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WSLcMch erscheinen trei Ziummern. PränumcraiionS- Prei« 22t Sgr. (; THIr.) vieneliäbrlich, Z Air. für La« ganze Jahr, ohne Er höhung, in'allen Theilen ter Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf tiefet Beiblatt der Allg. Pr. Staat«» Zcitung in Berlin in der Expedition (Mohren Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 116. Berlin, Mittwoch den 27. September 1837. Frankreich. Ucbcr die Verehrung einiger Q.uiproquo'S. Hieß' cs wohl, unsere arme Menschheit allzu streng bcnribeilen, wenn man behauptete, daß mindestens die Halste alles dessen, was je geschrieben worden, auf Rechnung des Irrthums zu stellen seyf Bayle scheint diese Frage bejaht zu haben, indem er seinen Vorsatz: ein Verzeichniß aller für richtig aus- und angenommenen Irilbümer zusam- menzutragc», als nur von einem Riesen zu bewältigen, aufgab, um bei dem weit beschränkteren Entwürfe dessen, was er uns wirklich hinter lassen hat, stehen zu bleiben. Gewiß aber wurde in jeder Bibliothek der accredilirlen Irrthümer die Ablhcilung der Quiproguv'S eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Bänden cinnchmrn. Diese Art von ZrrlhÜmcrn, die unbedeutendste von allen, ist oft die handgreif lichste, so oberflächlich, zufällig oder wunderlich ist bisweilen das Miß verständlich, das dabei zum Grunde liegt; und trotz dem behauptet sie stch, ist sie nur erst einmal durch die Zeit zu einem gewissen Ansehen gekommen, nicht minder beständig, so daß man aus sie eben so wohl, wie auf die anderen, 8a Fonlaine's Wort anwcnden kann: e«t <1e aux vvrites; Der Mensch ist Eis für alle Wahrheit; 1t O8t 6e fcu puur le« »ieu«0»8e«. Doch Feuer ist er für die Lugen. Sollte nun diele Wärme des Menschen sur den Jrrchmn etwa daher kommen, weil dieser sein eigenes Werk, sein trauriges Geschöpf ist, während die Wahrheit, so ost er sie annchmcn muß, mit der Strenge der Thalsachen sich ihm aufdrangts Indeß, wie häufig versucht däs Licht einer Thalsachc doch vergeblich den dicken Nebel eines WorurlhcilS zu durchdringen! Was z. B. ist allgemeiner angenommen, als die Einäscherung der Bibliothek zu Alexandrien durch den EhaUsen Dinar und die fünf Vierteljahre lang mit den Buchern der Ptolemäer unter haltene Heizung der öffentlichen Bäders Ich erinnere mich noch einer höchst merkwürdigen Bewegung bei einer Rede des verstorbenen General Foy, die einzig üiid allein eben durch diese Tradition verursacht wurde. Eie hat freilich auch nur den Einwurf zögen sich, daß die berühmte Bibliothek der Ptolomäcr unter dem letzten dieser Fürsten, dem Bruder der schonen Kleopatra, verbrannt wurde, als Julius Cäsar Alexandrien eingenommen, und daß die, welche sich nach jener Zeit wieder ange- sammcll Halle, unter Theodosius ein Raub der Flammen geworden. Nun aber bezweifle ich sehr, daß die Alexandrinischen Bibliothekare von Theodosius bis auf Omar so viel und so kostbares Material wieder zu- sammcngcbracht haben sollten, daß cS diesem Chalifen einen so schlim men Rus mit Siecht eingetragen hätte. Die Annahme der gänzlichen Vernichtung Karlh»bv'S durch die Römer ist gleichfalls eine nicht minder allgemein verbreitete Meinung. Dtiani zn-riuro ruinav — die Trümmer selbst verschwanden! — sind des Dichters Worte. Ein gelehrter Akademiker indeß hat neuerdings durch jene Autoren' selber bewiesen, daß von der tinglücklichen Stadt durch Scipio nur die Ringmauern geschleift worden, und daß die von seinem Heere, während dessen sehr kurzen Verweilens aus der Panischen Küste, vorgenommenen Zerstörungen lediglich aus die Hauptgebäude sich beschränkt haben. Hierzu kommt nun noch, daß auch die bis auf den heutigen Tag vorhandene» Spuren der kolossalen Stadt lLrümmer, die stch übrigens auch ganz augenscheinlich von denen des Römischen Kar thago unterscheiden) mehrere Altcrthumsforschcr, die sich lange mit dem Studium derselben beschäftigt ballen, durch den Augenschein an Ort und Stelle zu demselben Ergebnisse geführt haben. So wurde auch Herr von Chateaubriand, bei seinem Besuche jener Gegenden, zu seiner Uebcrraschnng hiervon überzeugt, wie cr cs ja in seinem Itinöruirs laut genug, „iid mit welcher Stimme! — bekannt gemacht hat. Indeß, -^es mw eitle Bemühungen gegen eine poetische Fiction, die zwci- Einc eben st, falsche, aber durch die Zeit minder nntersiützle und daher auch schon mit besserem Erfolge bekämpfte Ansicht war die un mäßig übertriebene Vorstellung von der Bevölkerung des alten NomS. Dcr Grund dieser war.rin sehr oberflächlicher; man hatte zur Grund lage der Berechnung ein Wort genommen, dessen Bedeutung, wie sic in den alten Topographicen gebräuchlich war, man nicht kannte: Insulu nämlich, haS freilich eine Insel, oder ein von vier Straße» bc- gränzteS Häu^r-Vollwcrk bezeichnet, hat außerdem aber auch die Bedeutung vor) Hütte Wollte man unn dies Wort zu einem der Faktoren einer Multiplikation, deren Produkt die Bevölkerung Rom« seyn sollte, machen, so mußte man zum anderen Faktor die Grundstück fk). mulbmaßliche Zahl dcr Bewohner — nicht einer Häuser-Insel, sondern — einer Hütte nehme», was, anstatt mehrerer Millionen, wenig Mehr als ZstthOsto erzieht. Dies war ei» ganz eigentliches Ouiproquo, auf Grund des Doppel sinns eines und desselben Wortes, und ist wohl eher zu entschuldige», als das jener MagistralSperson, von welcher Balzac sagt-. „Es war ein Mann mit langer Robe, berühmt jedoch wegen seiner geringen Kennlniß von de» Wissenschaften, den unsere Väter zu Paris gesehen, als die Gesandten von Polen dahin gekommen. Diese machten ihm ibre Auf wartung und redeten ihn dabet Lateinisch an. Er aber bat sie, ibn zu entschuldigen, wenn er ihnen nicht antwortete, da er nie Gelegenheit gehabt, Polnisch zu lernen." Es erinnerte dies an jenen anderen Gelehrten, von dem unsere Kinder mit Balzac werden sagen können: den unsere Väter gesehen haben —und der es schmerzlich be dauerte, daß Charlemagne (bekanntlich eine Zusammenziehung von Garo- lus äluznus) nicht den Beinamen des Großen erhalten. Aber auch im allgemeinen Sprachverkehre giebl es eine Menge rc- zipirtcr Ausdrücke, die wahrhafte Luiproquos sind, und deren Zusam menstellung nicht nur ci» einzelnes Blatt, sondern einen dicken Band füllen könnte. Dahin rechne ich zunächst auch die Ortsnamen, die, in Folge eine« Mißverständnisses, verändert oder bis zur Unkenntlichkeit umgcstaltet worden sind. So wurde der Name Agplla einer Stadt in Hetrurien (jetzt Cerveteri), schon vor Aeneas von einer Griechische» Kolonie begründet, ganz vergeblich beigelegt; denn die neben diese» neuen Kolonisten noch ziemlich barbarischen Landeskinder verstanden deren Sprache nicht und wurden nur dadurch sogleich von vorn herein sehr stark frappirt, daß die so zuthnliche» und "artigen Fremdlinge sic bei jeder Begegnung immer Mil dem Worte X---z,k! (Guten Tag!) be grünten. Da legten sie nun dies Wort denen, die es so häufig auS- sprachen, als Namen bei; gerade so genial, wie die kleinen Kinder stch Helsen, wenn sie Etwas bezeichnen wollen, dessen Namen sie noch nicht kennen. Und so bekam dann ganz unmerklich die Stadt selber de» Name» Caere (Käre; denn das C der alten Lateiner wurde ja wie K ausge sprochen). Die Bewohner dieser Stadl waren aber, wie schon belobt, sehr höflich, so auch in dcr Wissenschaft des Kultus und in Rcgulirung seiner Ausübung weil gekommen; und daher entstand denn bekanntlich däs Wort Gaorimonia von ihnen. Dergestalt wurde durch dicse etymologische Kindschasl eine Formel dcr Begrüßung zur ersten Wurzel unseres Aus drucks Ceremonirl. — Einer ganz ähnlichen Etymologie verdankt dir Stadt Bayonne ihren Name»; denn er ist ans den Worten und- ^onna (die ich vielleicht sehr unrichtig schreibe, dic aber in dcr BaSkcn- Sprache Guten Tag, mein Herr! bedeuten) entstanden?) Andere Umwandlungen von Namen schreibe» sich von Beziehungen her, dic man in der Schrift oder in der Aussprache einiger Wörter der eigene» Sprache mit Benennungen in einer fremden zu finden glaubt, während sie nach der unseren nur sinnlose Töne cnthaltcn. So wird in de» Erdbeschreibungen des letzten Jahrhunderts zuweilen ein Kloster der: heiligen Laura in Griechenland erwähnt. Die Griechen haben jedoch keine Heilige dieses Namens, wohl aber haben sic ein Kloster, das so berühmt ist, daß eS vorzugsweise ^k«oz>", das beiligeKloster, heißt. Also ist die heilige Laura diesem Kloster als Patronin zugeschrie ben worden, weil man (,k«A>«), anstatt cS mit Kloster zer übersetzen, für den Eigennamen gehalten hat, obgleich dessen Trägerin mit diesem Kloster niemals in einem anderen Verhältnisse gestanden, al« eben mittelst dieser Art von Gleichnamigkeit. — Fand nicht sogar dcr alte Geschichtsschreiber Viüc-Hardouin in den Namen Gxcicu« und älethono die Französischen Wörter und moutou; denn so nennt cr in seiner Chronik jene beiden Städte. — Rings um uns in den allen Städten bieten die Namen der ältesten Straßen dergleichen seltsame Verdrehungen ihrer Namen gleichfalls häufig dar: Wohl nubr als ein Bücherwurm mag, wenn er in dcr liuo «los Zrö» (Sandstein- Slraßc) in Paris nach allen Tröstern wählt, nicht daran denken, daß er eigentlich in der Kuo (Iroos (Griechen-Straße) ist. —- Noch weniger dürste dcr Mauberl-Platz, vermöge des beständigcn Geschreies, von dem cr wiedcrhallt, das Andenkcn an AlbcrtnS Magnus zurückrusen, zu dessen Lcbistundcn, als er nach Paris gekommen, ein solcher Zulaus war, daß seine Zuhörer von dcr in den Universitäts-Annalen so be rühmten Fouarrc-Slraße, in welcher damals der philosophische Kursus abze- baltcn wurde, bis hin zn dem benachdarle» Platze wogten. Doch eben nach dem Namen dicscs großen Philosophen ist dcr Platz der Meister-. So soll auch der Name bcS Orte« Moabit bei Berlin aus Ler Benezi-- nunq Ikerr« entstanden senil, welche die Gründer desselben, Franw- lische Ausgewanderte, denen damals icner Fleck überlasse« worben, demselben beücaten