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No. 99 PAPIER-ZEITUNG. 2881 gewöhnt, alles so leicht und zart wie möglich zu halten. Wenn auf der Rückseite nicht die leiseste Schattirung zu sehen ist, glaubt er sein Bestes geboten zu haben. Abgesehen von der dadurch immer erzielten »weiblichen« Wirkung verleitet dieser zarte Druck zur Verwendung von zu viel Farbe. Angesichts der zur Herstellung einer guten Zurichtung auf hartem Aufzug erforderlichen Zeit fange ich an, an der unbedingten Zweckmässigkeit dieser beliebten Zurichtweise zu zweifeln. Der gewöhnliche, auf trockenem Papier mit hartem Aufzug erzeugte Druck der Gegenwart ist nicht um ein Haar besser, als der Druck, welcher vor 40 Jahren mit minderwerthigen Maschinen auf feuchtem Papier mit weichem Aufzug geleistet wurde, kostet aber vielleicht doppelt so viel. Wir haben erheblich bessere Maschinen, Walzen und Druckplatten, unsere Maschinenmeister sind zweifellos besser geschult als die vor zwei Menschenaltern arbeitenden, und dennoch kosten gut gedruckte Bücher mehr als damals. Es ist Zeit, dass wir überlegen, ob harte Zurichtung ein für alle Drucksorten geeignetes Verfahren sei! Die ungünstige Wirkung vieler Drucksachen wird durch zu schlechtes Papier verschuldet. Ich gebe zu, dass uns niemals bessere Papiersorten zu Gebote standen, als heutzutage, und dass Jeder gutes Papier haben kann, der entsprechende Preise dafür anlegt. Aber Niemand wird leugnen, dass heutzutage viel grössere Mengen schlechtes Papier verbraucht werden als gutes. Das liegt keineswegs an den Papiermachern, sondern an unserer unglück seligen Gewohnheit, beim Kaufen nicht nach der Beschaffenheit Entscheidungen zu treffen, sondern nach der Billigkeit. Namentlich auf das Vorhandensein der für den Druck erforder lichen guten Eigenschaften wird beim Papier zu wenig geachtet. Es ist eine offene Frage, ob die bei uns übliche Art des Hart- und Trocken-Druckens Vorzüge gegenüber der alten Art des Weich- und Feuchtdruckens bietet. Beim Trockendruck wird allerdings das Feuchten und Wiedertrocknen des Papieres gespart, — aber wie viel mehr Mühe bereitet nicht das moderne Verfahren beim Zurichten? Und was haben wir für Vortheile beim Weich- und Feuchtdruck? Ich gestehe, dass ich noch eine tiefsitzende Vorliebe für den Druck auf gefeuchtetes Papier habe. Ich erinnere mich mit Ver gnügen des Duftes, welcher demselben entströmte, des angenehmen Gefühls, welches die Hand hatte, wenn ich Bogen um Bogen am Tympan der Handpresse anlegte, des guten Aussatzes, den ich erreichte, des klaren und lesbaren Drucks, auch wenn die Typen schon etwas abgenutzt waren. Das Ergebniss aus vorstehenden Betrachtungen ist, dass wir nicht auf allen Gebieten unseres Kunstgewerbes gleichmässig vor geschritten sind. Wir haben keine ausreichende Uebersicht mehr über unser Geschäft. Es ist uns über den Kopf gewachsen. Wir erlauben den Schriftgiessern, Material anzufertigen und auf den Markt zu bringen, das wir nicht brauchen, und das unsere Arbeiten schimpfirt. Wir erlauben gerade denjenigen Bestellern, die am wenigsten bezahlen, zerbrechliche und nutzlose Typen zu fordern, und uns geschmacklose Nachahmungen lithographischer und Kupferstich - Arbeiten aufzunöthigen. Wir erlauben unseren Setzern, ihre Zeit mit Arbeiten weiblichen Stils zu vertrödeln, die unvortheilhaft für die ausführende Druckerei und unerfreulich für den Geschäftsmann sind. Wir gestatten unseren Maschinen meistern, ihren eigenen Ideen mit Bezug auf hellen und zarten Druck zu folgen, im Gegensatz zu unsern Wünschen und in Ver kennung der allgemeinen Vorzüge kräftigen und deutlichen Drucks. Statt Meister in unsern Geschäften zu sein, sind wir die ge horsamen Diener von Jedermann, der uns zumuthet, uns seinen Grillen anzupassen. * An vorstehenden Aeusserungen des tüchtigen amerikanischen Druckers wird Vieles überraschen. Wir ersehen daraus, dass auch in Amerika nicht alles Gold ist was glänzt. Wir werden zu dem Schluss veranlasst, dass die zu uns herüberkommenden hochgeschätzten amerikanischen Arbeiten nicht dem Durchschnitt entsprechen, welcher in Amerika rundläuft, sondern meist einer besseren Gattung, zu deren Herstellung wir zweifellos auch im stande wären, wenn dieselben Kosten bewilligt würden. Was De Vinne über Schriftgiesserei-Erzeugnisse, namentlich über die Ueberfeinerung des Haarstrichs, über das vordringliche Auftreten der Ornamentik sagt, muss unsern vollen Beifall erzwingen. Ebenso ist höchst bemerkenswerth, dass der Angehörige eines Landes, in welchem nach allen uns vorliegenden Berichten der Hart- und Trockendruck weit und breit eingeführt ist, an der Zweckdienlich keit dieses angeblichen erhabenen Fortschritts zu zweifeln beginnt. Büchertisch. Unser Heer. 50 Original-Zeichnungen von Carl Röchling, Breslau, Verlag von C. T. Wiskott. 35 Mark. »Unser Heer« ist ein interessantes Seitenstück zu der in demselben Verlage erschienenen Allers’schen Mappe »Unsere Marine«. Wie dort der vortreffliche Situations-Augenblicksmaler heitere und ernste Scenen aus dem Seeleben veranschaulichte, so giebt hier Röchling, der seine intime Kenntniss des Soldatenlebens schon vielfach in reizvollen Bildern bekundet hat, einen Einblick in die Vorgänge beim Kasernen-, Exerzier platz- und Manöverdienst, sowie auch in dienstfreien Stunden. Es liegt nahe, die Leistungen der beiden Künstler zu vergleichen. Dabei findet sich mancherlei Gemeinsames, z. B. in der bei Beiden unverkennbaren Beobachtungsschärfe, in der bildnisstreuen Wiedergabe der Köpfe und Gestalten, der inneren Glaubwürdigkeit der dargestellten V'orgänge. Aber sowohl in der Auffassung als in der Ausführungstechnik zeigen sich erhebliche Unterschiede. Allers ist oft schalkhafter, aber in Neben dingen flüchtiger, Röchling ist durchaus ernst und gewissenhaft und fast pedantisch treu im Beiwerk. Wenn Allers sein Interesse auf die wichtigsten Figuren verdichtet und Nebensächliches in einer Bleistift- Dämmerung verschwinden lässt, giebt Röchling stets ein vollständiges, wohl ausgearbeitetes Bild. Da Röchling auch nicht mit dem bleichen Gesellen Graphit arbeitet, sondern in kräftiger, technisch vorzüglich be herrschter Tuschmanier, so erscheinen seine Darstellungen tiefer, plastischer, energischer. Viele der von ihm zur Anschauung gebrachten Vorgänge spielen sich im Freien ab, wo die ungehemmte Sonnen wirkung scharfe, die Köpfe oft zum Theil verhüllende und seltsam durchquerende Schattenstellen schafft, daher erhalten viele Dar stellungen das Aussehen von Augenblicks-Aufnahmen. Dieser Eindruck wird bestärkt durch eine oft verblüffend naturwahre Darstellung des landschaftlichen Mittel- und Hintergrundes. Einzelne Blätter bekunden unmittelbar und zweifellos, dass der Künstler auch mit der Kamera zu hantiren versteht und seine photographischen Studien geschickt benutzt hat. Bei den Freilichtdarstellungen in voller Mittagssonne zeigt sich einige Male eine Schwäche des Lichtdruckverfahrens, welches mit einer Platte die tiefsten Schatten nicht mehr in der natürlichen Schwärze wiederzugeben vermag, sofern nicht helle Halbtöne darunter leiden sollen. Man sieht bei einigen Blättern, dass im Vorbild nahezu ge sättigte chinesische Tusche vorhanden gewesen sein muss, während der Abdruck nur ein dunkles Bleistiftgrau herausbrachte. Dagegen ist die Reinheit der hellen Lichter überall lobenswerth. Da es dem Lichtdruck nicht möglich ist, die ganze Skala vom hellsten Licht bis zum tiefsten Dunkel mit einer Platte zum Ausdruck zu bringen, könnte bei solchen Bildern mit grellen Kontrasten vielleicht gelegentlich Zweiplattendruck versucht werden. In den Einzeldarstellungen zeigt sich ein grosser, manchmal rück sichtsloser Realismus. Man kann nicht sagen, dass Röchling dem deutschen Soldaten schmeichle. Was er zeigt, das sind echte, vier schrötige, durch den eisernen Druck der Disziplin zur Aufmerksamkeit gezwungene Bauern- und Handwerkergesichter. Selbst der »Herr Ein jährige « gehört einer derben Rasse an. Die mannigfaltig wechselnde Scenerie ist geeignet, den Beschauer zu fesseln. Man sieht die Vater lands-Vertheidiger in allen Stadien der Ausbildung als übermüthigen Rekruten, beimünterricht, beim »langsamen Schritt«, nach dem Marsch im Quartier, als arme Sünder bei der Manöverkritik, in der Kantine und auf dem Fechtboden, vor der Scheibe, beim Alarm — kurz in den verschiedensten Situationen des Soldatenlebens. Es versteht sich, dass auch der oberste Kriegsherr wiederholt vertreten ist, ebenso der Reichskanzler. Die auf grauem, steifem Karton mit je zwei Oberecken festgeklebten Bilder liegen in einer fein ausgestatteten Mappe mit einem riesenhaften, goldene Strahlen versendenden Reichsadler auf der Vorderdecke. Ein reizvolles Brokatvorsetzpapier mit Reichsadlern, eisernen Kreuzen und Reichskronen ist ersichtlich für den vorliegenden Zweck besonders ange fertigt und verleiht auch der Innenseite der Mappe einen reichen Eindruck. Berliner Typographische Gesellschaft. Mit Rücksicht auf diejenigen Mitglieder, welche dem ebenfalls vierzehntägig Mittwochs tagenden Verein für deutsches Kunstgewerbe angehören, wurde in der Sitzung vom 7. Dezember beschlossen, die Sitzungs - Abende um eine Woche zu verschieben. Die nächste Ver sammlung findet demnach Mittwoch, 28. Dezember, statt. Herr Hermann Hoffmann hatte eine kleine Ausstellung typo graphischer Farbendrucke veranstaltet und berichtete über Entwickelung und Darstellungsmittel dieser Kunst. Er zeigte, wie man Holzschnitte und Phototypieen, dann auch autotypische Halbtonplatten mit vollen, später mit modellirten Tonplatten zu Farbenbildern machte. Die Farben stellung der nach dem Vorbild der Federzeichnung ausgeführten Holz schnitte und Aetzungen erfolgt hierbei nach den Grundsätzen der Litho graphie, oft sogar unter unmittelbarer Benutzung lithographischer Platten, auf welchen durch Druckversuche das Passen der Platten geprüft, Korrekturen vorgenommen, und dann erst auf Zink übertragen wird. Redner besprach die verschiedenen, noch nicht abgeschlossenen Ver suche, autotypische Bilder durch photochemische oder manuelle Zer legung der Farben farbig herzustellen und zeigte neue Ergebnisse des Vogel - Ulrich’schen Dreifarben - Lichtdrucks. Auch Bong’sche und Knöfler’sche Farbenholzschnitte waren vertreten, erstere mit leichter Farb-Andeutung, letztere in vollen Farben als Nachahmung einer Miniatur malerei ausgeführt. Drei Entwickelungsreihen zeigten Einzelfarben- Abzüge und Uebereinanderdrucke in systematischer Folge.