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uEöM^euisscWi'r oukc« o8K^k ^ei378k wi^oE-Lä (12. Fortsetzung.) Da sagte Ledoux: »Zugegeben! Der Brief ist gelesen worden. Das ist unser „Warum denn so aufgebracht, Herr Hauptmann? Be streite ich Ihnen denn Ihr Recht? Ich bin nur nicht für Um wege. — Und sind Sie nun weiser geworden nach Kenntnis dieses Briefes?" „Nein! Aber die Verdachtsmomente haben sich um einen vermehrt." „Verdachtsmomente! Gegen mich?" ' „Jal" „Das bedaure ich. Gegen Uebelwollen bin ich machtlos. Ich muß mich fügen, wenn es auch schwer ist. Mich tröstet nur die eine Tatsache, daß Sie es noch schwerer haben, denn Sie müssen beweisen." „Wir werden es!" „Erst können, Herr Hauptmann! Diesen Brief können Sie im „Matin" veröffentlichen, so harmlos ist er. Was ent hält er? Grüße und Erinnerungen an vergangene Stunden." „Richtig! Aber die Umstände, Frau Mata Hari, sind sehr sonderbare. Sie hielten sich monatelang hinter der Front apf. Sie bekundeten das intensivste Interesse an den Vor gängen da vorn. Sie hatten keinen anderen Verkehr als nur Offiziere. Sie lasen Bücher, die sich mit Kriegsgrund und Kriegsziel beschäftigen und nicht ausschließlich in nationalem Sinne geschrieben waren. Sie korrespondieren mit deutschen Offizieren. Sie kennen zwei gegnerische Spionageleiter. Sie reisten wenige Wochen vor der Offensive zu einem der beiden und zwar zu dem berüchtigtsten Spürhund, den die Gegner besitzen. Unsere Offensive beginnt, vorbereitet wie noch nie eine militärische Operation und das Resultat ist: Nichts! Gleich Null! Und warum gleich Null?! Weil...!" Er beugte sich weit zu Mata Hari hin und sah sie starr an „Nun? Weil - . .? Warum vollenden Sie nicht?" fragte sie und ihr Herzschlag stockte, aber ihre Stimme war fest Ihre Nerven vibrierten und drohten zu zerreißen, aber die großen schwarzen Augen hielten den Tigerblick des Haupt manns aus. „Reden Sie," rief sie ihm zu. Lassen Sie sich vom Mui wer Frau beschämen?" Ledour zuckte die Achseln und stand auf. Die Bewegung, die er machte, ebbte auch ihre Erregung b. Sie fühlte als Gewißheit, daß sie einer nochmals an- üürmenden Flut nicht gewachsen sein würde. Und mußte euch stark bleiben. Was sollte ohne sie aus Marow werden? Aus Marow? Der Gedanke an ihn füllte sie plötzlich so vollkommen aus aß sie sich vornahm, den Gegner da vor sich, bei erster sich netender Gelegenheit zum Freunde zu wandeln. Ledoux, der im Zimmer auf und ab geschritten war und :?tzt vor ihr stehen blieb, sagte: „Ich habe mich widersetzt gegen den Verdacht, der gegen Sie laut wird. Ich kann es nicht für möglich halten, daß ems Französin ,. / „Irrtum, Herr Hauptmann. Ich bin keine Französin." „Daß eine Dame, die Gastrecht genießt," verbesserte er, „gegen die Interessen des Landes handelt, das ihr Heimat und Schutz bietet. Es sträubt sich etwas in mir, das auch jetzt zu glauben. Und doch, wenn ich mir die Umstände vergegen wärtige und wenn ich Sie so vor mir sehe: Energisch, kraft voll, mutig und ungewöhnlich intelligent, muß ich gestehen, daß Sie der Aufgabe, die Ihnen gestellt sein könnte, ge wachsen sind." Da war es, auf was sie wartete. Sie faßte zu, kam dem neuerlichen Ansturm, den sie fürchtete, zuvor. „Das Kompliment ehrt mich, H-'rr Hauptmann," sagte sie. „Ich weiß nun nicht, ob Sie den Weg zu mir finden werden. Hoffe es aber." Ledoux war verdutzt. „Sie sehen mich erstaunt, Madame," sagte er. und Mata entgegnete liebenswürdig: „Ich habe schon viele Männer erstaunt gesehen, Herr Hauptmann." „Den Weg zu Ihnen finden?" „So ist es. — Ich könnte mir nämlich denken, daß es weit wertvoller für Sie und Frankreich sein dürfte, wenn — um mit Ihren Worten zu reden — diese ungewöhnliche Intelli genz für Frankreichs Sache mobil gemacht würde. — Phan tomen nachzujagen ist ein undankbares Geschäft. Sie und Ihre Herren setzen ihre kostbaren Kräfte an etwas, das vor bei ist. Das kaum zu erweisen ist. Dessen Ergründung nutz los ist, weil sie auf die Ereignisse keinen Einfluß mehr aus übt und ausüben kann " Ledoux sah die Sprechende an, wie man etwas noch nie Ge sehenes ansieht und Mata fuhr plaudernd fort, als ob sie von den gleichgültigsten Dingen der Welt rede. „Soweit sich Ihr Verdacht gegen mich richtet, ist er — ver zeihen Sie das harte Wort — unsinnig Ich kenne die Herren, deren Bekanntschaft mir zum Vorwurf gemacht wird, schon seit vielen Jahren. Besonders Richters ist mein guter Freund, weil er ein treuer und anhänglicher Mensch ist. Wären Sie, mein lieber Herr Hauptmann, an einer Freundin vorübergegangen, die zufällig am Wege zu Vater und Tochter wohnt? Sie sind Kavalier, ich bin Dams An der Ausübung der einfachsten Gebote des Anstandes kann und darf uns auch der Krieg nicht hindern." Wie sonderbar war doch Ledoux zumute. In ihm wirbelten die Gedanken durcheinander. Eine weiche warme Stimme glitt über seine Seele. Zwei geheim nisvolle Augen sahen ihn an und kosten seine Sinne. Eine Frau, der Prinzen und Fürsten huldigen, wollte seine Mit arbeiterin werden. Vielleicht gar mehr werden. Machte Andeutungen, die so viel versprachen. Welcher Mann ist nicht willig und gern geneigt, aus den Worten einer schönen Frau das für sich herauszuhören, was ihm schmeichelt? Ledoux machte keine Ausnahme. Mit Gewalt riß er sich zusammen. Aber seine Stimme klang sonderbar, als ob sie ihm gar nicht gehöre, als er er widerte: „Wenn ich Sie recht verstehe, Madame, wollen Sie Frank reich nützen? „Ich habe mich schon bemüht, das in Vittel zu tun. Dienst an den Verwundeten, ist auch Dienst am Vaterlande." „Sehr richtig! Ich vergaß! Verzeihung, Madame." „Nicht doch, Herr Hauptmann, es bedarf keiner Entschul- digung. Ich hätte ja greinend zum Minister oder zu einem Ihrer Generäle laufen können, wenn ich anders veranlagt wäre, als ick bin. Ich achte die Pflicht. Die taten Sie. Des halb kam ich zu Ihnen." Der galante Franzose küßte seiner Gegnerin schweigend die Hand und Mata Hari strich ihm mit der linken Hand leicht über den Scheitel, als er sich über ihre Rechte beugte. „Wenn es zu viel ist, Herr Hauptmann, die Wandlung vom Gegner zum Freunde an einem Tage," sagte sie mit verwirrendem Lächeln, „dann bin ich bereit, mich morgen um die gleiche Stunde zu Weiterem einzufinden." „Sie sind gütig, Mata Hari. Ich danke Ihnen und er warte Sie morgen." Damit begleitete er sie zur Tür. Stolz und doch verbindlich verließ ihn die Siegerin. 14. Mata Har! machte sich keine großen Hoffnungen, auch keine Vorwürfe. Was sie getan, hatte sie unter Zwang ge tan. Vorläufig! Erliegen wollte sie ihm nicht. Sie mußte den blinden Freund retten, der hilflos und mittellos in ihren Schutz gegeben war. Sie ordnete ihre Angelegenheiten. Sie hob das letzte Geld ab. Sie traf Dispositionen, als ob es zum Tode ging und bestellte ihr Haus so gewissenhaft und vollkommen, wie es auch der umsichtigste Mann nicht besser konnte. Dann fuhr sie mit Marow zur russischen Gesandtschaft, seine Aus- und Einreisegenehmigung zu erwirken. Dort muhte sie eine weitere trübe Erfahrung machen, nämlich dis, daß der Rittmeister infolge seines Verzichtes auf alle Ansprüche die Ueberfahrtskosten selbst zu tragen habe. Der Landweg nach Rußland war gesperrt. Der Seeweg teuer und unsicher. Ob und wann ein Dampfer nach Peters burg fuhr, war unbestimmt. „Und was ist da zu tun?" fragte Mata. „Warten," sagte der Diplomat. „Und wenn man das nicht kann?" „Dann besteht die Möglichkeit im Chartern einer Mokor- yacht. Das ist in diesem Falle noch das zuverlässigste und sicherste Beförderungsmittel, weil Sie die Rote Kreuzflagge führen können." „Wie teuer, Herr Lsgationsrat?" „So um zehntausend Franc herum." „Um Gotteswillen," rief Marow, „wer soll das bezahlen können?" „Die Versicherungsprämien sind hoch. Herr Rittmeister," antwortete der Russe. „Sie können trotz des Preises von Glück sagen, wenn Sie überhaupt ein Fahrzeug bekommen." „Würden Sie die Güte haben, Herr Legationsrat, meiner Tante, der Fürstin Malakow, in diesem Sinne zu schreiben und in meinem Namen um diesen Betrag bitten? Ich kann es ja nicht." „Gern, Herr Rittmeister. Und wo erreiche ich die Frau Fürstin?" „Auf ihren Gütern in Sjenno." „Ist das das Sjenno im Dreieck Polosk, Witebsk, Mobilem?" „Ja." „Dann dürfte sie nicht mehr dort sein." „Warum?" „Operationsbasis!" Wieder war eine Hoffnung zuschanden. „Dann muß ich hier bleiben, bis der entsetzliche Krieg zu Ende ist." „Das mußt du gar nicht, Lex. Es wird sich alles wenden." „Wir werden jedenfalls versuchen, dis Adresse der Frau Fürstin zu ermitteln und geben Bescheid. Herr Rittmeister." Mit diesem mageren Trost mußte sich Marow bescheiden. * » * Behutsam half Mata dem Rittmeister ins Auto. „Zur Lefebrs-Reedsrei" befahl sie dem Chauffeur und setzte sich neben den blinden Freund „Diese Widerwärtigkeiten." stöhnte er „und dieses Halb totsein. Dieses Nicht-sehen-können! .Zum sterben." „Gib mir deins Hand. Lex So. — Und nun sei ganz still. Sprich nicht Laß deine Traute handeln." Wie zwei Kinder fuhren sie dahin. Im Glück aber nicht ins Glück Warum den lieben großen Jungen schrecken, der den Tag nicht sah und dessem Denken keine Ablenkung ward Sie wollte für ihn tragen, was er nicht zu tragen vermochte. „Womit kann ich dienen." fragte der Portier der Reederei die Ankommenden „Ich möchte Monsieur Lefebre sprechen." „In welcher Angelegenheit?" „Warum so neugierig? — Melden Sie mich." Sie gab ihm die Karte. Nach einer Minute schon bat die Privatsekretärin die Herr schaften ins Chefkontor. „Laß mich hier warten, Trautlieb," sagte Marow, „ich bin schon so fern dem Wirklichen, daß ich zu nichts nütze bin." Wortlos drückte ihn Traute in den Sessel und ging mit der Sekretärin davon. Auch im Privatkontor Lefebres war es das gleiche wie überall. Mit Mata Hari trat eine andere Welt ins Zimmer. Wer sie begrüßen durfte, tat es freudig und beglückt. Der alte Lefebre kannte die Besucherin schon seit Jahr zehnten Er war ein reicher Herr und verkehrte in den exklusivsten Salons von Paris, überall da, wo auch Mata Hari zu Hause war. „Das ist charmant, daß Sie mir die Ehre geben," begann er und schob ihr den Sessel zurecht. „Womit kann ich dienen?" Ohne Umstände brachte Mata Hari ihr Anliegen vor. „Ich brauche eine Motoryacht zur Fahrt nach Petersburg." „Nach Petersburg? — Auch in Rußland ist Krieg. Bleiben Sie bei uns, Mata, was haben Sie in Petersburg verloren?" „Lieber Lefebre, kann ich die Nacht haben oder nicht?" „Nicht gut." „Also doch! Ich wußte es ja, Sie sind ein prächtiger Mensch. — Uebrigens, sie fährt unter der Roten Kreuzflagge. . Ganz ungefährlich. Nimmt nur einen Verwundeten an Bord." „Herrn Rittmeister Marow?" „Kombinieren Sie oder wissen Sie?" „Beides, Madame." „Paris ist ein Dorf." „Oder Mata Hari ist die Königin der Pariser, Wir haben Sie so lange entbehren müssen, daß wir ..," Sie icknitt ihm die Rede ab. „Im Vestibül wartet der Rittmeister. Um drei Uhr habe ich eine Unterredung — irgendwo, aber wichtig! Sie sind mir nicht böse, Lefebre, wenn ich es kurz mache. Wieviel kostet der Kahn?" „Kahn? — Erlauben Sie, Maka, es ist meine Privatyacht." „Lieb von Ihnen. Wie immer! Was wird zu zahlen jem?" Lefebre wiegte den Kopf. Mata half nach: „Rote Kreuzflagge. Risikolos. Persönliche Gefälligkeit Ihrer ergebenen Freundin erwiesen, macht,, .?" „Zwölftausend Franc." „Einverstanden! Hier sind zweitausend als Anzahlung. Quittung in meine Wohnung bitte. Abreise wird noch be kanntgegeben. Herzensdank, mon cher. Au revoire." Draußen war sie. Nur den bestrickenden Duft ihres Par füms ließ sie zurück. Am Nachmittag fuhr sie zu Ledoux. Das war ihr schwerster Weg. Auch dort hatte sie Eile. Sie wußte nicht, was in ihr war. Unruhe, Pein, Scham, Grauen! Was war es? Vielleicht alles in einem. Die Knie zitterten, als sie über die Schwelle schritt. Ledoux kam ihr entgegen. „Willkommen als meine Mitarbeiterin," sagte er und streckte ihr beide Hände entgegen. Mata legte die ihren hinein. Mechanisch und zaghaft. „Sie sind nicht auf der Höhe, liebe Freundin, finde ich," bemerkte Ledoux und küßte die Spitzen ihrer Finger „Ich bin es auch nicht, Herr Hauptmann. Mir ist, als ob ich ein Unrecht zu tun im Begriffe sei. Bald wär ich schwankend geworden." Er führte sie zu einem Sessel und nahm ihr gegenüber Platz. „Sie tun kein Unrecht, Mata," versuchte er zu beruhigen. „Nur einen Dienst erweisen Sie uns. Einen sehr wichtigen sogar, aber für Sie keinen allzu beschwerlichen." „Welcher Art soll er sein? Bemessen Sie ihn vorerst nicht zu hoch. Ich weiß nicht, ob ich ihm gewachsen bin." Ledoux sah sie lange an. In seinem Blick lag Zuneigung und mehr noch. Da senkte Mata den ihren und über sein Gesicht huschte wohlgefälliges Lächeln. „Ich hätte Sie so gern um mich gehabt," begann er. „Sie glauben mir das, Mata?" Sie nickte. „Es gibt auch in Frankreich zu tun. Aber da ist eine eilige Instruktion an einen unserer Brüsseler Agenten zu befördern Wir haben zur Zeit niemanden, der das schnell und zuverlässig tun könnte. Sie kommen uns wie vom Himmel geschickt. Als Holländerin reisen Sie unbehelligt. Die Grenzen stehen Ihnen offen. Reiseroute: England, Holland, Belgien. Können Sie morgen fahren, Mata?" „Ja," sagte sie und drohte an diesem Wörtchen zu ersticken. „Dann, bitte, nehmen Sie diesen Brief an sich" - Er reichte ihr ihn hin. — „Ich weiß ihn in guten Händen. Spesen stehen an der Kasse zur Perfügung. „Danke, Herr Hauptmann. Die Spesen kann ich verlegen," lehnte sie ab. „Man weiß ja nie, wieviel man braucht." „Ganz wie Sie wollen, Mata." „Und auszurichten oder zu ermitteln habe ich nichts?" „Nein! Ich möchte Sie recht bald wieder hier sehen." „Dann bin ich wohl für heute entlassen?" Ledoux verneigte sich. „Aber wenn Sie heute abend mein Gast sein wollten, Mata! Ich brauche wohl nicht zu versichern, daß ich mich glücklich schätzen würde." „Jedem Wiedersehn pflegt ein Abschied vorauszugehen. Diesen kann nichts versüßen und für Selbstbetrug bin ich nicht Wenn ich Ihnen den ersten Dienst geleistet habe, dürfen Sie mich gern auszeichnen. Das also wär beim Wiedersehen " Mochte er bei diesen Worten denken, was er wollte. Heim, nur heim, das war ihr einziger Wunsch. Ledoux war einen Augenblick verstimmt. Dann aber sah er in ein lächelndes Gesicht und zwei nachtschwarze Augen- Do war er es zufrieden. (Fortsetzung in der Sonnabend-Nummer.