. Dem Arbeitgeber ist im übrigen das unum schränkte Recht der Betriebsleitung grossmütig zugestanden worden. Auch darf er noch über Einstellung und Entlassung der Arbeiter und Gehilfen entscheiden, auch über die Kün digung freie Vereinbarungen treffen. Es ist recht charakteristisch, dass dies eist in dem „korporativen Arbeitsvertrag“ ausgesprochen werden muss. Wir glauben, dass sich die Arbeitgeber dieses Recht auch nicht hätten nehmen lassen, wenn es nicht vertragsmässig festgestellt worden wäre. Dass Entlassungen wegen Zugehörigkeit zur Organisation nicht stattfinden dürfen, versteht sich von selbst. Biese Zugehörigkeit bildet schon heute keinen stichhaltigen Entlassungsgrund. Wer keinen Organisierten will, kann nur das Recht der Kündigung ausüben. Im übrigen ist doch die Hauptsache, ob der Angestellte seine Pflicht tut oder nicht. In § 4 sind dann die Grundlagen für den paritätischenArbeitsnachweis gegeben. Unsre Leser wissen, dass wir auch für diesen mehrfach eingetreten sind. Die betreffende Vorschrift des Tarifvertrages lautet: „Die Arbeitsvermittlung ist auf paritätischer Grundlage zu errichten. Die Leitung des pari tätischen Arbeitsnachweises obliegt der Arbeit nehmerorganisation. Als Oberinstanz fungiert das Tarifamt, ausserdem steht der Arbeitgeber organisation das Recht der Kontrolle zu. Die erwachsenden Kosten sind von beiden Organisationen gemeinsam zu tragen. Die Arbeitskräfte sind möglichst von dem Arbeitsnachweis zu beziehen. DasUmschau- halten nach Arbeit ist daher seitens der Arbeitnehmer zu unterlassen. Die Tätigkeit des Arbeitsnachweises hat auf Grund der Tarifbedingungen zu erfolgen, und ist die Benutzung desselben für beide Teile unentgeltlich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, welche den beiden vertragsschliessenden Organisationen nicht angehören, haben für die Stellenvermittelung eine Gebühr zu entrichten. Vermittlung von Stellen innerhalb der übrigen, von dieser Tarifgemeinschaft unberührten Be rufszweige, hat auf Grund eines besonderen, vom Tarifamte genehmigten Tarifs zu erfolgen. Die Beschlussfassung über Geschäftsordnung etc. für den Arbeitsnachweis wird dem Tarif amt überlassen.“ Dazu ist auch ein „Reglement“ erlassen, aus welchem hervorgeht, dass Nichtmitglieder bei Benutzung des Arbeitsnachweises eine Ein schreibegebühr von 25 Pf. zu zahlen haben. Es werden selbstverständlich nur Stellen auf Grund des Tarifvertrages vermittelt. Die Tarifgemeinschaft hat zugleich zur Ein setzung eines Tarifamtes geführt, das aus je fünf Arbeitgebern und Arbeitnehmern besteht. Als Obmann soll ein Jurist berufen werden. Die Wahl ist auf den Vorsitzenden des Ham burger Qewerbegerichts, Rat Boysen, gefallen, während als Mitglieder des Schiedsgerichts aus den Arbeitgebern H. Lund, A. W. Kruse, Winkler, Osbahr und Schnauder, aus den Ar beitnehmern Busch, Haucke, Markgraf, Schwarz und Sperendirano in das Tarifamt gewählt wurden. Als Aufgaben des Tarifamtes werden hervorgehoben, dass dasselbe für die Durch führung der Tarifgemeinschaft einzutreten hat und im übrigen die Gesamtinteressen der Land schaftsgärtnerei innerhalb seines Tätigkeitsge bietes nach jeder Richtung hin wahren soll. Bei allen Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern soll es als Ausgleichsamt wirken, und haben sich die Mitglieder beider Organisationen dem Spruche des Einigungs amtes zu unterwerfen. Das Tarifamt hat weiter als seine Haupt aufgabe zu betrachten, jeglicher Schmutz- konkurrenz im Berufe entgegenzutreten und Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (4. Fortsetzung). Nachrduck untersagt. VI. Des folgenden Morgens traf sie die beiden Männer, Vater Welser und Sohn, wie sie im blinkenden Morgenglanz den nach den Häusern und Frühbeeten führenden Gartenweg durch schritten. Der Alte blieb ab und zu stehen, um seinen Sohn auf einen besonders schönen Kulturerfolg aufmerksam zu machen, oder mit ihm über die Entwicklung einer Pflanzenart diskutierend. Dietrich warf hier und da ein Wort in die Unterhaltung, das dem Alten deutlich bewies, dass sein Sohn seine Zeit nicht verloren hatte, sondern über ein gesundes Urteil verfügte und seinen Beruf kannte als einer, der nicht nur mit Pflichtgefühl, sondern auch mit Liebe bei der Sache ist. Aber seine Bemerkungen waren bescheiden, verrieten kein Besserwissen, auch wollte er nicht durch seine im Auslande erworbenen Kenntnisse glänzen. Margarete gesellte sich ihnen mit freundlichem Gruss zu; eine Weile ging sie stumm nebenher und lauschte dem Ge spräch der Männer. Dann wandte sie sich an Dietrich mit der Frage: „Finden Sie sich in unsere Gärtnerei wieder zurecht, und gefallen Ihnen die noch von meinem guten Vater entworfenen und angelegten neuen Häuser?“ „Es hat sich vieles in den langen Jahren verändert, Fräulein, sichtbarer Segen ruht auf dieser Arbeit, das bezeugt der Stand der Kulturen. Uebrigens hab’ ich von der Gärtnerei Winternitz draussen oft lobend sprechen hören.“ „Und doch muss Ihnen manches veraltet erscheinen, nachdem Sie so viel grossartige ausländische Betriebe ge sehen haben!“ Sie blickte ihn nach diesen Worten forschend an. Er zuckte die Schultern und ein hübsches Lächeln kräuselte seinen Mund. „Ich habe nicht die Gepflogenheit, wenn ich Schönes und Gutes sehe, von Schönerem und Besserem zu sprechen, I das ich gesehen. Es ist freilich manches anders in den deut schen Grosstädten, wie Dresden und Hamburg, als ebenso in den englischen und französischen Gärtnereien. Aber ob es un bedingt besser ist, das ist eine andere Frage. Zum Beispiel der an eine Manie grenzende Ehrgeiz vieler Gärtner, aus schönen Blumen immer und immer noch schönere zu ziehen,, ist mir unverständlich und scheint mir oft übertrieben. Eine Blume, wie die Natur sie hervorbringt, scheint mir am schönsten. Unsere Sache ist es nur, sie in der richtigen Weise zu pflegen. Ich will ja nicht sagen, dass es nicht ganz uninteressant wäre, eine Veränderung, Veredlung zu versuchen und neue Hybriden zu züchten, die eine wirk liche Verbesserung darstellen; aber zur Sucht darf das nicht ausarten! Auch findet man so vieles Neue, was einen Rück schritt, statt einen Fortschritt darstellt, nicht alle die bizarren Blumenformen sind schön zu nennen, wie oft geht ihm nicht das Einfache, Natürliche dabei verloren.“ „Sie scheinen also recht konservativ gesinnt zu sein;“ meinte Margarete lächelnd. „Nur da, wo der Fortschritt nicht unbedingt Besseres bringt.“ Als sie bei Weisers Behausung vorbeikamen, fragte Margarete: „Ist Ihnen nicht etwas seltsam zu mute geworden, die alte Heimat nach so langer Zeit wiederzusehn?“ „Ja, seltsamer, als ich erwartet hatte; ich bin sonst nicht sentimental veranlagt, aber es ist doch ein eigenes Ding; ich sinne oft über Vergangenes und manche freund liche und ernste Erinnerung wird wach.“ Mit einem warmen Blick umschloss er den Fleck Erde, wo er als Kind gespielt. Dann wandte er sich plötzlich zu dem jungen Mädchen mit den Worten: „Ich sehe Sie immer noch, wie Sie mit Herrn Winter nitz durch den Garten gingen, ein elfjähriges Mädchen mit langen Zöpfen, in blauem Kleid. Stets machten Sie so ein ernstes Gesicht und wurden von uns oft angestaunt wie eine kleine Prinzessin.“ Margarete errötete, wie immer, wenn man von ihr sprach. „Sonderbar, dass wir nie zusammen vertraulicher wurden, uns öfter sprachen“, sagte sie etwas verlegen. Dietrich hatte während der langen Jahre nie Heimweh gehabt, ja, er gedachte nur selten der Heimat. Erst in den letzten Monaten, als sein Entschluss fest war, nach Deutsch land zurückzukehren, eilten seine Gedanken nach den fernen Thüringer Bergen. Auch Margarete war in seiner Erinnerung aufgetaucht, so wie er sie kannte, als kleines, zierliches Fräulein. Aber ein richtiges Bild konnte er sich unmöglich nach den knappen, selten ankommenden Briefen" seines Vaters machen, wenn auch dieser oft mit Begeisterung das Ver ständnis, die Sicherheit, mit welcher Margarete die kauf männische Leitung des ansehnlichen Betriebes übernommen hatte, erwähnte. „0, dazu hätte ich wohl nie Zeit übrig gehabt“, meinte Dietrich, der ebenfalls plötzlich in Verlegenheit geriet über seine ihm in endloser, weiter Ferne liegende Jugend erinnerung. „Das Fräulein hatte niemals Freundinnen,“ fügte der alte Welser bei, „der Herr Vater hat sich aber auch so viel mit ihr abgegeben, dass ihr wohl nur selten die Lust ankam mit anderen gleichalterigen Mädchen sich herumzutummeln.“ „Ich habe wenigstens nie nach Gespielen verlangt“, meinte sie nachdenklich. Sie schritten weiter. Bei einem der Treibhäuser'stand ein Wagen, den zwei der Gehilfen mit Pflanzen zu beladen im Begriff waren. Eben bemühten sie sich, einen grossen Kübel mit einer ziemlich hohen und üppig entwickelten präch tigen Dracaene auf den Wagen zu heben. Ohne weiteres, fast unwillkürlich, griff Dietrich mit zu und Margarete sah mit Bewundern, wie geschickt und stark er sich zeigte, wie er trotz seiner Sonntagskleidung ohne Zögern den Kübel auf den Wagen hob. Zugleich aber fing sie einen Blick von einem der zwei anderen, von August, auf, einen Blick, der in gehässiger Weise das Gesicht des Neulings streifte. Ahnte jener schon, dass dieser in Zukunft hier die erste Stelle neben seinem Vater einnehmen würde? Als sich Dietrich weiter an der Arbeit beteiligte, die der alte Welser dirigierte, zog sich August zurück, indem er etwas Unverständliches vor sich hinbrummte. Er rieb sich die Erde und das grüne Moos von den Händen, nahm Schaufel und Hacke aus dem Schuppen, wandte