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Mit besonderer Herücksickiigung äer AntbropoloZie unä Etbnologie. Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von vr. Richard Kiepert. Braunschweig Jährlich 2 Bünde L 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. 1877. Cameron's Reise quer durch Afrika (1873 dis 1876). Magomba, welcher schon 1857 bei Burton's Durchreise in Kanyenye herrschte, hatte noch bei Cameron's Ankunft die Macht in Händen. Seine Unterthanen behaupteten, daß er über 300 Jahre alt sei und schon zum vierten Male die Zähne geschichtet habe; sein drittes Gebiß sei vor ungefähr sieben Jahren ausgefallen und seitdem habe er nur von npombs«, dem dortigen Biere, gelebt, da er Fleisch, das sonst einzig würdige Nahrungsmittel eines so hohen Herrn, nicht mehr genießen konnte. Daß er weit über hundert Sommer zählte, glaubt auch Cameron, da seine Enkel schon alt und grau waren. — Ein ähnliches Beispiel afrikanischer Langlebigkeit erzählt auch Dr. Livingstone, welcher 1871 oder 1872 beim Ma Kazembe einen Mann, Pembereh, fand, der schon Kinder von über 30 Jahren hatte, als Dr. Lacerda ihn 1776 kennen lernte, und der nach Angabe der Araber noch 1874 .am Leben war, damals also über 130 Jahre gezählt haben muß. Auch hier in Kanyenye wieder Aufenthalt wegen Be trunkenheit des mit der Tributerhebung beauftragten Beam ten, welcher, als er nüchtern geworden, nicht weniger als 100 Doti (200 Nards Baumwollenzeug) forderte, aber so fort sich mit 20 zufrieden gab, als er eine werthlose blaue Brille erspähte und sie auf vieles Bitten geschenkt erhielt. — Dem Eintritt der Eingeborenen in das Lager wurden keine Hindernisse in den Weg gelegt, so daß den ganzen Tag über eine habgierige, laute, aber lustige, zum Spaßmachen, Lachen und Verwundern aufgelegte Bande sich darin Herumtrieb, deren Geschnatter und Geknurr oft klang, als wenn sich ein Hundert wilder Hunde um die Beute zankten. Auch ein II. Urenkel Magomba's, als präsumtiver Thronfolger besser gekleidet und reinlicher als die klebrigen, stattete den Rei senden seinen Besuch ab. Zum Zeichen seines hohen Ran ges und weil er es nicht nöthig hatte zu arbeiten, hatte er die Nägel seiner linken Hand zu enormer Länge wachsen lassen, so daß er dieselbe, welche viel kleiner als die rechte war, zu nichts anderm benutzen konnte, als um seine tägliche Fleischnahrung zu zerreißen. Cameron hatte eben einen Besucher entlassen, als er einen Schuß im Lager hörte: sein Diener Mohammed Malim hatte beim Pistolcnreinigcn aus Zufall einen der Leute, Na mens Sambo, mit dem er in Streit gerathen war, in den Kopf geschossen. Zum Glück war der Negerschüdcl so dick, daß die Kugel nicht eingcdrungen, sondern zwischen Schädel und Schwarte entlang gelaufen war und am Hinterkopfe durch einen Schnitt leicht hcrausgeholt werden konnte. Ca meron setzte seinen Diener während der Untersuchung des Falles in Arrest; das genügte aber einigen unverschämten Kerlen nicht, welche kamen und verlangten, daß jener in Ket ten gelegt würde; sonst würden sie ihn erschießen. Das empörte den Reisenden freilich dermaßen, daß er die Kerle selbst in Ketten legen ließ. Die Untersuchung kostete einen weitern Tag; denn Cameron erinnert sich nicht, jemals an einem Tage so viel Lügen und falsche Zeugnisse gehört zu haben als damals. Auch der Häuptling von Kanyenye oder seine Rathgeber verlangten vier Doti, weil auf ihrem Boden Blut vergossen sei, und Cameron verstand sich aus Furcht vor weiteren Verwickelungen und Aufenthalt zum Zahlen. In Kanyenye machte der Reisende einige Mondbeobach- Glvbus XXXI. Nr. 21. 41