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36 „Minni," sagte er plötzlich, „vielleicht kann unS doch geholfen werden. Ich habe einen Plan, er ist Mn, ober versprechend, ist des Schweißes der Edlen werth. Du sollst darin keine andere Nolle iidernelnncn, als die folgende: Morgen frül> beliebst Dn Dich zn dein Nathe Herrn Wertheim und sprichst die gcflügclleu Worte: Ist cö Ihr Ernst, vcrehrnngswürdiger Herr Stadtralh, daß Sie wir sechstausend Mark geben wollen, wenn Livia binnen heute und einem Vierteljahre die Verlobte Ihres 'Neffen Egon wird? Und wenn er „Ja" sagt, dann uöthigst Dn ihn scherzhast gewandt znm Schreibtisch niid bittest ihn, Dir das Per Der sprechen schriftlich zu geben. Thnt er'S nicht, je null, daiiii ist die L>ache zil Eiide; entschließt er sich aber, daun laß mich sorgen, der Erfolg ist mir sicher." „Alfons, was hast Du vor? Dn verwickelst doch nicht mich nnd Dich in Ungelebenheiten ? Ich bin sest iiberzengt, Herr Wertheim, der ja weift, was ich über Livia vermag, giebt mir' die schriftliche Zusage; aber was soll ich dann thnn? Das mnft ich wissen." „Nichts Ungerechtes," bekräftigte der Maler, „ich habe meinen Plan fertig, und er wird gelingen, das sagt mir eine innere Stimme. Dn aber, liebste Minni, sollst weiter gar nichts thnu, als auf die seltsame Schrulle Deiner poetischen Freundin' eingeheu, und sie, so oft als möglich bei ihrer Bilderschan begleiten. Alles klebrige ist meine Sache; daft ich Dir nichts Verwerfliches znmuthe, weisst Dn; hier meine Hand darauf." Sic sah ihm eiucn Moment lang sest in die Angen, dann schlug sie ein: „Der Versuch soll gemacht werden!" Und das Komplet war beschlossen. In der Mittagsstunde des nächsten Tages wandelte Minni neben der schönen, reich nnd anssallend gekleideten Livia, der sich viele Blicke zn- nnd nachwandten, dnrch die belebte Friedrich strasse. Als sie dem Laden des Vergolders nahe kamen, drückte Livia der gleichmisthigen sein mnft! Vertiefe Dich in diese edlen Zuge, iii den geistigen, ja begeisterteil AuSdrnck, der anö ihnen einer gleichbesaitcten Seele entgegcu- lenchtet, sich diese rcizcndc Füllc dunkler Ringcllvcken —" „Halt," unterbrach sic die Freundin, „von schwarzen Locken sehe ich da keine Spur; dies Haar ist eher braun, ich möchte sagen, von un bestimmter Farbe, aber ganz entschieden spielt eS in das Röthliche." „Das ist der goldige Schimmer der Be leuchtung," entgegnete eifrig die schöne Livia; „aber wer wird am Einzelnen mäkeln, wenn das Ganze jo gewaltig wirk! in seiner harmo- v-räkcrschah zu Mcichculmls» (Mit Text auf Seite 3!>.) Gesährtin die Hand. Diese aber konnte ein znfriedeueS Lächeln nicht unterdrücken, denn in der Tasche hatte sie schwarz ans weift den Schein des Nathsherrn ans sechstausend Mark, den ihr derselbe sofort und unter den heiligsten Bekräftignngcn ausgestellt, ehe sie seine Tochter zu ' ihrer Wanderung nach dem ver ehrten Bilde abgeholt hatte. Und da standen sie nun vor dem Wunder. Livia heftete ihre senchten, glänzenden Angen daraus. Minni aber hatte sich vorgenommen, es nnn einmal recht aufmerksam zu betrachten, nnd wenn nöthig, unbarmherzige Kritik zu üben. „Schau nnn selbst," sagte daS jüngere Mädchen schwärmerisch, „ob man diesem Urbild der männlichen Jngendschönhcit nicht gut Nischen Znsaminenstimmnng! Kannst Dn mir cS verdenken, daft ich vom ersten Augenblick an gefesselt war dnrch dieses unvergleichliche Bild, ans welchem so deutlich die schöne Seele in schönen Formen spricht, daft ich mir gelobt hatte, mir der Mann soll der meinige sein, der ihm völlig ähnlich sei. Sieh', liebe Minni, jeder höherorganisirtc, der Alltagswclt entrückte niid poetischer Verklärung entgegcnstrebende Mensch muh ein Ideal haben, nach welchem er ringt; ich habe das meine gefunden und werde "ihm treu bleiben. Aber ,Dn lachst, Ge fühllose? Freilich liegt das über Deinem Horizonte, armes Wesen!" „Ich lache über die Gecken, welche Dick so dreist lorgnettiren," erwiderte Minni, rasch gc-