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Zuschlag vvn 5 Prozent zur Einkommensteuer erhoben werden. Dieser Zuschlag trisst alle Angestellten, Be amten, die freien Berufe, Gewerbetreibende usw. Die Mehr- einnahme beträgt 58 Millionen. Die Ledigensteuer besteht darin, daß bei Einkommen bis 2640 Mark der jetzige Abschlag von 25 Prozent der Ein kommensteuer wegfällt. Bei den darüber hinausgehenden Einkommen soll außer dem Wegfall dieses Abschlages, der bei diesen Einkommen einen Betrag von jährlich 36 Mark aus macht, ein Zuschlag von 10 Prozent zur Einkommensteuer er hoben werden. Erleichterungen sind vorgesehen, wenn Ledige unverheiratete Kinder zu erhalten haben. Die Ledigensteuer soll 168 Millionen erbringen, von denen 5,5 Millionen den Ländern überwiesen werden. Ferner ist eine Verkürzung der S1 e u e r s ä l l i g k e i t s f r i st e n bei der Banderolensteuer und eine gleichzeitige Verlängerung der Kontingentierung um ein Jahr mit einem Ertrage von 48 Millionen vorgesehen. Schließlich sollen im Haushalt für 1930 100 Millionen zuzüglich eines Betrages von 35 Millionen aus dem Haushalt für 1929 gespart werden. Der Minister betonte daun, daß die vor geschlagenen Maßnahmen die Voraussetzung für eine end gültige Bereinigung der Finanzschwierigkeiten seien. Er trat der Auffassung entgegen, als ob im Haushalt Hunderte von Millionen zu sparen seien. Es verblieben wenig über eine Milliarde Mark, an denen man sparen könne. Unter diesen Umständen bedeute die Ersparnis von 100 Millionen eine Kürzung von 10 Prozent. Im übrigen müsse betont werden, daß sich die Gesamtaktion aus das laufende Haushaltsjahr beschränkt. Gegenüber den Angriffen der Öffentlichkeit müsse auch fest gestellt werden, daß es sich durchaus nicht um ein Zurück weichen vor der Kapitalflucht handele, sondern es werde lediglich der Macht der Verhältnisse Rechnung getragen. Bezüglich der Zukunftsaussichlcn erklärte der Minister, angesichts der Lage des Arbeitsmarktes sei noch nicht zu übersehen, ob die getroffene Schätzung des Steuer ausfalles standhalten wird. In erster Linie müsse sich das Programm der Regierung auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit konzentrieren. Dazu sei nötig, die Finanzen in Ordnung zu bringen und das Vertrauen in die Wirtschaft wicderhcrzustellen, die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähig zu machen und Arbeit zu beschaffen. Die entscheidende Frage sei, ob es gelinge, die Preise herunterzubringcn. Nur wo die Neigung zur Preissenkung bestehe, werde man unbedenklich die öffentlichen Aufträge vergeben können. Im Zusammenhang mit der Arbeitslosenversicherung verwies dann der Minister noch auf die vom Arbeitsminister eingeleiteten Maßnahmen, die die Reform der Krankenkassenver sicherung und die Einstellung der Bewilligung neuer Reuten an Kriegsbeschädigte betreffen. Zum Schluß erklärte der Minister, daß es sich darum handele, den Staat leiftungs- und zahlungsfähig zu erhalten. Das Reich sei seiner- Verpflichtungen nicht nur bis auf den heutigen Tag nachgekommen, sondern werde ihnen auch in Zukunft nachkommen. Das deutsche Volk habe schon schwieri gere Zeiten überwunden als die gegenwärtigen. Die weiteren Verhandlungen der Ausschüsse waren ver traulich. * GtaiifielLung? Um Bekanntes kurz zu wiederholen: Das Defizit im Neichshausyalt für 1930 setzt sich zusammen aus Minder einnahmen gegenüber dem ursprünglichen Voranschlag — 135 Millionen — und den Mehrausgaben für Arbeits losenversicherung und Krisenfürsorge — 620 Millionen. Auch dies alles ist nur vorläufige Annahme; sollte sich die Entwicklung der Finanzen in jenen beiden Richtungen auch weiterhin ebenso ungünstig oder noch ungünstiger gestalten, so wird, wie im Reichstag der Reichsarbeits- minister Dr. Stegerwald bereits angekundigt hat, ein noch schärferes Anziehen der Steuerschraube notwendig sein. Das bei den Einnahmen entstandene Defizit soll nun in der Hauptsache gedeckt werden durch Abstriche auf der Ausgabenseite des Neichshaushalts mit etwa 100 Mil lionen; es gibt wohl keine Partei, die mit diesem Vor schlag nicht einverstanden wäre, nur gibt es mehrere, die nach dieser Richtung hin viel schärfere Forderungen ge stellt haben. Im Rahmen des Gesamthaushal'ts mit seinen jetzt schon weit über 13 Milliarden gestiegenen Ausgaben bedeuten diese 100 Millionen nur 0,8 Prozent! Die restlichen 35 Millionen Einnahmedefizit sind gedeckt dadurch, daß sich das in das Etatsjahr 1930 übernom mene Defizit von 1929 um 35 Millionen geringer heraus- gestcllt hat. Die gesamten Steuererhöhungen und die anderen Maßnahmen zielen also ab auf eine wenigstens vorläufige „Glattstellung" — denn eine wirkliche Sanierung be deutet das noch nicht — bei der Arbeitslosenversicherung und der Krisenfürsorge, die ja zu einem Fünftel vom Ak SWlUkWmg in MWM eine ganze Reihe von Ordnungsrufen er- * (186. Sitzung.) daß der Präsident -eilen mutzte. wird an der Versorgung der Kriegsbeschädigten und -Hinterbliebenen nichts geändert. Es sollen damit die Versorgungsbehörden nur befreit werden von der Bearbeitung gänzlich aussichtsloser An träge, die erst zwölf Jahre nach dem Kriege eingehen. Sitzungsbericht. OL. Berlin, 28. Juni, fuhr in der Beratung des Haushalts des Der Reichstag , , ... Reichsarbeitsministeriums fort. Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald begründete kurz die Novellen zum Reichsversorgungsgesetz. Mit den Novellen Reichsversorgung und Invalidenversicherung Deutscher Reichstag. Der Reichstag beschäftigte sich in der Hauptsache bei der weiteren Beratung über die zweite Lesung des Etats des Rcichsarbeitsministeriums mit den Vorlagen, die mit der Sozialversicherung Zusammenhängen. (Es handelt sich dabei hauptsächlich um die Novellen zum Reichsversorgungs gesetz.) Hierbei nahm Dr. Stcgerwald wiederum das Wort, um seine Stellung zu diesen Gesetzentwürfen zu skizzieren. Von der sozialpolitischen Debatte hatte man die Krankenver sicherung ausgenommen, da die von der Regierung hierzu angekündigte Novelle noch nicht vorlag. Dagegen war vom Ausschuß dem Hause eine ganze Reihe von Entschlietzungcn vorgelegt worden, in denen u. a. Material über die Frage des Ausbaues der Invalidenversicherung vorgelegt und die unverzügliche Vorlegung eines Rentnerversorgungs- gcsetzes gefordert wurde. Die Debatte nahm zum Teil einen ziemlich erregten Charakter an, da die von verschiedenen bürgerlichen Rednern an der Sozialversicherung geübte scharfe Kritik den Protest der linken Seite des Hauses hervorrief, so ^»nzwiicyen Kommunisten ein Mißtrauens ¬ antrag gegen den Arbeitsminister eingegangen. Abg. Karsten (Soz.) verlangte eine Verbesserung der Kontrolle bei der Invalidenversicherung, um den Beitrags mogeleien in der Landwirtschaft und in der Hauswirtschaft ein Ende zu machen. Abg. Soth (Dtn.) wies auf die Bedeutung der Siedlungs frage hin. Die Siedlung müsse vor allem einen Wall gegen die Polengefahr bilden. Bevölkerungspolitisch habe die bisherige Siedlungspolitil versagt. Abg' Frau Schröder (Soz.) verlangte Ausdehnung des gesetzlichen Arbeitsschutzes aus die Landarbeiter und Land arbeiterinnen und die Wiedereinstellung der vier Millionen Mark für Kinderspeisungen in den Haushalt. Abg. Gräf- . Dresden (Komm.) gab die Schuld an der Verschlechterung der Sozialversicherung den Sozialdemokraten. Abg. Freidel (Wp.) betonte gegenüber den Reden der Sozialdemokraten und Kommunisten, daß nach seiner Ansicht in keinem anderen Lande der Welt die Sozialversicherung so ausgebaut sei wie in Deutschland. In weiteren Ausführungen ventilierte dann der Redner den Gedanken der Arbeitsdienstpflicht. Abg. Frau Arendsee (Komm.) forderte den Ausbau des Mutterschutzes. Abg. Lipinski (Soz.) sorderte Matznahmen zur Belebung des Bau- und Wohnungsmarktes, der nur durch eine Herabsetzung der Zinsen angeregt werden könnte. Abg. Frau Dr. Hertwig- Bünger (D. Vp.) begrüßte die Ankündigung des Bausparkassen gesetzes. Abg. Richter-Hildesheim (Soz.) trat für eine stärkere Unterstützung der Odlandsiedlung ein, für die man nicht nur wie im vorigen Haushalt einmalig, sondern alljährlich zwei Millionen Mark zur Versügung stellen sollte. Abg. Passehl (Soz.) warnte dringend davor, die Interessen der Kriegs beschädigten einer verkehrten Sparpolitik zu opfern. Derartige Pläne fänden den schärfsten Widerspruch seiner Parteifreunde. Frau Abg. Dr. Matz (D. Vp.) bedauerte es, daß sich bei der augenblicklichen Finanzlage ein Rentnerversorgungsgesetz nicht durchsetzen lasse. Damit war die Aussprache über die Sozialversicherung beendet. Die Novelle zum Versorgungsgesetz wurde dem Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen, das Gesetz über die Fälligkeit der Aufwertungshypothcken dem Rechtsausschuß. Dann wurde die Weiterbcratung des Arbeitsetats aus Montag vertagt. Reich getragen wird. Hierfür wird durch die Beitrags erhöhung und durch eine Einschränkung der Leistungen an bestimmten Stellen ein Teil des Ausgleichs zwischen Einnahmen und Ausgaben bzw. Schulden geschaffen werden; zur Abdeckung des Restes sollen bei der Ein kommensteuer Erhöhungen bzw. Zuschläge erfolgen, deren Ertrag auf etwa 300 Millionen berechnet wird und die in ihrer jetzigen Form eine gewisse Verbesserung dessen bedeuten würden, was hierin der frühere Reichsfinanz minister Dr. Moldenhauer verlangte, weil dabei jetzt die untersten Beamtenklassen fortfallen. Schließlich werden aus einer Verkürzung der Zahlungsfristen für die Tabak steuer noch 40 Millionen herausgeholt. Aber auch den Kommunen, die ja unter den immer schwerer werdenden Wohlfahrtslasten seufzen, wird ein „Stück Kuchen" offeriert: die Ermächtigung, eine Schank verzehr- oder eine Logiersteuer zu erheben, also eine Art Sonderumsatzsteuer auf das Gastwirts- bzw. Hotel gewerbe, wie sie übrigens in Italien ausgiebig und — sehr ergiebig erhoben wird. TW Kommunen können statt dessen aber auch — als Kopfsteuer auf alle Erwerbstätigen — eine „Vürgerabgabe" ausschreiben; die Deutsche Volks partei hat diesen Besteuerungsvorschlag, der übrigens in einzelnen Kommunen bereits durchgeführt ist, in ihrem Programm zur Anregung gebracht. Was nun überhaupt die Parteien zu diesem neuen Steuerbukett sagen und wie sie sich parlamentarisch dazu stellen werden, wird sich ja Wohl im Laufe dieser Woche noch ergeben. Davon wird es ja auch abhängen, ob der Reichskanzler auf dem üblichen Wege durch den Reichs tag und den Reichsrat zum Ziel kommt oder ob er einen anderen Weg wählen wird und — kann. Zwei Tote bei einem Automobilunglück. Ein mit Trauergüsten besetzter Autobus fuhr in einer Kurve zwischen Zillisheim und Brunstatt im Elsaß mit voller Wucht in einen Straßengraben und gegen einen Baum. Alle Insassen wurden aus dem Wagen geschleudert. Sieben Personen wurden schwer verletzt; zwei von ihnen sind unmittelbar nach der Einliekeruna in das Kolmarer Krankenhaus gestorben. Auch bei den anderen Schwer verletzten besteht Lebensgefahr. Blitzschlag in eine Spiritusrafsinerie. In Pardu bitz in der Tschechoslowakei geriet durch einen Blitzschlag die Spiritusraffinerie Wertheimer A.-G. in Brand. Es brannten sechs kleinere Spiritusbehälter nieder. Das Feuer griff dann auf die großen Behälter über. Die Arbeiter konnten sich glücklicherweise rechtzeitig in Sicher heit bringen. Eine Zisterne mit einem Inhalt von 150 Hektolitern flog mit donnerartigem Getöse in die Luft. Auf dem Brandplatze arbeiteten zwei Regimenter Sol daten. Man rechnet damit, daß der Brand noch einige Tage dauern wird. Ein amerikanisches Gefängnis von Lynchlustigen be lagert. Der Gouverneur von Nordkarolina hat eine Kom pagnie Nationalgarde nach dem Städtchen Concord ent sandt, wo das Gefängnis von mehreren hundert Personen belagert wird. In dem Gefängnis befinden sich sieben Neger, die beschuldigt sind, sich an einem jungen weißen Mädchen vergangen zu haben. Es besteht die Gefahr, daß die Menge das Gefängnis stürmen wird, um Lynchjustiz an den Negern zu üben. Cholera in Afghanistan. Wie aus Afghanistan ge meldet wird, ist im Gebiet von Jalalabad eine Cholera epidemie ausgebrochen. Das persische Gesundheitsamt hat die Grenzen sperren lassen und geht daran, Quarantäne stationen zu errichten. Ein Flugzeug mit Choleraserum und Ärzten ist von Teheran in das gefährdete Grenzgebiet geschickt worden, da die Einwohner längs der Grenze geimpft werden sollen. ' Ein Eiscnbahnzug durch Erdrutsch verschüttet. Nach Meldungen aus Tokio ist ein Eiscnbahnzug bei Hamaguchi durch einen umfangreichen Erdrutsch vollkommen begraben worden. In dem Zuge befanden sich fünfzig Reisende, deren Schicksal vorläufig ungewiß ist. Achthundert Ar beiter sind mit der Ausgrabung des Zuges beschäftigt, ohne daß es ihnen jedoch bisher gelungen wäre, zu den Passagierabteilen vorzudringen. Bunte Tageschronik Lübeck. Die Zahl der Todesopfer des Tuberkuloseserums hat sich wiederum um eins vermehrt, so daß jetzt 46 Säuglinge gestorben sind. 23. Fortsetzung Nachdruck verboten 17. Die Tage vergingen Alice in nicht endenwollender Lang weile; sie war weit besser erzogen worden, als sich für ihre Verhältnisse eignete, und wiewohl sie ihrer Familie von Her zen zugetan, so konnte sie sich doch in deren engen, beschrank ten Verhältnissen nicht mehr zurechtfinden. Rose, die ein zige im Hause, mit welcher sie vollständig harmonierte, war nur wenig daheim, sie erteilte Unterricht und wurde in den Familien ihrer Schülerinnen so gerne gesehen, daß sie sich weit mehr bei diesen als im Kreise der Ihren aufhielt. Wie das so häufig im Leben zu gehen pflegt, war Alicens ganzes Streben nach den, Besitze gerade desjenigen Gutes ge richtet, welches das Geschick ihr nicht beschicken zu haben schien, nach der Liebe ihres Mannes. „Ich vermöchte das Leben nicht zu ertragen, wenn es ewig so bleiben sollte!" dachte sie oftmals; „es soll, es muß mir gelingen, seinem Herzen nahe zu stehen!" Während die schöne junge Frau händeringend und wei nend Nacht um Nacht sich abhärmte in Gedanken an den Ge liebten, war Lord Carsdale emsig beschäftigt; Tage und Wo chen flogen ihm in fabelhafter Schnelligkeit dahin; Ende Ok tober sollte er zu 'einem Regiments nach Gibraltar abreisen. Er sollte nur noch der Trauung seiner Schwester beiwohnen und dann die nötigen Vorbereitungen zur Abreise treffen, und dieser Gedanke war ihm gar nicht unangenehm; gerade ein längerer Aufenthalt in Gibraltar sagte ihm zu;' seine Frau natürlich, die mußte zurückbleiben. Er wollte ihr frei stellen, ob sie bei ihren Eltern verweilen oder ein Häuschen in der Umgegend von London beziehen wolle. Er hatte die Idee gänzlich aufgegeben, den Seinen von seiner übereilten Vermählung Mitteilung zu machen, es war ihm klarer ge worden denn je, welcher Unterschied zwischen Alice und fei ner Mutter und Schwestern bestehe; er erkannte, daß bei so , grundverschiedenen Elementen an eine wechselseitige Verstän digung niemals zu denken sei; so lange seine Eltern lebten, mußte mithin diese Ehe als strenges Geheimnis gewahrt blei be«. Es fiel ihm gar nicht im entferntesten ein, daß er durch sein Benehmen seiner Frau Schmerz bereite; er hatte ihr reichliche Mittel gegeben, den Ihren helfende Hand geboten, ihr jeden Komfort zur Verfügung gestellt; was also konnte sie mehr fordern? Er bedachte nicht, daß ein warm pulsie rendes, lebhaft, leidenschaftsvoll empfindendes menschliches Herz mehr fordern könne, als nur dies allein! „Liebe oder Haß," klagte die junge Frau in leidenschaft lichem Schmerze; wenn er mir die eine oder die andere die ser Empfindungen weihen wollte! Alles ist besser als diese stumpfe Gleichgültigkeit!" Lord Carsdale gedachte nur leiten des jungen Wesens, das Entzücken über seine eigene Großmut war etwas ver blaßt und er erinnerte sich so wenig als möglich der ganzen Angelegenheit. Am Tage vor der Hochzeit langte Lady Pierrepont mit Edith an; Hugo befand sich im Billardzimmer, als der Wa gen vorfuhr, und fragte seine Schwester, ob sie nicht wisse, wer komme. „Die Pierreponts, wenn ich nicht irre!" entgegnete sie und er fühlte mit einem Male den unruhigen Pulsschlag seines Herzens. Er sollte sie also sehen, diese wunderbare Schönheit, deren Bildnis seit Wochen seine Phantasie so lebhaft be schäftigte. „Gehen wir, stehen wir Mama beim Empfang zur Seite!" „Nein," lachte Linda, „das geht nicht, Hugo; Schönheiten zeigen sich niemals gerne im Reisekostüm: warte, bis du ge rufen wirst!" „In einem Fieber der Ungeduld folgte er dem Rat der Schwester, fühlte sich aber total unfähig, weiter zu spielen und die Billardpartie kam zu einem überstürzten Abschluß. Doch er harrte vergeblich eines Rufes nach dem Boudoir seiner Mutter und die Speiseglocke hatte bereits laut er klungen, ohne daß er die neuen Ankömmlinge gesehen. Als er die Vorhalle durchschritt, um sich zur Tafel zu be geben, traf Hugo mit seiner Mutter zusammen. „Unsere Gäste sind alle angekommen. Hast du die Pierre ponts schon gesehen?" „Nein!" Nun, komme, ich werde dich vor Tisch vorstellen!" Sie traten in das Empfangszimmer und Hugo mußte viele alte Freunde begrüßen, doch das einzige Antlitz, welches zu sehen er sich sehnte, war nicht zugegen. „Hugo," sprach nach einer Weile die Stimme seiner Mut ter dicht an seiner Seite. „Ich will dich Edith vorstellen — doch — was fehlt dir, mein Junge, wie bleich du bist! Ist .dir unwohl?" „Unwohl, Mutter, nein, wie kommst du auf diesen Ein fall?" Und sie durchschritten zusammen das Gemach; die Mut ter selbst führte den Sohn seinem Verhängnis entgegen. 18. In einem einzigen kurzen Augenblick sinkt ein Meteor zur Erde, kann ein glühender Lavastrom das warm pulsierende Leben zerstören, ein einziger kurzer Augenblick genügt aber, auch, um Uber das Wohl und Wehe, um über das ganze Ge schick eines Menschenherzens zu entscheiden! Er ahnte es nicht,, er wäre der erste gewesen, es mit apodiktischer Gewißheit zu) bestreiten; und doch ließ sich nicht in Abrede stellen, daß ein einziger Blick sein Geschick besiegelt hatte, ein einziger Blick, in welchem er die ganze dunkle Glut ihrer Augen in sich auf fing. Seine Lippen bebten, nur mit äußerster Kraftanstren- gung gelang es ihm, «einer Stimme Gewalt anzutun und ihr Zittern zu bemeistern. Einen einzigen Mick ihrer dunklen Augen warf sie ihm zu, ein anmutiges Lächeln umspielte ihre' Lippen, während sie mit höflichen Worten den Sohn des Hau fes begrüßte. „Ich überlasse es dir, Hugo, Edith zu unter halten," sprach die Gräfin, während sie sich an eine andere Gruppe ihrer Gäste wandte. „Ich glaube nicht, daß dies Ihnen allzu schwer fallen werde," sprach das junge Mädchen mit anmutigem Lächeln, „ich unterhalte mich überall; es muß wohl meiner Jugend zuzuschreibcn sein, daß ich mich gar so glücklich fühle!" (Fortsetzung folgt.)