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238 Gregor Potanin's Reise in der westlichen Mongolei. werden als Muster von Nettigkeit und reinlicher Haltung gepriesen, ihre Obstgärten bringen die feinsten Aepfel, Bir nen und Granatäpfel des Reiches hervor. Ihre Grenze findet die Turk-Bevölkerung im östlich anstoßenden Ländchen Kurla; jenseits des Kaidu oder Karaschar-Flusses, der im Bostang-See sein Ende findet, gewinnt die Tatar-Race die Oberhand, dasKalmak- und Khitai-Element." Der Grenz staat gegen China, Turfan, beherbergt in den Wüsteneien seines südlichen Theiles an der Grenze gegen Lob wie in diesem wilde Pferde und Kameele. „Jäger beschreiben das wilde Kameel als klein, dUnnfüßig, zweihöckerig mit einer sehr weichen warmen Wolle von hellbrauner Farbe; es ist äußerst flink in seinen Bewegungen und sehr boshaft; auf seine Verfolger geht es kühn los, wenn es in Noth ist, und greift sie durch Beißen wie Stoßen mit dem Fuß heftig an; verwundet wendet es seine Wuth gegen sich selbst. Mit Seinesgleichen lebt es in Unfrieden und verjagt das wilde Pferd von feinen Weideplätzen." Ein Kalmak-Händler von Jangihissar erzählt: „Dieses wilde Kameel heißt Jawa- Thuga; ein bei meinem Lager von Jägern getödtetes Thier habe ich selbst genau besehen; es ist nicht viel größer als ein Pferd und zweihöckerig. Beim Anblick von Menschen entflieht die Herde nicht, sondern grast weiter, aber gejagt oder angeschossen stellt es seinen Verfolger und greift ihn mit Hufen und Zähnen an. Man stellt ihm seiner Wolle wegen nach, die von Turfan-Händlern hoch bezahlt wird. Das wilde Pferd heißt Kulan; es ist ein Pony mit hohem Widerrist und schmalem Vordertheil; man jagt es nur aus Sport." Gregor Potaninas Reise in der westlichen Mongolei. u. L. Ueber diese schon wiederholt von uns berührte (s. „Globus" XXX, S. 288, XXXI, S. 64) Unterneh mung liegen jetzt mehrere Briefe Potanin's vor (Jswestija der Kais. Russ. Geogr. Ges. XII, Heft 5 und 6), wonach es demselben als dem ersten Europäer gelungen ist, den Südlichen Altai (Khamur-daban oder Ektag Altai der Karten) von Westen nach Osten zu übersteigen. Die dabei angcstelltcn Höhemnessungen namentlich werden von großem Interesse sein, da in jenen Gebieten viel massigere Gebirgs- erhcbungen liegen, als man bisher auf Grund der chinesischen Karten, den einzigen Quellen, annahm. Am 20. August n. St. verließ die Expedition das chinesisches Städchen Bulun-tochoi und erreichte zehn Tage später, nachdem sie am Ostufer des Sees Ulungur entlang gegangen und bei der Fähre Dürbeldshin den reißenden und tiefen Schwarzen Irtysch in einem Boote überschritten hatte, die Ufer des Kran (rechter Zufluß des Irtysch) beim Felsen Tulta, 10 Werst vom Lamakloster Schara-sume, der Residenz eines Tsagan-gygen (hoher buddhistischer Geistlicher, etwa unserm Bischof entsprechend). Nach jenem Felsen wird das 12 Werst weiter flußaufwärts gelegene Klosterstädtchen auch Tulta genannt. Bis dorthin ereignete sich nichts außer den gewöhnlichen Verzögerungen bei Flußübergängen u. dergl. Dort aber hatte die Expedition einen Zusammenstoß mit dem Klosterpöbcl—denn Kloster brüder kann man die Insassen nicht nennen, weil sie nichts anderes sind als eine Bande mongolischer Räuber, welche den Tsagan-gygen in Abhängigkeit erhält, obwohl sie ihn gleichzeitig mit einer unumschränkten Macht und Gewalt über Menschenleben bekleidet. Es hatte anfangs gar nicht in der Absicht Potanin's gelegen, nach Tulta zu gehen; viel mehr wollte er direct den Paß Dshamar (Dshamaty des andern Briefes?) im Altai überschreiten. Allein dessen weigerte sich der vom Zaisan-Posten mitgenommene Führer und wollte nur bis Tulta mitgchen. Noch am Abend des 17. August zum Städtchen selbst hinaufzusteigen 2), ging nicht i) Trotz dieser Bezeichnung als chinesische Stadt hat Bulun- tochoi doch eine Einquartierung von einer Sotme russischer Kazake», welche in einem Tempel Hausen und die Ruhe in der Umgegend aufrecht erhalten. Die Stadt hat wenig über 300 Häuser mit 1700 Einwohnern (Sibe, Solonen, Chinesen, Oelöt, Tschacharcn, Kalmücken u. s. w.) von sehr zweifelhaftem Charakter. 2) Tulta liegt nach Matusowski'S Karte (Sapiski der Ruff. Geogr. Ges. für allgem. Geogr. V) auf dem hohen linken Thalrande des Kran. au, da es rings um dasselbe kein Futter gab, während der ganze Thalboden des Kran 10 bis 15 Werst weit (vom Kloster Schara-sume bis Balbagai) ununterbrochen mit Aeckern der Oelöt und der Kirgizen bedeckt ist. Dort ist die Kornkammer des östlichen Theiles des südlichen Altai, und bis vom Ostabhange des Altai aus dem Thale des Flusses Kobdo her kommen die Kirgizen dorthin, um Getreide zu kaufen. Außerdem wird dort noch viel Mohn gebaut und das daraus gewonnene Opium in Menge nach Kobdo und Bulun-tochoi gebracht. Am nächsten Tage, dem 18.(30.) August, aber brachen die Russen zum Kloster auf, in der friedlichen Absicht, dem Tsagan-gygen Geschenke zu überreichen und ihn um einen Führer zu bitten. Ein Haufen Leute vertrat ihnen jedoch den Weg und forderte sie zur Umkehr auf, während zwei herantretende Offiziere meinten, daß es für diesen Tag für einen Besuch bei dem hohen Geistlichen schon zu spät sei, und daß die Fremdlinge ani nächsten Morgen wiederkommcn sollten, wo ihnen Stadt und Tempel gezeigt werden und sie die gebührende Ausnahme finden würden. Am folgenden Tage aber (19.s31.) August) fanden sie nichts vondemVer- fprochcncn. Die Klosterbevölkerung schien vielmehr wie aus gestorben, und auf den Straßen zeigten sich nur einige Mon golen, welche sich weigerten, die Russen zu irgend einer Be hörde zu führen, widerwillig antworteten oder ohne Antwort fortgingcn. Es zeigte sich, daß die chinesische Stadtobrigkcit, nachdem sie dem Pöbel diese Handlungsweise eingeschärft, sich selbst versteckt hatte. Aus den Leuten war keine andere Antwort hcrauszubckommen, als „Ardshur" (Packt Euch!). — So beschlossen sie endlich, ohne Begleiter das Kloster und die nur ^4 Werst davon gelegene Chinesenstadt zu be suchen und die Mönche um einen Führer zu bitten. Als sie sich aber dem größten noch unvollendeten Tempel näherten, umringte sie ein Haufen kräftiger Mönche, hieß sie von den Pferden steigen und führte sie auf einen kleinen freien Platz des Ortes. Nach zwei Stunden erschien endlich ein Polizei soldat, von Geburt Mongole und gleichzeitig kirgizischer Dolmetscher beim Stadtvogte, und erklärte ihnen, daß man sie nicht eher loslassen würde, ehe sie nicht ihre Pässe vor gezeigt hätten. Da sich dieselben aber unten bei der Kara wane befanden, so mußten die Russen die Nacht in chinesischer Gefangenschaft zubringen; ein genügendes Quartier wies man ihnen bei einem Lama an. Ihr Wirth war fehr ge-