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39 dic Gardine geschlüpft war, vielleicht um zu- zurcden. Endlich erhob sich vo» Neuen, der Vorhang — aber was ist das? Weich' größte Ucbcr- raschnng? Germania — Livia stand gesenkten Auges Haud iu Haud mit dem Helden der deutschen Flotte ans dem beruhigten Meere in der Mitte, zur Rechten die Frau Räthin mit sehr feuchtem Tüchlein vor den Auge», zur Linken der Herr Stadtrath, welcher sofort sich in die Brust warf, vortrat und fprach: „Verehrte Anwesende und Freunde meines Hauses, gestatten Sic mir, Ihnen meine Tochter Livia und meinen lieben Ncsfen Egon als Verlobte vorznstcllen!" Am folgenden Tage saß Alfons feclen- vcrguügt bei feiner Minni, welche ein dick- gcjülltcö Taschenbuch auf ihrem Schoße hielt. „Nein," sagte sic, „nicht chcr crlMst Du Dcinc Kaution, bis Du vollständig bekannt host- Jetzt hcranS damit, wie hast Du's an- gesangen? Und belüge mich nur nicht, denn ich laufe Dir doch davon, sobald ich einmal merke, daß ich einen bösen Schwarzkünstler, einen wilden Doktor Faustus als Gcsponö be kommen habe, anstatt cincs sinnigen Malers!" Alfons lachte. „Jetzt hat es keine Gefahr mehr," entgegnete er und versuchte, seiner Braut die Haud mit der Tasche z:> küssen, was ihm einen derben Klaps, gleich darauf aber eiucu viel besseren Kuß cinbrachic. „Diesmal danke ich meinem Talente znm ersten Male in meinem Leben einen Erfolg, und zwar einen großen. Auch ich biu Maler! darf ich stolz nuörufen, dcuu niemals ist ein Werk des PiusclS so fürstlich, so kaiserlich honorirt worden, als das meinige, — und doch bcdurstc es dazu nur ciuigcr kühner Striche. Aber au der Klaue kennt man den Löwen, und Genialität geht über Alles!" „Du scheinst schvu gefrühstückt zu haben?" meinte Minni ärgerlich. „Blos vom Thau Deiner Lippen, holde Muse," fuhr Alfons lustig fort. „Aber höre die spaßhafte Geschichte. Jenes AusstcllnngS- bild des Schiffölieutenants war mein Werk und Eigcnthum. Als Du mir von Livia'S Marotte und ihres Vaters Versprechen erzähltest, fiel mir ein Scherz ein, den wir Schüler im Atelier des Direktors gar ost ausgcsührt und damit ebensoviel Verdruß, als Ergötzen gestiftet hatten. Ich verabredete mit meinem Freuudc, dem Vergolder, daß das Bild nur über Mittag iu feinem Schaufenster ausgestellt werden solle; um zwei Uhr ließ ich es täglich nbhclcn, am nächsten Morgen wieder hiutragen. Zu Hause aber arbeitete ich daran. Dazu bedurfte ich deö guten Egon: der war leicht zn haben und zu verführe», als ich nur einmal jein Stammlokal entdeckt hatte. Seine Seele gehörte mir, als ich ihn auf der Küustlerkneipe einführtc. Aber auch sein Körper, diesen brauchte ich, — stahl ihm denselben ab, Tag für Tag ein Stück, wie der mitleidige Bauer seinem Hunde die Ohren beschneidet. Merkst Du's noch nicht? Ich machte ans dem Kricgü- schisfadonis einen Egon. Mit Wasscrdeckfarbcn übertrug ich täglich ciuen kleinen Zug des letztere» a»f de» ersteren; gab dessen Haar an fänglich nur eine» goldigen Glanz, bis es all- mäug in ein recht lebhaftes Braunroth übcr- geführt war, ebenso machte ich cs mit dc» Augen, mit dcm Mund, mit allen Theilen des Kopfes, nur au der Kleidung konnte ich nichts ändern, denn dies acht nicht; cs wird sofort cntdcckt, während die stnfcngcmäße Umwandlung der GefichtözügcNicmand hcrausfindet, der nicht stets mit kunstgcübtem Auge das Original damit vergleichen kann. Wie gesagt, wir haben im Atelier diesen Scherz hundertmal durchgeführt, und Jeder kann tbn nachprobiren. Livia und Dn Wer, Ihr seid mir die besten Zeugen dafür, daß das Kunststück probat ist; die ver himmelte Schöne ging richtig iu die Falle, ließ iu ihren: Köpfchen und Herzchen allmälig die beiden Bilder miteinander verschmelzen, bis sic urplötzlich cntdccktc, daß nur cincs in ihr Wohnung finden könne. Aber, daß selbst meine kluge, kalte, verständige, prüfende Minni sich so weit batte irrcsühren laßen, nm das all- mälige Aufgchen des Kriegers in den blöden Egon nicht zu gewähre:: —" „Geh', laß mich, Dn bist und bleibst ein Schwarzkünstler, oder doch mindestens ein ab scheulicher Bösewicht. Mich so zu hintergcheu! Von den Anderen will ich nichts sagen, ihnen ist Recht geschehen." „Das sag' ich auch, und uns nicht minder, denn siehe, meine kleinen Künste haben mir ein Amt und unS das höchste LebenSglück gc- bracht. Zürnst Du noch? Dann erzähle ich nicht weiter. Nun gut, cs ist bald abgcthan. Natürlich erfuhr Egon nie etwas von den: Bilde, dagegen gab ich ihm genauen Unter richt, wie er sich zu benehmen habe, studirte ihm ein Dntzcnd wunderbar klingende Redens arten ein, lehrte ihn schweigen, machte ihm Gedichte, die er abschrcibcn und überdies aus wendig lerne» mußte. Wein: wir beieinander waren, waö zulcht täglich der Fall, so stellte ich immer die Lwia vor; es war zum Todt- lachcu, aber es ging zuletzt, und der ehrliche Junge hat sich ganz wacker gehalten, wcun er ancls Skrupel darüber hatte, daß er etwas scheinen sollte, waö er nicht war; jedoch die Leidenschaft zu seinem schönen BäSchen über wog alle Bedenken. Meinen letzten Thcater- toup mit den: lebenden BefreinngSbildc hast Du selber gesehen und bewundert. Da Livia von dem Neltungskahne nichts gewußt hatte, so war der Effekt um so größer. Die Uniform wirkte, das Bild ihrer Träume war aus feiucm Rahmen gestiegen und stand leibhaftig vor ihr, was konnte sie anders thun, als sich ihm an's Herz werfen? Die Rechnung war richtig, das Facit Hochzeit nud zwar doppelte. Juchhe!" „Eigentlich sollte ich Dir uicht verzeihen, Vcrräther —" „Du verzeihst mir doch, dcuu Du uimmst mich ja zum Manne." „Wer weiß? Aber nimm Deinen Hut, wir wollen Möbel anschcn." — — — — Ein Vierteljahr »ach diese»: Gespräch sagte die Fra» Muse»mSk»stos zu ihren: mit NichtS- thrm vielbeschäftigten Gatten: „Apropos, wird denn endlich einmal das unselige Bild aus dem Vergoldcrladcn weg- gcschasst und verbrannt werden?" „Oho," fuhr Alfons empor, „mein Meister werk! Ich hatte eS ganz vergessen. Aber wie kommst Dn so plötzlich darans?" „Weil eS mir heute srüh eiucu TodeSschrcckcn verursacht hat," cutgeguetc die allerliebste, juugc Frau mit strafender Miene. „Dn weißt, daß Livia, vorgestern vo» ihrer Hochzeitsreise zmückgekommen, mich bitten ließ, sic bei ver- jchiedcnen Einkäufen zu begleiten; nichts ahnend traten wir auch, um ciuen Spiegel zu ecsehcn, bei dcm Vergolder ciu, und plötzlich tauben wir vor dem unglückseligen Gemälde iu einer wiedcrfcrtiggcstclltcu, ursprünglichen Schönheit. Die Glieder bebten mir, ich wagte uicht empor zu sehen, ich fürchtete eine cmtsetz- ichc Katastrophe. Denke Dir daher mein Er- tannen, alö Livia, nachdem sie das Porträt eine Zeit lang sehr aufmerksam betrachtet hatte, völlig gleichgültig zn mir sagte: Ich begrcise wirklich nicht, Minni, wie Du cmalö darauf hast kommen können, daß dies Bild ncincm Manne gleiche. Ich selber habe das niemals gefunden, wcun ich auch manchmal,*' von Deinem Eifer angestcckt, eine gewisse Aehn- lichkeit gefunden haben mag; mein Gott, wenn man Jemandem innerlich so recht gut ist, so er ¬ blickt man ihn ja überall. Aber diese kalten, geistlosen Züge — nein, da ist mir mein Egon doch tausendmal lieber. — Dn kannstDir denken, daß mir dabei ein wenig die Galle überlief, aber ich dachte an Dich, Böjewicbt, und hielt an mich. Mein Egon, sagte sie, ist so lieb, wie man nur jein kauu; ich habe ihm jetzt schon alle meine Tagebücher seit mcincr frühesten Kindheit vorgclescn." „Um Gotteswillcn, hör' auf, Weib!" rief AlfonS, „sonst bekomme ich dic sürchtcrlichstcn Gewissensbisse. Aber das berühmte Bild wollen wir Hcrbcischaffen und hier aufhängen in unserem Hciligthum, und sobald ich bemerke, daß meine Tyrannin nach irgend einem Egon schielt, der etwa den: ersten ähnlich sieht, dann brauche ich dic alten Künste." „Thörichter Mensch," lachte Minni, „weißt Du den:: uicht, daß, wem: wir Euch einmal haben, also kennen, keine Kunst mehr hilft, kein Zauberbild?" Der KlMerschuh zu Weicheuhass. (ZlUMuNion ScUe:<».) Am linken Ufer der Saalach, in nächster Nähe des Badeortes Rcichcnhall, ist in: ver flossenen Jahre ein uralter Friedhof entdeckt worden, welcher »ach den angcstelltcnForschungen unzweifelhaft auS der Nömerzcit her datirt. Die Gräber sind in dcm KieSbodcn oder in dem Gestein einer mit Alpenpflanzen bcwachfenen Bergwand angelegt und die Bestatteten ver- rathcn ihrer Schädclbildung nach germanischen Ursprung. Von christlichen Symbolen fand man in den bisher geöffneten Gräbern nichts, vielmehr vieles, waö auf römische Zustände hinweist, wie z. Ä. die Münze, welche die Römer ihren Abgeschiedenen als Fahrgeld für die Fahrt über den Styx in den M:md legten. Neben Waffen und Messern fanden sich Schmucksachcn aller Art, stellenweise von vollendeter Schönheit: silberne Armspangcn, Ohrgehänge, Filigran arbeiten von unzweifelhaft orientalischer Arbeit. Perlen von Thon, GlaS, Email, Bernsteinu.s.w. Man schloß daraus auf eine uumittelbarc Bcr- binduug der Bestatteten mit der Römcrperiode und fand diese Annahme durch neue, werthvollere Fundcdcnnamhvoll bestätigt. UusercJllustration auf Seite 36 zeigt Abbildungen einzelner solcher Gegenstände. Nr. 4 ist ein Altar, dessen In schrift noch uicht ganz entziffert ist, soviel zu ersehen, jedoch der Vcrherrlcchuug eines Sieges gcwidmcr war. Nr. 2: Eine Denkmalbckrönung in Form eines DachgiebelS, wegen der kunst vollen Ausführung von erhöhten: Interesse. Der Aussatz ist 1,2 m laug, 80 om breit und 40 om hoch. Dic vier Bilder in dcm Halb- mcdaillon scheine» Familienportraitö und das Ganze dcm Gedächtnis; einer hochgestellten Familie geweiht gewesen zn sein. Nr. 1 ist ein Theil von einer eisernen Gürtelschnalle, Nr. 3 ein emschncidigcö Knrzschwert, Nr. 5) ein Stück Broncevcrzicrnng, Nr. 6 eine stählerne Haar- schccre und Nr. 7 eine Goldmünze, in ver größerter Darstellung, welche in dem Kiefer einer alte» Frau gesuudcu wurde. Da ei» großer Theil der aufgcfuudeueu Gegenstände unzweifelhaft Zeichen vaudalischcr Verstümme lung tragen, so ist die Annahme wohl berechtigt, daß mau, nachdem die Römer aus Deutschland vertrieben waren, alle Andenken au ihre einstige Herrschaft absichtlich zu zerstören bemüht war und dic Fragmcutc zur Auöfülluug dcr Gräber germanischer Helden verwendet hat. Sehr wahr scheinlich werden weitere Ausgrabungen mehr 'derartige Beweismittel zu Tage fördern, welche über daS Lebyn und Treiben unserer Vorfahren Aufschluß geben.