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Sie sotten ihn nicht haben! Sie sollen ihn nicht haben. Den freien deutschen Rl>ein, OS sie wie gicr'ge Raben Sich heiser danach schrei ». Solang' in seinem Strome Noch fest die Felsen stehn, Solang' sich hohe Dome In seinem Spiegel sehn. Solang' die Flosse hebet Ein Fisch aus seinem Grund, Solang' ein Lied noch lebet In seiner Sänger Mund. Sie sollen ihn nicht haben, Den freien deutschen Rhein, Bis seine Flut begraben Des letzten Manns Gebein. „Der Kürst der Ströme." „Der Rhein strömt dahin, umkämpft, umworben wie kein zweiter Strom der Welt, durch die Jahrtausende. Er ist heute zum Schiüsalsfluß der ganzen Welt geworden, denn die ganze Welt hat um ihn gekämpft, und mit größerem Recht als je zuvor trägt der deutsche Strom bis in die Fülle der Zeiten die bedeutungsreiche Bezeich nung, die das Mittelalter ihm ausgesonnen hatte: libeuus klumnmm ?rmeepL." Damit schloß der in Deutschland als Geschichtschreiber des Weltkrieges wohlbekannte Hermann Stegemann sein Werk über den „Kamps um den Rhein", den Kampf also um diesen „Fürsten der Ströme". Und als er das schrieb, standen die schwarzen, blitzesprühenden Gewitterwolken des Rhem-Nuhr-Kampfes über dem „Fürsten der Ströme". Alles schien verloren und die „natürliche Grenze" Frankreichs, wie sie dort seit 700 Jahren gefordert war, schien erreicht zu sein, „l'iäöo rbSnaus", die „rheinische Idee" eines „Pufferstaates" von Frank reichs Gnaden und mit Hilfe der Separatisten rasch Wirk lichkeit zu werden. Aber die wahrhaft „rheinische Idee" war eine ganz andere, als sie von Frankreich aus ins Rheinland exportiert worden war. In Blut und Flam men wurde der Separatismus erstickt allein durch die Rheinländer selbst; denn ohnmächtig mutzte das vom furchtbaren Fieberschauer der Inflation durchschüttelte übrige Deutschland zusehen, wie um die Krone des »Fürsten der Ströme" gerungen wurde, Der Rheinländer ist es vor allem, der sie für Deutschland gerettet hat. Wie ein w ü st e r , w i l d e r L r a u m liegt das alles hinter den Rheinländern, hinter uns Deutschen, aber — nun liegt das alles doch hinter uns wie die gesamte Besetzungszeit der mehr als zwölfeinhalb Jahre, als an jenem dunklen ersten Dezembertage 1918 dem „Fürsten der Ströme" das harte Joch der Fremdherrschaft auf den Nacken gelegt wurde, die letzten deutschen Soldaten ost wärts wandern mußten. Hinter ihnen her rollt von Westen bis an den Strom, ja bis über ihn hinweg, von 100 000 Bajonetten geschützt, die Welle jener „icköe rbsnuns", die mit jenen den Franzosen aus Algier, Tunis, Marokko gut bekannten Methoden der „friedlichen Durchdrin gung" zum Sieg geführt werden sollte. Jede staatliche Gegenwirkung Deutschlands war ja ausgeschlossen, war ja unmöglich gemacht. Aber trotzdem mißlang alles —, am Rheinländer ist's gescheitert. Heute aber, wenn zum drittenmal die gewaltige „deutsche Glocke" des Kölner Domes die nun endlich voll ständige Befreiung künden, die Glocken der Kathedralen von Worms und Speyer hoch über den Grüften der alten Deutschen Kaiser antworten werden, dann wird ein tiefes,bef reitesAufatmendurchalledeut- fchen Lande ziehen. Und in Worte ist der Dank nicht zu kleiden, den ganz Deutschland den rheinischen Volksgenossen schuldet dafür, daß sie ausgehavten haben trotz Not und Druck, trotz lockender List. Ein Kapitel des „Kampfes um den Rhein" ist zu Ende, allmählich sind in ihm hellere Seiten an die Stelle der tiefdunklen des Anfangs getreten. Aber — das wissen wir — nur ein Kapitel ist zu Ende. Neue, andere werden ihm folgen, und „da der Kampf um den Rhein nicht ausgekämpf/ ist, nicht ausgekämpft sein kann, so ist auch dem deutschen Volke, das am Rhein haftet, die Zu kunft Vorbehalten". Das Ende der Fremdherrschaft in Trier, das am 26. Juni von der französischen Besatzung geräumt wurde, fand seinen symbolischen Ausdruck in dem feier lichen Einholen der Trikolore vom Regierungsgebäudc. Trübe Erinnerung an wüste Zeit. Die „S i e g e r" u n d d i e „Boches". Obwohl bei der ganzen Besetzung des Rheinlandes nicht ein Schuß gefallen war und die Bevölkerung sich vollkommen friedlich verhielt, erließen Foch und die Be fehlshaber der einzelnen Armeen geradezu dra konische Befehle. In allen vier Besatzungszonen verkündeten die Armeebefehlshaber den Belagerungszustand und trafen, hieraus gestützt, eine Anzahl Anordnungen, die in das Leben der Bevölkerung außerordentlich störend und hemmend eingriffen. Der erste grundlegende Befehl vom 1. Dezember 1918, der offenbar im Hauptquartier des Marschalls Foch ausgearbeitet war, enthielt u. a. folgende Bestimmungen: Jede Person über 12 Jahre muß mit einer polizei lichen Ausweiskarte versehen sein. (Diese Aus weiskarte hatte zunächst nur für drei Monate Gültigkeit! Die Millionen von Ausweiskarten mußten ohne jeden ersichtlichen Zweck erneuert werden.) In jedem Hause muß eine Liste angebracht sein, auf welcher die darin wohnenden Personen ausgeführt sind. Jede Ansammlung ist verboten. Zu jeder Ver sammlung, Vorstellung oder Zusammenkunft irgend welcher Art muß die Genehmigung eingeholt werden. Zum Druck einer Zeitung, eines Buches, einer Broschüre, eines Anschlags, eines Plakats, einer Zeichnung oder Bekanntmachung ist die Genehmigung erforderlich. Sämtliche Zeitungen standen unter Vor zensur. Der Post- und Telegraphendienst war zu nächst ganz gesperrt. Später wurde der Postverkehr zwar zugelassen, sämtliche Briefschaften unterlagen jedoch der SsksnMMktmg. llen enlkültlen fsknen kton kcsstrungs- tnuppsn eien venbünlkeken IVkScklo sinkt von sUvn psk-sonen «nsnniickon Losoklockts Lknon korvugungsn ru o»-«eissn. Soin» Voi-keili-sgen lto^ ksknsn Kodon ti-sgenito vssml» ru »slulioi-on Uvitislon «tiv kopkdeüeokungvn skrunekmen. LI>Lrle8 rergllwn Vorzensur. Um dem Zensor das Lesen zu erleichtern, mußten die Briefe in lateinischen Buchstaben geschrieben werden und — von Ausnahmefällen abgesehen — dursten sie nicht mehr als zwei Seiten haben. Briefe, die diesen Vorschriften nicht entsprachen, wurden vernichtet. Der Fernsprechverkehr wurde unterbunden. Man ordnete sogar zunächst an, daß sämtliche privaten Fernsprechapparate einzusammeln seien. Der Besitz von Waffen war natürlich untersagt; um versteckte Waffen zu ermitteln, verlangte man sogar unter Androhung schwerer Strafen, daß die Bevölkerung etwaige Besitzer einer Waffe denunziere. Im ganzen besetzten Gebiet wurde die westeuro päische, von der Ortszeit um eine Stunde verschiedene, Zeit eingeführt. Die Offiziere hatten das Recht, Requisitionen vorzunehmen; hiervon machten sie, namentlich im An fang, reichlich und rücksichtslos Gebrauch. In einem Befehl vom 15. Dezember 1918 verlangte man, daß die gesamte Bevölkerung „die den alliierten Armeen schuldige Achtung zu bezeigen habe, indem sie deren Fahnen und die Offiziere grüßt und ihnen auf dem Bürgersteig die Seite nach den Häusern zu überläßt". Diese namentlich in den Städten völlig undurchführbare Bestimmung wurde allerdings schon bald abgemildert, so daß lediglich die Beamten in Uni form (Polizei, Eisenbahn, Post, Feuerwehr) zum Gruß verpflichtet waren. Da man die Blockade gegenüber ocm unbesetzten Deutschland aufrechterhielt, war jede Warenausfuhr nach dem unbesetzten Deutschland verboten. Auch der Waren verkehr in umgekehrter Richtung war weiten Beschrän kungen unterworfen. In einem Befehl vom 31. De zember 1919 heißt es: „Kein Personenzug kann die V o r p o st e n l i n i e n passieren. Jeder Personenver kehr ist daher auf das linke Rheinufer beschränkt." Die Militärbefchlshaber beanspruchten für sich auch das Recht, Beamte abzusetzen und auszu weisen. Sie richteten ferner K r i e g s g e r i ch t e und M i li la r p o l i z e i g c r i ch t e ein. Um die Bevölkerung ab- zuschrcckcn, wurden in der ersten Zeit die langen Listen der Verurteilungen in den Zeitungen und durch Mauer anschlag bekanntgcgeben. In der Betrachtung dieser em- frei ist der Rhein! Von Köln bis Mainz, von Dom zu Dom. Hinauf, hinunter den deutschen Strom, Vom Lurleifels zum Moselkal, Zum Riederwald, zum deutschen Mal, Und durch den Rheingau, durch die Pfalz, Durch alle Gauen hallt's und schallt's; Frei ist der Rhein, frei ist der Rhein! Frei soll er bleiben, frei soll er sein! Mir haben getragen Knechtschaft und Rot, Getragen die kette nach fremdem Gebot, Getragen das grohe, das tiefe Leid, Und wir hoben gebangt: Mann reist die Zeit? Wann kommt die Stunde, wann kommt der Tag, Do sich dies Schwerste wenden mag, Da die Botschaft brauset vom Breitenstein: Unser der Rhein, unser der Rhein!? Und wenn auch der Jahre tausend vergeh'n. Wir wollen gedenken, was uns gcscheh'n. Und Enkel und Enkelsenkei noch. Sie sollen gedenken: Wir trugen das Joch! Doch trieb uns auch Schmach in die Wangen das Liu», Deutsch blieb bas Herz, und deutsch blieb der Mut Und ließ sich nicht blenden von trüg'rischem Schein, Und deutsch war der Rhein, und deutsch blieb der Rhein? Und deutsch ist die Flagge, die wiederum weht, Wo der Rhein durch die deutschen Lande geht, Und das ganze Deutschland jubelt und singt: „Sie sollen ihn nicht haben!", wie Orgelton klingt Durch Berge und Tale, durch Herz und durch Haus Zur fernsten Ferne der Ruf hinaus: Frei ist der Rhein, unser der Rhein, Frei soll er bleiben, frei soll er sein! setzlichen Zustände schreibt Dr. Karl Wachendorf in seinem Buch: „Zehn Jabrc Fremdherrschaft am deutschen Rhein", das in der von Paul Rühlmann herausgegcbenen Schriftcnsolge „Rheinische Schicksalsfragen" erschienen ist: Ein großer Teil dieser Beschränkungen war vom militärischen Standpunkt aus sinnlos. Man darf wohl annehmen, daß bei den Verfassern dieser Befehle zum mindesten im Unterbewutztsein der Wunsch mit gewirkt hat, an der deutschen Bevölkerung Vergeltung zu üben für die Anordnungen, welche das deutsche Heer in Nordfrankreich und Belgien, natürlich unter ganz anderen Umständen, unter dem Zwang der Kriegsnot wendigkeit, hatte erlassen müssen. Sicher ist, daß ein großer Teil der ausführenden Organe, all die Offiziere im Hauptmanns- und LeumanlSräna mit ihren Unter offizieren und Soldaten, die jetzt die zahllosen mili tärischen Bureaus füllten, eine innere Befriedigung dabei empfanden, gegenüber der deutschen Bevölkerung ihre Macht zeigen zu können. Jeder dieser „Siege r" hielt sich für berechtigt, die „B o ch e s" nun einmal ordentlich zu knuten. Wenn die Bevölkerung halbe Tage lang vor den Bureaus auf Abstempelung der Personalausweise oder auf irgendeine sonstige Genehmigung wartete und wenn jemand zu murren wagte, dann erhielt er sicher zur Antwort: „In Belgien und Frankreich habt ihr es ja gerade so gemacht." Natürlich übersah man dabei ge flissentlich, daß Deutschland damals in einem beispiellos schweren Kamps aus Leben und Tod stand und daß harte Maßnahmen im feindlichen Hinterland notwendig waren. Die Schikanen der fremden Besatzung im Rheinland waren demgegenüber vielfach nichts anderes als Ausfluß der Rachsucht. Paßkontrolle ourch sranzomu»? Soldaten.